„Donau-Kurier“ (1945-1949): Theorie und Wirklichkeit der ...

Sozialdemokratische Partei Deutschlands. SS. Schutzstaffel (NSDAP) ... ebenso wieder eine Demokratie entstanden wie eine unabhängige Presse. Damals galt.
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Tobias Zell

Die Anfänge des „Donau-Kurier“ (1945-1949) Theorie und Wirklichkeit der bayerischen Lizenzpresse am Beispiel Ingolstadt

disserta Verlag

Tobias Zell Die Anfänge des „Donau-Kurier“ (1945-1949): Theorie und Wirklichkeit der bayerischen Lizenzpresse am Beispiel Ingolstadt ISBN: 978-3-95425-073-8 Herstellung: disserta Verlag, Hamburg, 2015 Covermotiv: © laurine45 – Fotolia.com

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Deutschland hat den Krieg nicht verloren, weil es weniger Kanonen, weniger Flugzeuge und weniger Menschen besaß als seine Gegner. Deutschland hat den Krieg verloren, weil es eine Sache vertrat, die die Welt naturnotwendig gegen Deutschland vereinen musste. Der Nationalsozialismus war, lange ehe der Krieg ausbrach, bereits eine Weltanschauung, die nicht nur den Keim des Krieges, sondern auch den Keim der Katastrophe in sich trug. (Hans Habe)

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Der Verleger schielt mit einem Auge nach dem Schriftsteller, mit dem anderen nach dem Publikum. Aber das dritte Auge, das Auge der Weisheit, blickt unbeirrt ins Portemonnaie. (Alfred Döblin)

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Mehr als das Gold hat das Blei die Welt verändert. Und mehr als das Blei in der Flinte, das im Setzkasten. (Georg Christoph Lichtenberg)

Inhaltsverzeichnis Vorwort ......................................................................................................................... 11 Teil I: Einführung und Hintergrund .......................................................................... 13 1. Einleitung ................................................................................................................ 13 2. Quellen- und Literaturlage ...................................................................................... 17 3. Pressehistorischer Hintergrund ............................................................................... 18 3.1. Ingolstadts Zeitungslandschaft vor 1933 ......................................................... 19 3.1.1. Ingolstädter Wochenblatt.......................................................................... 19 3.1.2. Ingolstädter Tagblatt ................................................................................. 20 3.1.3. (Neue) Ingolstädter Zeitung ..................................................................... 22 3.1.4. Ingolstädter Anzeiger ............................................................................... 23 3.1.5. Donaubote................................................................................................. 24 3.2. Ingolstadts Presse im Dritten Reich ................................................................ 25 3.3. Kriegsende und Kapitulation ........................................................................... 27 3.4. Die 'Stunde Null' .............................................................................................. 29 4. Lizenzpresse – Theorie und Wirklichkeit ............................................................... 31 Teil II: Der 'Donau-Kurier' in der Lizenzzeit: Gründung, Entwicklung, Umerziehung, Rückkehr des Altverlegers .................................................. 37 1. Gründungs- und Startbedingungen ......................................................................... 37 1.1. Joseph Lackas – der erste Lizenzträger ........................................................... 37 1.2. Gebäude und Druckerei ................................................................................... 41 1.3. Ansprüche der US-Besatzer an die Zeitung .................................................... 43 2. Entwicklung und Probleme des 'Donau-Kurier' ...................................................... 45 2.1. Anfangsschwierigkeiten .................................................................................. 46 2.2. Personal ........................................................................................................... 49 2.3. Papierknappheit ............................................................................................... 52 2.4. Lokale Berichterstattung ................................................................................. 55 2.5. Auflagenentwicklung ...................................................................................... 59 2.6. Ludwig Emil Hansen – der zweite Lizenzträger ............................................. 61 2.6.1. Pressepolitischer Hintergrund und zur Person ......................................... 61 2.6.2. Hansens Rolle im Unternehmen ............................................................... 64 2.7. Reizfigur Joseph Lackas .................................................................................. 67 2.7.1. Kritik von innen und außen ...................................................................... 67

