Carl Beyer

Auf der Burg Schwerin. 2. Vor der Burg Werle. 3. Im feindlichen Lager. 4. Auf der Flucht. 5. Im nordischen Urwalde. 6. Bischof Berno. 7. Die Rache an den Dänen.
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MV Taschenbuch Extra

Impessum

Zuerst erschienen 1888 Siebente Auflage 1929 Verlag Friedrich Bahn, Schwerin i. Mecklb. Lehmann & Bernhard Verlagsdruckerei, Schönberg (Meckl.) © BS-Verlag-Rostock Angelika Bruhn, 2010 Texterfassung: Margot Henzel Buch ISBN 978-3-86785-129-9 ebook (pdf PC) ISBN 978-3-86785-979-0 ebook (epub) ISBN 978-3-86785-978-3

Inhaltsverzeichnis Impessum 1. Auf der Burg Schwerin 2. Vor der Burg Werle 3. Im feindlichen Lager 4. Auf der Flucht 5. Im nordischen Urwalde 6. Bischof Berno 7. Die Rache an den Dänen 8. Volksversammlung 9. Das Fest des Goderac 10. Abermals vor Werle 11. Die Botschaft des Wartislav 12. Hildemut 13. Kessin und Malchow 14. Trebimer 15. Die Schlacht bei Verchen 16. An dem Radelsee 17. Prizlav 18. Der letzte Krive 19. Der Friede 20. Schluß

Gr. Königl. Hoheit dem Allerdurchlauchtigsten Großherzog

Friedrich Franz III. von Mecklenburg-Schwerin alleruntertänigst gewidmet

1. Auf der Burg Schwerin Die Insel, die jetzt das stolze Residenzschloß der Fürsten von Mecklenburg-Schwerin trägt, zeigte zur Zeit des wendischen Urahns ein wesentlich anderes Aussehen. Sie war weit niedriger als jetzt, wo sich mit dem Schutte der Jahrhunderte großartige Aufschüttungen vereinen, um das Schloß hoch über dem Wasserspiegel auf einen Hügel zu stellen. Ihre Ufer liefen flach in den See aus und boten selbst dem vorsichtigen Schritte keinen festen Grund, moorig quoll das Wasser zwischen den Schilfstengeln hindurch, bis ein Wendenfürst die zur Verteidigung äußerst günstige Lage erkannte und unter zäher Arbeit einen Wall auf der Insel aufrichten ließ, der allmählich durch Nachschüttungen gegen fünfzig Fuß Höhe erreichte. An der Stelle des jetzigen Schloßgartens und meilenweit darüber hinaus lagerte mit düsterm Schweigen ein Wald, in dem nur selten die Axt erklang, wenn auf der Burg oder Vorburg Bedarf an Holz war. Zum größten Teil dem menschlichen Fuße undurchdringlich barg er in seinem Dickicht eine Fülle von Wild, und der wendische Jäger, der mit geheimen Pfaden wohl vertraut war, hatte nicht nötig, lange nach lohnender Jagdbeute zu suchen. Der Rand des Waldes ging zum See allmählich in Bruch und Sumpf über, bis endlich eine breite Wasserstraße die Verbindung des großen Sees mit dem kleineren, der von der Burg noch heute seinen Namen trägt, vermittelte. Nach der Seite der jetzigen Stadt zu lag ein Moor, das nur spärlich mit braungrünen herben Kräutern bedeckt war. Einzelne trübe, rostrot gefärbte Lachen mit leise aufquellenden Blasen offenbarten, daß hier dem unvorsichtigen Wanderer furchtbare Gefahren bereitet waren. Die nicht bewaldeten 6

