Carmen und Cherubino - Buch.de

Stella Engels, Altistin. Johanna u. Gerd, Stellas Eltern. Kyra Orlowsky, Mezzosopranistin. Tatjana u. Jury, Kyras Eltern. Alexander Narov, Dirigent. Eva Narov ...
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Ursula Gerster

Carmen und Cherubino Eine Liebesgeschichte aus der Welt der Oper Roman

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© 2014 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2014 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: Ursula Gerster Printed in Germany

AAVAA print+design Taschenbuch: Großdruck: 1 eBook epub: eBook PDF: Sonderdruck:

ISBN 978-3-8459-1455-8 ISBN 978-3-8459-1456-5 ISBN 978-3-8459-1457-2 ISBN 978-3-8459-1458-9 Mini-Buch ohne ISBN

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Für die liebe, bezaubernde, humorvolle und kluge Mezzonistin

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Die Romanfiguren Stella Engels, Altistin Johanna u. Gerd, Stellas Eltern Kyra Orlowsky, Mezzosopranistin Tatjana u. Jury, Kyras Eltern Alexander Narov, Dirigent Eva Narov, seine Schwester Martti Raauma, Dirigent, Alexanders Nachfolger Ludwig Hallmaier, Intendant der Staatsoper John Norman Mails, Regisseur an der Semperoper Christina Seiler, Sopranistin u. Kollegin Kyras in Dresden und während der Carmentournee Eleni u. Nikola, Hausmeisterehepaar auf der Insel Georgios, beider Sohn René Gimpel (der schöne René), Tenor u. Kollege Kyras, während der Carmentournee Rodrigo Jerez, Pianist Jewgenj Baratow, Reeder Sergej, Kyras Jugendliebe Dr. Carlos Munib, Kyras Arzt auf Tahiti u.v.a.m.

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Die Abflughalle glich einem riesigen Ameisenhaufen. Menschen aller Rassen und Nationen eilten durch die langen Gänge strebten teils hektisch, teils gemächlich einem Ziel entgegen. An diesem Sonntag vor dem Osterfest schien jeder nur von dem Gedanken beherrscht zu sein die Feiertage in fernen Landen zu verbringen. Vor den Schaltern der Fluggesellschaft HL drängelten sich die Reisenden. Die Menschenschlange, eingerahmt von Koffern und Taschen aller Formate, wurde immer länger. Kinder sausten herum, als wären sie selbst Flugzeuge. Sie freuten sich auf das Abenteuer „Fliegen“. Flug HL 305 nach Athen um 10 Uhr 25 war total ausgebucht. Kein Wunder, Griechenland war als Urlaubsland sehr beliebt. Die Sonne lockte die Menschen aus dem kühlen Norden in den heiteren hellenischen Frühling. Zudem fuhren zahlreiche in Deutschland lebende Griechen in die Heimat, um das größte Fest der orthodoxen Christenheit mit ihren Familien und Freunden zu feiern. Jeder freute sich, den ~6~

dunklen Tagen und dem Schneeregen zu entgehen. »So, die Koffer wären wir los. Eine Stunde Zeit hast du noch bis zum Abflug. Komm, wir gehen einen Kaffee trinken«, sagte Eva. Die beiden jungen Frauen, die eine blond, die andere brünett, verließen die Warteschlange am Schalter und durchquerten die Halle. Im Café erwischten sie gerade noch zwei Plätze am Ecktisch. Beide bestellten Cappuccino und warteten schweigend. Über ihren Köpfen und am Mittelpfeiler, der den Raum abstützte, hingen Monitore, welche die Abflugzeiten der Flugzeuge anzeigten. Unaufhörlich blinkten und leuchteten grüne Zeilen auf, verschwanden oder wurden durch andere ersetzt. Die Kellnerin brachte das Gewünschte und kassierte gleich den Betrag. Stella schüttete einen Löffel Zucker in die Tasse, ganz in Gedanken. Sie trank ihren Kaffee nie mit Zucker. Eva zündete sich eine Zigarette an. Das tat sie immer wenn sie nervös war. Sie glaubte fest daran, es beruhige sie. Meistens bewirkte es ~7~