2.7.2. Rückendeckung durch die Nachrichtenkontrolle ..................................... 69 2.7.3. Der Fall Karl Semmler ............................................................................. 73 2.7.4. Lackas und seine Eigeninteressen ............................................................ 76 2.7.4.1. Der Fall Johannes Schütte ................................................................. 77 2.7.4.2. Das familien-interne Konkurrenzverbot ............................................ 78 3. Berichterstattung im Sinne der Umerziehung ......................................................... 80 3.1. Kontrolle und Verantwortung.......................................................................... 81 3.2. 'Re-education' als Aufgabe .............................................................................. 84 4. Rückkehr des Altverlegers ...................................................................................... 92 4.1. Wilhelm Reissmüllers Kampf im Hintergrund................................................ 92 4.1.1. Zur Person ................................................................................................ 92 4.1.2. Zwangspachtvertrag.................................................................................. 93 4.1.3. Rückkehr auf Raten .................................................................................. 95 4.2. Die Situation bei Reissmüllers endgültigem Eintritt in das Unternehmen ...... 99 Teil III: Ergebnisse, Zusammenfassung und Ansätze für weitere Untersuchungen ........................................................................................... 103 1. Der 'Donau-Kurier' – (k)eine typische Lizenzzeitung........................................... 103 2. Zusammenfassung ................................................................................................. 116 3. Ansätze für weitere Untersuchungen .................................................................... 119 Teil IV: Quellen- und Literaturverzeichnis ............................................................. 123 1. Quellenverzeichnis ................................................................................................ 123 1.1. Archiv-Unterlagen ......................................................................................... 123 1.2. Zeitungen im Archiv des Verlagshauses Donaukurier .................................. 123 1.3. Aus den "Donau-Kurier"-Ausgaben der Jahre 1945 bis 1949 zitierte Artikel ............................................................................................................ 123 2. Literatur ................................................................................................................. 126 Teil V: Anhang ............................................................................................................ 131 1. Zeittafel ................................................................................................................. 131 2. Entwicklung des durchschnittlichen Seitenumfangs der DK-Ausgaben 1945-1949 ............................................................................................................. 137 2.1. Tabelle: Monatliche Übersicht ...................................................................... 137 2.2. Diagramm ........................................................................................................... 138 3. Verzeichnis der DK-Ausgaben 1945-1949 ........................................................... 139

Verzeichnis der Tabellen Tabelle 1: Omgus-Aufzeichnungen zu wichtigen Mitarbeitern des "Donau-Kurier" vom 26. April 1947. ....................................................................................... 51 Tabelle 2: Durchschnittlicher Seitenumfang der DK-Ausgaben im Jahr 1947. ............. 54 Tabelle 3: Produzierte DK-Ausgaben, produzierte Seiten und durchschnittlicher Seitenumfang 1945-1949. .............................................................................. 54 Tabelle 4: Auflagenentwicklung des "Donau-Kurier". .................................................. 61

Abkürzungen AR

Archiv Reissmüller

CSU

Christlich-Soziale Union

DK

Donau-Kurier, Donau Kurier, Donaukurier

Dana

Deutsche Allgemeine Nachrichtenagentur

Dena

Deutsche Nachrichten-Agentur

DISCC

District Information Services Control Commands

DM

Deutsche Mark

ev.

evangelisch

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

ICD

Information Control Division

kath.

katholisch

KZ

Konzentrationslager

m. E.

meines Erachtens

NS

Nationalsozialismus

NSDAP

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

OB

Oberbürgermeister

OHG

Offene Handelsgesellschaft

OHK

Oberkommando des Heeres

Omgus

Office of Military Governent (United States) for Germany

o. V.

ohne Verfasserangabe

PWD

Psychological Warefare Division (bei SHAEF)

RM

Reichsmark

RPK

Reichspressekammer

SA

Sturmabteilung (NSDAP)

SHAEF

Supreme Headquarters of the Allied Expeditionary Force

SPD

Sozialdemokratische Partei Deutschlands

SS

Schutzstaffel (NSDAP)

