Das neue Leben des - Richard Steiner Ein Mann der Ehre

Rotlicht-Paten. Das neue Leben des .... nahe einen plötzlichen Kindtod. Aber jedes. Mal gelang es .... ber in Österreich statt. In. Deutschland spielen Sie eine.
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Chronik

Das neue Leben des

Rotlicht-Paten Vom Capo zum Filmstar. Richard Steiner ist jetzt Schauspieler und Buchautor. In NEWS erzählt der frühere Rotlichtkönig seine Lebensgeschichte und gibt tiefe Einblicke in sein Seelenleben.

Das Interview

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ichard Steiner: Ein Name, der längst zu einem Synonmym geworden ist. Für Rotlicht, Unterwelt, Mafia. Richard Steiner. Jahrelang galt der nun 43-Jährige in Österreich als der „König des Milieus“, er besaß selbst zwölf Bordelle – und regierte über unzählige andere mehr. Capo und Pate wurde er in den Medien genannt. Am Ostersonntag 2010 seine überraschende Festnahme, am Flughafen München. Versuchte Erpressung, Nötigung, schwere Körperverletzung, Bildung einer kriminellen Organisation und Steuerhinterziehung warfen ihm damals die Behörden vor. Steiner schwieg in allen Verhören zu den gegen ihn erhobenen Beschuldigungen, genauso wie seine Angestellten.

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24 Monate saß er dann in Untersuchungshaft. Wochen dauerte sein Prozess im Wiener Landesgericht. Im Herbst 2013 endete er mit dem Urteil: Drei Jahre Gefängnis, eines davon wurde ihm erlassen. Seine Strafe hatte er damit abgesessen. Vodka, ein Film und ein Buch.  Wie verlief Richard Steiners Leben weiter? Er kehrte dem Milieu den Rücken zu. „Während der Zeit hinter Gittern“, sagt er jetzt, „bin ich zu einem anderen Menschen geworden. Zu einem Stoiker. Deshalb wollte und konnte ich nicht mehr in meinen alten Beruf zurück.“ Steiner blieb dennoch Geschäftsmann. Er wurde Großaktionär einer Vodka-Firma. Mittlerweile wird sein Getränk auf der halben Welt vertrieben. Der Ausbau dieses Unternehmens geschah still. Jetzt sorgt der ehemalige Capo allerdings wieder für Schlagzeilen. Er spielt eine Hauptrolle in einem Film, der 2015 in die Kinos kommen soll. Und er hat mit einem Co-Autor ein Buch geschrieben. Ende Der Verteidiger. Der Capo wurde von Top-Anwalt Christian Werner vertreten: „Die Polizei beschwerte sich massiv über das von meinem Klienten praktizierte und seinen Mitverhafteten angeordnete Schweigen gegenüber Polizei und Justiz. Wörtlich ist in einem Protokoll des BKA zu lesen: Dieses Schweigen bis in den Tod hat Steiner an seinem Körper in Form der Bezeichnung Omerta eintätowieren lassen.“

Oktober erscheint es. Titel: „Ein Mann der Ehre“. Der Inhalt: seine Lebensgeschichte. „Sie zu Papier zu bringen“, so Steiner im NEWS-Exklusiv-Interview, „war eine Katharsis für mich. Weil ich dabei nicht nur mit meinen Feinden, sondern auch mit mir selbst abrechnen musste.“ NEWS: Herr Steiner, mit dem Ende Ihres Prozesses zogen Sie sich völlig aus der Öffentlichkeit zurück. Jetzt berichten Zeitungen im In- und Ausland groß über Ihre neue Karriere als Schauspieler. Und über ihr Vorhaben, in einer Biographie, die demnächt veröffentlicht wird, Geheimnisse über die Unterwelt und Machenschaften der Polizei zu verraten. Richard Steiner: Mir ist klar, dass sich einige Menschen vor den Dingen, die in dem Buch stehen, fürchten. NEWS: Warum? Steiner:  Weil ich darin die Wahrheit aufdecke. Und die ist für manche Personen eben nicht angenehm. NEWS: Welche Wahrheit meinen sie? Steiner: Bestimmte Abteilungen der Behörden und berufliche Gegner hatten sich zusammengetan und sich gegen mich verschworen. Sie neideten mir meinen Erfolg und meinen Reichtum. Sie stießen sich daran, dass ich nicht nur in der Unterwelt, sondern auch mit Wirtschaftsbossen, Politikern und Künstlern verkehrte. Deshalb konstruierten sie irre Vorwürfe gegen mich. Doch sie schafften es nicht, mich mit ihren Intrigen zu Fall zu bringen. Im Gegen 42/14