Höhen jenseits des Moores prangten im Sommer wohl im Schmuck wogenden Roggens oder glänzender Gerste, die Wiesen zwischen ihnen gaben herrliches Futter für Weidevieh oder sich spielend jagende Rosse. Hin und her zerstreut, aber immer der Burg zudrängend, lagen die Häuser der Bewohner der Vorburg, ein kundiges Auge erkannte sofort, daß sie nicht von Männern erbaut waren, die an der Scholle hingen und sie mit zäher Ausdauer bearbeiteten, es schien, als ob alles leicht und reglos hingestellt war, um gelegentlich rasch geräumt und dem Verfalle anheim gegeben zu werden. Von der Höhe des Burgwalles, der mit Palisaden gekrönt war und sich wuchtig um die Inseln legte, hatte man eine herrlich Aussicht über den Spiegel des Sees, der allein aus alter Zeit bis in die unsre hinein sich sein Wesen bewahrt hat. So schimmernd lachte er vor Jahrtausenden wie heute. Auf dem Walle stand im Sommer des Jahres 1160 ein Krieger und hielt Ausschau ins Land, zu den Hügeln jenseits des Moores spähte er unverwandten Blicks. Wie er so dastand in selbstbewußter Haltung, merkte man, daß er gewohnt war, dem Volke zu gebieten und Scharen in den Streit zu führen. Über ein längeres leinenes Untergewand schmiegte sich ein Oberkleid aus grobem, dichtem Wollstoffe, wie es im Wendenlande von den Frauen gewebt wurde, ein starker Gürtel lag um die Hüften und trug ein kurzes Schwert. Auf dem Haupte saß eine eiserne Kappe, unter ihr schaute kurzes schwarzes Haar hervor, aber der Bart, der kraus und wild den größten Teil des Gesichts bedeckte, zeigte durch seine ins Graue spielende Farbe an, daß der Mann nicht mehr in jungen Jahren stand. Seine Gestalt war gedrungen, scharf fuhr der Blick, wenn er das Auge hob, unter der starken Stirn hervor. Die Sonne neigte sich westwärts den Hügeln zu. als er ungeduldig stampfend, weil geblendet durch den hellen Saum der Wolken, sich umwandte und seine Schritte dorthin lenkte, wo an der innern Seite des Walles eine breite Stiege lehnte. Ein 7

großer Teil des umwallten Raumes wurde eingenommen durch ein schwerfälliges, langes Gebäude; ein Stockwerk nur war es hoch, aus Lehm und Reisig aufgeführt, und lag dem einzigen Tore, das in den Wall eingeschnitten war, gegenüber. Einzelne kleinere Häuser, gleichfalls gelehmt, lagen in der Nähe, dazu kamen einige Schuppen, die hergerichtet waren für Pferde und Vieh. Auffallen mußte in dem sonst baumlosen Bezirke ein alter Holunder, der aus dem Fuße des Walles hervorwuchs und seine Zweige auf die Erde senkte. In die größere Halle, die das einzige Gemach des langen Gebäudes bildete, führte nur eine Tür, die aber so breit angelegt war, daß sie mehreren zugleich den Eintritt gestattete. Der innere Raum war mit einer Lehmdiele belegt, und mitten darauf stand ein breiter Herd aus großen Steinen. Die Halle bildete Versammlungsraum, Küche, Speisezimmer, Schlafzimmer, alles miteinander. Die Decke war schwarz geräuchert, denn der Qualm, der vom Herde aufstieg, mußte sich durch Ritzen und Fugen oder durch die Luken in den Wänden, die Luft und Licht in das Zimmer lassen sollten, seinen Ausgang suchen. Es ruhte der Bau auf einer niedrigen Grundlage von Feldsteinen, die die Feuchtigkeit des Grundes zurückhielten. Gar seltsam hob sich gegen diese einfache Bauart der Schmuck der Wände ab. An ihnen waren merkwürdige Waffen befestigt, die offenbar von fremden Völkern stammten, kostbare Geschirre hingen an den Riegeln oder standen auf erhöht angebrachten Borten, Vorhänge und Teppiche bildeten und zierten einen abgesonderten Raum, in dem ein etwas erhöhter Stuhl als Ehrensitz stand. Man sah aus dem bunten Durcheinander, daß alles zusammengebracht war durch den Sammeleifer eines Mannes, der entweder weite, kecke Beutezüge zu machen liebte, oder dessen Schiffe Verbindungen mit Ländern unterhielten, die dem kunstfertigen Handwerke hold waren. Diese Stücke von vollendet schöner Arbeit konnten nicht in einem Lande gefertigt sein, wo die Baukunst noch auf der al8

