by Dybuster Computer-basierte Förderung bei Rechenschwäche und ...

Messungen mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRI-Messungen) zeigten auf, dass das. Training eine neuroplastische Veränderung bewirkte, ...
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by Dybuster Computer-basierte Förderung bei Rechenschwäche und Dyskalkulie Zusammenfassung Calcularis ist eine neuartige Trainings-Software zur Verbesserung von Zahlenverständnis und Rechenfertigkeiten. Das Konzept von Calcularis basiert auf aktuellen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen der Zahlenverarbeitung sowie der mathematischen Entwicklung bei Kindern. Die Software verbindet folgende Elemente: • • • •

Multisensorisches Lernen Explizite, animierte Darstellung des Zahlenstrahls Anpassung an den Benutzer (Adaption) Spielerische Lernformen

In mehreren Studien wurde nachgewiesen, dass das Training die Entwicklung der Zahlenraumvorstellung verbessert, das arithmetische Denken erleichtert, das Arbeitsgedächtnis entlastet und das Lösen von Additions- und Subtraktionsaufgaben verbessert.

Hintergrund: Rechenschwäche und Dyskalkulie Mehrere Gehirnareale werden für die Bewältigung mathematischer Aufgaben benötigt. Dehaene [1] postuliert das so genannte „Triple-Code-Modell“ (Abbildung 1), gemäß dessen insbesondere drei Module für unterschiedliche Aspekte der Zahl-Verarbeitung zuständig sind. Unter „Module“ versteht man eng abgegrenzte Gehirnareale, welche sich auf die Erledigung spezifische Aufgaben spezialisiert haben und diese meist automatisch ausführen. Auditiv-sprachliche Repräsentation

Visuell-arabische Repräsentation

Transcodierung

Auditory Verbal Word Frame

Visual Arabic Number Form

„dreizehn“

Transcodierung

13

Analoge Repräsentation der Mächtigkeit von Mengen

Transcodierung

Analogous Magnitude Representation 0

13

20

Abbildung 1: Das Triple Code Modell von Dehaene. Neben den unterschiedlichen Repräsentationsformen (auditiv-sprachlich, visuell-arabisch und analog) können den drei Modulen auch unterschiedliche Aufgaben zugeordnet werden, welche hauptsächlich in diesen Modulen ausgeführt werden: • • •

Auditiv-sprachliches Modul: Zählen, exaktes Kopfrechnen, Abrufen von Mathe-Fakten Visuell-arabisches Modul: Urteilen über Paritäten, mehrstellige Operationen Analoges Modul: Schätzendes Rechnen, Vergleichen, arithmetisches Denken

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Seite 1

Seite 2 Diese drei Module sind nicht von Geburt an gegeben, sondern entwickeln und spezialisieren sich bis zum Erwachsenenalter. Sie entwickeln sich nicht unabhängig voneinander, sondern beeinflussen sich gegenseitig in ihrer Entwicklung, da sie über Transcodierungs-Prozesse (Übersetzungs-Prozesse) von einer Repräsentation in die andere miteinander verknüpft sind. So lesen wir Menschen beispielsweise zwar die Zahl 13 in arabischer Notation. Im Moment des Lesens übersetzen wir 13 aber sofort auch in das Zahlwort „dreizehn“ und verknüpfen so das visuell-arabische Modul mit dem auditiv-sprachlichen Modul. Gemäß dem 4-Stufen-Modell (von Aster [8]) entwickeln sich die drei Module zeitlich über 4 hierarchische Stufen (Abbildung 2). Hierarchisch bedeutet, dass eine höhere Stufe erst erreicht oder zumindest erst dann gefestigt werden kann, wenn die vorgängigen Stufen gefestigt sind. Die Entwicklung hängt dabei von den Kapazitäten und der Verfügbarkeit von allgemeinen kognitiven Funktionen (Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, Verarbeitungsgeschwindigkeit) sowie von den gemachten Erfahrungen ab. Dabei nimmt die benötigte Kapazität des Arbeitsgedächtnisses laufend zu: Kapazität des Arbeitsgedächtnisses