aber das Gegenteil. Dann versuchte sie, das Gespräch wieder in Gang zu bringen. »Lass den Kopf nicht hängen, Stella. Denk lieber an die schönen Zeiten mit Alexander.« Stella verzog ihren schmalen, schönen Mund zu einem schwachen Lächeln, erwiderte aber nichts. Du hast gut reden Eva, dachte sie, und kämpfte mit den Tränen. Vor wenigen Wochen erst war es gewesen, als es abends läutete und die Polizei vor ihrer Tür stand. Sie sah in die steinernen Mienen der beiden Polizistinnen und ahnte sofort, dass etwas Schreckliches passiert sein musste. Die Worte >Massenkarambolage auf der Autobahn kurz vor München…leider mitteilen…. ihr Mann…lebensgefährlich verletzt, drangen wie durch Nebel in ihr Hirn. Nein, nein!, schrie ihr Verstand. Es war doch nicht möglichAlexander war DVD-Aufnahmen in Hamburg gewesen und würde bald nach Hause kommen. Sie hatte vor drei Stunden noch seine geliebte Stimme am Telefon gehört.

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Was dann folgte war ein Alptraum. Die Münchner Staatsoper verlor mit Alexander Narov ihren beliebten Chefdirigenten. Natürlich stand des auch in allen Zeitungen, die Presse bedrängte sie, und man ließ sie nicht einmal in Ruhe trauern. Die Polizei stellte Fragen über Fragen, bis die Ermittlungen vorerst abgeschlossen waren. Da gaben auch die lästigen Reporter endlich Ruhe, und Stella atmete auf. Jetzt konnte sie in ihr weißes Haus auf die geliebte Insel fahren und den Schmerz verarbeiten. Eva hatte den Verlust ihres Bruders auch noch nicht überwunden. Aber sie schaffte es immer wieder Stella aufzumuntern. Eva ergriff Stellas Hand. »Denk doch bitte daran mich gleich anzurufen, wenn du angekommen bist. Und komm bloß nicht auf die Idee das Haus zu verkaufen! Lass dir von den Maklern nichts einreden. Über die Oper mach dir keine Gedanken. Die können auch mal ein paar Wochen ganz gut ohne dich auskommen. Die Komberg über~9~

nimmt deine Partie. Die wird das schon hinkriegen. Der Nachwuchs möchte auch mal zeigen, was er kann. Ach, bevor ichs vergesse: Professor Cander lässt dich herzlich grüßen und wünscht dir viel Glück und gute Erholung.« Stella blickte auf. »Ja, ja ich werde das schon regeln. Jedenfalls habe ich nicht die Absicht unser Haus zu verkaufen. Die Erinnerungen und die Träume die dort wohnen sind nicht verkäuflich. Niemand wird sie mir je wegnehmen! Ich will mich erst mal erholen und die dunklen Gedanken und die Trauer überwinden, weißt du? Ruf mich bitte an, wenn du was Neues vom Rechtsanwalt hörst. Die Telefonnummer hast du?« Stella schob den mittlerweile kalt gewordenen Kaffee zur Seite, griff nach dem kleinen Koffer und ihrer Handtasche und stand auf. »Ich glaube, wir müssen langsam gehen«, murmelte sie.

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Die Monitore über ihren Köpfen blinkten nervös. Menschen kamen und gingen, überall Gedränge. Achtung! Achtung! Erster Aufruf an alle Passagiere des Fluges HL 305 nach Athen, Abflug 10,25 von Flugsteig A3 Sie gingen schnellen Schrittes in die Abflughalle zurück. Dort herrschte inzwischen noch mehr Gewimmel. München würde über die Feiertage fast entvölkert sein. Stella wusste, dass sie in in ihrem dunklen Kostüm älter wirkte, als sie eigentlich war. Die Sonnenbrille verbarg ihr Gesicht vor den Menschen, obwohl das eigentlich gar nicht nötig war. Kaum jemand schenkte ihnen Beachtung. Mehr Angst hatte sie vor den aufdringlichen Reportern. Die tauchten doch immer wieder auf und stellten dumme Fragen. Heute sind diese Typen zum Glück mal nicht unterwegs, stellte Stella erleichtert fest. Der Ruhm hatte eben auch seine Schattenseiten. Seit zwei Jahren war sie an der Staatsoper, zunächst nur für kleinere Rollen und im Chor ~ 11 ~

