„Aller Ehre werth und nicht leicht zu ersetzen ...". Adel, Hof und

De facto wurden aber viele Ämter in Personal- union ausgeübt, sodass Hofdienst und Regierungsämter nicht sinnvoll zu trennen sind.10 Auch Franz Ernst ...
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ISBN 978-3-942158-92-3

9 783942 158923

„Aller Ehre werth und nicht leicht zu ersetzen ...“ Schriftenreihe der AEET, Band 4

Im Rahmen einer Kooperation zwischen Erik Graf Platen und der Arbeitsstelle Edition und Editionstechnik (AEET) der Universität Duisburg-Essen werden seit 2009 die Bestände des gräflichen Privatarchivs systematisch digitalisiert, transkribiert und in Datenbanken erfasst, um sie für wissenschaftliche Untersuchungen und für Anliegen der Heimatforschung bereitzustellen. Der vierte Band der Schriftenreihe der AEET versammelt die Vorträge des vierten Symposions der Arbeitsstelle in Hansühn, das am 21. Februar 2014 stattgefunden hat.

Hermann Cölfen, Sevgi Filiz, Karl Helmer & Gaby Herchert (Hg.)

„Aller Ehre werth und nicht leicht zu ersetzen ...“ Adel, Hof und Höflichkeit

Hermann Cölfen, Sevgi Filiz, Karl Helmer & Gaby Herchert (Hg.)

„Aller Ehre werth und nicht leicht zu ersetzen ...“ Adel, Hof und Höflichkeit Symposion der AEET in Hansühn am 21-2-2014

Schriftenreihe der Arbeitsstelle für Edition und Editionstechnik (AEET), Band 4 Herausgegeben von: Rüdiger Brandt, Hermann Cölfen, Karl Helmer und Gaby Herchert

Universitätsverlag Rhein-Ruhr, Duisburg

Die Drucklegung wurde durch die Sparkasse Holstein gefördert.



Titelbild © Archiv der Grafen v. Platen, Friederikenhof



Umschlaggestaltung UVRR

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.ddb.de abrufbar.

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ISBN 978-3-95605-009-1 (Printausgabe)



ISBN 978-3-95605-010-7 (E-Book)

Satz Sevgi Filiz



Druck und Bindung Format Publishing, Jena

Printed in Germany

Inhalt Hermann Cölfen, Sevgi Filiz, Karl Helmer, Gaby Herchert Vorwort...............................................................................................................5 Franziska Klein Franz Ernst v. Platen. Premierminister, Hofmann, Diplomat...............................7 Karl Helmer Philosoph und Minister. Gottfried Wilhem Leibniz und Franz Ernst v. Platen am Hof zu Hannover........................................................25 Erik Graf Platen Das Familienfideikommiss.................................................................................53 Anja Zawadzki Vornehm, reich und würdevoll. Wozu Adel verpflichtet.....................................69 Katharina Golitschek Edle v. Elbwart Mord am Hofe. Literarische Verarbeitungen der Königsmarck-Affäre...........................................................................................91 Reiner Küpper Stechinello der Moderne – ‚Hofagent‘ unter den Welfen..................................105

