Die Befragung zur Person - Staatssekretariat für Migration

2 Vgl. zum Beispiel BVGE E-8028/2007 vom 10. April 2008, wo explizit auf den alten Handbuchartikel des SEM. Kap. F § 4 Die Anhörung verwiesen wird.
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Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement EJPD Staatssekretariat für Migration SEM Direktionsbereich Asyl Abteilung Empfangs- und Verfahrenszentren EVZ

Handbuch Asyl und Rückkehr Artikel C6

Die Befragung zur Person

Zusammenfassung Nach Einreichung des Asylgesuchs beginnt im jeweiligen Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) die sogenannte Vorbereitungsphase. Im Rahmen dieser Vorbereitungsphase führt das Staatssekretariat für Migration (SEM) neben anderen Abklärungen die Befragung zur Person (BzP) durch. Letztere stellt das Kernstück der Vorbereitungsphase dar. Zu den Hauptaufgaben einer BzP gehören die umfassende Erhebung der Personalien der asylsuchenden Person, ihrer Identität und Herkunft, ihrer Lebensumstände und – trotz der Gesetzesrevision vom 1. Februar 2014 – die Abklärung der Gründe für das Fehlen von Identitätspapieren, sofern solche nicht eingereicht werden. In der BzP sind die Angaben der asylsuchenden Person nicht nur zu registrieren, sondern fallspezifisch zu hinterfragen. Summarischen Charakter hat die BzP ausschliesslich in Bezug auf den Reiseweg und die Asylgründe, wobei der für die allfällige Einleitung eines Dublin-Verfahrens wesentliche Sachverhalt möglichst vollständig erhoben werden soll. Die BzP bildet die Grundlage für die weitere Steuerung des Verfahrens. Von den erhobenen Daten hängt ab, ob es zu einem Dublin-Verfahren, zu einem nationalen Verfahren (Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens in der Schweiz) oder allenfalls zu einem Rückübernahmeverfahren in einen Drittstaat kommt. Sie soll Aufschluss darüber geben, ob sich ein Gesuch für eine weitere Behandlung in den EVZ eignet. Insbesondere bildet die BzP die zentrale Grundlage für die sogenannte Anhandnahme des Asylverfahrens (Vorbereitung und Durchführung der Anhörung zu den Asylgründen).

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Inhaltsverzeichnis Kapitel 1

Rechtliche Grundlagen ......................................................................... 3

Kapitel 2

Befragung zur Person .......................................................................... 4

2.1 Teilnehmende Personen .................................................................................... 4 2.2 Ablauf der BzP .................................................................................................... 5 2.3 Einleitung der BzP .............................................................................................. 5 2.4 Befragung............................................................................................................ 6 2.4.1 Identität .................................................................................................................... 6 2.4.2 Aufenthalte .............................................................................................................. 7 2.4.3 Beziehungen ........................................................................................................... 7 2.4.4 Ausweispapiere....................................................................................................... 7 2.4.5 Reiseweg ................................................................................................................. 7 2.4.6 Herkunfts- und Länderfragen ................................................................................. 8 2.4.7 Gesuchsgründe....................................................................................................... 8 2.4.8 Rechtliches Gehör inkl. beratendes Vorgespräch ................................................ 9 2.4.9 Weitere Fragen ........................................................................................................ 9 2.4.10 Abschliessende Fragen ........................................................................................ 9

2.5 Abschluss der BzP ............................................................................................. 9 Kapitel 3

Benutzte und weiterführende Literatur ............................................. 11

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Kapitel 1 Rechtliche Grundlagen Asylgesetz (AsylG) vom 26. Juni 1998; SR 142.31 Artikel 17, 22, 25a, 26, 26bis, 39, 69, 72, 99a Asylverordnung 1 über Verfahrensfragen (AsylV 1) vom 11. August 1999; SR 142.11 Artikel 1a, 6, 7, 19, 20, 20a Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG) vom 20. Dezember 1968; SR 172.021 Artikel 10, 11

