Den Sport gestalten. Carl Diems Leben (1882-1962) Band 2 ...

Geschichte habe ich mit Peter Hoeres (Gießen) und Wolfgang Kruse. (Hagen) diskutiert. ... zipation der Frauen, die im Januar 1919 bei der Wahl zur National-.
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Ein besonderes Augenmerk widmet diese erste wissenschaftliche Biografie über den ‚Vater des deutschen Sports‘ der Frage, wie das Verhalten Diems in der NS-Zeit zu erklären und zu beurteilen ist.

Frank Becker ist seit 2011 Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Duisburg-Essen. Er hat zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Politik-, Sozial- und Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts verfasst. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten erhielt er u. a. 2000 den WernerHahlweg-Preis und 2002 den Nachwuchs-Forschungspreis der Universität Münster.

ISBN Band 2

Weimarer Republik

Band II Frank Becker   •  Den Sport gestalten. Carl Diems Leben (1882-1962) •   Band II

Den Sport gestalten – das war die Lebensaufgabe, die Carl Diem sich stellte. Als aktiver Sportler und Sportjournalist, als Funktionär und Organisator, als Pädagoge und Wissenschaftler begleitete er den deutschen Sport von seinen Anfängen vor dem Ersten Weltkrieg bis zu jener Kulturbedeutung, die er auch in der Gegenwart noch besitzt. In Diems Leben, das mit dem Kaiserreich, der Weimarer Republik, dem Nationalsozialismus und den Anfangsjahren der Bundesrepublik vier ganz unterschiedliche Phasen deutscher Geschichte durchlief, spiegeln sich die entscheidenden Etappen der Sportentwicklung in diesem Land. Aber auch der internationale Sport kommt in den Blick, dem Diem durch die Olympische Bewegung und vielfältige Aktivitäten im Ausland verbunden war.

ISBN Gesamtwerk (Bd. 1-4)

ISBN 978-3-942158-51-0

ISBN 978-3-942158-58-9

9 783942 158510

9 783942 158589

UVRR Universitätsverlag Rhein-Ruhr

Frank Becker

Den Sport gestalten Carl Diems Leben (1882-1962) 2., durchgesehene Auflage

Frank Becker

Den Sport gestalten Carl Diems Leben (1882-1962)

Frank Becker

Den Sport gestalten Carl Diems Leben (1882-1962)

Band II: Weimarer Republik

2., durchgesehene Auflage

Universitätsverlag Rhein-Ruhr, Duisburg

Die Teilbände der Biografie

Band I: Kaiserreich Band II: Weimarer Republik Band III: NS-Zeit Band IV: Bundesrepublik



Umschlaggestaltung

UVRR / Mike Luthardt

Titelfoto Male pole-vaulter clearing bar © HultonArchive, 2010 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über „http://www.ddb.de“ abrufbar.

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Auflagen



ISBN Bd. 2, 2. Aufl. ISBN Gesamtwerk (Bd. 1-4)

Satz



Druck und Bindung



1. Auflage 2011 | 2. Auflage 2013 978-3-942158-51-0 978-3-942158-58-9 UVRR Format Publishing, Jena Printed in Germany

Inhalt

Vorworte................................................................................. 7 1. Von der Revolution zur Hochschulgründung in Berlin.....13 2. Isolation, Krise und Selbstbehauptung des deutschen Sports.......................................................53 3. Die Deutsche Hochschule für Leibesübungen in Wissenschaft und Gesellschaft.....................................103 4. Neue Perspektiven in der Ära Stresemann....................135 4.1. Chancen und Konflikte im Zeichen der Stabilisierung...................................................135 4.2. Privater Aufbruch und Olympisches Comeback..............................................................165 4.3. Vom Studentenstreik zur Amerikareise von 1929................................................................185 5. „Wehrhaftigkeit“ – Pläne zur vormilitärischen Jugenderziehung und zur Neuorganisation des Sports......203 6. Der Diktatur entgegen.................................................235 7. Quellen- und Literaturverzeichnis............................... 287