Stufe 1

Stufe 2

Stufe 3

Stufe 4

Grundsystem für Grössenordnungen

Auditiv-sprachliches Nummernsystem

Visuell-arabisches System

Analoges System (Zahlenstrahl)

„eins“, „zwei“,…

…, 13, 14, 15,…

Konkrete Mengen

Zahlwörter

Ziffern

Räumliches Bild

Bi-parietal

Links präfrontal

Bi-okzipital

Bi-parietal

Kognitive Repräsentation

Gehirnareal Fähigkeit

Subitizing, Schätzen, Vergleichen

Baby/Kleinkind

0

13

20

Mündl. Zählen, Zähl- Schriftliche Aufgaben, Schätzendes Rechnen, Strategien, Faktenabruf gerade/ungerade arithmetisches Denken

Vorschule

Schule

Zeit

Abbildung 2: Das 4-Stufen-Modell gem. von Aster. Bereits Babys können Mengen von Objekten anhand der Anzahl der Objekte unterscheiden. Dieses Grundsystem ermöglicht das elementare Verständnis von Zahlen (Stufe 1). Es ist eine Voraussetzung, damit Kinder eine wahrgenommene Anzahl von Objekten mit einem Zahlwort oder schriftlichen Zahlen verknüpfen können. Die Darstellung als Zahlwort (Stufe 2) sowie Fähigkeiten wie Zählen, Dazuzählen/Abzählen und einfache arithmetische Aufgaben, welche durch Zählen und Abzählen gelöst werden können, entwickeln sich im Vorschulalter. Die arabische Darstellung (Stufe 3) wird dann in der Schule gelehrt und gelernt. Sie ist wiederum eine Voraussetzung für die Etablierung des analogen Systems (Stufe 4). Bei Personen mit Rechenschwäche oder Dyskalkulie können Schwierigkeiten in der Erreichung jeder einzelnen Stufe auftreten. Calcularis versucht deshalb, die Stufen systematisch „von unten her“ mit dem Benutzer zu erarbeiten. Dabei ist die Auswahl der Trainingsspiele, welche die unterschiedlichen Fähigkeiten trainieren, abhängig von den individuellen Schwierigkeiten des Benutzers (vgl. Abschnitt „Anpassung an den Benutzer“). Ein besonderes Gewicht liegt zudem auf den unterschiedlichen Repräsentationsformen und auf den Übersetzungen (Transcodierungen) zwischen diesen Formen.

Aufbau von Calcularis Die Struktur dieses Trainings ist strikt hierarchisch nach drei größer werdenden Zahlenräumen aufgebaut (0-10, 0-100, 0-1000). Jeder Zahlenraum umfasst zwei Bereiche: 1. Zahlendarstellung und -verständnis: In jedem Zahlenraum muss immer zuerst das numerische Verständnis gebildet werden. Von der konkreten Darstellung ausgehend wird dabei zuerst die Zahlwort-Darstellung, dann die arabische Schreibweise und schließlich noch die Darstellung der Zahl auf dem Zahlenstrahl eingeführt.

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Seite 3 Zusätzlich zu diesen verschiedenen Repräsentationen wird in diesem Bereich auch das Verständnis von Zahlen gefördert. Eine Zahl kann als Kardinalzahl (Anzahl von Objekten), als Ordinalzahl (Position in einer Reihe) oder als Relationalzahl (Beziehung zwischen zwei Zahlen) verstanden werden. Diese drei Aspekte werden eingeführt und mit verschiedenen Spielen vertieft. 2. Arithmetische Operationen: Mathematisches Verständnis bedeutet nicht nur, die verschiedenen Zahlenrepräsentationen zu kennen, sondern auch, Operationen (z.B. Additionen und Subtraktionen) mit Zahlen durchzuführen. Die Schwierigkeit der gestellten Aufgaben ist dabei von verschiedenen Komponenten abhängig. Einerseits ist das die numerische Größe der Zahlen, andererseits hängt die Schwierigkeit aber auch davon ab, wie die Aufgabe präsentiert wird (Zahlendarstellung) und ob Hilfsmittel zur Lösung verwendet werden können. Im Bereich arithmetischer Operationen werden also nicht nur Operationen mit Zahlen geübt; es findet gleichzeitig eine Vertiefung und Automatisierung der verschiedenen Zahlendarstellungen sowie des Zahlenverständnisses statt.