Hermann Cölfen, Sevgi Filiz, Karl Helmer, Gaby Herchert

Vorwort Die Arbeitsstelle für Edition und Editionstechnik der Universität DuisburgEssen AEET hat es sich zur Aufgabe gemacht, vorwiegend handschriftliche mittelalterliche und frühneuzeitliche Bestände privater Archive und Bibliotheken, die bisher nicht öffentlich zugänglich sind, digital aufzuarbeiten, zu transkribieren, zu übersetzen, zu kommentieren und in Datenbanken zu erfassen, um sie für die wissenschaftliche Forschung, insbesondere für regionalgeschichtliche Recherchen, bereitzustellen. Unter Mitwirkung von Studierenden und Nachwuchswissenschaftler/inne/n werden dazu methodische und technische Editionsverfahren entwickelt, die in der Editionspraxis Verwendung finden. Seit 2009 erschließen Wissenschaftler/innen und Studierende der AEET in enger Zusammenarbeit das wertvolle Privatarchiv der Grafen v. Platen in Friederikenhof/Gemeinde Wangels/Ostholstein. Diese Familie stammt ursprünglich aus Rügen. Einem Zweig der Familie wurde am Hof des Kurfürsten von Hannover das Grafendiplom zugesprochen. Seit der Belehnung mit der Grafschaft Hallermund im Jahre 1706 nennen sich alle Abkommen ­Grafen bzw. Gräfinnen v. Platen Hallermund. Mit dem Kauf des Gutes Weißenhaus durch den General-Erbpostmeister und Kammerherrn Graf Georg Ludwig v. Platen Hallermund im Jahre 1739 wird die Familie in Ostholstein ansässig. Das Archiv in Friederikenhof umfasst alle wichtigen Dokumente, die mit der Regional- und Familiengeschichte dieses Zweiges in Verbindung stehen. Das vierte Symposion am 21. Februar 2014 in der Evangelischen Christus­ kirche in Hansühn/Ostholstein fand erneut lebhaftes Interesse. Die Vorträge werden in diesem Band veröffentlicht. Für die freundliche Zusammenarbeit danken wir Erik Graf Platen (Friederikenhof ), Jürgen Gradert (Grammdorf ), Pastor Tim Voß (Hansühn) und den vielen Helferinnen und Helfern der Kirchengemeinde. Ebenfalls danken möchten wir der Sparkasse Holstein für den Druckkostenzuschuss und dem Universitätsverlag Rhein-Ruhr, der die Veröffentlichung der vier bisher erschienenen Bände der Schriftenreihe der AEET unterstützt und gefördert hat. Essen und Wangels, im Januar 2015

Franzika Klein

Franz Ernst v. Platen. Premierminister, Hofmann, Diplomat1 „Ich Frantz Ernst des heyligen Römischen Reichs Graff und Edler Herr von Platen, Churfürstlicher Braunschweig-Lüneburgischer Erster Geheimter Rath, Erb-General-Postmeister in denen sämptlichen Braunschweig-Lüneburgischen Landen und in dem Stifft Oßnabrügk, wie auch in denen Hertzogthümern Brehmen und Vehrden, Droste zu Ohsen und Grohnde.“2

Mit diesen Worten – und damit einer beachtlichen Ansammlung von ­Titeln – begann Graf Franz Ernst v. Platen Hallermund im Jahre 1706 eine Ergänzung seines Testaments. Wer war dieser Mann – und warum lohnt es sich, ihn in Augenschein zu nehmen? Heute bestimmen nicht mehr allein die großen Fürsten, Kaiser und K ­ önige die allgemeine Wahrnehmung der politischen Geschichte, vielmehr wurde der Blick über Jahre geschärft für die Rolle von Ritualen, Strukturen und informeller Herrschaft.3 Dennoch stehen bestimmte gesellschaftliche Schichten und Gruppen nur selten im Fokus der Öffentlichkeit, obwohl sie den Alltag, die Machtstrukturen und die politische Kultur geprägt haben. Franz Ernst war ein Vertreter jener Gruppe, die zwar in jeder politischen Geschichte der Frühen Neuzeit ihren Platz hat, in den großen Darstellungen aber meist nur am Rande erwähnt wird, obwohl sie die politische Geschichte der Epoche maßgeblich mitbestimmt hat. Er gehörte zur ersten Garde hinter den Fürsten – und damit zu den Akteuren, die ihr Leben im Dienst ihrer 1

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Dieser kurze Aufsatz hat es sich zum Ziel gesetzt, die wichtigsten bereits vorhandenen Informationen über Franz Ernst zusammenzutragen, zu ordnen und mit bisher unveröffentlichten Archivalien zu ergänzen. Auf der einen Seite soll damit eine Verständnishilfe für die übrigen Texte dieses Bandes, die Franz Ernst immer wieder thematisieren, gegeben werden. Zum anderen soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass weitere Forschungen zu dessen Person, aber auch zu anderen Machthabern hinter den Fürsten, durchaus lohnend sein können. Dies geschieht im Bewusstsein, dass jeder biographische Ansatz das Risiko birgt, die Möglichkeiten des Einzelnen zu überzeichnen und einer zufälligen Folge von Ereignissen einen teleologischen Gehalt zuzusprechen. Dem kann nur durch große Vorsicht entgegengewirkt werden. Archiv der Grafen v. Platen 2-II-b-03 1706-07-19 Testament Franz Ernst – Abschrift. Siehe u.v.a. Brakensiek, Stefan: Zeremonien und Verfahren. Zur politischen Kultur im frühneuzeitlichen Europa, in: Unikate 34 (2009), S. 70-83.

