Deutliches Potenzial für die maritime Wirtschaft - VDMA

Deutschland, die ihre Technologien in die ... Deutschland und die deutsche Technik haben im Iran einen sehr ... Rückkehr der ersten iranischen Banken in.
144KB Größe 37 Downloads 80 Ansichten
SCHIFFBAU & SCHIFFSTECHNIK

IRAN

Deutliches Potenzial für die maritime Wirtschaft DEUTSCHE DELEGATION Ziel der vom Branchenverband VDMA – Marine Equipment and Systems begleiteten Delegationsreise nach Teheran war es, eine realistische Einschätzung für die sich bietenden Potenziale zu erhalten. Im Ergebnis konnte ein großes Interesse an der Wiederbelebung der Geschäftsbeziehungen auf beiden Seiten, sowohl in der Schiffs- und Offshore-Technik als auch der Hafenwirtschaft, festgestellt werden. Hauke Schlegel

M

it dem Wegfall der Sanktionen kehrt der Iran als Wirtschaftspartner auf die Weltbühne zurück. Vor allem die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer setzen darauf, an traditionelle erfolgreiche Geschäftsbeziehungen anknüpfen zu können. Das gilt speziell auch für die maritimen Zulieferer aus Deutschland, die ihre Technologien in die Märkte Schiffbau, Offshore Öl&Gas und Häfen liefern. Vor diesem Hintergrund reiste Anfang März eine auf die maritime Wirtschaft fokussierte Unternehmerdelegation nach Teheran, um die Möglichkeiten zu sondieren, alte Kontakte aufzufrischen und neue aufzubauen. Obgleich zahlreiche Unternehmen des deutschen maritimen Maschinenbaus auf traditionell gute Geschäftsbeziehungen aufbauen, die nun wieder aktiviert werden können, ist der Iran für viele kleinere und mittelständische Firmen noch ein weißer Fleck auf der Landkarte. Daher ist hier zusätzliche intensive Basisarbeit erforderlich, auch für den Branchenverband VDMA als Dienstleister der maritimen Industrie. Der Bedarf im Land ist jedenfalls sehr groß, denn in allen Bereichen soll jetzt wieder investiert werden. Sowohl in die fahrende Flotte des Landes (aktuell 199 Schiffe mit 10,2  Mio.  BRZ), in Schiffsneubauten, Offshore-Einheiten und auch in die Infrastruktur der iranischen Häfen. Experten schätzen das im Iran entstehende Geschäftspotenzial für deutsche Unternehmen mittel- bis langfristig auf ein Volumen von acht bis zehn Milliarden Euro. Fünf bis zehn Prozent davon im maritimen Sektor sind sicher nicht unrealistisch. Deutschland und die deutsche Technik haben im Iran einen sehr guten Ruf. Insgesamt spürten auch die Delegationsteil-

42

Schiff&Hafen | April 2016 | Nr. 4

Die Delegation der Schiffbau- und Hafenwirtschaft vor der PMO Port & Maritime Organization in Teheran

nehmer die Aufbruchstimmung im Land. Die Iraner sind jung, motiviert und sehr an neuen Beziehungen interessiert – die Hälfte der 79 Mio. Einwohner ist unter 30 Jahre alt. Die Begeisterung für den Aufbau ist entsprechend groß. Gleichzeitig geht es den Iranern jedoch nicht nur darum, Technik zu beziehen, sie wollen, dass die Geschäftspartner vor Ort präsent sind. Dazu herrscht eine sehr offene Diskussionskultur. Schwierig ist im Moment aber noch die Abwicklung der Finanzgeschäfte: Bei den Großbanken herrscht immer noch Unsicherheit darüber, was die Aufhebung der Sanktionen genau bedeutet. Vor allem fürchten große Teile der Finanzwirtschaft Repressalien v.a. durch Institutionen in den USA, sollten sie sich „zu früh“ dem IranGeschäft öffnen. Ein gutes Zeichen aus Sicht der deutschen Lieferanten ist aber die Rückkehr der ersten iranischen Banken in

den internationalen Zahlungsverkehr über das SWIFT-System. Da die Sanktionen schrittweise abgebaut werden sollen, bleibt das Embargorecht für das Irangeschäft weiterhin relevant. Das kann im Detail viele Hemmnisse bedeuten, wie auch die jüngsten Gespräche der Delegationsteilnehmer bei den iranischen Reedereien zeigten: Für viele Produkte der Schiffs- oder Offshore-Technik herrschen aufgrund der „dual-use“-Regelung immer noch Einschränkungen – die iranischen Fachleute sind äußerst interessiert an eindeutigen Regelungen und suchen dazu schon den direkten Kontakt zur deutschen Exportkontrollbehörde BAFA. Der VDMA sieht daher schnellen Handlungsbedarf, denn iranische Kunden erwarten zu Recht, dass der deutsche Maschinenbau bereits jetzt wieder legale Lieferungen tätigen kann.

