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... sexuelle Identitäten marginalisiert bzw. auf binär-hierarchisierte Kategorien wie die ... und bitten darum, Exposés im Umfang von 3.000 Zeichen bis zum 30.
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cfp Jahrbuch Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft Bd. 13/2017 Call for Papers Jahrbuch Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft (Band 13/2017): Queertheoretische Perspektiven auf Bildung – Pädagogische Kritik der Heteronormativität Hg.: Jutta Hartmann, Astrid Messerschmidt, Christine Thon In vielen politischen und pädagogischen Handlungsfeldern hat sich ‚Gender’ von einer kritischen Kategorie zu einer normativen Aufforderung entwickelt, ‚Geschlechterdifferenzen’ zu berücksichtigen. Der kritische Gehalt des Genderbegriffs, der auf die performative Resiginifikation von Zweigeschlechtlichkeit hinweist und deren kulturelle und soziale Machtwirkungen untersucht, geht dabei immer wieder verloren. Dagegen stehen theoretische Perspektiven der Queer Studies, die mit dem Begriff der Heteronormativität arbeiten und die normative Herstellung einer heterosexistischen Ordnung problematisieren – einer gesellschaftlichen Ordnung, in der Geschlechter innerhalb einer zweigeschlechtlich-heterosexuellen Matrix hervorgebracht, Geschlechtsidentitäten als kohärent entworfen, Geschlechterverhältnisse ausschließlich in Beziehungen zwischen ‚Männern‘ und ‚Frauen‘ repräsentiert und weitere geschlechtliche und sexuelle Identitäten marginalisiert bzw. auf binär-hierarchisierte Kategorien wie die von ‚homosexuell’ vs. ‚heterosexuell’ reduziert werden. Queer markiert in den Sozial- und Kulturwissenschaften eine theoretische Ausrichtung, die gängige Normalitätsvorstellungen von Geschlecht und Sexualität auf deren machtvolle Konstruktion hin befragt. Queertheoretische Perspektiven untersuchen Machtmechanismen, die Identitäten zuordnen, anordnen und kontrollieren, und verstehen Prozesse der Identifizierung als fragwürdige Voraussetzungen von Identität. Analysiert werden die Beziehungen zwischen etablierten und marginalisierten Zugehörigkeiten, um darin wirkende Normalisierungspraktiken aufzuzeigen und ihnen entgegen zu treten. Aus Kontexten sozialer Kämpfe um die Rechte von sog. sexuellen Minderheiten und um die Anerkennung vielfältiger geschlechtlicher und sexueller Lebensweisen erwachsen, werden Geschlechterordnungen aus queertheoretischer Perspektive zumeist von einem anderen Rand aus hinterfragt, als es Frauenbewegungen und Feminismen getan haben. Damit kommen die Dimensionen des sexuellen Begehrens, der Inkohärenz jedweder Identität sowie vielfältige geschlechtliche und sexuelle Lebensweisen ins Blickfeld der Geschlechterdebatten und beschäftigen zunehmend auch Pädagogik und Erziehungswissenschaft. Nicht immer die identitätskritische Perspektive der Queer Theory teilend und zum Teil auch mit – nicht nur strategisch eingesetzten – Essentialisierungen arbeitend, stehen hinter und neben den akademischen Entwicklungen Akteur*innen sozialer Bewegungen, die Erfahrungen von Marginalisierung thematisieren und sich gegen ihre Nichtrepräsentation, gegen rechtliche und soziale Diskriminierung wenden. Sie machen darauf aufmerksam, wie an vielen Orten der Welt, auch in Europa, sexuell Marginalisierte der Stigmatisierung und Benachteiligung sowie gewaltsamen Übergriffen ausgesetzt sind. In zeitgeschichtlicher Perspektive steht die Aufarbeitung der Internierungs- und Verfolgungspolitik gegenüber Homosexuellen im Nationalsozialismus wie in dessen Nachwirkungen noch aus und auch deren Reflexion in Bildungskontexten. In sozial- und familienpolitischer Hinsicht wird um rechtliche Gleichstellung und Anerkennung gestritten und im Bereich antihomophober Bildungsarbeit reklamieren queere Migrant*innen gegen einen herrschaftlich monokulturell geführten Diskurs. Da in Schule und außerschulischer Bildungsarbeit oder in Erwachsenenbildung und Beratungseinrichtungen Vorlagen für individuelle Selbstverständnisse wie bspw. das Identitätskonzept der sexuellen Orientierung vermittelt werden, sind Bildungsinstitutionen immer mit verantwortlich für die Wirkungen der Geschlechterordnungen. Normative Setzungen demokratischer oder die Gleichberechtigung fördernder Bildung tragen einerseits dazu bei, institutionelle Diskriminierungspraktiken auszublenden und fordern 1