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Herren an den Schaltstellen der großen Politik verbrachten – zum politisch aktiven Adel am Hof. Einige Akteure dieser Gruppe waren bereits Gegenstand genauerer Betrachtungen, wie der Berliner Freiherr Danckelmann oder der Celler Graf Bernstorff.4 Graf Franz Ernst v. Platen ist weniger bekannt – trotz seiner Verwicklung in bedeutende politische Vorgänge des späteren Kurhannovers. Geboren wurde er 1631 als Sohn des Freiherrn Erasmus v. Platen und der Margaretha Katharina v. Alvensleben. Erasmus hatte sich als Feldoberst im 30-jährigen Krieg einen Namen gemacht und wurde ob seiner Verdienste 1630 zum Freiherrn erhoben.5 Der Sitz der Familie befand sich in Granskevitz auf Rügen. Franz Ernst wuchs im Herrenhaus seiner Mutter auf, bevor er in Magdeburg und bei den Jesuiten in Hildesheim zur Schule ging. Wie in dieser Zeit üblich, begab sich auch der junge Platen auf Kavaliersreise und studierte schließlich die Rechte in Straßburg und Altdorf.6 Franz Ernst erhielt damit eine für seine Zeit übliche Ausbildung, die ihm den Weg in den Fürstendienst ebnete. Nach seinen Studien7 trat er etwa im Jahre 1659 in die Dienste des Bischofs von Osnabrück Ernst August aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg und begann damit seine politische und höfische Karriere.8 Ernst August war der jüngste von vier Brüdern, unter denen das Fürstentum Braunschweig-Lüneburg und das Hochstift Osnabrück gemäß den Erbteilungen des welfischen Hauses aufgeteilt waren.9 Zwar regierten die 4

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Siehe Bernstorff, Hartwig Graf v.: Andreas Gottlieb von Bernstorff 1649-1726. Staatsmann, Junker, Patriarch. Zwischen deutschem Partikularismus und europäischer Politik, Bochum 1999 und bereits etwas älter Breslau, Harry/Isaacsohn, Siegfried: Der Fall zweier preussischen Minister des Oberpräsidenten Eberhard von Danckelmann 1697 und des Grosskanzlers C. J. M. von Fürst 1779, Berlin 1878. Zu Erasmus v. Platen siehe auch Burovikhina, Veronika: Die Leichenpredigt über Erasmus v. Platen (1590-1663) als multidisziplinäre Quelle, in: Cölfen, Hermann/Helmer, Karl/Herchert, Gaby (Hrsg.): „Aller Ehre werth und nicht leicht zu ersetzen...“ Geschichte und Geschichten (AEET. Arbeitsstelle Edition und Editionstechnik 2), Duisburg 2013, S. 99-116. Siehe auch Platen, Carl Gustav v.: Geschichte des Geschlechts von Platen, Bd. 2, Neuauflage Hamburg 1986/89, S. 494 ff. An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass Franz Ernst – wie für den Adel der frühen Neuzeit üblich – kein Studium im modernen Sinne abgeschlossen hat. Er hat, soweit bekannt, keinen akademischen Abschluss oder Titel erworben. Der genaue Zeitpunkt seines Eintritts kann nur erschlossen werden. Siehe dazu Frensdorff, Ferdinand: Platen, Franz Ernst, in: Allgemeine Deutsche Biographie (1888), http://www.deutsche-biographie.de/pnd116206608.html?anchor=adb (letzter Zugriff: 03.03.2014, 22:00 Uhr). Einen breiten Überblick über die Geschichte der Welfen ab der Frühen Neuzeit bietet u. a. Aschoff, Hans-Georg: Die Welfen. Von der Reformation bis 1918, Stuttgart 2010.