Zahlenraum 0 - 1000

Arithmetische Operationen

Zahlendarstellung

Zahlverständnis +/- 3-stellig Arab. ↔ Verbal

Zahlenraum 0 - 100 10er-Übergang

Zahlverständnis

2stellig +/- 1stellig 2stellig +/- 2stellig

Arab. ↔ Verbal

Zahlenraum 0 - 10 Zahlverständnis Konzept +/Arab. ↔ Verbal Subitizing

Unterstützungsspiele

Hauptspiel

Unterstützungsspiele

Hauptspiel

Abbildung 3: Aufbau von Calcularis mit zwei Hauptspielen und Unterstützungsspielen. Für beide Bereiche gibt es passende Spiele, jeweils ein sogenanntes Hauptspiel und die Unterstützungsspiele. Die Letztgenannten sind Vorläuferspiele für die Hauptspiele. Sie trainieren Fähigkeiten, die in den Hauptspielen benötigt werden. Vergleichen Sie dazu die Beschreibung der Spiele im Kapitel „Spielerische Lernformen“. Alle Kinder beginnen das Training mit dem einfachsten Spiel im Zahlenraum von 0 - 10. Der Spielablauf wird anschließend an das Kind angepasst und ist für jedes Kind verschieden (vgl. Kapitel „Anpassung an den Benutzer“). Im Durchschnitt über alle Benutzer verläuft das Training im Bezug auf Abbildung 3 von links nach rechts und von unten nach oben.

Zahlendarstellungen In allen Spielen, egal ob Haupt- oder Unterstützungsspiel, wird eine einheitliche, konsistente Zahlendarstellung verwendet. Diese Zahlendarstellung betont gezielt die unterschiedlichen Repräsentationen von Zahlen.

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Seite 4 Verschiedene Eigenschaften von Zahlen werden dabei durch Farben, Formen sowie die Topologie codiert. Diese Codierung von Eigenschaften über verschiedene sensorische Merkmale ([3]) erleichtert das Erlernen der Zahlenrepräsentationen und fördert das Zahlenverständnis. Die Positionen des Dezimalsystems (1, 10, 100) werden durch Farben verschlüsselt. Dieser Effekt wird durch einen zusätzlichen Zahlengraph verstärkt (Abbildung 4). Jede einzelne Ziffer einer Zahl hängt an einem eigenen Ast dieses Zahlengraphs. Durch diese Repräsentation soll die Entwicklung der arabischen Notation sowie die Übersetzung zwischen Zahlwort und Arabischer Schreibweise gefördert werden.

Abbildung 4: Repräsentation der Zahl 275 mit Farbe und Topologie. Die Größe einer Zahl wird auf zwei verschiedene Arten codiert. Die Zahl wird einerseits als Zusammensetzung von Blöcken verschiedener Farben, d.h., als eine Komposition von Einer-, Zehner- und Hunderterblöcken dargestellt (Abbildung 5). Diese Darstellung zeigt, dass eine Zahl immer als Zusammensetzung anderer Zahlen gesehen werden kann und betont das Dezimalsystem. Die Blöcke sind jeweils von links nach rechts angeordnet, um eine Verbindung zur räumlichen Zahlenrepräsentation (Zahlenstrahl) herzustellen. Eine zweite Codierung der Größe erfolgt durch die Darstellung der Zahl direkt auf dem Zahlenstrahl. Die farbigen Blöcke werden dabei in den Zahlenstrahl integriert (Abbildung 6).

Abbildung 5: Repräsentation der Zahl 35 mit farbigen Blöcken.

Abbildung 6: Räumliche Repräsentation der Zahl 35 auf dem Zahlenstrahl.

