dauerthema: medizinische notwendigkeit

beweispflichtig“ (IV ZR 151/90, 25.09.1991). Diese Auffassung wird auch in späteren Entscheidungen wiederholt. Den Beweis zu führen wird der Versicherung ...
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DAUERTHEMA: MEDIZINISCHE NOTWENDIGKEIT Immer wieder das Gleiche: Unter Berufung auf fehlende medizinische Notwenigkeit versuchen private Krankenversicherungen Geld zu sparen. Doch die Rechtsprechung ist eindeutig – und das muss Ihr Patient wissen. Eine Behandlung gilt dann als „medizinisch notwendig“, wenn es nach den damaligen objektiven medizinischen Befunden vertretbar war, sie als notwendig anzusehen. | CHRISTINE BAUMEISTER-HENNING

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mplantate und implantatgetragener Zahnersatz sind, zugegeben, tatsächlich kostenintensive Versorgungen, gehören aber längst zum Standard zahnmedizinischer Lösungen für das Lückengebiss oder den zahnlosen Kiefer. Private Versicherungen bestreiten allerdings nicht selten die medizinische Notwendigkeit einer geplanten oder auch vorgenommenen Implantatversorgung insgesamt oder sie monieren die Anzahl der geplanten Implantate und behaupten beispielsweise, dass sechs Implantate in einem Kiefer nicht notwendig seien, vielmehr seien vier ausreichend für eine prothetische Versorgung. Ein Fall aus der Praxis schildert das Verhalten einer Zahnzusatzversicherung und unsere Reaktion. B

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BGH führt dazu aus: „Wenn der Versicherer jedoch seine Leistungspflicht einschränken will, so ist er selbst darlegungs- und beweispflichtig“ (IV ZR 151/90, 25.09.1991). Diese Auffassung wird auch in späteren Entscheidungen wiederholt. Den Beweis zu führen wird der Versicherung schwerfallen, denn allein durch Hinzuziehen eines beratenden Zahnarztes ist kein Beweis erbracht, dass die Leistung nicht notwendig ist oder über das Maß des Notwendigen hinausgeht. Die Stellungnahme eines beratenden Zahnarztes kann kaum als neutral, objektiv und unabhängig angesehen werden. Über diese Eigenschaften verfügt ein Gutachter, der durch die Zahnärztekammer oder ein Gericht benannt wird. Auch die Rechtsprechung bestätigt, dass

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Der Zahnarzt plant Kronen und Teilkronen. Die fehlenden Zähne 16, 36 und 46 sollen durch Implantate ersetzt werden. Der Patient erhält einen Heil- und Kostenplan und legt diesen seiner (Zusatz-)Versicherung zur Kostenübernahmeerklärung vor. Und diese lehnt die Kostenübernahme für die Implantate ab. Behauptung der PKV: „Für eine Implantatsetzung Regio 16, 36 und 46 sehen wir keine medizinische Notwendigkeit, da unseres Erachtens eine Kronen- und Brückenversorgung möglich ist.“ Manchmal trifft ein Sachbearbeiter der PKV eine solche Entscheidung. Dazu ist Folgendes zu sagen: Die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit ist ausschließlich approbierten Personen vorbehalten; Aussagen von Sachbearbeitern zur medizinischen Notwendigkeit stellen eine unerlaubte Ausübung der Zahnheilkunde dar. Grundsätzlich gilt: Da fehlende Zähne eine Krankheit darstellen, besteht eine medizinische Notwendigkeit, diese zu ersetzen. Die Versicherung ist zur Leistung verpflichtet, solange sich aus dem abgeschlossenen Tarif keine Einschränkung ergibt. Der 74 | Deutscher Ärzte-Verlag | DENTAL MAGAZIN | 2015;33(4)