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welfischen Brüder in ihren Fürstentümern jeweils unabhängig, das gesamte Territorium wurde aber durch Erbverträge im Sinne des Gesamthauses zusammengehalten und die Belehnung durch den Kaiser erfolgte an alle Linien des Hauses gemeinsam. Franz Ernst befand sich damit am Hofe eines aufstrebenden, wenn auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht besonders einflussreichen Mannes. Der Fürstenhof der frühen Neuzeit hatte zwei Funktionen. Zum einen war er persönlicher Sitz und Lebensmittelpunkt des Fürsten und seiner Familie, zum anderen war er Zentrum der Verwaltung des Territoriums, soweit man zu diesem Zeitpunkt schon von einem Zentrum sprechen darf. Daher trennte sich der Hof idealtypisch in zwei Personengruppen, den Hofstaat und die Akteure in Verwaltungsorganen. De facto wurden aber viele Ämter in Personal­ union ausgeübt, sodass Hofdienst und Regierungsämter nicht sinnvoll zu trennen sind.10 Auch Franz Ernst gehörte zu beiden Sphären. Er begann seine Karriere als Kammerjunker und wurde dann einerseits Hofmarschall, also wichtiger Funktionsträger im fürstlichen Haushalt, andererseits wurde er Geheimer Rat, verantwortlich für Regierungs- und Kammersachen. In dieser Eigenschaft trat er verschiedene diplomatische Missionen an. So begleitete er Ernst August 1664 auf einer seiner zahlreichen Italienreisen und geleitete dort Herzogin Sophie ohne ihren Ehemann von Rom nach Venedig. Ein Jahr später reiste er als Gesandter an den Hof Karl Ludwigs von der Pfalz, 1666 nach Stockholm, 1667 beriet er mit den Abgesandten der kurfürstlichen Häuser und vornehmsten Fürsten über den Krieg zwischen Frankreich und Spanien. Im selben Jahr und im Folgejahr besprach er sich in Paris mit dem französischen Minister Lionne, um dann 1669 denkbar glattes politisches Parkett auf dem Kongress zu Nimwegen zu betreten. Solche Gesandtschaften waren nicht zuletzt Ausdruck der Gunst des Fürsten, eröffneten Georg Wilhelm regierte von Celle aus über das Fürstentum Lüneburg und die Grafschaft Hoya, Johann Friedrich von Hannover aus über Calenberg-Göttingen und Grubenhagen und Ernst August eben als Bischof über das Hochstift Osnabrück und die Grafschaft Diepholz. Nach dem Tod Johann Friedrichs 1679 erbte Ernst August dessen Territorien und verlegte seinen Hof nach Hannover, blieb aber weiterhin Bischof von Osnabrück. Der älteste Bruder, Christian Ludwig, starb bereits 1665. 10 Vgl. Müller, Rainer Albert: Hofstaat – Hofmann – Höfling. Kategorien des Personals an deutschen Fürstenhöfen der Frühen Neuzeit, in: Holz, Petra/Malettke, Klaus/Grell, Chantal: Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.-18. Jahrhundert). Internationales Kolloquium veranstaltet vom Seminar für Neuere Geschichte des Fachbereichs Geschichte und Kulturwissenschaften der Philipps-Universität Marburg in Zusammenarbeit mit der Universität Versailles Saint-Quentin (ESR 17 - 18) vom 28. bis 30. September 2000 in Marburg, Münster 2002, S. 37-54, hier S. 43 ff.

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sie doch erhebliche Karrierechancen.11 Franz Ernsts Weg führte ihn so durch halb Europa und machte ihn zu einem Teil des diplomatischen Netzes des Kontinents. Die Nimweger Mission gehörte in das Umfeld eines der bedeutendsten politischen Ziele des Hauses Braunschweig, welches Franz Ernsts Karriere wesentlich mitbestimmte.12 Ernst August strebte nach der Kurwürde für Braunschweig-Lüneburg. Die Kurfürsten waren die vornehmsten Fürsten des Reiches, ihnen oblag die Königswahl. Die Welfen gehörten zu den vornehmsten Adelsgeschlechtern des Alten Reiches und waren daher nicht weit von den Kurfürsten entfernt. Sie versuchten sich, wie auch andere bedeutende Adelsgeschlechter, durch den Aufstieg ins Kurkolleg von der Masse der anderen Fürsten abzuheben. In Nimwegen war die Erhebung in den Kur­fürstenstand selbst noch kein Thema, aber die zeremonielle Gleichstellung mit den Kurfürsten sollte die Weichen für die Zukunft stellen.13 Die Vertreter des Hauses Braunschweig, unter ihnen Franz Ernst, sollten als Botschafter mit vollen Rechten anerkannt und entsprechend zeremoniell gegenüber der Position von Gesandten erhöht werden, um vollwertig auf Augenhöhe mit den Vertretern der Kurfürsten agieren zu können.14 Im Zeremoniell drückten sich idealtypische Machtstrukturen aus, es war damit ein Spielfeld der Agonalität zwischen den Fürsten. Die Mission misslang weitgehend. Franz Ernst blieb anwesend, anders als die Vertreter der übrigen welfischen Linien, erreichte aber nur den Status eines ministre plénipotentiare.15 Sein eigentliches Ziel blieb ihm damit verwehrt. Diese historisch bedeutende