Bemerkung zur Terminologie: Das Asylgesetz spricht von summarischer Befragung, von Kurzbefragung und von Befragung. SEM verwendet in der Regel den Begriff „Befragung zur Person“ (BzP). Eine weitere gängige Bezeichnung ist „Erstbefragung“. Unter „Anhandnahme des Asylverfahrens“ ist der Moment zu verstehen, in dem mit den Anhörungsvorbereitungen begonnen werden kann. Die BzP liegt somit in der Vorbereitungsphase (Art. 26 Abs. 1quarter und Abs. 2) zwischen der Einreichung des Asylgesuchs und „vor Anhandnahme des Asylverfahrens“ (Art. 25a AsylG).

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Kapitel 2 Befragung zur Person 2.1 Teilnehmende Personen An einer BzP nehmen in der Regel drei Personen teil: die asylsuchende, die befragende und die amtliche dolmetschende Person. Liegt eine gültige Vollmacht vor, wird auch die Rechtsvertretung zur BzP eingeladen. Die asylsuchende Person darf eine dolmetschende Person eigener Wahl beiziehen, was aber die Anwesenheit der amtlichen Dolmetscherin bzw. des amtlichen Dolmetschers nicht ersetzt. Schliesslich kann sie sich auch von einer beliebigen anderen Person begleiten lassen. Voraussetzung ist, dass sich sowohl die Dolmetscherin oder der Dolmetscher als auch die Begleitperson nicht in einem laufenden Asylverfahren befinden. Im Gegensatz zur Anhörung ist bei der BzP noch keine Hilfswerksvertretung anwesend.1 Die Urteilsfähigkeit einer asylsuchenden Person wird ab einem Alter von 14 Jahren vermutet. Es wird daher ab diesem Alter auch bei minderjährigen asylsuchenden Personen eine BzP durchgeführt.2 Ausnahmsweise können auch jüngere Kinder ab zwölf Jahren befragt werden, insbesondere wenn sich herausstellt, dass sie voraussichtlich eigene Vorbringen geltend machen. Auf Wunsch kann ein Elternteil bei der BzP anwesend sein. Bei einer unbegleiteten minderjährigen asylsuchenden Person ist die BzP grundsätzlich in jedem Alter durchzuführen. Die Formulierung der Fragen muss selbstverständlich dem Alter angepasst und dieses bei der Evaluierung der Antworten berücksichtigt werden. Für die BzP wird grundsätzlich noch keine Vertrauensperson beigezogen. Werden jedoch über die BzP hinausgehende, für den Entscheid wesentliche Verfahrensschritte eingeleitet, muss die Vertrauensperson dazu eingeladen werden. Dies gilt insbesondere für eine vertiefte Erstellung des DublinSachverhalts und die Gewährung des rechtlichen Gehörs, beispielsweise zur Zuständigkeit eines anderen Dublin-Staates sowie zur Wegweisung in einen solchen.3 Das Befragungsteam braucht bei Vorbringen geschlechtsspezifischer Natur anlässlich der BzP nicht gleichgeschlechtlich zusammengesetzt zu sein. Eine BzP muss bei entsprechenden Vorbringen also nicht abgebrochen und neu angesetzt werden. Allerdings ist bei der späteren Beurteilung der Aussagen der asylsuchenden Person allenfalls zu berücksichtigen, dass wegen Anwesenheit einer Person des anderen Geschlechts nicht alles frei vorgebracht werden konnte. Es empfiehlt sich, bereits in der BzP explizit danach zu fragen, ob die asylsuchende Person auch in Anwesenheit der Person des anderen Geschlechts alles sagen konnte. Wenn ein männlicher Gesuchsteller geschlechtsspezifisch relevante Vorbringen geltend macht, sollte ihm – im Unterschied zu weiblichen Gesuchstellerinnen – direkt im Anschluss an die BzP das rechtliche Gehör zur Zusammensetzung des Teams für die Anhörung gegeben werden.

