Die BDP gewinnt vier Sitze hinzu

desrat Hans-Rudolf. Merz nach wie vor ei- nen klingenden Na- men: Das ... aber, wer weiss, vielleicht moti- viert dieser Anfangserfolg den ge- bürtigen Basler ...
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Wahlen 2011

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az | Montag, 24. Oktober 2011

«Egerszegi wäre wohl gewählt, wenn ich nicht angetreten wäre.»

«Ehrlich gesagt hatte ich keine grossen Sorgen.»

«Die Realisten wussten, dass es einen zweiten Wahlgang geben wird.»

Lieni Füglistaller, wilder SVP-Kandidat AG

Anita Fetz, wiedergewählte SP-Ständerätin BS

Adrian Amstutz, SVP-Ständeratskandidat BE

Aufgeschnappt Tarzisius Caviezel wollte hoch hinaus: Gleich nach seinem Einzug in den Nationalrat vor vier Jahren bewarb sich der Bündner FDP-Nationalrat und Präsident des HC Davos um das Amt des Nationalratspräsidenten für das Jahr 2011. Die Fraktionskollegen empfanden das als Affront und zogen den Walliser Jean-René Germanier dem forschen Bündner vor. Gestern nun sind Tarzisius Caviezels Aussichten auf den Posten des höchsten Schweizers weiter geschwunden – er wurde als Nationalrat abgewählt. (CAV) Roberto Schmidt war der Inbegriff eines politischen Hinterbänklers. Dann reichte der Walliser CVP-Nationalrat vor einem halben Jahr jene Motion ein, auf deren Basis Bundesrat und Parlament den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen – und Schmidt war plötzlich landesweit bekannt. Im Wasserschlosskanton Wallis kommt dieses segensreiche Wirken offenbar aber gar nicht gut an. Auch Schmidt wurde gestern in die Wüste geschickt. (CAV)

In seiner Appenzeller Heimat hat alt Bundesrat Hans-Rudolf Merz nach wie vor einen klingenden Namen: Das Wahlvolk wählte gestern den 31-jährigen Andrea Caroni neu für die FDP in den Nationalrat – der Jurist arbeitete bis zu Merz’ Demission als dessen persönlicher Mitarbeiter. (CAV) Im Kanton Schwyz entfielen 132 Stimmen auf Roger Federer, der seit einigen Jahren in Feusisberg SZ wohnt. Der Tennisstar hat zwar nicht kandidiert – aber, wer weiss, vielleicht motiviert dieser Anfangserfolg den gebürtigen Basler Sportler für den Start einer politischen Karriere in vier Jahren. (CHD) Die Allianz der Mitte funktioniert schon – jedenfalls in der Raucherecke vor den Türen des SRGWahlstudios in Zürich. CVP-Generalsekretär Tim Frey wurde dabei beobachtet, wie er sich mit einem GLP-Zündhölzli die Pausenzigarette anzündete. Gefragt, ob da schon eine Fusion vorausgenommen werde, winkte er jedoch ab: Mit dem Gebrauch von GLP-Zündhölzli, BDP-Post-it und SP-Kugelschreibern spare die CVP einfach Kosten: «So ist die nächste Plakatkampagne schon zur Hälfte finanziert.» (SER) Die Sicherheitsleute des Schweizer Fernsehens nehmen ihre Aufgabe sehr, sehr ernst. BDP-Präsident Hans Grunder bekam dies gestern Nachmittag zu spüren, als ihn der Sicherheitsmann am Eingang des Fernsehstudios gleich zweimal zum Gang durch den Metalldetektor nötigte und ihn dann auch noch aufforderte, seine Hosentaschen zu leeren. Grunder nahm es gelassen. Das Lächeln des Wahlsiegers wich nicht mehr von seinem Gesicht. (LHN)

Die BDP gewinnt vier Sitze hinzu Neue Kraft Die Partei punktet auch ausserhalb ihrer Stammlande Bern, Graubünden und Glarus VON DANIEL FUCHS