Stellungnahme zur öffentlichen Debatte um Carl Diem und Empfehlung für den Umgang mit der Erinnerung an seine Person...............................325

Vorwort Carl Diem ist eine Reizfigur. Der Streit um seine Rolle in der NSZeit begann schon unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, und er hat sich mit Auf- und Abschwüngen bis zur Gegenwart fortgesetzt. Die Biografie Diems zu schreiben, ist insofern kein rein akademisches Unternehmen, sondern auch eine Auseinandersetzung mit öffentlichen Anfragen, mit dem Problem eines adäquaten geschichtspolitischen Umgangs mit Diems Namen und Erbe. Diese Ausgangssituation hat meine Arbeit an der Biografie in vielfältiger Weise beeinflusst. Bei der Erforschung von Diems Leben wurde dort die Sonde besonders tief angesetzt, wo sein Tun am strittigsten war oder generell wichtige Aufschlüsse zum Verständnis seines Denkens und Handels auch und besonders in der NS-Zeit zu erwarten waren. Dies gilt etwa für Diems Kriegsteilnahme von 1914-18. Gehörte er zu jener Weltkriegsgeneration, deren spezifische Mentalität von der neueren Forschung als wichtige Ursache für die Beständigkeit des antidemokratischen Denkens in Deutschland angesehen wird? Welche Rolle spielte Diem bei der Gleichschaltung des deutschen Sports in den Jahren 1933/34? Wie kam es dazu, dass Diem im Vorfeld der „Schlacht um Berlin“ im März 1945 jene Rede vor Volkssturmabteilungen und Hitlerjungen hielt, die in den letzten Jahren heftige Entrüstung ausgelöst hat? In der Vergangenheit sind Diems Person und Verhalten in der Hitze der (geschichts-) politischen Auseinandersetzungen oft in sehr polemischer Weise charakterisiert worden. Die zugespitzte These wurde dabei manches Mal wichtiger genommen als der konkrete Beleg. Dagegen will die vorliegende Arbeit der Maxime folgen, auf Pointierung und Spekulation zu verzichten, das heißt möglichst sach- und quellennah vorzugehen. Wo der Autor urteilt und urteilen muss, soll dies differenziert und ausgewogen geschehen. Die konzeptionellen und methodischen Überlegungen, die für die Arbeit an der Biografie leitend waren, sind im Übrigen implizit in der Darstellung enthalten. Sie werden nicht explizit gemacht, um den Lesefluss nicht zu stören – und weil eine separate Veröffentlichung hierzu vorliegt, die bei Interesse herangezogen werden kann.1 1

Frank Becker, Perspektiven einer Carl-Diem-Biographie, in: Bios. Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen 18 (2005), H. 2, S. 157-168.

