Die Südostschweiz, Gaster/See, 30.12.2012 - Swiss Laos Hospital ...

30.12.2012 - kleinen Kindern, Ehemänner und Per- ... In Laos sterben Kinder 20-mal häufiger als in der .... «Ich ha- be nicht so viele Spenden erwartet.
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sonntagsreportage

Die SÜDoStSchWeiz am SonntaG | 30. DEzEMBEr 2012

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In den Ferien setzt sie sich in Laos ein Seit drei Jahren verbringt die Rapperswilerin Laila Forster ihre Ferien in Laos. Hier bildet sie Krankenschwestern aus, zeigt Ärzten, wie Spritzenpumpen funktionieren und organisiert Materialtransporte.

auf Marion Mönkhoff, Chefärztin Neonatologie, die auch als Vizepräsidentin des Swiss Laos Hospital Project amtet. Als Forster einmal in der Kantine ihren Wunsch nach einer Veränderung im Beruf äusserte, sagte diese: «Komm doch nach Laos.» Das tat sie. Zuerst als Touristin, seit 2010 dann immer wieder als Krankenschwester, und opferte dafür ihre ganzen Ferien: «Wieso nicht? Es ist wichtig!» Wenig verändert in Laos sehr viel. Vientiane liegt am Mekong, der die Grenze zu Thailand markiert. Am anderen Ufer ist das Gesundheitswesen auf einem viel höheren Niveau. Hundert Meter Distanz entscheiden bei der Geburt oft über Leben und Tod: «Das ist unfair!» In der Neonatologie-Abteilung des Spitals Zollikerberg fragen die Mütter, ob ihr Zimmer einen Holzboden habe. Oder ob das Essen gut sei. «Hier gibt es nur eine Frage: Stirbt das Kind oder kann es überleben? Ich will nicht abschätzig sein, doch was in der Schweiz wichtig scheint, wirkt hier belanglos», sagt Forster. Laila Forster lacht viel. Ihr fehlt der typische Zynismus, den Ausländer, die jahrelang hier leben, oft zur Schau tragen. Sie bewältigt die oft tieftraurigen Erlebnisse mit einer bewundernswerten Leichtigkeit.

Von Lukas Messmer aus Vientiane Das Mother-and-Child-Health-Hospital in Vientiane ist winzig im Vergleich zu den riesigen Ministerien, die verstreut in Vientianes Zentrum in der Sonne glänzen. Es ist auch nicht so grell getüncht: Der ehemals weisse Putz blättert ab, ein Teil ist gelb gestrichen. Ein Hinweis darauf, dass die kommunistische Regierung hier die Prioritäten nicht beim Gesundheitswesen setzt. In der Eingangshalle herrscht eine Atmosphäre wie in einem Busbahnhof. Ein Tag zuvor war Nationalfeiertag und frei. Darum ist heute doppelt so viel los. Schwangere, Mütter mit kleinen Kindern, Ehemänner und Personal wuseln durch die Gänge. Eine Mutter wartet in hellblauem Kleid, betrachtet ihren gewölbten Bauch und streichelt in zärtlich. Die Rapperswilerin Laila Forster, 34-jährig, führt durch die Abteilungen, als ob sie hier zu Hause wäre. Eigentlich möchte sie nicht im Mittelpunkt stehen.Aber sie tut es doch. Für die Sache. Für das Swiss Laos Hospital Project. Für die Kinder. «Es ist nötig», sagt sie.

Baby stirbt, weil niemand da ist Viele Probleme, die sie hier antrifft, scheinen auf den ersten Blick banal: Das Mittagessen etwa ist einer der unverrückbaren Pfeiler im laotischen Tagesablauf. Um zwölf Uhr ist Pause. Früher ging die ganze Neonatologie-Abteilung gemeinsam essen. Nach der Rückkehr kam es vor, dass ein Frühgeborenes nicht mehr lebte: Während einer für eigentlich für Frühgeborene normalen Atempause war niemand da, um es zum Atmen zu stimulieren. «Das ist nicht gut», sagt Forster. Diese Worte sagt sie oft. Forster beschreibt Situationen, die eine werdende Mutter in Zürich kreidebleich werden liessen – zuckt dabei aber nur mit den Schultern und sagt mit einem

Kontrolle: Laila Forster zeigt sich zufrieden über die Entwicklung ihres Schützlings aus Laos.

echten St. Galler Dialekt: «Das ist nicht gut.» Es ist wohl Selbstschutz. Dabei ist hier in Vientiane, der Hauptstadt, mittlerweile das meiste gut. Das laotische Team ist kompetent und wissbegierig. In den Provinzen sieht das anders aus. «Hier in Laos sind wir auf dem Stand von 1880, als in der Schweiz die moderne Medizin begonnen hat», sagt Forster. Sie zeigt auf ihrem Laptop Bilder eines Provinzspitals. Blut klebt auf dem Gebärstuhl. Das Dach ist morsch. Zum ersten Mal wählt sie andere Worte: «Stell dir vor, du würdest hier gebären, mit einem Loch über dem Kopf. Schlimm, wirklich schlimm. Da würde ich auch lieber zu Hause gebären.» In Laos sterben Kinder 20-mal häufiger als in der Schweiz, bevor sie fünf Jahre alt werden. Das Spital hier in Vientiane kommt mittlerweile auf über 5000 Geburten im Jahr, das sind etwa so viel wie die ganze Stadt Zürich. Es platzt mittlerweile aus allen Nähten. Die Mütter in Laos bleiben nur für 24 Stunden im

Spital: Die ganze Familie ist da, mit Sack und Pack, versorgt die Mutter mit Essen und schläft auf einer Matte neben dem Bett.