11 Vgl. Schindling, Adolf: Kurfürstenhöfe und Fürstenhöfe im Heiligen Römischen Reich, in: Holz, Petra/Malettke, Klaus/Grell, Chantal: Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.-18. Jahrhundert). S. 245256, hier S. 248 f. 12 Zur Verhandlungsstruktur in Nimwegen siehe u. a. Köhler, Matthias: Strategie und Symbolik: Verhandeln auf dem Kongress von Nimwegen (Externa. Geschichte der Außenbeziehungen in neuen Perspektiven 3), Köln/Weimar/Wien 2012. 13 Siehe dazu Schnath, Georg: Geschichte Hannovers im Zeitalter der neunten Kur und der englischen Sukzession 1674-1714. Im Anschluß an Adolf Köchers unvollendete „Geschichte von Hannover und Braunschweig 1648-1714“ (Publikationen aus den Preußischen Staatsarchiven Band 20 und 63), Bd. 1: 1674-1692 (Veröffentlichungen der historischen Kommission für Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Schaumburg-Lippe und Bremen 18), Hildesheim/Leipzig 1938, S. 106 ff. 14 Zum ius legationis hat sich Leibniz im Sinne des Hauses Braunschweig unter dem Pseudonym Caesarinus Fürstenerius geäußert: De iure suprematus ac legationis principum Germaniae, Amsterdam 1677. 15 Vgl. ebd.

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Mission scheiterte, kurz gesagt, am Widerstand zahlreicher anderer Mächte, so u. a. von Frankreich, Schweden und England.16 Trotz der Rückschläge stieg der Braunschweigische Geheimrat schnell in der Gunst Ernst Augusts bis zum ersten Minister auf. Dabei spielten seine persönlichen Fähigkeiten – hier sind sich die Historiker einig – eine große Rolle.17 Franz Ernst war ein gebildeter Mann, der seine Aufgaben fleißig ausführte, was nicht zuletzt die zahlreichen von seiner Hand bearbeiteten Dokumente zeigen. „Seine elegante und klare Handschrift begegnet uns in allen Akten der inneren und äußeren Verwaltung und zeugt für den Fleiß, mit dem er sich den Geschäften seines Herrn unermüdlich gewidmet hat.“18 Später in Hannover entlieh er nicht selten wissenschaftliche Fachliteratur, häufig in lateinischer Sprache, aus der fürstlichen Bibliothek.19 Dies, könnte man sagen, beschreibt die politische Perspektive auf Franz Ernsts Anfänge. Die höfische eröffnet noch andere Facetten seines Aufstiegs. Die erwähnten Eigenschaften waren zwar bedeutend für seine Karriere, sie wurden allerdings durch eine – rückschauend – kluge eheliche Verbindung ergänzt. Im Jahre 1673 heiratete Franz Ernst Clara Elisabeth v. Meysenbug, die Tochter Georg Philipps v. Meysenbug. Clara Elisabeth fungierte seit 1671 als Hofdame der Fürstin Sophie in Osnabrück. Sie nahm am Hofe die Stellung einer anerkannten Mätresse ein.20 Die Position der Gunstdame des Herrschers war fest in das höfischeGefüge integriert und im Bereich der informellen politischen Entscheidungen und Zugänge wichtig. Als seine Mätresse hatte Clara Elisabeth kontinuierlichen Zugang zu Ernst August und sicherlich auch einen nicht geringen Einfluss auf seine Meinung. Es verwundert daher wenig, dass Zeitgenossen berichten, Clara Elisabeth habe „viel Macht über diesen Prinzen“,21 oder dass sie „den Herzog völlig goubernieret“.22 Sie blieb 16 Siehe ebd., S. 107. 17 Siehe u. a. Schnath, Georg: Geschichte Hannovers, Bd. 2: 1693-1698, Hildesheim 1976, S. 407 oder Rohr, Alheidis von: Zu den barocken Wand- und Deckengemälden aus dem Schloss in Linden bei Hannover, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 17 (1978), S. 133-162, hier S. 136. 18 Schnath, Georg: Geschichte Hannovers, Bd. 1, S. 309. 19 Vgl. ebd., Bd. 2, S. 394. 20 Zu Clara Elisabeth siehe u. a. den kurzen Überblick von Weiß, Ulrike: Dame, Herzog, Kurfürst, König. Das Haus der hannoverschen Welfen 1636-1866, Hannover 2008, S. 72-75. 21 Zitiert nach Weiß, Ulrike: Gefährliche Liebschaften“. Die Affäre – Mittel der Karriere oder Katastrophe?, in: Schmieglitz-Otten, Juliane/Allner, Kathleen (Hrsg.): Mächtig Verlockend. Frauen der Welfen. Begleitband zur Ausstellung im Residenzmuseum im Celler Schloss, Celle 2010, S. 133-165, hier S. 153. 22 Ebd.