lerniedrigsten Stufe sich befand. Einige rohe Tische und Bänke von einheimischer Arbeit standen zu ihnen in grellem Gegensatz. Die bunte Ausstattung war ebenso abenteuerlich wie anziehend. Zu dem Ende der Halle, an dem sich der Ehrenplatz befand, lenkte der Krieger den Schritt, er kam an Männern vorbei, die auf Bänken an den Wänden hockten und offenbar der Erzählung eines Einzelnen gelauscht hatten, frohe Spannung lag auf ihren Zügen, die hell und offen der Lebenslust erschienen, dabei oft mit verschmitztem Ausdruck. Schwarzen Haares, dunklen Blickes waren sie, nicht hoch im Wuchs, aber von geschmeidigen Gliedern. An ihren ungemein flinken Bewegungen und der steten Unruhe merkte man den lebhaften Geist. Sie machten Mine aufzuspringen und den Vorbeischreitenden mit Zuruf zu grüßen, doch verstummten sie, als sie den unzufriedenen Ausdruck seines Antlitzes sahen. Nur der Erzähler der lustigen Geschichte löste sich von der Schar und folgte zu dem Ehrenplatze, der weit genug entfernt war, um den Schall einer gedämpften Stimme nur undeutlich zu den Männern dringen zu lassen. Diese sahen ihm nach und bewunderten den mächtigen Bau der Glieder, die eine gewaltige Kraft bergen mußten. Auf seiner Stirn, so wußte jeder, thronte jene bläuliche Ader, die verriet, daß zuweilen der Sonnenschein, der in seinem Blick wohnte, durch ein ungestümes Zornesunwetter vertrieben werden konnte. Ja, wenn man tiefer in seine Augen sah, entdeckte man darin eine fast fanatische Leidenschaftlichkeit. Sein Kinn war stark, seine Nase kühn. Sein Mut, seine Treue, sein frischer Sinn machten ihn zum Liebling seines Volkes, der Ausbruch seiner unbändigen Wildheit jagte jedem Gegner Schrecken ein. „Ungeduldig erscheint mein Fürst“, begann Gestimul, als er zu dem Voranschreitenden trat. „Sechsmal hob sich die Sonne über dem See und neigte sich wieder zu den Hügeln“, war die Antwort, „beide Söhne 9

sandte ich gen Lübeck zu raschem Kriegszug, und noch ist von ihnen keine Botschaft zu uns gekommen. Das Heer der Sachsen naht der Elbe, und unklar ist mir bis zur Stunde, wo ich es erwarten soll. Gozzo bleibt aus, und keiner kann mir sagen, was der Dänenkönig tun wird. Ich fühle mich durch solche Unklarheit gebunden, Gestimul, wie ein Falke, den die Söhne des Jägers hinter seinen Holzstäben verhöhnen.“ „Plumpe Sachsenhände und blöde Dänenaugen haben die Schlinge gearbeitet. Sollte ein alter Falke sie nicht mit Leichtigkeit vermeiden?“ „Aus alter Gewohnheit freilich wohl, aber meine jungen Falken sandte ich aus auf Beute, mein Nest ist leer. Kühn sind sie und rasch, aber gar manche List wissen die schlauen Jäger, auf weiten Zügen lernten sie vieler Länder Brauch und Witz, die Unerfahrenen zu täuschen.“ „Sei ohne Sorge, mein Fürst, die jungen Falken lernten des Alten Art, und manchmal hat er mit starken Fängen die Schlinge zerrissen und den Schlausten unter ihnen, den heimlich schleichenden Glatzköpfen, unvermutet auf die Schädel gehackt, daß sie in ihren Weiberröcken liefen und übereinander fielen.“ Der Fürst lächelte bitter. „Diese Leisegänger“, sagte er, „sind nicht unsere Freunde. Sie durchschleichen mein Land und machen mein Volk den Hohen, vor deren Altären unsre Väter den Nacken beugten, ungetreu. Listig ist ihre Art, und man sagt in den Wendenhäusern“, fuhr er mit neckendem Augenblinzeln fort, „daß auch einst Gestimul sein Haupt willig in das Wasser neigen ließ, von dem sie meinen, es bezaubere für den Dienst der neuen Götter.“ Um den Mund des Angeredeten zuckte es, wie Erinnerung an ein heiteres Erlebnis flog es über sein Gesicht, das jedoch sofort wieder in seine Ruhe zurückkehrte, und er sagte in trockenem Tone: „Frage die munteren Gesellen dort am Herde, ich erzählte ihnen soeben von Dobin, das der Sachsenherzog 10