„Ich war einmal ein UnterweltBoss. Jetzt bin ich ein stoischer Buddhist.“

Bis zu seiner Verhaftung 2010 galt Richard Steiner als der „Rotlicht-König“ Österreichs. „Im Gefängnis“, sagt er, „unterzog ich mich einer Katharsis.“ Foto: Auf

Martina Prewein

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Im Vodka-Business. Nach seinem Prozess im Herbst 2013 kehrte Richard Steiner nicht mehr ins Rotlicht-Geschäft zurück. Er wurde Aktionär einer österreichischen Bio-Vodka-Firma. „Exakt“ wird mittlerweile mit großem Erfolg auf der halben Welt vertrieben. 56

1991, mit 20, zog Steiner in den BalkanKrieg. Als Söldner. Er soll dort feindliche Soldaten getötet haben. „Es gab leider auf beiden Seiten viele Opfer“, sagt er.

einflussreichen Mann, die beiden hatten bereits einen fünfjährigen Sohn. Ich bin das Ergebnis eines Seitensprungs mit einem Boxer gewesen, meine Mutter fürchetet sich davor, dass dieses Geheimnis ans Tageslicht kommen könnte. Sie fühlte sich

„Die Intrigen meiner Gegner machten mich nur noch stärker.“ von dieser Situation überfordert und konnte mir deshalb nicht die Wärme geben, die jedes Baby zum Überleben braucht. Weil ich sie nicht bekam, erlitt ich fünf Mal beinahe einen plötzlichen Kindtod. Aber jedes

Mal gelang es, mich zu reanimieren. Als ich ein halbes Jahr alt war und die Ärzte schon meinten, ich würde wahrscheinlich bald sterben, da meine Atemaussetzer in immer kürzer werdenden Abständen eintraten, rettete mich meine Mutter. Sie brachte auf mich in einem Wald, auf das Anwesen ihrer Eltern. Sie gaben mir die Geborgenheit, die ich so dringend benötigte. Und ich wurde sofort gesund. Allerdings wuchs ich von anderen Menschen völlig abgeschottet auf. Ich war dreieinhalb, als ich zum ersten Mal mit anderen Kindern in Kontakt kam. Und dann passierte auch schon bald mein schicksalhafter Unfall. NEWS: Was geschah? Steiner:  Ich stürzte beim Spielen, fiel mit meinem Kopf gegen den Zahnkranz eines Fahrrads, erlitt schwere Schädelverletzungen. Zwei Wochen lag ich im Koma, zwei weitere Monate musste ich stationär behandelt werden. Untersuchungen ergaben schließlich, dass mein präfrontaler Cortex etwas abbekommen hatte. Der Bereich im Gehirn, der für die Steuerung und Wahrnehmung emotionaler Prozesse zuständig ist. In meinem Fall hatte die Schädigung die Folge, dass ich keine rationale Angst mehr empfinden konnte. NEWS:  Gab es dafür aber nicht auch möglichweise seelische Gründe? Steiner: Wahrscheinlich schon. Meine Mutter hat mich, als ich im Krankenhaus war, nicht besucht. Damals, als kleiner Bub, verstand ich das nicht. Ihre offenkundige Ablehnung tat mir zunächst sehr weh. Aber noch im Spital beschloss ich, mich von ihr  42/14

Dieses Bild wurde 2009 gemacht. Steiner posierte mit zwei seiner Angstellten für eine NEWSReportage. Thema: Sein Leben als Rotlicht-Capo.

Foto: 1. ÜL

teil, die zwei Jahre, die ich wegen ihrer falschen Anschuldigungen im Gefängnis verbringen musste, machten mich nur noch stärker. Letztlich stellten sich vor Gericht die Vorwürfe zu 90 Prozent als falsch heraus. Und ich wurde bloß wegen Steuerhinterziehung verurteilt. NEWS: Stellen Sie sich jetzt nicht zu sehr als Unschuldslamm dar? Fakt ist schließlich, dass Sie Boss des berühmt-berüchtigten Nokia-Clubs gewesen sind, der im Verruf stand, andere Bordell-Besitzer dazu zu nötigten, Schutzgeld an Sie zu bezahlen. Steiner:  Diese Geschichte wurde von meinen Feinden immer falsch dargestellt. Ich hatte den Nokia-Club einst lediglich gegründet, weil ich für Ruhe und Ordnung im Mileu sorgen wollte. Gegen Summen, die nach Größe und Gewinn der Etablissements berechnet wurden, konnten ihre Betreiber in Notsituationen – wenn Schläger in ihre Lokale kamen, es Übernahmeversuche von ausländischen Banden gab oder Freier sich schlecht benahmen – bei uns anrufen. Minuten später schon waren dann Leute von mir vor Ort und bewirkten Deeskalationen. NEWS: Mit angeblich mitunter brutalen Methoden. Steiner:  Die Justiz kam schon zu dem Schluss, dass das nicht stimmte. Allerdings ist klar: Im Rotlicht-Geschäft geht es nicht wie in einem Mädchenpensionat zu. Das sollten selbst Menschen, die mit der Szene nichts zu tun haben, verstehen. NEWS: Ihnen selbst wird nachgesagt, dass ungeheuer hart sein würden. Steiner:  Lange Zeit verfügte ich über den Vorteil oder die Schwäche – es kann so oder so gesehen werden – keine Angst zu verspüren. Nie, vor niemandem, vor nichts. NEWS: Worauf führen Sie das zurück? Steiner: Auf Dinge, die in meiner Kindheit geschehen sind. NEWS: Wie war Ihre Kindheit? Steiner: Kompliziert. NEWS: Erzählen Sie dazu mehr. Steiner:  Ich wurde 1970 in Zagreb geboren. Meine Mutter war eine angehende Staatssekretärin und verheiratet mit einem