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Dazu ausführlich C7 Die Anhörung zu den Asylgründen. Vgl. zum Beispiel BVGE E-8028/2007 vom 10. April 2008, wo explizit auf den alten Handbuchartikel des SEM Kap. F § 4 Die Anhörung verwiesen wird. 3 Vgl. BVGE E-8648/2010 vom 21. September 2011. 2

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Schliesslich kommen auch in einer BzP die Regeln betreffend den Ausstand von befangenen Personen zur Anwendung (Art. 10 VwVG).

2.2 Ablauf der BzP Nach erfolgter Vorbereitung (Dossierstudium, Sichtung und ggf. Einholen von Akten etc.) wird die BzP mit Hilfe von MIDES, eines unter anderem speziell für die BzP entwickelten Programms, erstellt.4 Die wichtigsten Fragen sind im Programm bereits vorgegeben. Zusatzinformationen zu den einzelnen Fragen können mittels i-Button direkt in MIDES aufgerufen werden. Mögliche Fragen oder Ergänzungsfragen können bei Bedarf aus diesen Informationen direkt in das BzP-Protokoll übernommen werden. Die bereits vorhandenen Fragen können bzw. müssen dem Einzelfall angepasst, ergänzt oder präzisiert werden. Der Persönlichkeit der asylsuchenden Person (Biografie, kultureller Hintergrund, Bildungsstand, Geschlecht, Gesundheit) wird dabei gebührend Rechnung getragen. Das Protokoll wird durch die befragende Person selbst erstellt und soll den Verlauf der BzP wort- oder zumindest inhaltsgetreu wiedergeben. Nonverbale Äusserungen werden protokolliert und angesprochen. Gewisse Angaben (Namen, Geburtsdatum, Geburtsort und viele mehr) werden durch die Übermittlung der Daten direkt ins ZEMIS übertragen. Daher ist es wichtig, dass stets akkurat gearbeitet wird, um allfälligen nachträglichen Korrekturen vorzubeugen. Die Befragungstiefe sollte dem zu erwartenden Verfahrensverlauf angepasst werden. Eine durchschnittliche BzP dauert zwischen zwei bis drei Stunden. Weil jedem Gesuch fallspezifisch Rechnung zu tragen ist, kann die Dauer aber je nach Fallkonstellation oder an der Befragung teilnehmenden Personen stark variieren. Der Ablauf einer BzP folgt immer derselben Struktur, die ebenfalls im MIDES-Protokoll vorgegeben ist. Es handelt sich auf erster Ebene um die folgenden Ziffern und Titel: 0. Einleitende Fragen; 1. Identität; 2. Aufenthalte; 3. Beziehungen; 4. Ausweispapiere; 5. Reiseweg; 6. Herkunfts- und Länderfragen; 7. Gesuchsgründe; 8. Rechtliches Gehör; 9. Weitere Fragen und 10. Abschliessende Fragen.

2.3 Einleitung der BzP Die asylsuchende Person wird – nach einer Begrüssung – in einer ihr verständlichen Weise über den Ablauf des Asylverfahrens, den Zweck und den Inhalt der BzP sowie über die Rol-

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MIDES (Migrationsdaten Empfangsstellen) ist eine massgeschneiderte Applikation zur Unterstützung der Kernaufgaben im Asylverfahren in den EVZ und an den Flughäfen. MIDES ist eine eigenständige Applikation, die konzeptionell und technisch stark in ZEMIS integriert ist. So teilen sich ZEMIS (Zentrales Migrationssystem) und MIDES dieselben Personendaten. Dadurch wird jede asylsuchende Person mit Eintritt in ein EVZ sofort in ZEMIS registriert. Die MIDES-Datenbank umfasst unter anderem die Registration der Personendaten der asylsuchenden Personen, die Geschäftsverwaltung in den EVZ und die BzP.