Neue Parteien verfügen über Anziehungspotenzial. Und die Wahlprognosen haben der Bürgerlich-demokratischen Partei (BDP) sichere Wahlgewinne vorausgesagt. So überrascht es wenig, dass die BDP, die sich nach den Wahlen 2007 im Streit aus der SVP herauslöste, vorwärts macht. Laut letzten Hochrechnungen ist sie im Nationalrat bei einem Wähleranteil von 5,2 Prozent neu mit neun Sitzen vertreten: Vier mehr als nach der Abspaltung von der SVP während der vergangenen Legislatur. Zwar hatte die BDP bereits im alten Parlament Fraktionsstärke. Doch nun kann sie diese ausbauen. BDP-Präsident Hans Grunder strahlt über beide Backen, als er die Gratulationen entgegennimmt und Interviews gewährt. Mit den neun Sitzen hat er sein eigenes Ziel von zehn Sitzen zwar nur fast erreicht. Dennoch überraschten ihn die Resultate aus den SVP-Hochburgen Zürich und Aargau. So ziehen für den Kanton Zürich Lothar Ziörjen und Rosmarie Quadranti-Stahel in den Nationalrat ein. Im Aargau hat das Rennen Bernhard Guhl gemacht. Er ist – wie Ziörjen in Zürich – Präsident der Kantonalpartei. Den Berner Hans Grunder freut es. Er scherzt: «Die Zürcher hatten wohl eine etwas längere Leitung als anderswo.» In der Realität angekommen Wenig überraschend gewinnt die BDP vor allem auf Kosten von FDP, CVP und SVP, ihrer schärfsten Konkurrentin. Diese verliert nicht nur in den BDP-Gründungskantonen Bern und Graubünden an die neue Partei, sondern ebenso in Zürich und im Aargau. Trotz der Euphorie: In den BDP-Hochburgen Graubünden und Bern dürfte die BDP ihr Wählerpo-

BDP Wähleranteil: 5,2% (2007: –) Sitze Nationalrat: 9 (2007: –) Bemerkenswert: Bei den ersten Wahlen seit ihrer Gründung gewinnt die BDP auf Anhieb 5,2 % Wähleranteil. Im Kanton Bern wird sie drittstärkste Kraft.

dierenden für die BDP ins Parlament einziehen.

BDP-Präsident Hans Grunder ist ein strahlender Wahlsieger. tenzial nun ausgeschöpft haben. So legte die BDP Bern seit den Grossratswahlen 2010 nicht weiter zu. Die Wählerstärke nahm von damals 16 Prozent auf gut 14 Prozent sogar etwas ab. Trotzdem baut die Partei ihre Delegation im Bundeshaus mit etwas Glück von zwei auf vier Mandate aus und löst die Berner FDP als «moderate bürgerliche Kraft ab», wie es der SRG-Hauspolitologe Claude Longchamp während der Wahlsendung des Schweizer Fernsehens formulierte.

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Mit diesem Resultat habe man sich in Bern behaupten können, sagt der Vizepräsident der kantonalen Sektion Samuel Leuenberger, der selber für den Nationalrat kandidierte. «War uns bei den letztjährigen Grossratswahlen noch eine Art Newcomer-Bonus beschieden, so sind wir nun in der politischen Realität angekommen», so seine Analyse. Diese Wählerstärke gelte es künftig zu halten. Anders als in Zürich oder im Aargau war bis zum Redaktionsschluss nicht bekannt, welche Berner Kandi-

Das machten die Kleinstparteien

Die SP tritt auf der Stelle Licht und Schatten Zwar bleibt die SP stabil, vom Schock 2007 erholt sie sich jedoch nicht. VON DANIEL FUCHS

Die Sozialdemokraten kommen nicht vom Fleck. Zwar gewinnen die Genossen einen Sitz dazu und kommen im Nationalrat neu auf 44 Mandate. Doch gleichzeitig schrumpft ihr Wähleranteil von 19,5 auf 17,6 Prozent. Insgesamt haben die SP-Parteistrategen den 2007 eingeläuteten Abwärtstrend zwar durchbrochen, doch Erfolg sieht anders aus. Der Siegeszug der Grünliberalen und der BDP legt seinen Schatten auch über die einst stolze Arbeiterpartei. Mit den Grünliberalen hätten die Wähler «eine Marke» und mit der BDP einen «Fanklub für Eveline WidmerSchlumpf» gekauft. So erklärt SP-Parteipräsident Christian Levrat den Stillstand seiner Partei. Verstaubtes Image Mit seiner Analyse steht der Freiburger nicht alleine da. Doch dürfte ebenso klar sein: Grünliberal ist neu, sexy und deshalb attraktiv zu wählen. Antike Klassenkampfparolen dagegen haben mit der Realität der meisten Wählenden nur noch wenig zu tun. Wer die Bürger sind, die sich vom verstaubten SP-Parteiprogramm abschrecken liessen und stattdessen grünliberal gewählt haben, werden die Nachwählerbefragungen in den kommenden Monaten aufzeigen.

