Deutschland. Ein Wintermärchen - PDFDOKUMENT.COM

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Königs Erläuterungen und Materialien Band 62

Erläuterungen zu

Heinrich Heine

Deutschland. Ein Wintermärchen von Wolfgang Pfister

Über den Autor dieser Erläuterung: Wolfgang Pfister: Abitur 1959 in Bamberg, anschließend Studium der Fächer Deutsch und Geografie in Erlangen und Würzburg. 1964 bzw. 1966 Erstes und Zweites Staatsexamen für das Lehramt an Realschulen. 1974 Erwerb des Pädagogischen Diploms an der Universität Bamberg und Ernennung zum Zweiten Realschulkonrektor, 1986 zum Realschulrektor als Leiter der Graf-Stauffenberg-Realschule Bamberg.

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3. Auflage 2006 ISBN 10: 3-8044-1750-7 ISBN 13: 978-3-8044-1750-2 © 2003 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Heinrich Heine Druck und Weiterverarbeitung: Tiskárna Akcent, Vimperk

KE_062NEU.p65

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10.04.06, 11:24

Inhalt

Inhalt Vorwort ................................................................... 5 1. 1.1 1.2 1.3

Heinrich Heine: Leben und Werk ......................... 7 Biografie .................................................................... 7 Zeitgeschichtlicher Hintergrund: Deutschland zwischen 1815 und 1848 ........................ 9 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken ........................................... 17

2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7

Textanalyse und -interpretation ........................... 19 Entstehung und Quellen ........................................... 19 Inhaltsangabe ........................................................... 22 Aufbau ..................................................................... 69 Personenkonstellation und Charakteristiken ............. 71 Sachliche und sprachliche Erläuterungen .................. 76 Stil und Sprache ........................................................ 88 Interpretationsansätze .............................................. 92

3.

Themen und Aufgaben .......................................... 95

4.

Rezeptionsgeschichte/Materialien ........................ 98 Literatur ............................................................... 102

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Vorwort

Vorwort: Heinrich Heines Anliegen Der Wert eines literarischen Werkes lässt sich nur unter bestimmten Voraussetzungen ermitteln: Einerseits gehört seine überzeitliche Geltung dazu, andererseits muss die sprachliche Form den darin enthaltenen Aussagen entsprechen. Wenn derartige Texte auch noch im Unterricht behandelt werden sollen, stellt sich die grundsätzliche Frage, in welchem Zusammenhang und unter welchem Aspekt das ausgewählte Werk betrachtet werden kann. Für Heinrich Heines Versepos Deutschland. Ein Wintermärchen gilt dies in besonderer Weise: Heines Sicht Deutschlands ist die Reaktion auf eigene Erfahrungen, die er in Deutschland und mit deutschen Verhältnissen hatte machen müssen: Dabei handelt es sich also um einen Zustandsbericht über eine Periode, die – nicht nur in Deutschland – von Umbrüchen gekennzeichnet ist. Dass in diesen Bericht auch unerfreuliche Begebenheiten eingearbeitet sind, verwundert deswegen nicht, weil Heines scharfer Blick zu satirischer Darstellung verführt. Dabei nimmt er eine durchaus zwiespältige Haltung ein: So sehr er politische und soziale Bedingungen anprangert, so sehr schätzt er auch manche Vorzüge in Deutschland, unabhängig davon, dass Deutschland sein Heimatland ist und er sich danach von seinem Pariser Exil aus als „heimwehkranker“ Schriftsteller sehnt. Bei der Schilderung deutscher Verhältnisse nutzt er seine Eloquenz, die etwas Schillerndes und Verführerisches hat, und seine Fähigkeit, das Beobachtete zu einer grundlegenden Erkenntnis zu gestalten oder gar in bestimmter Absicht zu vergröbern, so dass oftmals erst beim zweiten Hinsehen sein Anliegen erkannt wird. Dass hinter der sprachlichen Glätte vielfach der bittere Kern einer ebenso bitteren Kritik liegt und dass die schonungslose Darstellung verlogener und vor allem reaktio-