Am Ende jeder Aufgabe werden die Darstellungen aus Abbildung 5 und Abbildung 6 mit Hilfe von ComputerAnimationen ineinander überführt, um zu verdeutlichen, dass es sich um die gleiche Zahl handelt, welche nur unterschiedlich dargestellt wird.

Anpassung an den Benutzer Um den Benutzer ideal in seinem Lernprozess zu unterstützen, passt sich Calcularis an die Fähigkeiten des Benutzers an. Zu Beginn des Lernens mit Calcularis starten alle Benutzer mit dem einfachsten Spiel im Zahlenraum von 0 - 10. Nach jeder Eingabe schätzt Calcularis den Wissensstand des Benutzers und fragt das nächste Spiel abhängig von diesem Wissensstand. So erarbeiten sich die Benutzer die Fähigkeiten in ihrer eigenen Geschwindigkeit und nach ihrem eigenen Lernmuster. Um den Wissensstand eines Benutzers zu schätzen, unterhält Calcularis intern ein „Netz“ von Fähigkeiten und deren Abhängigkeiten untereinander. Wenn eine Fähigkeit genug gut beherrscht wird, werden auch Fähigkeiten trainiert, welche von dieser ersten Fähigkeit abhängen. Da eine Fähigkeit jeweils mehrere Vorgänger- und Nachfolgerfähigkeiten hat, gibt es verschiedene Möglichkeiten für den nächsten Aufgabentyp bzw. für einfachere Aufgabenstellungen, falls eine Fähigkeit noch nicht beherrscht wird:

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Vorgänger-Fähigkeiten

Zahlenverständnis

10er-Übergang

Addition ohne 10er-Übergang

Zahlenraum

Subtraktion ohne 10er-Übergang

Addition

Subtraktion

mit 10er-Übergang

mit 10er-Übergang

Abbildung 7: Ausschnitt aus dem „Netz“ der Fähigkeiten für den Zahlenraum 0 bis 100. In Abbildung 7 ist beispielsweise ersichtlich, dass die Fähigkeiten „Addition ohne 10er-Übergang“ und „10erÜbergang“ Voraussetzungen sind, um „Addition mit 10er-Übergang“ zu üben. Der Benutzer beherrscht zwar den „10er-Übergang“, die „Addition ohne 10er-Übergang“ meistert er aber noch nicht gut genug, um bereits „Addition mit 10er-Übergang“ zu üben. Noch weniger beherrscht er die „Subtraktion ohne 10er-Übergang“. Calcularis wird deshalb für diesen Benutzer aktuell Aufgaben zur „Addition“ und insbesondere zur „Subtraktion ohne 10erÜbergang“ stellen. Wenn der Benutzer die entsprechende Fähigkeit beherrscht, wird Calcularis Additions- und Subtraktionsaufgaben mit dem 10er-Übergang fragen. Eine wichtige Eigenschaft ist der Einbau von Wiederholungen. Einfachere Fähigkeiten werden immer wieder repetiert, damit sie gefestigt werden. Da verschiedene Fähigkeiten durch verschiedene Aufgaben trainiert werden, erhöht diese Repetition zusätzlich auch die Variation der Aufgaben und damit die Flexibilität aber auch die Motivation. Die Repetitionen werden jeweils zufällig während des Trainings an einem Spiel eingestellt.

Spielerische Lernformen Calcularis besteht aus zwei Hauptspielen und mehreren Unterstützungsspielen (vgl. Abbildung 3). Diese trainieren unterschiedliche Fähigkeiten. Wenn immer eine Aufgabe gelöst wird, gibt Calcularis sofort an, ob sie richtig oder falsch gelöst wurde. Wenn sie falsch gelöst wurde, zeigt Calcularis zudem die richtige Lösung vor. Hauptspiel für die Zahlendarstellung: „Landung“ Ziel ist es, die Position einer Zahl auf dem angezeigten Zahlenstrahl möglichst genau anzugeben. Die Zahl kann dabei in verbaler Notation (gesprochen), arabischer Notation (geschrieben) oder als Kardinalität (Punktmenge) vorgegeben sein. Das Spiel trainiert also gleichzeitig die Übersetzung (Transcodierung) zwischen der verbalen bzw. arabischen Notation und der analogen Zahlendarstellung.