Heinrich mit den Dänen im Bunde belagerte. Er trug mit den Seinen das Zeichen seines Gottes auf der Schulter, als ginge er gern unter dem Joch, und seine weibischen Priester priesen ihn darob. Sein Herz aber war hart, und seine Hand reckte er gierig aus über dein Land. Das Wasser dieses Sees tranken wir die ganze Zeit und verlangten sehr nach der kühlen Quelle, die im Walde in den tief gehöhlten Stein rinnt. Als die Sachsen und Dänen unter sich uneins wurden, ward uns die Lösung leicht. Wir fanden willig gebotenen Frieden, und mancher kam aus der Burg hervor, sich endlich wieder am Trunk aus der Quelle zu laben. Ein sächsischer Priester stand daneben, und deine Krieger durften einzeln nahen. Wenn sie ihr Haupt neigten zu trinken, fuhr ich ihnen mit der Hand in den Nacken, tauchte sie kräftig unter das Wasser und sprach dazu mit greulicher Stimme ein seltsames Wort. Jene aber sprangen empor und schrien wie die Schafe, die man zur Wäsche in den Teich taucht, aber sie wagten sich nicht an den Mann, weil eine Sachsenschar in der Nähe stand, mit den Schwertern dräuend. Auch ich trat herzu, nachdem mancher mit triefenden Haaren durstig gegangen war. Das Erdreich war wohl schlüpfrig von den Tritten, daß ich ausgleitend hart an ihnen stieß, er fiel und fuhr mit der Nase in den weichen Grund, da trank ich ruhig und ging von dannen. Jener aber schaute mir seltsam nach.“ Gestimul hatte seine Stimme wohl absichtlich etwas gehoben, daß man sie in der Halle vernahm, denn es scholl ein fröhliches Gelächter herüber, als er geendet hatte. Fürst Niklot aber sah finster darein. „Ja“, sagte er, „mein Treuer, an dir wird ihr Witz zu Schanden, du kennst ihre Weise, daß sie falsch und hart zugleich sind. Ich hasse sie“, fuhr er heftig auf, „könnte ich sie alle mit ihrem ländergierigen Herzoge an das Kreuz hängen, das sie so schmachvoll an ihrem Gotte rühmen, dann wollte ich meine Schätze aus allen Kammern freudig dem siegverleihenden Radegast senden. Sagen sie nicht, ihr Gott liebe die Wahrheit? O Schande über ihre 11