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Vorwort närer Lebensbedingungen nicht nur einer Abneigung, sondern einer Sehnsucht entspringt, muss als Grundlage der oft zwiespältigen Aussagen gewertet werden. Sein Versepos Deutschland. Ein Wintermärchen kann als eines seiner wichtigsten Werke bezeichnet werden. Schon mit dem Titel hat er einen Begriff in den Mittelpunkt seiner Betrachtung gestellt, der bis in die Gegenwart ein Reizthema geblieben ist. Was in der Vergangenheit mit der deutschen Frage in Zusammenhang gebracht wurde, was auch während der deutschen Spaltungen, die nicht auf die jüngste Zeit begrenzt waren, an innerdeutschem Wohl und Wehe durchgestanden wurde, lässt sich mit wenigen Sätzen nicht darstellen. Deutschland war und ist ein Problemland – darüber gibt es keinen Zweifel. Wenn dieses Land mit seiner damaligen Bevormundung durch Preußen in die Nähe des von der Romantik geprägten Begriffes „Märchen“ gebracht wird, hat bereits der Titel des Werkes ironisch-satirischen Charakter.

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1.1 Biografie

1.

Heinrich Heine: Leben und Werk

1.1 Biografie Jahr

Ort

1797

Düsseldorf

1804

Düsseldorf

1810– 1814

1. Heinrich Heine: Leben und Werk

Ereignis

Alter

Geburt am 13. Dezember als erstes von vier Kindern; ursprünglicher Vorname „Harry“ wie der Großvater väterlicherseits; Vater: Samson Heine, dem konservativen Judentum verhaftet; Mutter: Peira (Betty) van Geldern; 6 Israelitische Privatschule; Unterricht in hebräischer Sprache; Wechsel in allgemeine Schule dank kurfürstlicher Gesetzgebung; Übertritt in das ehemalige Jesui- 12–16 ten-Gymnasium; Förderung in Rhetorik und Verslehre durch Jean Baptiste Daulnoy und in Philosophie durch Rektor Schallmayer, den „rheinischen Aufklärer“; Studium der französischen Klassiker, aber auch deutscher Literatur, vor allem der Werke E. T. A. Hoffmanns;

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1.1 Biografie

Jahr 1815 1819– 1825

Ort Frankfurt/M. Bonn Frankfurt/M. Berlin

1821

Berlin

1822 1826/27 1827 1829/30 1829/30 Hamburg 1830 1831

Helgoland Paris

1836 1840 1843

Hamburg

1844

1856

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Paris

Ereignis Alter 17 Beginn einer Banklehre; Studium der Rechtswissenschaft, 21–27 finanziert durch seinen Onkel Salomon Heine; Promotion und Wechsel zum evangelischen Glauben; Besuch des Salons von Rahel von 23 Varnhagen; 24 erste Gedichte; Reisebilder I (Harzreise) und II 28 (Ideen. Das Buch Le Grand); 29 Buch der Lieder; Reisebilder III (Die Bäder von 31/32 Lucca; Die Stadt Lucca); Wohnsitz in Hamburg-Wandsbeck; 32 Wohnsitz in Helgoland; fluchtartige Übersiedlung nach 33 Paris; von dort zwei Reisen (1843 und 1844) nach Hamburg zu der Mutter; Die romantische Schule (Kritik an 38 der politischen Romantik); 42 Denkschrift; Erste Reise nach Hamburg; Ent- 45 stehung des Atta Troll. Ein Sommernachtstraum. Zweite Deutschlandreise; Neue Ge- 46 dichte; Deutschland. Ein Wintermärchen. 17. Februar: Tod in Paris 58 1. Heinrich Heine: Leben und Werk