Ergebnisse der Delegationsreise Im Irangeschäft hat nach dem „Implementation Day“, dem Startschuss zur Lockerung der Sanktionen, eine Art „Run“ eingesetzt, in beide Richtungen geben sich Delegationen die Klinke in die Hand. Euphorie macht sich breit, geschäftstüchtige Experten und Berater schüren das Feuer – Zeit für eine realistische Bestandsaufnahme und Zukunftsanalyse. Die vom Branchenverband VDMA – Marine Equipment and Systems begleitete Delegationsreise Anfang März nach Teheran sollte daher dazu dienen, ein realistisches Gefühl für die tatsächlichen Perspektiven zu erhalten. Die maritime Delegation führte vierzehn deutsche Unternehmensvertreter zu den entscheidenden Adressen der iranischen Schifffahrt: Neben Gesprächen mit den führenden Staatsreedereien IRISL und NITC sowie der Port and Maritime Organisation (PMO) gab es auch Treffen mit privaten Firmen und Experten in Teheran, u.a. dem Offshore-Unternehmen DanaEnergy. Die Reise wurde vom BIU (Bund iranischer Unternehmer) mit großem Engagement organisiert und von der Iranischen Botschaft unterstützt. Auf deutscher Seite waren bei dieser Fact-Finding-Reise neben dem VDMA mehrere Firmen der Schiffbau- und Zulieferindustrie sowie der Schifffahrt und Hafenwirtschaft dabei: Unter anderem waren hochrangige Repräsentanten von DNVGL, MWB, Noske-Kaeser, R&M, HPC, HPA und BLG unter den Teilnehmern. Die Gespräche zeigten auf, wie die Iraner in der Schifffahrt durch die Sanktionen beeinträchtigt wurden und nun schnellstmöglich wieder technologisch Anschluss finden wollen. Dabei wird Deutschland als wichtigster Geschäftspartner gesehen. Die deutschen Unternehmen sollen der iranischen Wirtschaft ermöglichen, möglichst schnell wieder Anschluss an den technologischen Stand zu erhalten. Die iranischen Einkäufer sind gut informiert und wissen traditionell die Qualität „made in Germany“ zu schätzen und setzen durchaus auch die Preise mit der Qualität und Lebenszeit eines Produkts in Beziehung. Die Ingenieure der Reedereien stellten jedoch auch konkrete Fragen zur Qualität der Schiffbauzulieferprodukte, die deutsche Firmen in asiatischen Betrieben fertigen. Die Iraner fühlten sich hier durch die „local-content“Anteile der chinesischen Werften mit Produkten minderer Qualität – trotz angeblich deutschen Namens – abgespeist. Hier gilt es für die deutschen Firmen, im Direktgespräch mit den iranischen Kunden zu

informieren und Vertrauen aufzubauen. Großes Interesse zeigten die iranischen Schiffsmanager an den Entwicklungen der Emissionsregularien und ihrer technischen Optionen, die sie bei anstehenden Neubauprojekten zu beachten haben. Auch das Thema Dual Fuel/LNG–Antriebstechnologien wird mit Sorgfalt diskutiert. Insgesamt benötigen die Iraner hier jedoch noch eine bessere Informationsbasis, bevor Investitionsentscheidungen getroffen werden. Der Besuch der wichtigsten maritimen Messen wird den Iranern als Mittel dienen, sich hier schnell auf den aktuellen Stand zu bringen. Erfreulich aus Sicht der deutschen Industrie, dass etliche der besuchten Entscheidungsträger in Teheran ihren Gegenbesuch auf der kommenden Welt-Schiffbaumesse SMM im September in Hamburg angekündigt haben. Die deutsche Delegation war insgesamt beeindruckt von der großen Offenheit der iranischen Gesprächspartner, gerade auch in den Staatsunternehmen, und rechnet mit einem schnellen Anstieg der bilateralen Geschäfte, sobald die Rahmenbedingungen – vor allem die Exportkontrolle und Bankensituation – dies erlauben. Besonders interessant waren die Aussagen zu der erwarteten „realen“ Entwicklung der vielfach publizierten und gleichzeitig im Ausland hinterfragten Großprojekte, sowohl in der Schiffsneubauplanung als auch beim Ausbau der Hafeninfrastruktur. Im Schiffsneubau werden sowohl IRISL als auch die Tankerreederei NITC noch sehr sorgfältig

prüfen, welche Schiffe wo zur Erneuerung und Erweiterung der Flotte in Auftrag gegeben werden. Gleiches gilt für die Privatunternehmen und ihre Neubauvorhaben. Die chinesischen und koreanischen Werften stehen dabei oben auf der Liste – auf iranischen Werften werden höchstens technisch einfachere oder kleinere Schiffe geordert werden. Und auch dies wohl nur auf entsprechenden politischen Druck, denn vom Weltmarktniveau sind die meisten iranischen Werften zu weit entfernt. Deutlich wurde, dass die iranischen Reedereien nach Auslaufen der Sanktionen erst wieder lernen müssen, bei ihren Neubauaufträgen in Asien europäische Qualitätslieferanten auf der Maker‘s List der Zulieferungen zu platzieren. Eine Aufgabe, die die deutschen Hersteller in den nächsten Monaten im Auge behalten müssen. Unterstützung wird hierbei der VDMA geben, der in der zweiten Jahreshälfte ein Marine Business Forum in Teheran plant, eine B2B-Veranstaltung der deutschen Hersteller für die iranische Schifffahrts-, Schiffbau- und Offshoreindustrie. Zudem baut der VDMA derzeit ein eigenes Verbindungsbüro in Teheran auf. Auf der kommenden SMM 2016 in Hamburg wird der Iran erstmals mit einem eigenen Nationenstand vertreten sein. Der Autor: Dipl.-Ing. Hauke Schlegel, Geschäftsführer VDMA – AG Marine Equipment and Systems

Teilnehmer der deutschen Delegation auf dem Weg zu Gesprächen mit der Staatsreederei IRISL, die bei der Modernisierung ihrer Flotte auf deutsche Unterstützung setzt. Schiff&Hafen | April 2016 | Nr. 4

43