SZ

Süddeutsche Zeitung

TUeD

Technischer Überwachungs-Dienst

US

United States

VBZ

Verein Bayerischer Zeitungsverleger

v. H.

von Hundert

Vorwort "Es wäre das Todesurteil für eine Zeitung, könnte man von ihr sagen, sie errege keinerlei Anstoß. Solche Art Friedhofsruhe vermag nur die Indifferenz zu produzieren. Wo sie aber herrscht, hätte es der Leser nur mit bedrucktem Papier zu tun – nicht mit einer Zeitung."1 (Dr. Wilhelm Reissmüller)

Man mag zum Vorgehen der US-Militärregierung in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg stehen wie man will. Und es mag geteilte Meinungen darüber geben, in welchen Bereichen Fehler gemacht wurden oder Widersprüche vorherrschten. Fest steht, dass ohne die Kontrolle der Alliierten in Deutschland sich die heutige Presse nicht in der Form präsentieren würde, wie wir sie vorfinden. Die Phase der Lizenzpresse (1945-1949) legte den Grundstein für das aktuelle Pressewesen. Allen voran war es gerade den US-Behörden das wichtigste Anliegen, Nachricht von Kommentar zu trennen und Quellen von Bildern und Informationen zu benennen. Unter Aufsicht der Militärregierung ist nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland ebenso wieder eine Demokratie entstanden wie eine unabhängige Presse. Damals galt wie heute: Eine wirklich freie Presse kann es niemals geben. Sind es heute finanzielle Interessen, die die Berichterstattung und Nachrichtenauswahl beeinflussen, war es damals die Absicht der US-Behörden, das deutsche Volk umzuerziehen. Die Zeitungen waren ein entscheidendes Werkzeug der Alliierten zur gezielten Beeinflussung der deutschen Meinung. Erst nach und nach erhielten die Lizenzzeitungen mehr Freiheit, so dass sich ihre Berichterstattung emanzipieren konnte. Erst mit der Verkündung der Generallizenz Nr. 3 im Jahr 1949 wurden die Lizenzblätter aus der Kontrolle und zugleich in den wirtschaftlichen Wettbewerb entlassen. Auf dem freien Zeitungsmarkt entbrannte ein harter Kampf um jeden einzelnen Leser. Die Redaktionen mussten umdenken: Nun war nicht mehr ausschlaggebend, was den Besatzern gefiel, sondern was die Käufer lesen wollten. Dieses Buch beschäftigt sich mit der Zeit der Lizenzpresse in der Region Ingolstadt. Ich möchte mich bei Prof. Dr. Rudolf Stöber bedanken; er hatte stets ein offenes Ohr für meine Fragen und stand mit konstruktiver Kritik und Anregungen begleitend zur Seite. Mein Dank gilt ferner Dr. Johannes Raabe, der stets bereit war, konzeptionelle Fragen zu dieser Untersuchung mit mir zu diskutieren, und wertvolle Ratschläge gab. Zu Dank 1

Reissmüller, Wilhelm: Von der Funktion einer (Lokal-)Zeitung. In: 100 Jahre Ingolstädter Zeitung. 1872-1972. Sonderbeilage [2] des Donau Kurier, Ingolstadt, 1972, ohne Datum, S. 3-5; hier: S. 5.