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es sich bei von den Versicherern eingeholten Gutachten durchaus auch um „Gefälligkeitsgutachten“ handelt; ausschlaggebend ist letztlich nur ein von dem Gericht bestellter Gutachter. Beharrt die Versicherung nachhaltig auf ihrer Verweigerungshaltung, ist es möglich, die Versicherung mithilfe einer sogenannten „Feststellungsklage“ zu einer Erstattungszusage zu zwingen, indem die medizinische Notwendigkeit gerichtlich festgestellt wird. Die Rechtsprechung ist bezüglich der „medizinischen Notwendigkeit” sehr eindeutig. Danach gilt eine Behandlung dann als „medizinisch notwendig“, (…) „wenn es nach den damaligen objektiven medizinischen Befunden vertretbar war, sie als notwendig anzusehen“ (…) (vgl. BGH, 29.11.1978, Az. IV ZR 175/77). Das bedeutet, dass eine Behandlung, die der Zahnarzt durchführt, geeignet sein muss, die Erkrankung zu lindern oder zu heilen. Implantatversorgungen sind nach heutigem Stand der Wissenschaft längst keine Luxusversorgungen mehr, sondern als „State of the Art“ zu bezeichnen (LG Stuttgart, 07.11.2005, Az.

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22 O 210/02). Ebenfalls das LG Stuttgart (15.07.2002, Az. 27 O 304/01) führt zu dieser Thematik aus, die Versicherung müsse entweder die implantologischen Leistungen aus ihrem Leistungskatalog streichen oder nur besonderen Tarifen vorbehalten oder sie müsse es grundsätzlich akzeptieren, dass auch die Zahnmedizin sich fortentwickelt und neue Methoden sich durchsetzen. Behaupten PKVen, auch andere vom Heil- und Kostenplan abweichende Versorgungen seien als notwendige Versorgung anzusehen, basiert eine solche Behauptung in der Regel lediglich auf dem Wunsch der PKV nach Ausgabenbegrenzung. Sie ist kein Beleg für eine fehlende medizinische Notwendigkeit der vom Zahnarzt gewählten Versorgungsform, wobei eine Leistungskürzung insbesondere nicht auf das Vorliegen einer kostengünstigeren Behandlungsalternative gestützt werden kann. So hat der Bundesgerichtshof bereits mit Urteil vom 12.03.2003 (Az. IV ZR 278/01) klargestellt: „Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nicht ‚gesetzesähnlich‘ auszulegen, sondern so, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. (…) Er kann aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 1 MB/KK 76 nicht ersehen, dass auch finanzielle Aspekte bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung eine Rolle spielen sollen. (…) Er versteht wohl, dass ihm nicht die Kosten für jede beliebige Behandlungsmaßnahme erstattet werden, sondern nur für eine solche, die objektiv geeignet ist, sein Leiden zu heilen, zu bessern oder zu lindern. Dass darüber hinaus der Versicherer seine Leistungspflicht nur auf die billigste Behandlungsmethode beschränken will, erschließt sich dem Versicherungsnehmer dagegen nicht …“ Für eine Implantatversorgung bedeutet dies folglich, dass eine Kostenübernahme erfolgen muss, sofern diese zahnmedizinisch notwendig ist. Ein Versicherter kann in diesem Fall nicht darauf verwiesen werden, eine kostengünstigere Versorgung zu wählen. Ein „zahnmedizinisches Problem“ eines Patienten kann im Regelfall mittels verschiedener Behandlungskonzepte gelöst werden. Etwaige Lösungsansätze sind dabei Bestandteil des zahnärztlichen Gesprächs zwischen Patient und Behandler, wobei die Wahl der therapeutischen Versorgungsalternative im Ergebnis dem Patienten in Absprache mit dem fachlich ermessenden Zahnarzt überlassen bleibt. Der BGH führt höchstrichterlich dazu aus: „Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senates ist die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes. Gibt es indessen mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden, die unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen haben, besteht mithin eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten, dann muss diesem durch entsprechende vollständige ärztliche Belehrung die Entscheidung darüber überlassen bleiben, auf welchem Weg die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will.“ (22.09.1987 – VI ZR 238/86) Da wir in der Regel nicht selbst mit der PKV kommunizieren, haben wir in dem hier vorgestellten Fall folgendes Schreiben für den Patienten verfasst: Deutscher Ärzte-Verlag | DENTAL MAGAZIN | 2015;33(4)

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