nicht mehr verletzten zu lassen. Und als meine Eltern ein paar Monate später – ich war da noch nicht einmal vier – zu mir in den Wald kamen, sagte ich zu ihnen: Ab jetzt gehen wir getrennte Wege. NEWS: Wussten sie damals bereits, dass der Gatte ihrer Mutter nicht ihr Vater war? Steiner: Nein. Erst mit 20 gestand sie mir in einer Extremsitiuation die Wahrheit. Ich zog damals in einen Krieg, von dem ich nicht wusste, ob ich ihn überleben würde und wollte mich von meiner Mutter, zu der ich kaum Kontakt hatte, höflich verabschieden. Unter Tränen sagte sie dann, dass dieser Mann, der Boxer, der während meiner Kindheit und Jugend immer wiedie Nähe zu mir gesucht und den ich als eine Art Onkel betrachtet hatte, mein leiblicher Vater war. NEWS: Gehen wir nochmals zurück in ihre frühen Kindheitsjahre. Wie verlief ihr Leben nach dem Unfall weiter? Steiner:  Bis ich sechs war, blieb ich bei meinen Großeltern, danach übersiedelte 42/14 

ich in die Wohnung meiner Mutter und meines Stiefvaters nach Zagreb. Und ging dort zur Schule. NEWS: Hatten Sie gute Noten? Steiner: Schon. Obwohl ich meine Energie eher für andere Dinge als fürs Lernen verwendete.

„Meine Kindheit war brutal. Ich bekam wenig Liebe und Geborgenheit.“ NEWS: Was waren diese Dinge? Steiner: Mit neun gründete ich eine Jugendbande, sie hieß Feuer-Quartett. Wir verdienten damals schon ziemlich viel Geld. Erst mit halblegalen Sachen, später mit Straftaten. Als ich zehn war, sorgte ich europaweit für Schlagzeilen. Mit einemKumpel schlug ich mich bis nach Riejka durch.

Dort wollten wir ein Polizeiboot kapern und damit bis nach Neapel fahren, um dort der Mafia beizutreten. Unsere Aktion misslang, wir wurden verhaftet. Und ich kam für ein halbes Jahr in ein Jugendgefängnis der Kommunistischen Partei. NEWS: Ihre Erinnerungen an die Zeit dort? Steiner: Es ging dort sehr brutal zu – und ich wurde durch die Erfahrungen, die ich dort machte, selbst noch härter. NEWS: Sie drifteten also weiter ab. Steiner:  Ich drücke es so aus: Ich entwickelte mich in eine Richtung, die mir vorgegeben war. Das blieb auch so, als meine Familie nach Titos Tod als politisch verfolgt galt und 1983 Asyl in Österreich bekam. Nach ein paar Monaten in einem Flüchtlingswohnheim landeten wir in in Ansfelden. NEWS: Konnten Sie damals schon Deutsch? Steiner: Ich bin ein Sprachentalent, innerhalb kurzer Zeit schaffte ich es, mich hierzulande gut verständigen zu können. Nach meinem Schulabschluss begann ich 57

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eine Lehre bei einer Spedition. Noch während meiner Ausbildung stieg ich zum Schichtleiter auf. Aber ich merkte schon bald, dass ich nicht für ein biederes Dasein geschaffen war. Ich schloss mich abermals einer Jugendbande an und machte selbständig Geschäfte. Mit 17 fuhr ich mit einem Auto in die Türkei, um es dort zu verkaufen. Kurz vor der Übergabe hatte ich jedoch einen Unfall. Ein halbes Jahr blieb ich danach in Istanbul, ich lernte dort wunderbare Menschen kennen, die sich liebevoll um mich kümmerten. Schließlich fand ich Unterschlupf ich bei einem tief gläubigen Moslem. Von diesem Mann habe ich sehr viel gelernt, über Religionen, und darüber, wie wichtiges es ist, ehrlich zu sein. NEWS: Sie kehrten demnach geläutert nach Österreich zurück. Steiner:  Tatsache ist: Bald schon ging ich zur Fremdenlegion. Ein Jahr lang, bis ich dessertierte, und danach bei einem Unterweltsboss als Leibwächter zu arbeiten be-