Keine Sekunde verlieren Ausländer fliegen zum Gebären nach Thailand oder nach Hause. Auch die Kinder der laotischen Nouveau Riche erblicken die Welt im Ausland. «Das ist der Grund, warum die reichen Laoten kein Interesse zeigen, hier zu investieren», sagt Forster. Die pflegebedürftigen Babys schlafen in einem Saal, der aussieht wie die Rumpelkammer eines Tüftlers: Jedes technische Gerät ist anders. Es ist oft ausrangiertes Material aus dem Westen oder in Vietnam preiswert gefertigte Nachbauten: Billimeter, Spritzenpumpen, Monitore und Babybetten. Zehn Krankenschwestern in Uniformen und im traditionellen Rock

Bilder Lukas Messmer

betreuen die Kinder und dokumentieren deren Fortschritte. Zum Mittagessen gibt es traditionelle Nudelsuppe. Kaum ausgelöffelt, zieht Laila eine Liste zur Überwachung der Neugeborenen hervor. Ohne Pause beginnt sie mit der Stationsschwester Punkt für Punkt durchzugehen, übersetzt die Begriffe, streicht die selten gebrauchten und fügt neue hinzu. Das ist Laila Forster: Machen, Tun, Handeln. Keine Sekunde verlieren. Reden ist nicht ihr Ding: «Ich mache einfach.» Forster ist in Rapperswil aufgewachsen und machte nach der Matur zuerst einen Abstecher an die Uni. Das Englisch-Studium lag ihr nicht: «Ich war zu undiszipliniert.» Eine koreanische Mitstudentin stellte ihr im Tram die Gretchenfrage: «Laila, was willst du denn machen?» Sie zeigte auf eine Werbung am Fenster: Krankenschwester. Die Lehre im Kinderspital Zürich ging vier Jahre. Danach begann sie im Spital Zollikerberg auf der Neonatologie – wo sie bis heute arbeitet. Dort traf sie

Retten von Leben zu teuer Forster erzählt die Geschichte eines 1000-grämmigen Babys, das eine Infusion und Magensonde benötigte. Es waren keine mehr da. Die Eltern waren arm. Es starb. Dabei hätte man in der Apotheke gleich über der Strasse beides kaufen können. Die Episoden aus dem Spitalalltag ähneln sich: Sauerstoff wird gebraucht, aber die Flaschen bleiben zu, weil er zu teuer ist. Die Alkoholemulsion geht aus, niemand bestellt neue. Forster: «Das ist nicht gut.» Manchmal gehe einem die Arbeit hier sehr nah, sagt Forster. Viele Kinder, die im Spital Zollikerberg überleben könnten, sterben hier. «Stirbt ein Kind, sollten wir nicht weinen, denn wenn Tränen auf das Kind fallen, bedeutet dies ein schlechteres Karma für nächste Leben.» Sie begegne auch vielen Babys mit Missbildungen, bei denen in der Schweiz ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen würde. Forster zeigt die «Babywaschstrasse». Hier werden die gesunden Babys der Wöchnerinnen einmal am Tag gewaschen und frisch gewickelt. «Wenns ganz schlimm ist, dann schaue ich hier eine Weile zu, dann gehts mir wieder besser», sagt sie.

Geld vom Joner Sternsingen für Laos Geschenk: Laotische Kleinkinder schlafen in einem Schweizer Kinderbett.

Untersuchung: Diese Schwangere verlässt das Spital in Vientiane.

Wie es funktioniert: Laila Forster erklärt einer Krankenschwester und einem Arzt Überlebenswichtig: Dieses Frühgeborene braucht eine Magensonde. den Sauerstoffsättigungsmonitor.

Rapperswil-Jona/Laos. – Im letzten Januar sammelten Sternsinger in Jona für das Swiss Laos Hospital Project 23 326 Franken. Der Verein brauchte das Geld für Geburtensets, für Neonatologie-Abteilungen und die Ausbildung von Ärzten und Krankenschwestern. Die Rapperswiler Krankenschwester Laila Forster hatte mit einer Kollegin das Projekt an den Joner Schulen vorgestellt. «Ich habe nicht so viele Spenden erwartet. Einmal kamen bei wirklich üblem Wetter über 60 Kinder», sagt sie. Infos über das Swiss Laos Hospital Project sind im Vorfeld des diesjährigen Sternsingens im katholischen Kirchgemeindehaus Jona ausgestellt. (lm) www.swisslaos.ch