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len der Beteiligten und deren Verschwiegenheitspflicht orientiert. Ihr wird unter anderem mitgeteilt, dass sie unterbrochen werden kann, wenn sie vom Thema abweicht. Im Weiteren werden ihr ihre Rechte und Pflichten, insbesondere die Wahrheits- und Mitwirkungspflicht und die Pflicht zur Abgabe von Identitätspapieren und allfälligen Beweismitteln sowie die damit verbundenen Erwartungen und Folgen der Pflichtverletzung erläutert. Noch im Rahmen der Einleitung wird gefragt, ob die asylsuchende Person die Erläuterungen verstanden habe. Ist dies nicht der Fall, muss nach dem Grund gefragt werden und wenn notwendig, die unklaren Punkte nochmals erläutert werden. Anschliessend wird die Befragungssprache festgehalten. Weiter wird nachgefragt, ob die asylsuchende Person die Merkblätter (Merkblatt für Asylsuchende und Schutzbedürftige, Merkblatt zur Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens und Information über Aufforderung zur Abgabe von Dokumenten), die üblicherweise beim Eintritt in ein EVZ ausgehändigt werden, erhalten, gelesen und verstanden habe. Sollte eine dieser Fragen verneint werden, ist eine kurze Erklärung der wichtigsten Punkte und – wenn nicht erhalten – die Aushändigung der Merkblätter angezeigt. Bei geltend gemachtem Analphabetismus ist kritisch nachzufragen und eine Aktennotiz zu erstellen, damit dies im weiteren Verfahren beachtet werden kann. Zudem wird nach einer allfälligen Rechtsvertretung in der Schweiz oder im Heimat- und/oder Herkunftsstaat gefragt und gegebenenfalls danach, in welchem Zusammenhang diese mandatiert wurde. Das SEM kann die Rechtsvertretung in der Schweiz auffordern, sich durch schriftliche Vollmacht auszuweisen (Art. 11 Abs. 2 VwVG). Schliesslich wird die Verständigung zwischen der asylsuchenden und der dolmetschenden Person abgeklärt. Sollte sie ungenügend sein, muss die BzP abgebrochen und in anderer Besetzung neu angesetzt werden. Die Anforderungen an die Verständigung in der BzP sind etwas geringer, als dies bei der Anhörung der Fall ist.5

2.4 Befragung 2.4.1 Identität Dieser Teil befasst sich in erster Linie mit den Personalien der asylsuchenden Person. Bei der Namensschreibweise muss die Weisung über die Bestimmung und Schreibweise der Namen von ausländischen Staatsangehörigen beachtet werden. Weitere Kriterien für die Datenerfassung beinhaltet die Weisung zur Erfassung und Änderung von Personendaten ZEMIS. Neben der Identität – zu welcher auch die Ethnie zählt – werden Religion, Zivilstand, Sprachkenntnisse, Schul- und Ausbildung sowie die letzte Arbeitstätigkeit der asylsuchenden Person erfragt. Zuletzt werden die Barmittel aufgenommen, welche sie bei der Gesuchseinreichung mit sich führte. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn die asylsuchende Person Angaben in einem anderen Kalender macht. Die angegebenen Daten sind sowohl im von der asylsuchenden Person verwendeten Kalender als auch in der europäischen Zeitrechnung festzuhalten.

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EMARK 1993 Nr. 36 E. 4b.

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2.4.2 Aufenthalte Hier werden der letzte Wohnort der asylsuchenden Person im Heimatstaat und die letzte offizielle Adresse möglichst präzis erfasst. Allenfalls sind auch weitere Angaben zur Wohnsituation von Interesse. Ausserdem wird nach vorgängigen Aufenthalten in der Schweiz und in Drittstaaten gefragt. Ebenfalls thematisiert werden Aufenthaltstitel, Visa-Sachverhalte und die Frage, ob die asylsuchende Person in der Vergangenheit jemals ein Asylgesuch in der Schweiz, in Drittstaaten oder auf einer Botschaft gestellt hat. Dabei muss Hinweisen auf Aufenthalte in Drittstaaten, insbesondere in Europa, konsequent nachgegangen werden.