und als Zweitbesetzung. Seit der ersten Premiere im letzten November war ihr Name in aller Munde. Sie war die neue Carmen. Ihre dunkle, sinnliche Stimme faszinierte die Musikliebhaber. Die Kritiker lobten sie bis in die höchsten Höhen des musikalischen Olymps. Dabei hatte sie die Rolle nur für kurze Zeit übernommen, bis die erkrankte Kollegin von der Kur zurückkehrte. Das war die erträumte Chance der jungen Debütantin. Während dieser sechs Wochen, in denen sie einsprang, feierte Stella rauschende Erfolge, bekam bei jeder Vorstellung mindestens fünf Vorhänge. Alexander sah seine Ahnungen voll bestätigt. Er hatte es schon immer gewußt, dass seine Stella die bezauberndste Altstimme der Welt hatte. Und er hatte sie entdeckt. Das Münchner Opernpublikum umjubelte und verehrte seinen neuen Liebling. Achtung, Achtung! Letzter Aufruf für Flug HL 305 nach Athen. Bitte begeben Sie sich zum Flugsteig A 3

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Schallte es auf Englisch, Französisch und Griechisch aus den Lautsprechern. Eva umarmte Stella noch einmal herzlich, wobei sich ihr ein paar Tränen aus den Augen stahlen. Dann ging Stella durch die Passkontrolle. Sie winkte noch einmal zurück. »Ich rufe heute Abend an!«, rief sie und verschwand in der Menge. Eva wischte schnell die Tränen weg und wandte sich dem Ausgang zu. Der strahlende Frühlingshimmel verdunkelte sich bereits wieder. Es war Anfang April, da musste man auf einen kurzen Schneeregenschauer gefasst sein. Und schon fielen die ersten Tropfen. Der Schneeregen legte erst richtig los, als Eva in ihrem kleinen roten Flitzer saß. Den hatte sie sich selbst zum Geburtstag geschenkt. Sie verließ den Parkplatz in Richtung Stadtautobahn. Der Regen wandelte sich immer mehr in Schnee. Die Scheibenwischer des kleinen Wagens konnten die schweren nassen Flocken fast nicht mehr bewältigen. Eva musste notgedrungen langsamer fahren. Plötzlich hatte ~ 13 ~

sie es doch eilig. Sie wollte unbedingt heute Morgen noch mit dem Rechtsanwalt sprechen. Doktor Huber war hoffentlich in seinem Büro. So viel beschäftigt, wie er war, traf man ihn dort selten an. Vielleicht wußte er schon den Termin der Testamentseröffnung ihres Bruders. Als langjähriger Freund der Familie würde er die Erbsache bestimmt bestens regeln. Eva war nicht auf Geld aus. Sie verdiente als Chefsekretärin gut genug, um sich manchen Luxus nebenbei leisten zu können. Ihr Bruder und sie waren eine verschworene Gemeinschaft. Sie hatten gemeinsam Streiche ausgeheckt und auch gemeinsam die Strafen ausgehalten. Die musikalische Begabung entwickelte sich bei Alexander recht früh zum Talent. Mit sechs Jahren spielte er schon perfekt Klavier. Durch sein ruhiges Wesen brachte er mehr Geduld auf während der täglichen Übungsstunde. Seine Lehrer lobten ihn über den grünen Klee. Die Eltern unterstützten den Sohn, als er sein Musikstudium begann. ~ 14 ~

Evas Klavierunterricht dauerte nur einen Monat. Dann gab die Lehrerin es erleichtert auf diesem wilden Kind die Geheimnisse und Schönheiten der Musik beibringen zu wollen. Nicht das Eva unbegabt gewesen wäre oder gar unmusikalisch. Sie hatte einfach keine Geduld. Es ging ihr zu langsam. Sie liebte schöne, wohltönende Melodien die ihr sofort ins Ohr gingen, egal ob modern oder klassisch. Einmal gehört spielte sie es gleich auf dem Klavier ohne Fehler nach, oder trällerte sie auf dem Weg zur Schule ständig vor sich hin. Mit den Noten stand Eva auf Kriegsfuß. Die dicken schwarzen Punkte mit den langen Hälsen, die auf den fünf Linien auf und ab tanzten, mit den dazugehörigen Tönen in Einklang zu bringen, das gelang ihr einfach nicht. Bis heute nicht und sie würde es nie lernen, das wusste sie. Der Schneeregen hatte nachgelassen, die Sonne blinzelte durch die Wolken. Eva sah auf die Uhr, kurz nach halb elf. Jetzt war Stella auf dem Wege in die Erholung, die sie so ~ 15 ~