Abbildung 8: Der Kegel muss möglichst nahe der gesuchten Zahl gelandet werden.

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Seite 6 Unterstützungsspiele für die Zahlendarstellung Insgesamt enthält Calcularis 6 Unterstützungsspiele, welche unterschiedliche Teilfähigkeiten der Zahlendarstellung und des Zahlenverständnisses trainieren.

Abbildung 9: Unterschiedliche Unterstützungsspiele für die Zahlendarstellung. Hauptspiel für die arithmetischen Operationen: „Rechenmaschine“ Die Aufgabe wird in arabischer Notation und ohne Hilfen vorgegeben. Der Benutzer muss anschließend die Lösung eintippen. Seine Lösung wird mit farbigen Blöcken angezeigt. Wenn die Aufgabe falsch gelöst wurde, löst sie Calcularis richtig vor.

Abbildung 10: Die Aufgabe wird vorgegeben und das Resultat muss eingetippt werden. Unterstützungsspiele für arithmetischen Operationen Calcularis enthält zwei Unterstützungsspiele für arithmetische Operationen, welche in unterschiedlichen Typen angeboten werden. Den Spielen ist gemein, dass sie die Zahlendarstellung als arabische Zahl oder auf dem Zahlenstrahl mit der arithmetischen Operation verknüpfen.

Abbildung 11: Unterschiedliche Unterstützungsspiele für die arithmetischen Operationen.

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Trainings-Umfang Calcularis trainiert folgende Fähigkeiten: Fähigkeit Simultanerfassung (Subitizing)

0 - 10 X

0 - 100

0 - 1000

Schätzen

X

X

X

Zahlenverständnis verbal, arabisch, analog

X

X

X

Transcodierung verbal – arabisch – analog

X

X

X

Zahlenstrahl

X

X

X

Grösser/Kleiner

X

X

X

Abstände

X

X

X

Dazuzählen

X

X

Abzählen

X

X

Addition

X

X

X

Subtraktion

X

X

X

Tabelle 1: Trainingsumfang Calcularis (Stand 2012). Calcularis fördert die neuronalen Module, welche gemäß dem Triple-Code-Modell für die unterschiedlichen Aspekte der Zahlenverarbeitung benötigt werden. Die Fähigkeiten werden dabei in den Stufen des 4-Stufen-Modells trainiert (vgl. Kapitel „Hintergrund: Rechenschwäche und Dyskalkulie“). Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Automatisation dieser Fähigkeiten und nur beschränkt in der Instruktion der Fähigkeiten. Calcularis ist in seiner heutigen Form deshalb kein Mathematik-Didaktik-Programm sondern ermöglicht über die Automatisierung die Spezifizierung der neuronalen Module, welche bei Personen mit Rechenschwäche oder Dyskalkulie ansonsten weniger ausgeprägt sind. Die Benutzer sollen, soweit möglich, selber Strategien zur Lösung der Aufgaben entdecken. Wo diese an Grenzen stoßen, sollen Betreuer mit didaktischen Maßnahmen außerhalb von Calcularis Hilfestellungen anbieten.

Benutzerstudien Um die Effektivität des Trainings mit Calcularis nachzuweisen, wurden und werden Benutzerstudien durchgeführt. A) Vorläufer-Studie Bevor mit der Entwicklung von Calcularis begonnen wurde, wies eine Studie von Kucian et al. bereits nach, dass ein Training, welches die Zahlenraumvorstellung an Hand des Zahlenstrahls am Computer trainiert, zu • • •

verbesserten Leistungen in der Addition und Subtraktion bei Kindern mit und ohne Dyskalkulie, einer Verbesserung der Zahlenraumvorstellung bei Kindern mit Dyskalkulie und einer Entlastung des Arbeitsgedächtnisses bei Kindern mit Dyskalkulie