SP-Präsident Christian Levrat. Immerhin, die Genossen haben trotz allem auch etwa zu feiern: Für den bürgerlich geprägten Kanton Aargau zieht mit Pascale Bruderer nach über 60-jähriger Abstinenz erstmals wieder eine Vertreterin der Sozialdemokratie in den Ständerat ein. Dass es sich dabei um eine Kopfwahl statt um eine Parteienwahl handelt, muss die Genossen nicht betrüben. Mit Cédric Wermuth drückt ein weiterer Aargauer das Durchschnittsalter im Nationalrat ein wenig nach unten. Neben den Aargauer Sozialdemokraten dürfen sich aber auch jene aus Solothurn, Freiburg, der Waadt und dem Wallis freuen. Dort gewinnt die SP je einen Sitz dazu, was die

Deutschschweizer Phänomen Während in Bern die Sitzverteilung zugunsten der BDP ausfiel, hat die Bündner Sektion weniger Glück. Sie verliert einen Sitz an die SVP. Damit erobert die Volkspartei einen von zwei nach den Wahlen 2007 an die BDP verlorenen Sitzen zurück. Hans Grunder nimmt diesen Verlust achselzuckend entgegen: «Wir hatten das bereits erwartet, weil Brigitte Gadient leider nicht wieder antrat.» Mit Hansjörg Hassler bleibt der Bündner Sektion ein Sitz im Parlament. Im Kanton Glarus bringt die BDP den einzigen Nationalratssitz mit Martin Landolt locker ins Trockene. Trotz ihres Erfolgs bleibt die BDP ein Phänomen der deutschsprachigen Schweiz. Den Sprung über die Sprachgrenzen hat die Parteileitung nicht geschafft. Weder in der Romandie noch im Tessin zieht die Partei in den Nationalrat ein. Insbesondere in der Waadt hat Hans Grunder mehr erwartet. Doch selbstkritisch räumt Grunder ein, für den BDP-Sprung über den Röstigraben nicht gerade das optimale Bindeglied darzustellen – vor allem seiner mangelnden Französischkenntnissen wegen.

PETER KLAUNZER/KEYSTONE

Waadtländer dazu beflügelt, mit Pierre-Yves Maillard einen weiteren Bundesratskandidaten ins Spiel zu bringen.

SP Wähleranteil: 17,6% (2007: 19,5%) Sitze Nationalrat: 44 (2007: 43) Bemerkenswert: Die SP hat zwar Wähleranteil verloren, aber als einzige grosse Bundesratspartei keine Sitze.

An den Rändern links der SP und rechts der SVP gibt es seit längerem nur noch wenig Raum für Kleinstparteien. Daran hat sich auch bei diesen Wahlen wenig geändert. Und doch: Einige Veränderungen gibt es. Allen voran im Kanton Genf. Dort konnte gleich an beiden Rändern je eine Kleinstpartei einen Sitz gewinnen: einerseits das rechtspopulistische Mouvement Citoyen Genevois (MCG) und andererseits die Äussere Linke. Und zwar auf Kosten der Grünen und der SP. Auch im Tessin gab es bei den Kleinstparteien eine Veränderung: Die Lega konnte einen zweiten Sitz hinzugewinnen. In Bern hingegen verliert die EDU ihren einzigen Sitz im Nationalrat, jenen von Andreas Brönnimann. Die EVP wird wie bis anhin mit zwei Parlamentariern im Nationalrat vertreten sein.

Piratenpartei ohne Erfolg Neu angetreten war dieses Jahr die Piratenpartei, die sich als unkonventionelle und junge Kraft ausserhalb des klassischen Parteiengefüges positionieren wollte. Im Gegensatz zu den Wahlen in Berlin, wo die Piratenpartei auf Anhieb mehrere Sitze erobern konnte, hatte die neue Partei bei diesen Nationalratswahlen aber keinen Erfolg. Zwar erreichte sie im Kanton Zürich rund 0,8 Prozent und im Kanton Bern rund 0,7 Prozent der Stimmen. Doch dies reichte in beiden Kantonen nicht für einen Nationalratssitz. (AZ)