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Vorwort

Auf der forschungspraktischen Ebene hat das öffentliche Interesse an Diem dazu geführt, dass meine Arbeit eine großzügige finanzielle Förderung durch mehrere Einrichtungen erfahren hat, die an einer wissenschaftlichen Erörterung der gegen Diem bestehenden Vorwürfe interessiert waren und sind. In diesem Zusammenhang habe ich dem Deutschen Olympischen Sportbund, der Deutschen Sporthochschule Köln und der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung zu danken. Der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung gebührt außerdem Dank für die Gewährung des Druckkostenzuschusses, der die vorliegende Publikation ermöglicht hat. Zu meinen Aufgaben bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Diem gehörte es auch, auf der Basis meiner Forschungsergebnisse eine Empfehlung für den öffentlichen Umgang mit dessen Namen zu erarbeiten und vorzulegen. Diese Empfehlung ist im Anhang abgedruckt. Erschwert wurde die Arbeit an der Biografie dadurch, dass eine historisch-kritische Edition von Diems Schriften und Selbstzeugnissen fehlt. Insbesondere die Überlieferungssituation im Hinblick auf Diems nachgelassene autobiografische Aufzeichnungen ist prekär. Gegen Diems Nachlassverwalter sind sogar Manipulationsvorwürfe erhoben worden. Nach meiner Einschätzung wurde eine ‚Reinigung‘ des Nachlasses aber nicht systematisch, sondern nur punktuell vorgenommen. Wo es solche Unstimmigkeiten gibt, wird in den Fußnoten darauf hingewiesen. Die Nutzung von Diems autobiografischen Aufzeichnungen wird im Fließtext immer ausdrücklich angezeigt, damit für den Leser transparent ist, dass ein hochgradig subjektiv gefärbtes Dokument zur Sprache kommt. Bei meiner Forschungstätigkeit habe ich von unterschiedlichen Seiten Hilfe und Unterstützung erhalten. Kollegen, die selbst schon Biografien geschrieben haben und mir insofern besonders wertvolle Hinweise geben konnten, waren Ewald Frie (Tübingen), Friedrich Lenger (Gießen) und Wolfram Pyta (Stuttgart). Mein Wissen über die NSZeit verdanke ich in hohem Maße Hans-Ulrich Thamer (Münster), an dessen Beispiel ich lernen konnte, wie sich eine differenzierte Historisierung dieses Gegenstandes mit einem klaren Standpunkt verbindet. Fragen der Weltkriegsforschung und des Militarismus in der deutschen Geschichte habe ich mit Peter Hoeres (Gießen) und Wolfgang Kruse (Hagen) diskutiert. Einen ersten Werkstattbericht zu dieser Biografie durfte ich im Kolloquium von Philipp Sarasin an der Universität Zürich präsentieren. Aufschlüsse zur gesamtkulturellen Bedeutung des Sports verdanke ich Hermann Bausinger (Tübingen) und Hermann Lübbe



Vorwort

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(Münster / Zürich); wertvolle Hinweise auf Quellen und sporthistorische Sachverhalte gaben Jürgen Buschmann (Köln), Hans Langenfeld (Münster), Karl Lennartz (Köln) und Hans Joachim Teichler (Potsdam). Michael Krüger (Münster) war ein ‚Motivationstrainer’, der sich immer wieder etwas Neues ausgedacht hat. Dafür, dass aus dem Manuskript letztlich ein Buch geworden ist, danke ich Hermann Cölfen und Sabine Walther vom Universitätsverlag Rhein-Ruhr in Duisburg. Last not least gebührt auch den Studentischen Hilfskräften Dank, die mir teils über einen längeren, teils über einen kürzeren Zeitraum hinweg zugearbeitet haben: Bertolt Giessmann, Christian Gwenner, Angela Heinemann, Emanuel Hübner, Fabian Kindt, Antonia Konrads und Malte Nitsch. Auch bei der Endredaktion ist Fabian Kindt noch einmal eine großartige Hilfe gewesen. Christian Gwenner, seit einem schweren Motorradunfall im Frühjahr 2007 gehandicapt, hat die Beschäftigung mit dem begeisterten Läufer Diem gewiss manchen Stich ins Herz gegeben. Trotzdem kam er zurück an Bord, und wir alle haben seinen unbeugsamen Willen bewundert. Christian Gwenner ist die Biografie gewidmet. Münster, im Dezember 2008 Frank Becker