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fast ein Vierteljahrhundert in dieser Stellung, sodass ein britischer Beobachter sie noch 1691 als „ye powerful lady“23 bezeichnen konnte. Was Franz Ernst von dieser Laufbahn seiner Frau persönlich hielt, wissen wir nicht. Zwar war die Stellung der Mätresse gesellschaftlich anerkannt, für deren Ehemann war die Situation aber natürlich schwieriger. Beispiele aus Frankreich zeigen uns, dass sie durchaus als ehrenrührig empfunden werden konnte.24 Franz Ernst duldete die Liebschaft und akzeptierte auch die Tochter Ernst Augusts und Clara Elisabeths, Sophie Charlotte, in seinem Haushalt. Für die Spekulationen moderner Historiker, dass er die Beziehung protegierte, gibt es keine Zeugnisse.25 Tatsache ist, dass er Zeit seines Lebens sehr davon profitierte. Dies fasste Herzogin Sophie trefflich in die Worte: „Graf Platen hatt […] profitirt von seine hörner.“26 Sechs Jahre nach seiner Hochzeit vollzog sich ein entscheidender Wandel im Leben Franz Ernsts, da sich die Stellung seines Herrn bedeutend änderte. Im Jahre 1679 starb Herzog Johann Friedrich aus dem Hause Braunschweig und sein Bruder Ernst August erbte dessen Territorien. 1680 zog er als neuer Herzog nach Hannover und vereinte nun in seiner Person die Herrschaft über Calenberg-Göttingen, Grubenhagen, Teile Hoyas, Diepholz und Osnabrück. Darüber hinaus hatte er die Erbanwartschaft auf das Fürstentum Lüneburg, also das Erbe seines Bruders Georg Wilhelm, inne. Der neue Herzog baute seine Residenz prächtig aus und versuchte, aus der unscheinbaren, in sich geteilten Stadt Hannover ein Zentrum geistiger und künstlerischer Bestrebungen zu machen.27 Damit sicherte sich der Dienst- und Lehensherr von Franz Ernst die mächtigste Position im welfischen Hause, wovon natürlich auch sein Erster Minister und wichtiger Berater Franz Ernst selbst profitierte. Zu seinem Regierungsantritt in Hannover erließ Ernst August eine neue Regiments­ordnung für das Fürstentum, welche u. a. die Zuständigkeiten verschiedener Behörden festlegte und in den Grundzügen bis ins 18. Jahrhundert hinein bestehen blieb.28 Sie gilt als eine der bedeutendsten Leistungen des 23 Ebd. 24 Siehe Weiß, Ulrike: „Gefährliche Liebschaften“, S. 150. 25 Diese Überlegung führt beispielsweise Ulrike Weiß ins Feld, siehe ebd., S. 148. 26 Kurfürstin Sophie an Raugräfin Amalie, Hannover 07. Februar 1709, in: Bodemann, Eduard (Hrsg.): Briefe der Kurfürstin Sophie von Hannover an die Raugräfinnen und Raugrafen zu Pfalz (Publikationen aus den königlich preußischen Staatsarchiven 37), Leipzig 1888, S. 299 f., hier S. 299. 27 Zu Hannover siehe Hauptmeyer, Carl-Hans: Die Residenzstadt [Hannover]. Von der Residenznahme 1636 bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, in: Mlynek, Klaus/Röhrbein, Waldemar R. (Hrsg.): Geschichte der Stadt Hannover, Hannover 1991, S. 137-264. 28 Vgl. Schnath, Georg: Geschichte Hannovers, Bd. I, S. 304 f.