2.4.3 Beziehungen Das familiäre Beziehungsnetz einer asylsuchenden Person im Heimatstaat, in der Schweiz und im übrigen Ausland wird präzis erfragt. Die nahen Verwandten, insbesondere Eltern bzw. die erziehungsberechtigten Personen, Geschwister und Kinder, werden je nach Fallkonstellation mit Namen, Geburtsdatum, Aufenthaltsort und allenfalls Aufenthaltsstatus erfasst. Bei den Kindern und den Eltern ist – ebenfalls je nach Konstellation – nach dem Geburtsort zu fragen. Entferntere Verwandte oder weitere Bezugspersonen sind insbesondere dann von Interesse, wenn keine nahen Verwandten angegeben werden. Die Gründe für das Fehlen eines Beziehungsnetzes und die Existenzsicherung müssen – namentlich bei verletzlichen Personen – thematisiert und hinterfragt werden.

2.4.4 Ausweispapiere Die von der asylsuchenden Person abgegebenen Ausweisdokumente und/oder das Fehlen rechtsgenüglicher Papiere werden mittels Code erfasst. Alle nicht in lateinischer Schrift ausgestellten Ausweispapiere müssen vom SEM übersetzt werden. Weiter werden zusätzliche Fragen zu den eingereichten Papieren, insbesondere ob sie echt und wie sie erlangt worden sind, gestellt. Vorsicht geboten ist bei Dokumenten, die einer Person nicht zustehen. Diese werden unter „Fragen zu anderen Ausweispapieren“ erfasst. Führerscheine im Original werden kopiert und an die asylsuchende Person zurückgegeben. Hat die asylsuchende Person keine rechtsgenüglichen Identitätsdokumente abgegeben, wird nach dem Vorhandensein, den Details und dem Verbleib eines Passes, einer Identitätskarte oder anderer Ausweispapiere gefragt. Die Gründe für das Fehlen rechtsgenüglicher Identitäts- und Reisedokumente und ihre Plausibilität müssen dabei hinterfragt werden. Zuletzt kann an die Pflicht zur Abgabe von rechtsgenüglichen Identitätsdokumenten erinnert werden, über welche die asylsuchende Person zum Zeitpunkt der BzP bereits in Kenntnis sein sollte, weil sie sowohl mittels des Merkblatts für Asylsuchende und Schutzbedürftige als auch im Informationsblatt über die Aufforderung zur Abgabe von Dokumenten darüber informiert wurde.

2.4.5 Reiseweg Hier werden konkrete Fragen zur Ausreise aus dem Heimatstaat, zur Reise vom Heimatund/oder Herkunftsstaat in die Schweiz und zur Einreise in die Schweiz gestellt. Weiter wer7

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den Ort und Datum des Asylgesuchs festgehalten. Hinweisen auf Dublin relevante Sachverhalte muss vertieft nachgegangen werden. Wenn Reisedokumente fehlen, kann auf die Plausibilität der Reise ohne die erforderlichen Papiere eingegangen werden. Die Einreise in die Schweiz wird nach Beweislage erfasst, das heisst, entsprechende Ausweispapiere und allenfalls Visa oder ein Laissez-passer müssen dem SEM vorliegen.

2.4.6 Herkunfts- und Länderfragen Ist die geltend gemachte Herkunft einer asylsuchenden Person zweifelhaft, können mittels verlässlicher Quellen Testfragen formuliert werden, um die Plausibilität der Herkunftsangaben zu überprüfen. Dabei ist dem Hintergrund der asylsuchenden Person Rechnung zu tragen. Länderspezifische Wissensfragen können unter den genannten Voraussetzungen auch an anderen Stellen der BzP gestellt werden.