„Ich habe vor, mit meiner Freundin nach Mallorca zu ziehen.“

gann. 1991 zog ich schließlich als Söldner in den Balkan-Krieg. NEWS: Laut Information der Interpol sollen sie dort getötet haben. Steiner: Auf beiden Seiten gab es viele Opfer. Ich wurde selbst schwer verwundet. 1992 hatte ich genug vom Krieg, ich ging zurück nach Österreich. Danach folgte die wildeste Zeit meines Lebens. NEWS: Inwiefern? Steiner:  Die Gewaltspirale im Milieu drehte sich weiter nach unten. Ich war wiederholt in Schlägereien, Schießereien und in Messerstechereien verwickelt. Irgendwann verletzte ich einen einen V-Mann der Polizei schwer. Flüchtete danach über Ibiza nach Brasilien, wo ich von einer Anti-Terror-Einheit verhaftet wurde und sieben Monate in einem kleinen Käfig eingesperrt war. Bis ich an Österreich ausgeliefert wurde und hier ins Gefängnis kam. Aber nicht für lange. Letztlich wurde ich nicht wegen Mordversuchs, sondern bloß wegen absichtlicher

Foto: 2. ÜL

Happy End. Steiner ist nun mit einer Chirurgin aus Russland liiert: „Ich will mit ihr Kinder kriegen.“

schwerer Körperverletzung verurteilt. 1996 kam ich auf Kaution frei. NEWS: Und dann? Steiner:  Machte ich Urlaub, ich flog in die USA, verbrachte mehrere Wochen in New York und Miami. Seit zwei Jahren war ich zu dieser Zeit schon Veganer, nun wurde ich auch noch zum Buddhisten. Naturgemäß änderte sich dadurch meine Lebenseinstellung. Und ich hatte plötzlich eine neue Betrachtungsweise, was meine Zukunft betraf. NEWS: Zu welchem Schluss kamen Sie? Steiner: Dass vieles anders werden sollte. NEWS: Und das bedeutete? Steiner:  Ich wollte nicht mehr anderen dienen, ich wollte nicht mehr kriminell sein. Ich wollte ein anständiger Geschäftsmann werden. NEWS: Sie blieben im Mileu. Steiner:  Ich eröffnete ein Lokal nach dem anderen. Ich achtete darauf, dass meine Angestellten keine Drogen nahmen und

die Prostituierten, die in meinen Etablisse- Chirurgin und ein wunderbarer Mensch. ments arbeiteten, gute Löhne für ihre har- Wir haben vor, miteinander Kinder zu bekommen und uns auf Mallorca niederzulaste Arbeit kriegten. NEWS: Trotzdem kamen Sie 2010 in Haft. sen, wo ich mich sehr zuhause fühle. Steiner:  Rückblickend betrachtet, bin ich NEWS: Leben sie nun dort? froh über das, was damals mit mir geschah. Steiner:  Derzeit pendle ich viel. Zwischen In den vielen Monaten, die ich in im Gefäng- Mallorca, Sotschi, Frankfurt und Wien. nis saß, rechnete ich mit mir selbst ab. Bis NEWS: Demnächst wird Ihr Buch veröffentdahin hatte ich ein Leben in Dekadenz und licht, die Präsentation findet am 30. Oktober in Österreich statt. In Luxus geführt. Damit sollte es Deutschland spielen Sie eine für immer vorbei sein. Ich las Hauptrolle in einem Kinofilm, Bücher von Marc Aurel und ander „Testosteron“ heißt. deren Philosophen. Ich wendete Steiner: Der erste in einer Quamich dem Stoizismus zu, betrologie. gann zu meditieren und meine NEWS: Ihr Part darin? sozialen Kompetenzen auszuSteiner:  Ich mime mich selbst, bauen. NEWS: Ist Ihnen das gelungen? den Richard Steiner, der ich früSteiner: Ich glaube schon. her einmal war. Einen UnterNEWS: Gibt es eine Frau an Ihweltskönig. Es fällt mir nicht Steiners Biographie. rer Seite? „Ein Mann der schwer, diese Person zu verkörSteiner:  Ja. Sie stammt aus Ehre“ erscheint pern. Denn ich bin sie ja lange Ende Oktober. in der Realität gewesen. Russland, ist eine erfolgreiche