Weise, zu seinem Dienste zu berücken! Nennen sie ihn nicht sanftmütig und haben tausendfältige Wunden den Völkern geschlagen, die eignen angestammten Göttern opferten und an dem Opfermahl sich harmlosen Sinns erfreuten? Meine Volksgenossen sind dahingeschwunden unter ihrem Schwerte, und kein Ersatz, kein Zuzug kann werden, weil hinter uns das wüste Meer liegt, jene aber drängen immer frecher, immer gieriger aus weiten Ländern heran, und sie werden nicht eher ruhen, bis sie den letzten Wenden blutig in den Sand gestreckt oder zu schimpflichem Dienste gezwungen haben.“ Er hielt einen Augenblick inne, als Gestimul aber schwieg, fuhr er fort: „Ich habe es dem Herzog Heinrich gesagt, als wir uns auf der Grenze trafen, was sein Sinn birgt, ich hab’s ihm höhnend ins Gesicht gerufen, als wir uns zu Artlenburg auf dem Landtage sahen: Sei der Gott, der im Himmel ist, dein Gott, du sollst unser Gott sein, das ist genug, verehre du jenen, und wir werden dich verehren! Er merkte den Spott und fuhr heftig heraus mit der Rede, aber seine glatten Priester nannten ihn einen Glaubenskämpfer und mich den Lästerer aus dem Abgrund. Und glaube mir, ihm wäre es recht, wenn wir vor ihm kröchen wie schmeichelnde Hunde. Aber mein letzter Atemzug gilt meinem Lande und meiner Freiheit!“ Dröhnend scholl seine Stimme zuletzt durch die Halle, die Wenden waren herzugetreten und standen alle einen Augenblick in ernstem Schweigen vor ihm, dann brach ein laut schallender Zuruf von ihren Lippen. Nach einer Weile nahm Fürst Niklot ruhiger das Wort wieder auf: „Abermals zieht er heran, abermals zetern sein Priester um ihn, und sein Gefolge brüstet sich, als wäre es daran, sich ein unsterbliches Leben zu gewinnen.“ „Dänische Gesandte“, rief da der eine, „haben wie Weiber vor ihm geweint, weil wir sie etwas rau angefaßt haben auf unsern Seefahrten.“ Und nun schollen die Stimmen erregt durcheinander: „Vor uns fliehen sie und räumen ohne Gegen12

wehr die Küsten, wo nur ein wendisches Schiff sich zeigt, kriechen sie wie furchtsame Mäuse vor der Katze in ihre Löcher. Was ist dieses Dänenvolk anders wert, als unsre Pflugschar zu führen, wenn es unsre Schwerter nicht sehen kann? Da winseln sie vor dem Herzog, und er ist froh, daß er wieder einmal einen Grund gefunden hat, ein Stück wendischen Landes an sich zu reißen.“ „Ha“, rief ergrimmt Gestimul, „sie nennen ihn den Löwen, sie sollten ihn den Wolf nennen, wölfisch ist seine Art zu hausen, unersättlich ist sein Hunger, weit ist sein Rachen. Was hat er aus unserm Lande gemacht, seitdem seine Hand darauf liegt? Friedlos sind wir in der Heimat. Er verlangt den Unterjochten Steuern ab in gemünztem Golde, das sie nicht haben, und fahren sie auf die See, es nach guter Art mit ihres Schwertes Spitze zu erwerben, so nennt er sie Räuber und überfällt sie mit seinen Scharen, die ohne Zahl ihm zutrömen aus den Ländern des feindlichen Reiches, weil er ihnen die Hände voll Gold hinhalten kann.“ In diesem Augenblicke horchte Niklot scharf auf, aus der Ferne scholl lang gezogen der Klang eines Horns durch die Luft. Sofort war die Halle geräumt, die Türen der kleineren Lehmhütten, die sich im Kreise an die innere Wallseite lehnten, wurden von hastig gerüsteten Männern aufgerissen, man merkte, daß ein kräftiger Wille sie regierte, rasch waren Wälle und Tore besetzt, und mit bereit gehaltenen Waffen warteten die nach Hunderten zählenden Krieger, ob Feindesandrang drohte. Lautlose Stille herrschte, als abermals der lang gezogene Hornton des fernen Spähers herüberscholl, und im Scheine der Abendsonne konnte man einen einzelnen Reiter erblicken, der auf dem schmalen Damm mitten durch das Moor schnell und sicher heranritt. Die Wenden kannten ihn offenbar, denn einzelne laute Zurufe grüßten ihn vom Walle, er aber ritt hastig über die Fallbrücke, die sich hinter ihm sofort wieder hob, sprang vom 13