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verpflichtet bin ich auch Elin Reissmüller, der inzwischen verstorbenen Herausgeberin des "Donaukurier". Sie hat durch die Bereitstellung von privaten Unterlagen den Weg für die Auseinandersetzung mit dem Thema in der vorgelegten Form bereitet. Ohne ihre Hilfe wäre dieses Buch so nicht zu schreiben gewesen und hätte kein detailliertes Bild der Verhältnisse in den Jahren der Lizenzzeit zeichnen können. Ich bedanke mich bei Prof. Friedrich Kraft, dem ehemaligen Chefredakteur und Mitherausgeber des DK, der meiner Arbeit vom ersten Moment an positiv gegenüber stand. Er hat mir in einigen Gesprächen Hintergründe geliefert, die für mein Verständnis unverzichtbar waren. Dank sage ich nicht zuletzt Sebastian Kügel, dem Archivleiter des DK, der mir Zugang sowohl zu den gedruckten Ausgaben als auch zu den Mikrofilmen gewährte und mir bei der Einschätzung von manchen, auf den ersten Blick verwirrenden Sachverhalten half. Mein Dank gilt auch dem Recherchedienst der "Süddeutsche Zeitung", dessen Mitarbeiter hilfsbereit waren und schnell und unentgeltlich zur Person Joseph Lackas nachforschten. Leider blieb die Suche ergebnislos. Dank sage ich auch der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek in Ingolstadt, allen voran Edmund Hausfelder. Er zeigte sofort Interesse an meinem Thema und durchforstete Einwohnermeldekarteien und Unterlagen des Stadtarchivs. Ein ganz besonderer Dank gilt jedoch meinen Eltern, die mich stets unterstützt und ermutigt haben. Ihnen ist dieses Buch gewidmet.

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Teil I: Einführung und Hintergrund 1. Einleitung Mit der Ausgabe vom 20./21. April 1945, also just zu Adolf Hitlers Geburtstag, war in Ingolstadt die letzte Ausgabe des nationalsozialistischen Blattes "Donaubote" erschienen. Der Einmarsch der alliierten Soldaten beendete in Ingolstadt nicht nur die NS-Zeit, sondern auch ein Kapitel lokale und regionale Pressegeschichte. Nach der Kapitulation war die Region zeitungslos. Die oft zitierte "Stunde Null", die einen völligen Stillstand der öffentlichen Kommunikation bezeichnet, gab es für Ingolstadt, und sie entfaltete ihre volle Tragweite im Sinne eines mehrere Monate andauernden Medienvakuums.2 Zwar hatten die Alliierten, allen voran die Vertreter der US-Armee, bereits zu Kriegszeiten Konzepte für ein neues, freies Pressewesen in Deutschland entwickelt. Doch deren Umsetzung war mühsam und brauchte Zeit.3 Das vorliegende Buch zeigt, wie in Ingolstadt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit dem "Donau-Kurier"4 wieder eine Zeitung gegründet wurde. Es wird skizziert, unter welchen Bedingungen eine neue Presse für die Region entstehen musste, mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen hatte und wie sie sich entwickelte. Dabei soll dargelegt werden, dass die Geschichte des "Donau-Kurier" nicht losgelöst von den Personen betrachtet werden kann, die Verantwortung für das Blatt trugen. Es wird ebenso deutlich werden, dass die amerikanische Militärregierung, vor allem die für die Presse zuständige Information Control Divison (ICD, deutsch: Nachrichtenkontrolle), zur Kenntnis nehmen musste, dass die Schere zwischen ihrer Theorie der Lizenzpresse und deren Umsetzung in der Praxis mitunter weit auseinander klaffte.5

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Im Gegensatz dazu kann für Deutschland nicht von einer "Stunde Null" gesprochen werden. Ich stimme Blöbaum zu, wenn er feststellt, dass dieser Begriff nicht geeignet ist, die Komplexität der Entwicklung zu erfassen, und stattdessen fordert, nach Übergängen und grundlegend neuen Erscheinungen zu suchen. Vgl. Blöbaum, Bernd: Journalismus während der Besatzungszeit. In: Publizistik, 47. Jg., 2/2002, S. 170-199, v. a. S. 173f. - Ich verzichte darauf, im Anhang gesondert weiterführende Literatur anzugeben. Stattdessen wird an den jeweiligen Stellen im Text direkt auf weiterführende oder vertiefende Publikationen hingewiesen, die im Literaturverzeichnis bibliographiert sind. Vgl. dazu auch Dorn, Walter L.: Inspektionsreisen in der US-Zone. Notizen, Denkschriften und Erinnerungen aus dem Nachlass übersetzt und herausgegeben von Lutz Niethammer (= Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Bd. 26). Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1973. Die Schreibweise lautete ab der Erstausgabe "Donau-Kurier", später "Donau Kurier", heute "Donaukurier". Zum politischen Hintergrund vgl. Meissner, Boris: Die Vereinbarungen der Europäischen Beratenden Kommission über Deutschland von 1944/45. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 20.46 (1970), S. 3-