1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund

1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund: Deutschland zwischen 1815 und 1848 Dass Heines kritische Haltung auch auf die damalige politische und soziale Entwicklung zurückzuführen ist, lässt sich aus den negativen und vor allem konservativen und restriktiven Strömungen erklären, die in Deutschland während der Zeit des Vormärz, also zwischen den Befreiungskriegen 1813/15 gegen Napoleon und der Märzrevolution von 1848 herrschten. Für die geistige und vor allem literarische Entwicklung in Deutschland können innerhalb dieser Zeit fünf Phasen unterscheiden werden 1: Zwischen 1815 und 1820 herrschte der Geist der enttäuschten Befreiungskrieger und Burschenschaftler. Ausdruck dafür war das Wartburgfest, eine studentische Feier auf der Wartburg bei Eisenach am 18. Oktober 1817 zum Andenken an die Leipziger Völkerschlacht und die Ermordung August von Kotzebues 1819. Dieser hatte durch die Verspottung der patriotischen Burschenschaften den Hass der Liberalen auf sich gezogen. Zwischen 1820 und 1830 bestand relative Ruhe als Auswirkung einer strengen Zensur. Zwischen 1830 und 1835 dominierte die liberale jungdeutsche Periode. Zwischen 1835 und 1840 überwog äußerlich eine Art Biedermeier-Ruhe trotz gelegentlicher Angriffe auf die Restauration durch Metternich. Zwischen 1840 und 1848 wurde die entscheidende Märzrevolution durch Vormärz die Wahlen zum Frankfurter Paulskirchen-Parlament vorbereitet. Im engeren Sinn kann daher nur diese letzte Phase als „Vormärz“ bezeichnet werden. Die politische Situation war von der sog. Restauration geprägt und somit von dem Bestreben der einzelnen Regierungen im 1 vgl. Hermand (1967), S. 359 1. Heinrich Heine: Leben und Werk

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1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Deutschen Bund, vornapoleonische Zustände wieder herzustellen und damit das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Zwar lebte das etablierte Bürgertum in Ruhe und Beschaulichkeit, in den unteren Volksschichten, die die breite Masse ausmachten, überwogen jedoch Armut und Apathie. So erklärt es sich, dass die Ideen der Französischen Revolution von 1789 auf fruchtbaren Boden fielen, auch wenn Staatstheoretiker betonten, dass die überkommenen feudalen Ordnungen die rechtmäßige Grundlage des Staates seien. Die äußerst schlechte wirtschaftliche Situation erklärte sich auch aus der starken Zunahme der Bevölkerung: Das Anwachsen der Massenarmut und der steigenden Kindersterblichkeit drohte sich als Sprengstoff zu entwickeln. Zwischen 1816 und 1855 stieg z. B. die Einwohnerzahl Preußens von zehn auf siebzehn Millionen. Die Folgen waren Nahrungs- und Wohnungsmangel. So geht aus einer preußischen Statistik, die sich auf den Zeitraum zwischen 1823 und 1837 bezieht, hervor, dass die Hälfte der Menschen nicht einmal das 40. Lebensjahr erreichte und nur etwa 12 Prozent älter als 70 Jahre wurde. Gleichzeitig griff die von England ausgehende Industrialisierung auf Deutschland über: Der Eisenbahnbau mit seiner ersten Strecke im Jahre 1835 zwischen Nürnberg und Fürth wurde weitergeführt und entwickelte sich sprunghaft. Seit 1841 gab es in Berlin (Borsig) und München (Maffei) Lokomotivfabriken. Diese aufstrebende wirtschaftliche Entwicklung stand im Widerspruch zur wirtschaftlichen Lage der Menschen und zur politischen Erstarrung eines überkommenen Systems. Das blieb auf Heine nicht ohne Wirkung, zumal er als Begründer des literarischen Feuilletons und als Berichterstatter seinen Blick auf soziale und politische Verhältnisse richtete. Daher sind viele seiner Texte ironisch und aggressiv, wenn sie

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1. Heinrich Heine: Leben und Werk