führt [4]. Messungen mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRI-Messungen) zeigten auf, dass das Training eine neuroplastische Veränderung bewirkte, welche auf eine effizientere Verarbeitung und stärkere Automatisierung der Zahlenverarbeitung hindeutet. Zudem zeigte die Studie, dass Kinder mit Dyskalkulie vor dem Training eine schlechter ausgebildete Vorstellung des Zahlenstrahls besassen als Kinder ohne Dyskalkulie. Dieser Unterschied war nach dem Training nicht mehr vorhanden. Die Vorläufer-Studie wurde mit der Software „Rette Calcularis“ durchgeführt. „Rette Calcularis“ wurde als ein Hauptspiel, das so genannte „Landespiel“, in Calcularis integriert. B) Parallelstudie In der Parallelstudie wurde Calcularis mit minimalem Betreuungsaufwand durch die Forscher eingesetzt. Dies sollte Aufschluss darüber geben, wie erfolgreich ein Training ist, wie es im schulischen Alltag durchgeführt werden könnte, in welchem die zeitlichen Ressourcen der Betreuer eingeschränkt sind.

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Seite 8 Studien-Design Die Probanden trainierten in zwei Gruppen während 6 oder 12 Wochen. Die Gruppen waren homogen aufgeteilt im Bezug auf Alter, Geschlecht und IQ. Sie wurden einzig während 20 Minuten als Gruppe in das Training mit Calcularis eingeführt und absolvierten eine betreute Trainingseinheit von 20 Minuten wiederum in der Gruppe nach 3 und/oder 9 Trainingswochen. Der Betreuungsaufwand durch die Forscher belief sich pro Proband daher auf total ca. 10 Minuten. Ansonsten trainierten die Probanden selbständig zu Hause. Vorgegeben wurden ihnen 5 Trainingseinheiten pro Woche zu je 20 Minuten. Effektiv trainierten sie im Schnitt 4 Mal pro Woche. Die Probanden mussten vor dem Trainingsstart, nach 6 Wochen und nach 12 Wochen einen Mathe-Test ablegen, um den Fortschritt mit und ohne Training und über 6 bzw. 12 Wochen zu messen. Die vorläufigen Resultate der Parallelstudie zeigen eindrückliche Erfolge für die Probanden: Die Probanden, welche mit Calcularis trainierten, verbesserten sich im Vergleich zu den nicht trainierenden Probanden signifikant im Bezug auf die Addition, Subtraktion und Zahlenstrahl-Aufgaben im Zahlenraum von 0 bis 1000. Resultate Addition und Subtraktion Die Tests waren im Bezug auf die Typen der Aufgaben gleich, unterschieden sich aber in den verwendeten Zahlen. So wurde z.B. zu Beginn der Aufgabentyp „Addition einer zweistelligen und einer einstelligen Zahl mit 10erÜbergang“ als „17 + 5“ gestellt, während nach 6 Wochen der Aufgaben-Typ als „28 + 6“ gestellt wurde. So waren die Tests vergleichbar, ohne dass ein Test ein Auswendiglernen für die folgenden Tests bedeutet hätte. Die Testzeit war immer auf je 10 Minuten für Addition und Subtraktion festgelegt. Messung Addition

Kein Training -2.6%

6 Wochen 12.0%

12 Wochen 23.6%

Subtraktion

-5.0%

28.4%

36.7%

Tabelle 2: Anzahl richtig gelöster Aufgaben im Vergleich zum Test bei Studienbeginn. Während die Probanden ohne Calcularis-Training sich eher verschlechterten, konnten die Probanden mit CalcularisTraining nach 6 Wochen 12% mehr Additionsaufgaben und 28.4% mehr Subtraktionsaufgaben richtig lösen. Nach 12 Wochen Training konnten sie sogar 23.6% mehr Additions- und 36.7% mehr Subtraktionsaufgaben richtig lösen als vor dem Training. Die Unterschiede zwischen Addition und Subtraktion ergeben sich durch die BenutzerAnpassung (vgl. Abschnitt „Anpassung an den Benutzer“), welche die Probanden vermehrt Subtraktion und weniger Addition trainieren ließ. Resultate Zahlenstrahl-Aufgaben Den Probanden wurden ein Zahlenstrahl sowie eine arabische Zahl gezeigt und die Zahl vorgesprochen. Anschließend mussten sie mit der Maus einen Zeiger auf dem Zahlenstrahl möglichst nahe bei dem Ort positionieren, welcher der gefragten Zahl entspricht. Gemessen wurde die durchschnittliche Abweichung vom Ort der gefragten Zahl. Messung Zahlenstrahl 0 – 10