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Ähnliche Divergenzen gibt es bezüglich der einschlägigen Literatur zum Thema Lizenzpresse. Zwar geben die grundlegenden Darstellungen einen Überblick über amerikanische Planungen und deren Realisierung, doch bleibt der Einzelfall dabei in der Regel auf der Strecke. Die Folge ist, dass die Summe der Publikationen zwar ein Bild von der Lizenzpresse zeichnet, das jedoch einem Raster ähnlich über die einzelnen Fälle gelegt wird. Grundlegende Probleme werden angesprochen, Schwierigkeiten angedeutet und Tendenzen aufgezeigt. Offen bleibt, ob und inwiefern diese generalisierten Aussagen auf die jeweiligen Lizenzblätter zutreffen. Dieses Buch hat sich zum Ziel gesetzt, den "Donau-Kurier" als Ingolstädter Lizenzzeitung zu untersuchen. Dabei wird der Bezug hergestellt zwischen der amerikanischen Idee der Lizenzpresse und der Wirklichkeit. Außerdem werden die generalisierten Aussagen der Überblicksliteratur in Relation gesetzt zum Fallbeispiel Ingolstadt. Um Diskrepanzen offen zu legen sowie Übereinstimmungen aufzuzeigen, ist es nötig, Theorie und Praxis sowie allgemeine Darstellung und Einzelfall gegenüber zu stellen. In Kapitel I,4 wird deshalb die theoretische Basis dieser Untersuchung beleuchtet. Das heißt, es werden zum einen die Grundzüge der US-Lizenzidee vorgestellt; zum anderen wird angedeutet, wie die Phase der Lizenzpresse in der Forschungsliteratur wiedergegeben wird. Diese Vorstellungen und Darstellungen bilden den Hintergrund, vor dem die Verhältnisse in Ingolstadt nach der Analyse des "Donau-Kurier" für die Jahre 1945 bis 1949 abschließend betrachtet werden. Um die Bedingungen für das Entstehen des "Donau-Kurier" zu verstehen, ist es nötig, zunächst den Blick in die Vergangenheit zu richten (Kap. I,3.). Es wird kurz dargestellt, wie sich die Ingolstädter Zeitungslandschaft vor der Machtergreifung Hitlers entwickelt hat, wie sie unter dem NS-Regime ausgedünnt wurde und schließlich der Gleichschaltung zum Opfer fiel. In diesem Zusammenhang muss auch auf die Situation eingegangen werden, die in Ingolstadt zu Kriegsende herrschte, wobei zu zeigen ist, dass es für Ingolstadt eine "Stunde Null" gegeben hat und was in dieser massenkommunikationslosen Zeit im Hintergrund geschah. In Kapitel II,1 wird der Rahmen skizziert, in dem sich die Vertreter der Militärregierung an die Planung einer neuen Zeitung für Ingolstadt machten. So galt es etwa, neben einer intakten Druckerei vor allem einen geeigneten Lizenzträger ausfindig zu machen, dem 14, und Herbst, Ludolf (Hg.): Westdeutschland 1945-1955. Unterwerfung, Kontrolle, Integration (= Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Sondernummer). München: Oldenbourg 1986.