Vorwort zur 2. Auflage Meine Carl Diem-Biografie, die nun in die 2. Auflage geht, blickt bereits auf eine nicht unbewegte Geschichte zurück. In Fachwelt und Medien löste sie ein großes Echo aus, ebenso auf dem Feld der Geschichtspolitik: Viele Entscheidungsträger orientierten sich an meinen Forschungsergebnissen, indem sie Diem-Straßen oder nach Diem benannte Sportstätten umbenannten. Die von mir gegebene Empfehlung für den Umgang mit der Erinnerung an Diem ist vom DOSB mit öffentlicher Stellungnahme vom 1. Februar 2012 mittlerweile zur Richtschnur für die eigene Position in der Diem-Debatte gemacht worden. Gewiss wird es nun zu einer weiteren Umbenennungswelle in Deutschland kommen. Der Text der Empfehlung wird erneut in allen vier Teilbänden der Biografie im Anhang abgedruckt – erstens, weil die Bände auch einzeln erworben werden können, zweitens, weil er (teils ausführlicher, teils weniger ausführlich) auf alle vier Lebensphasen Diems Bezug nimmt. Verändert wurde im Vergleich zur Erstauflage nur der Punkt 11: Antisemitismus. Hier ist es in der Vergangenheit zu ‚Missverständnissen‘ gekommen, was wohl daran lag, dass die im Buch entfalteten Forschungsergebnisse in der Empfehlung zu knapp zusammengefasst wurden. Deshalb erhält dieser Punkt jetzt größeren Raum. Duisburg-Essen, im Juli 2012 Frank Becker

1.

Von der Revolution zur Hochschulgründung in Berlin

Die Kriegsniederlage von 1918 und der Zusammenbruch des Kaiserreichs führten in Deutschland fundamentale politische und gesellschaftliche Veränderungen herbei. Aus den Wirren der Revolution ging eine parlamentarische Demokratie hervor; mit dem Kaiser zusammen dankten die Landesfürsten ab. Der Verlust der politischen Macht ging für die Aristokratie mit einem gesellschaftlichen Statusverlust einher. Dazu trug bei, dass die Streitkräfte, traditionell eine Bastion des Adels, durch den Versailler Vertrag auf einen Bruchteil ihrer bisherigen Größe zurückgestutzt wurden. An die Macht drängte das Bürgertum, das sich auch im gesellschaftlichen Leben eine Schlüsselrolle sicherte – weniger das Bildungs-, aber das Wirtschaftsbürgertum: Der Geldadel lief dem Geburtsadel den Rang ab. Teilen musste sich das Bürgertum die Macht allerdings mit der Arbeiterschaft, die in der Revolution zwar nicht ihre Maximalziele erreicht hatte, aber doch durchsetzen konnte, dass die Weimarer Republik sozialstaatliche Züge trug – und in ihren Institutionen nach Maßgabe der politischen Kräfteverhältnisse auch die Vertreter von Arbeiterparteien und Gewerkschaften berücksichtigte. In der Anfangsphase der Republik stellte die Mehrheitssozialdemokratie (MSPD) die stärkste Fraktion in Nationalversammlung und Parlament, sowohl Reichskanzler als auch Reichspräsident kamen aus ihren Reihen. Die Arbeiterschaft verließ, zumindest vorübergehend, die Oppositionsrolle, die sie im Kaiserreich zu einer Subkultur hatte werden lassen; stattdessen brachte sie sich als ‚staatstragende Kraft‘ auch in Gesellschaft und Öffentlichkeit zur Geltung. Über die große Masse der Werktätigen konnte nicht mehr in der Weise hinweg regiert und hinweg gegangen werden, wie es bis zum Ersten Weltkrieg üblich gewesen war. Zu dieser Emanzipation der Arbeiterschaft gesellte sich eine Emanzipation der Frauen, die im Januar 1919 bei der Wahl zur Nationalversammlung zum ersten Mal in den Genuss des freien, gleichen und geheimen Wahlrechts kamen. Als wählende und wählbare Personen wurden die Frauen politisch gleichberechtigt. Parallel dazu erhöhte sich die weibliche Erwerbsarbeit; Frauen betätigten sich in den neuen Angestelltenberufen, mehr und mehr auch in Bereichen, die eine akademische Ausbildung voraussetzten – kurz vor dem Ersten Weltkrieg waren sie in Deutschland zum Studium zugelassen worden. Diese Entwicklung wurde in der Öffentlichkeit teils stärker akzentuiert, als es