2.4.7 Gesuchsgründe Die asylsuchende Person soll die Gelegenheit erhalten, die Gründe für ihr Asylgesuch darzulegen. Sie soll spontan erzählen können. Nur wenn sie vom Thema abweicht, bzw. bei unwesentlichen oder allzu detaillierten Aussagen, greift die befragende Person ein und führt zur Sache zurück; dies gemäss Wortlaut des einleitenden Textes, welcher zu Beginn der BzP vorgetragen wird. Dieser Vorgang ist zu protokollieren.6 Nach einem freien Bericht ist mittels gezielter Fragen der relevante Sachverhalt möglichst abschliessend abzuklären. Eine allfällig notwendige Glaubwürdigkeitsprüfung ist erst in der Anhörung – in Anwesenheit der Hilfswerksvertretung – vorgesehen.7 Die befragende Person hat sich jedoch zu versichern, dass die asylsuchende Person alles für das weitere Verfahren Wesentliche in Bezug auf ihre Gesuchsgründe sagen konnte. Offensichtliche Widersprüche, offensichtlich nicht erklärbare Wissenslücken oder weitere eklatante Ungereimtheiten sollten bereits anlässlich der BzP angesprochen werden. Der asylsuchenden Person ist zudem Gelegenheit zu geben, sich zu einer Rückkehr in den Heimat- oder Herkunftsstaat zu äussern. Insbesondere bei Medizinalfällen sind vertiefende Fragen zum geltend gemachten Leiden und der bereits erfolgten und in Zukunft notwendigen Behandlung zu stellen. Unter Punkt 7 werden auch allfällige Beweismittel und weitere Unterlagen erfasst. Soweit angezeigt, werden sie zumindest summarisch übersetzt. Zudem können Fragen betreffend Herkunft, Echtheit und Beweiszweck der Beweismittel gestellt werden. Beweismittel und Unterlagen, die für das Asyl- und Wegweisungsverfahren offensichtlich irrelevant sind, werden der asylsuchenden Person zurückgegeben. Bank- und Kreditkarten werden kopiert und ebenfalls wieder ausgehändigt. Besonderen Konstellationen (Mehrfachgesuche, bewilligte Einreisen) ist bei der Befragung Rechnung zu tragen.

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Vgl. BVGE D-81/2010 E. 5.2 vom 8. Februar 2010 mit Verweis auf EMARK 1993 Nr. 3 S. 11 ff. Zum beschränkten Beweiswert der Aussagen einer asylsuchenden Person anlässlich der BzP vgl. Grundsatzentscheid EMARK 1993 Nr. 3 S. 11 ff. sowie EMARK 2005 Nr. 7 E 6.2.1 und EMARK 2004 Nr. 34 E 4.4.

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2.4.8 Rechtliches Gehör inkl. beratendes Vorgespräch An dieser Stelle der BzP werden zunächst – sofern relevant – das rechtliche Gehör zu allfälligen Dublin-Sachverhalten gewährt, es können jedoch auch andere rechtliche Gehöre Platz finden. Anschliessend wird die asylsuchende Person gefragt, ob bei ihr gesundheitliche Beeinträchtigungen vorliegen (Art. 26bis AsylG und Art. 20a AsylV1). Sodann wird – sofern die Voraussetzungen erfüllt sind – das beratende Vorgespräch gemäss Art. 25a AsylG und Art. 20 AsylV1 geführt. Gewisse rechtliche Gehöre dürfen nicht im BzP-Protokoll aufgenommen werden, sondern müssen in einem separaten Dokument erstellt werden. Als Beispiel kann das rechtliche Gehör bei einem Kantonszuteilungswunsch genannt werden.8 Diese rechtlichen Gehöre stellen einen eigenen Verfahrensschritt dar. Auch andere rechtliche Gehöre werden in der Praxis ausserhalb des BzP-Protokolls gewährt, beispielsweise das rechtliche Gehör zum Resultat von Altersabklärungen oder das oben bereits unter Punkt 2.1 abgehandelte rechtliche Gehör zur Zusammensetzung des Anhörungsteams bei männlichen asylsuchenden Personen, die geschlechtsspezifische Gründe geltend machen.