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die Nachrichtenkontrolle den Aufbau der Ingolstädter Presse nach ihren Vorstellungen zutraute. Zu hinterfragen sind ebenfalls die Anforderungen, die die US-Besatzer an eine Lizenzzeitung stellten. Kapitel II,2 schildert die Entwicklung des "Donau-Kurier" in den Jahren 1945 bis 1949. Nachdem anfängliche Hürden genommen waren und der DK am 11. Dezember 1945 erstmals vor sein Publikum trat, begann die schwerste Aufgabe des Blattes: Es musste sich etablieren und die Leser davon überzeugen, dass die Zeiten einer nationalsozialistischen Kampf- und Propagandapresse der Vergangenheit angehörten. Mit welchen Schwierigkeiten hatte das Blatt zu kämpfen? Wie entwickelten sich Mitarbeiter- und Auflagenzahl? Inwiefern gab es einen Zusammenhang zwischen Papierkontingentierung und Entwicklung der (lokalen) Berichterstattung? Mit der nachträglichen Einsetzung von Ludwig Emil Hansen bekam der DK neben Joseph Lackas einen zweiten Lizenzträger, der allerdings nur kurz im Amt war. Kapitel II,2.6 stellt Hansen vor und beleuchtet, trotz dürftiger Quellenlage, seine Rolle im Unternehmen. Im Gegensatz zu Hansen, der kaum in Erscheinung trat, war Lackas von Beginn an Gesprächsthema. Kapitel II,2.7 liefert gut belegte Fallbeispiele, die zeigen, warum Lizenzträger und Chefredakteur Lackas als Reizfigur galt. Er stieß im Betrieb auf heftigen Widerstand, stand politisch in der Kritik und war bei der Nachrichtenkontrolle nicht unumstritten. Trotzdem war ihm mehrfach die kompromisslose Rückendeckung der Militärregierung sicher. In diesem Zusammenhang wird verdeutlicht, dass Lackas – von der ICD als Treuhänder der Interessen Deutschlands eingesetzt – seine Position zur Verfolgung persönlicher Interessen missbrauchte. Anschließend wird an ausgewählten Beispielen dargestellt, wie der DK seine Aufgabe als Werkzeug zur Umerziehung des deutschen Volkes interpretierte und wie die Nachrichtenkontroll-Offiziere die Leistung hinsichtlich der "Re-education" beurteilten (Kap. II,3). Hierzu konnten Omgus-Unterlagen aus dem Archiv des Münchner Instituts für Zeitgeschichte herangezogen werden.6 Dieser Themenkomplex wird im Rahmen

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Die im Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, München, zum "Donau-Kurier" vorliegenden OmgusUnterlagen liegen mir in kopierter Form vor. Die Gesamtheit der über den DK vorhandenen Dokumente sind vom Institut mit dem Aktenzeichen "Omgus" sowie der Bestandsnummer 5/235 – 3/21 versehen. Im Folgenden werden die einzelnen Schriftstücke mit dem Kurzvermerk "Omgus (DK)" und dem jeweiligen Datum nachgewiesen.

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eines eigenen Kapitels behandelt, um der Bedeutung Rechnung zu tragen, die die Militärregierung der Umorientierung der Deutschen durch die Presse zumaß. Während der "Donau-Kurier", wie nahezu alle Lizenzzeitungen, um einen guten Ruf bei seinen Lesern kämpfte, die lokale Berichterstattung ausbaute und nach der Währungsreform seinen Umfang steigerte, drängte Altverleger Dr. Wilhelm Reissmüller zurück in seinen Druckereibetrieb. Reissmüller spielte in der Vereinigung der Altverleger eine wichtige Rolle und setzte sich vehement gegen Zwangspachtverträge, die uneingeschränkte Machtposition der Lizenzträger sowie die Vermögenskontrolle zur Wehr. Nach langem Kampf gegen Lackas und die politische Situation gelang ihm schrittweise die Rückkehr in seinen Betrieb (Kap. II,4). Auch in Ingolstadt nahte das Ende der Lizenzzeit. Die Verkündung der Generallizenz im Herbst 1949 bildet das zeitliche Ende der Lizenzphase. Abschließend wird auf die Situation eingegangen, die Reissmüller bei seiner Rückkehr vorfand (Kap. II,4.2). Teil III fasst Ergebnisse zusammen, ordnet diese ein und legt auch dar, was diese Untersuchung nicht leisten konnte bzw. wo künftige Betrachtungen ansetzen können. Kapitel III,1 diskutiert unter Rückgriff auf die (in Teil I) geschaffenen Grundlagen, inwiefern sich die Theorie der US-Besatzungsbehörden in die Praxis übertragen ließ und an welchen Stellen es erwartungsgemäß oder unerwartet Schwierigkeiten gab. War der DK eine typische Lizenzzeitung? Wie weit ging aus heutiger Sicht die Schere zwischen Lizenzidee und Wirklichkeit auseinander? Eingegangen wird ebenfalls auf Bezüge zur Überblicksliteratur. An welchen Stellen greifen generalisierte Darstellungen zu kurz? In welcher Hinsicht unterscheidet sich die Entwicklung des DK von der rasterhaften Darstellung in der Forschungsliteratur? Kapitel III,2 lässt die Phase der Lizenzpresse für Ingolstadt noch einmal in leicht lesbarer Form Revue passieren und bietet einen groben Abriss der DK-Historie zwischen 1945 und 1949. Zum Schluss wird in Kapitel III,3 dargelegt, wo künftige Forschungsarbeiten zum "Donau-Kurier" ansetzen und was diese zum Gegenstand ihrer Untersuchung machen können.