Kein Training + 0.15

6 Wochen - 0.47

12 Wochen - 0.4

Zahlenstrahl 0 – 100

- 1.16

- 1.6

- 3.4

Zahlenstrahl 0 – 1000

- 4.74

- 38.8

- 58.57

Tabelle 3: Veränderung der Abweichung im Vergleich zum Test bei Studienbeginn. Negative Zahlen bedeuten, dass die Zahl genauer bestimmt wurde. Die Resultate zeigen eine signifikante Verbesserung, d.h. dass die Probanden, welche Calcularis einsetzten, den Zeiger nach dem Training deutlich näher am richtigen Ort positionierten als die Probanden ohne Training. Somit kann man sagen, dass sie ihre Zahlenraumvorstellung stärker verbessern konnten. Ebenso kann man in den Resultaten die Benutzeranpassung erkennen. In den ersten 6 Wochen wurde der Zahlenstrahl im Zahlenraum von 0 – 10 häufig geübt, während in den Wochen 7 bis 12 der Zahlenraum ab 10 im Vordergrund stand. Daher ist die Verbesserung im Zahlenraum von 0 – 10 in den ersten 6 Wochen grösser als in den folgenden Wochen, während die Verbesserung im Zahlenraum ab 10 in den Folgewochen grösser ist.

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Seite 9 C) BMBF-Studie In dieser Studie werden neben den in der Parallelstudie erhobenen Daten weitere mögliche kognitive Veränderungen erfasst. Zudem werden die Kinder nach dem Training und einem Trainingsunterbruch erneut getestet, um längerfristige Effekte nachweisen zu können. An der BMBF-Studie nehmen insgesamt 120 Kinder teil, aufgeteilt in 6 Gruppen: Gruppeneinteilung

Kein Training

Mit Training

Kinder ohne Lernschwächen

Gruppe 1

Gruppe 2

Kinder mit Dyskalkulie

Gruppe 3

Gruppe 4

Kinder mit Dyslexie

Gruppe 5

Gruppe 6

Tabelle 4: Gruppenaufteilung in der BMBF-Studie. Die Studie begann Mitte 2011 und dauert 2 Jahre. Sie wird vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt (deshalb BMBF-Studie).

Art des Einsatzes Wie soll das Training erfolgen? • • •

3 -4 Mal pro Woche Während 15 - 20 Minuten Für die Dauer von 12 Wochen

Die Arbeit soll selbständig am Computer erfolgen. Erwachsene sollen ihre Unterstützung zeigen und die Lernenden motivieren, aber den Computer mit den Lernenden arbeiten lassen. Ein Computer ist emotionslos, was hilft, Konflikte und Spannungen beim manchmal unbeliebten Mathe-Lernen abzubauen. Für wen eignet sich Calcularis? Calcularis eignet sich besonders für Kinder mit Rechenschwäche oder Dyskalkulie. Die Vorläufer-Studie hat gezeigt, dass auch Kinder ohne Rechenschwäche und ohne Dyskalkulie in Addition und Subtraktion signifikante Fortschritte erzielen können, doch profitieren diese Kinder weniger von den Trainings der übrigen Fähigkeiten wie Zahlenraumvorstellung, weil diese Fähigkeiten bereits besser ausgebildet sind. Für welches Alter eignet sich Calcularis? Da Calcularis grundlegende mathematische Funktionen trainiert, welche auch bei einem Erwachsenen mit Rechenschwäche oder Dyskalkulie nur unvollständig automatisiert sind, kann Calcularis auf jeder Altersstufe eingesetzt werden. Vergleichen Sie dazu aber auch den Abschnitt „Trainings-Umfang“. Calcularis deckt in etwa den Schulstoff bis 3./4. Klasse ab (je nach Lehrplan). Wenn Sie mit älteren Lernenden Calcularis einsetzen wollen, sollten Sie ihnen erklären, dass Sie dies als gezielte Förderung von spezifischen Fähigkeiten tun, damit sich die Lernenden darauf einlassen.