Pferde, das er einigen diensteifrigen Buben überließ, und betrat die Halle. Der Fürst war mit seinem Freunde dort zurückgeblieben, er warf dem Heranschreitenden nur einen scharfen Blick zu, dann sprach er ruhig: „Gozzo bringt wenig frohe Botschaft. Tritt heran und melde frei, daß deine Reise unnütz gewesen ist.“ „Fürst Niklot“, sagte der Angeredete, ein hagerer Mann mit unruhigem Blick und äußerst glatten Bewegungen, „errät Gedanken, die das Herz sorgsam umschließt. Ja üble Kunde bringe ich, laß sie mich nicht entgelten. Die Schiffe Waldemars werden kommen mit Tausenden kampfbegehrender Krieger. Da ich mein Roß seit meiner Landung nicht geschont habe, kann ich rechtzeitig Botschaft bringen, daß sie nach Verlauf einer Woche auf der Insel Poel zu landen gedenken, und saumselig werden sie nicht sein, denn wahrlich, nach Rache ruft der Mund aller Dänen.“ „Deine Botschaft ist übel“, sagte Gestimul bedächtig, während einzelne derer, die mit Gozzo eingetreten waren, bestürzt den Boten anschauten, „ein anderer Feind ist uns lieber. Denn wenn die Füße unserer Söhne auch flink sind, so wird es uns doch sauer, die Dänen im Laufen einzuholen.“ „Gelang es dir, den König selbst zu sprechen?“, fragte Niklot. „Wohl sprach ich ihn, doch machte er mir finstere Miene, und als ich ihm deine Anerbietungen zur Deckung des Schadens vorlegte, rief er hohn lachend: ‚Bergen die wendischen Hundehütten noch Schätze, die ich nicht jetzt so gut wie sicher in den Händen halte? Ich will dir morgen meine Schiffe zeigen, bevor du reisest, dann magst du eurem Bettlerkönige melden, daß er Zeit haben soll, in dänischen Mauern sich zu besinnen, ob es gut und geraten war, daß er wie ein Räuber unsre Küsten zur Wüste gemacht hat.‘“ „Er mag’s versuchen“, sagte Niklot, indem er die Hand an das Schwert legte, „er hat es wohl noch nicht zur Genüge er14

fahren, daß die wendischen Hunde heftig beißen? Ihm schwillt der Mut, da er weiß, daß er sich hinter sächsischen Schilden ducken kann. Geht“, wandte er sich an das Gefolge, „und sagt es meinen Tapfern, daß sie ihre Schwerter wetzen, es gilt sächsischem und dänischem Wilde und guter Beute.“ Nachdem die Angeredeten gegangen waren, kehrte sich Niklot von Gestimul und Gozzo und sah eine Weile vor sich nieder, dann fragte er mit abgewandtem Antlitz – und man merkte, wie ihm die Rede schwer über die Lippen ging: „Sahst du den, des Namen zu nennen ich verschworen habe?“ „Ich sah ihn“, sagte Gozzo mit leichtem Anflug von Hohn in seiner Stimme. „Nun“, fuhr Gestimul heraus, „haben die Dänen dir die Zunge gestutzt, daß dir das Reden schwer wird?“ Gozzo schoß einen stechenden Blick auf den derben Redner und sagte dann zu Niklot: „Dein Sohn Prizlav ist am Hofe als Schwager des Königs wohl gelitten, und seine Gattin Katharina hat ihm eine schöne Herrschaft auf den Inseln vom Könige zu Lehn erbeten.“ Er gedenkt mit Haß seines Volkes und trieb den König, auf dem Landtage zu Bremervörde seine Beschwerde selbst beim Herzoge vorzubringen. Seine Augen leuchteten, als er vom Kriege sprach, und er rief: „Sage beim schlimmen Werkzeuge des Satans, sage beim Fürsten der Obotriten und Kessiner, der mein Vater war, daß er umkehren soll und sein Haupt neigen vor dem wahren Gott und verbrennen alle seine Götzen, dann wäre noch Rettung, sonst würde ihm die Rache des Höchsten erreichen.“ Während dieser Rede, die gleichsam tropfenweise hervorkam, hatte Gestimul den Redner scharf beobachtet. Als der sich bückte, um seinen Handschuh, der zu Boden gefallen war, aufzuheben, fuhr er schnell zu, ergriff einen Gegenstand, der aus Gozzos verschobenen Gewande hervor sah, hielt ihn hoch und rief: „Gibt denn dem Gozzo etwa das Zeichen des Christengottes den Mut zu höhnischer Rede?“ 15