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2. Quellen- und Literaturlage Diese Untersuchung greift auf Unterlagen aus dem Archiv des Altverlegers Dr. Wilhelm Reissmüller zurück, die bisher noch nicht wissenschaftlich ausgewertet worden sind und mir von der inzwischen verstorbenen Herausgeberin Elin Reissmüller zur Verfügung gestellt wurden. Diese Zeitdokumente wurden gesichtet und bilden eine Grundlage der vorliegenden Arbeit.7 Die Unterlagen bestehen aus Korrespondenzen, Hausmitteilungen und Aktennotizen. Ich weise darauf hin, dass der Inhalt der Dokumente aus dem "Archiv Reissmüller" zu Ungunsten von Lizenzträger Joseph Lackas und zu Gunsten von Altverleger Wilhelm Reissmüller ausfällt. Ob Unterlagen fehlen oder über die Jahre verloren gegangen sind, war nicht prüfbar. Eine weitere Quelle sind Omgus-Akten zum "Donau-Kurier", die im Archiv für Zeitgeschichte in München gesammelt sind und mir in kopierter Form vorliegen.8 Freier Zugang wurde mir von Prof. Friedrich Kraft, zum Zeitpunkt meiner Recherchen Chefredakteur und Mitherausgeber des "Donau-Kurier", zum Zeitungsarchiv des Hauses gewährt, in dem sich lückenlos alle bis dato erschienenen DK-Ausgaben befinden. Deren vollständige Sichtung für die Jahre 1945 bis einschließlich 1949 lieferte neben direkten Erkenntnissen wichtige Informationen zur Einordnung und Wertung sowohl der genannten Unterlagen als auch für den Vergleich mit der Literatur. Der Hintergrund für die systematische Auseinandersetzung mit dem Thema ergab sich aus einschlägigen Publikationen zum Thema Lizenzpresse und Besatzungszeit, die in Kapitel I,4 aufgeführt werden. Die Literaturlage zum Themenfeld Der "Donau-Kurier" in der Lizenzzeit (1945-1949) darf als äußerst dürftig bezeichnet werden. Das Ingolstädter Blatt wird zumeist nur der Vollständigkeit wegen aufgeführt, jedoch nicht erörternd behandelt. So liegen neben einigen Aufsätzen, die für Verlagsveröffentlichungen des Hauses "Donau-Kurier" geschrieben wurden, praktisch keine weiteren Informationen vor. Selbst die "Enzyklopädie der Bayerischen Tagespresse" ist nicht in der Lage, einen groben Abriss der DKHistorie zu bieten, ohne sich weitgehend auf Veröffentlichungen des Verlagshauses zu 7

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Das Archiv Reissmüller verweist auf keine eindeutige und durchgehende Systematik; es handelt sich dabei um eine Ansammlung abgehefteter Unterlagen, die zum Teil chronologisch oder alphabetisch, zum Teil aber auch thematisch geordnet sind. Mir liegen sämtliche Unterlagen in kopierter Form vor. Im Folgenden zitierter Schriftverkehr wird nach dem Muster "Absender" an "Adressat", "Datum" zitiert. Archiv Reissmüller wird dabei künftig mit AR abgekürzt. Vgl. Fußnote 6.

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