cfp Jahrbuch Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft Bd. 13/2017 andererseits das Bildungssystem zu zeitgemäßen Öffnungen heraus, die jedoch nicht unwidersprochen bleiben. Dass die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ Eingang in die schulischen Bildungspläne finden soll hat bspw. im Jahr 2014 zahlreiche Eltern dazu bewogen, auf die Straße zu gehen, um gegen die sogenannte ‚Gender-Ideologie’ und eine vermeintliche ‚Umerziehung’ zu demonstrieren. Populistische Gruppierungen in Deutschland und Europa wenden sich aggressiv gegen die Repräsentation und Legitimation homosexueller Lebensformen und gegen deren rechtliche Gleichstellung. Verteidigt werden die Eindeutigkeit geschlechtlicher Identität und die Ordnung der heterosexuellen Familie. Worin liegen angesichts solcher Entwicklungen, Spannungen und Dynamiken die Herausforderungen für Pädagogik und Erziehungswissenschaft? Wie ist geschlechtliche und sexuelle Subjektbildung aus queerer bzw. heteronormativitätskritischer Perspektive zu verstehen? Wie verhandeln nicht nur (junge) Menschen, die sich als quer zu entsprechenden Anforderungen – bspw. als LGBT*IQ – begreifen, Heteronormativität auf widerspenstige bzw. widerständige Weise? Wie sind Angebote von Bildungsinstitutionen mit welchen Zielperspektiven und Inhalten zu begründen? Wie ist dabei bspw. auf vielfältige Erfahrungen und Ausgangsbedingungen einzugehen? Über die Zusammenhänge von Geschlechterpolitik und pädagogischer Praxis hinaus fordert die queertheoretische Zurückweisung von Eindeutigkeit auch erziehungswissenschaftliche Theoriebildung heraus. Die Infragestellung binär codierter geschlechtlicher und sexueller Identitäten gibt Anlass, Prozesse von Bildung, Erziehung und Sozialisation als Prozesse im Spannungsfeld von Normalisierung und Widerständigkeit gegenüber heteronormativen Identifizierungen zu denken. Perspektiven von Veruneindeutigung gilt es daher auch systematisch bildungs-, erziehungs- und sozialisationstheoretisch einzuholen. Darüber hinaus sind mit einer intersektionalen Perspektive Wechselwirkungen mit weiteren sozialen Ungleichheitskategorien zu bedenken und antirassistische, (post)koloniale, disability- und/oder milieu- bzw. schichtbezogenen Perspektiven aufzugreifen. Die Herausgeberinnen laden dazu ein, theoretische Beiträge, bildungskonzeptionelle Überlegungen und empirische Forschungsergebnisse in das geplante Jahrbuch einzubringen. Das Jahrbuch Frauen- und Geschlechterforschung 2017 (Band 13) wird etwa acht Beiträge (Umfang jeweils bis 35.000 Zeichen) zu diesem thematischen Schwerpunkt enthalten. Darüber hinaus enthält es in einem offenen Teil Diskussions- und Forschungsbeiträge (Umfang jeweils bis 20.000 Zeichen). Alle Beiträge werden nach einem anonymen Peer-Review-Verfahren ausgewählt. Erwünscht sind zudem Tagungsberichte, Rezensionen und Sammelrezensionen zum Themenschwerpunkt und auch zu anderen gegenwärtig relevanten Forschungsfeldern. Wir laden Forschende und Lehrende aus der Erziehungswissenschaft dazu ein, sich mit einem Beitrag zu beteiligen und bitten darum, Exposés im Umfang von 3.000 Zeichen bis zum 30. August 2015 an die drei Herausgeberinnen zu senden. Nach der Sichtung erfolgt die Einladung an die Autor_innen bis zum 30. September 2015. Die ausgearbeiteten Beiträge sollten dann bis Ende Februar 2016 vorliegen, damit genügend Zeit für das Peer-Review-Verfahren bleibt. Der Band erscheint im Frühjahr 2017 im Barbara Budrich Verlag. e-mail-Adressen der Herausgeberinnen: [email protected] [email protected] [email protected]

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