2.4.9 Weitere Fragen Der asylsuchenden Person wird erklärt, dass die BzP nun zu Ende sei. Sie erhält die Gelegenheit, letzte Bemerkungen anzubringen. Die Dauer der BzP wird mit Beginn und Ende der Befragung inklusive (voraussichtlicher) Rückübersetzung festgehalten. Es empfiehlt sich, auch die Dauer von allfälligen Pausen festzuhalten.

2.4.10 Abschliessende Fragen Am Schluss des Protokolls muss die Zusammensetzung des Befragungsteams eingegeben werden, das heisst das Geschlecht der befragenden Person sowie die Anwesenheit und das Geschlecht der dolmetschenden Person.

2.5 Abschluss der BzP Nach der BzP wird das Protokoll ausgedruckt und der asylsuchenden Person in ihre Sprache rückübersetzt. Sie hat dabei die Möglichkeit, Korrekturwünsche anzubringen. Macht sie neue Aussagen, sind diese zu kennzeichnen, das heisst, es soll ersichtlich sein, dass sie erst anlässlich der Rückübersetzung gemacht wurden. Jede Seite des Protokolls, allfällige Korrekturen und Ergänzungen werden unterzeichnet. Am Schluss des BzP-Protokolls bestätigt die asylsuchende Person durch ihre Unterschrift nochmals ausdrücklich, dass das Protokoll ihren Aussagen und der Wahrheit entspricht und dass es ihr in eine ihr verständliche Sprache rückübersetzt wurde.

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Da die Kantonszuteilung separat angefochten werden kann, müsste bei einem allfälligen Akteneinsichtsgesuch betreffend Kantonszuteilung bereits vor Entscheidreife im Asylpunkt das BzP-Protokoll ediert werden.

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Im Anhang des BzP-Protokolls befinden sich zwei Einwilligungserklärungen. Mit der ersten Erklärung willigt die asylsuchende Person ein, dass aus Drittstaaten und bei internationalen Organisationen bestimmte, das Asylverfahren betreffende Angaben und Unterlagen eingeholt werden dürfen. Zudem werden sämtliche eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Behörden ermächtigt, dem SEM Auskünfte zu erteilen, die es für die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags benötigt. Weiter können Identitätsdokumente auf ihre Echtheit überprüft und das Prüfungsergebnis den bereits erwähnten in- und ausländischen Behörden mitgeteilt werden. Schliesslich enthält die erste Einwilligungserklärung noch den Hinweis, dass gemäss Art. 10 Abs. 2 AsylG Reisepapiere, Identitätsdokumente und andere über die Identität der asylsuchenden Person Aufschluss gebende Dokumente eingezogen werden müssen. Mit der zweiten Erklärung erklärt sich die asylsuchende Person einverstanden, dass das SEM und die mit der Betreuung beauftragten Personen Einsicht in die ärztlichen Unterlagen erhalten. Zudem dürfen diese Unterlagen auch an andere medizinische Stellen weitergeleitet werden. Die asylsuchende Person entbindet das ärztliche Personal von der Schweigepflicht, sofern die Informationen für das Asylverfahren wichtig sind. Dieses Dokument wird in zweifacher Ausführung (eine in deutscher und eine in englischer Sprache) der asylsuchenden Person zur Unterschrift unterbreitet. Schliesslich wird bei beiden Einwilligungserklärungen auf die Folgen der Unterschriftsverweigerung und der hiermit zusammenhängenden Mitwirkungspflichtverletzung hingewiesen.

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Kapitel 3 Benutzte und weiterführende Literatur Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH, 2009: Handbuch zum Asyl- und Wegweisungsverfahren. Haupt, Bern.

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