Verfügbarkeit und Lizenzformen Verfügbarkeit Calcularis wird nach Möglichkeit bis Ende 2012 allgemein zugänglich gemacht werden. Vorgängig werden TestVersionen nur an ausgewählte Fachkräfte verteilt werden. Wenden Sie sich bitte an [email protected], falls Sie sich als Tester/Testerin zur Verfügung stellen möchten. Lizenzformen Analog zu den Lizenzmodellen für Dybuster wird Calcularis als Jahreslizenz vermietet werden. Es wird voraussichtlich in zwei Versionen angeboten werden: • •

Calcularis Home (Trainingsprogramm) Calcularis School (Trainings- und Auswertungsprogramm)

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Seite 10 Die Benutzerdaten werden zentral auf dem Server bei Dybuster gespeichert, damit die Benutzer jederzeit und von überall Zugriff auf ihre jeweils aktuellsten Daten haben.

Partner Calcularis wird in Zusammenarbeit zwischen mehreren Partnern entwickelt und in Benutzerstudien getestet. Die beiden wichtigsten Partner sind das Computer Graphics Lab der ETH Zürich unter Prof. Markus Gross sowie das ETHSpin-off Dybuster, welche bereits für die Entwicklung der Rechtschreib-Fördersoftware „Dybuster“ erfolgreich kooperierten. Sie wollten ihre Erfahrungen aus Dybuster auf eine weitere Lernschwäche anwenden und trafen dafür auf den Dyskalkulie-Experten Prof. Michael von Aster, der seine Erfahrungen aus der Dyskalkulie-Forschung in eine Software einbringen wollte. Den beiden Programmen ist daher gemein, dass sie sich an die Benutzer anpassen und dass die visuellen und auditiven Möglichkeiten des Computers nicht nur genutzt werden, um die Lernenden zu motivieren, sondern dass damit der Lerninhalt multisensorisch angeboten wird. Partner

Haupttätigkeiten Entwicklung der Oberflächen, Software-Entwicklung Entwicklung Benutzeradaption, Motivationsforschung

Benutzerstudien, Evaluation

Tabelle 5: Am Calcularis-Projekt beteiligte Einrichtungen.

Referenzen 1. Dehaene S (1992), Varieties of numerical abilities. Cognition, 44: 1-42 2. Käser T, Kucian K, Ringwald M, Baschera GM, von Aster M, Gross M (2011), Therapy software for enhancing numerical cognition, Interdisciplinary perspectives on cognition, education and the brain / HanseWissenschaftskolleg (HWK), 207 - 216 3. Kast M, Meyer M, Vögeli C, Gross M & Jäncke, L. (2007), Computer-based multisensory learning in children with developmental dyslexia, Restorative Neurology and Neuroscience 25: 355-369 4. Kucian K, Grond U, Rotzer S, Henzi B, Schönmann C, Plangger F, Gälli M, Martin E, von Aster M (2011), Mental Number Line Training in Children with Developmental Dyscalculia, NeuroImage 57(3):782-95 5. Stern E (2005), Kognitive Entwicklungspsychologie des mathematischen Denkens, in "Rechenstörungen bei Kindern: Neurowissenschaft, Psychologie, Pädagogik", von Aster MG und Lorenz JH 6. Shalev R & von Aster MG (2008), Identification, classification, and prevalence of developmental dyscalculia, Encyclopedia of Language and Literacy Development: 1-9 7. von Aster MG, Kucian K, Schweiter M & Martin E (2005), Rechenstörungen im Kindesalter, Monatsschrift in Kinderheilkunde, 153: 614-622 8. von Aster MG & Shalev R (2007), Number development and developmental Dyscalculia, Developmental Medicine and Child Neurology, 49: 868-873

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