Dieter Apel
Landschaft und Landnutzung Vom richtigen Umgang mit begrenzten Flächen
Dieses Buch wurde klimaneutral hergestellt. CO2-Emissionen vermeiden, reduzieren, kompensieren – nach diesem Grundsatz handelt der oekom verlag. Unvermeidbare Emissionen kompensiert der Verlag durch Investitionen in ein Gold-Standard-Projekt. Mehr Informationen finden Sie unter www.oekom.de. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2012 oekom, München oekom verlag, Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH, Waltherstraße 29, 80337 München Satz + Layout: Diakonisches Werk – Stadtverband Hannover e. V., Abt. SINA – Soziale Integration Neue Arbeit Umschlaggestaltung: Sarah Schneider, oekom verlag Umschlagabbildung: Isolatetd Miniature globe © arquiplay77 (Fotolia.com) Druck: Digital Print Group, Nürnberg Dieses Buch wurde auf 100%igem Recyclingpapier gedruckt. Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-86581-303-9 e-ISBN 978-3-86581-497-5
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Dieter Apel
Landschaft und Landnutzung Vom richtigen Umgang mit begrenzten Flächen
Inhalt Abkürzungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Dank 1
Einleitung
11
1.1 Landnutzung unter Konkurrenzdruck
11
1.2 Nachhaltige Landnutzung – Untersuchungsraum Europa
13
1.3 Strategien zur Lösung der ökologischen Krisen
15
1.4 Untersuchungsthese
16
1.5 Landflächen nach der Hauptnutzungsart
17
1.6 Landnutzung nach regionalen Bedingungen
18
1.7 Flächennutzung – komplexe Thematik
18
2
19
Wald- und Moorflächen
2.1 Ökologische und soziale Bedeutung europäischer Wälder
19
2.2 Grundlage der Vegetation – die Photosynthese
19
2.3 Wald und Moor als Kohlenstoffspeicher
20
2.4 Waldumbau zu naturnahen Wäldern
22
2.5 Nachhaltige Holzverwendung
22
2.6 Das Klimaschutzpotenzial der Waldflächen
23
2.7 Ökologische Bedeutung europäischer Moorflächen
25
2.8 Klimaschutzpotenzial von Moorflächen
26
2.9 Wohlfahrtswirkungen von Wald und Moor, Chancen für den Waldumbau
27
3
29
Landwirtschaftsflächen
3.1 Zur Situation der industriellen Landwirtschaft
29
3.2 Zur Kulturgeschichte des Bodens
30
3.3 Agrarökologische Forschung und Praxis
32
3.4 Energie- und Treibhausgas-Bilanz von Ackerflächen
34
3.5 Vorzüge von Dauergrünland
37
3.6 Grünland-Weidenutzung versus Stall-Tierhaltung
38
3.7 Gefahren der industriellen Intensivtierhaltung
40
3.8 Landwirtschaft für »Erneuerbare Energie«
41
3.9 Zukünftige Energiepflanzen, Biogas aus Reststoffen
45
4
Flächen zur technischen Nutzung der Sonnenenergie
4.1 Passive Sonnenenergie-Nutzung
48 48
4.2 Solarthermische Dachanlagen
49
4.3 Dachanlagen der Photovoltaik
49
4.4 Freifeldanlagen der Photovoltaik
50
4.5 Solar-Freifeld-Kraftwerke
50
4.6 Windenergieanlagen
51
4.7 Energiespeicher
53
4.8 Von zentraler Versorgung zu dezentraler Autonomie
54
4.9 Vergleichende Bewertung der technischen Wege
55
5
57
Renaturierbare und rekultivierbare europäische Landschaften
5.1 Geschichte des Wandels europäischer Landschaften
57
5.2 Möglichkeiten und Potenziale einer Revitalisierung degradierter Landschaften
59
5.3 Die mediterranen Regionen – Landschaftszustand und Revitalisierung
60
5.4 Nachhaltige mediterrane Landwirtschaft
64
5.5 Der Balkankarst – Renaturierung und Rekultivierung
68
5.6 Renaturierung westeuropäischer Landschaften
69
5.7 Nachhaltige Waldwirtschaft in Nordeuropa
75
5.8 Nachhaltige Landwirtschaft in Mitteleuropa
80
5.9 Die Alpenregion – Schutz einer einzigartigen Kultur- und Naturlandschaft
84
6
95
Siedlungs- und Verkehrsflächen – Städte und Stadtregionen
6.1 Stadt- und Verkehrsentwicklung: Gegenseitige Abhängigkeit
95
6.2 Zur Entwicklung der europäischen Industriestadt
96
6.3 Autoorientierte Stadt- und Stadtumlandentwicklung
98
6.4 Ursachen der Landschaft verbrauchenden Suburbanisierung
99
6.5 Flächenverbrauch – Indikator für Umweltbelastungen
101
6.6 Schritte zur nachhaltigen Stadt- und Raumstruktur
103
6.7 Die wohnliche, sichere und lebendige Stadt
106
6.8 Schritte zur energiesparenden und vom Auto entlasteten Stadt
109
6.9 Schritte zur grünen Stadt und Resümee
116
7
Bauen und Transport in der freien Landschaft
119
7.1 Landschaft – physische, sinnliche und emotionale Lebensgrundlage
119
7.2 Bauen auf dem Land und der Preis des Baulands
120
7.3 Transport und Verkehr – Reduzierung durch wahre Preise
123
8
129
Wasserressourcen und Landnutzung
8.1 Zwischen Wassermangel und Hochwasserschäden
129
8.2 Wasserspeicherung, vorbeugender Hochwasserschutz
130
8.3 Gefährdung des Wassers durch Verschmutzung
133
8.4 Schutzwälder – Wasserversorgung und Hochwasserschutz
136
8.5 Naturnahe Flusslandschaften und Hochwasserschutz
137
8.6 Wassersensible Stadtentwicklung
140
9
142
Ergebnisse und Folgerungen
9.1 Landnutzung und Landschaftsstruktur – Schlüsselstrategie zur Lösung der ökologisch-sozialen Krisen
142
9.2 Ökologisch orientierte Land- und Waldwirtschaft
143
9.3 Energie von Sonne und Wind bei geringem Flächenbedarf
147
9.4 Renaturierung und Rekultivierung europäischer Landschaften
149
9.5 Städte und Stadtregionen – landschaftsverträglich, energiesparsam, menschenbelebt statt autoverstopft 9.6 Bauen und Transport in der freien Landschaft
158 164
9.7 Wasser und Landschaft
166
9.8 Ausblick
168
Literatur
171
Abkürzungsverzeichnis BfN
Bundesamt für Naturschutz
BHKW
Blockheizkraftwerk
BUND
Bund für Umwelt und Naturschutz
CCS
Abspaltung und unterirdische Endlagerung von CO2
CO2-Äquiv.
Kohlendioxid-Äquivalente
d. h.
das heißt
Difu
Deutsches Institut für Urbanistik
EG
Europäische Gemeinschaft
EU
Europäische Union
ha
Hektar, 10.000 Quadratmeter
IAASTD
International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development (Weltagrarrat)
i. A.
im Allgemeinen
Kfz
Kraftfahrzeug
kg
Kilogramm
km, m
Kilometer, Meter
Kwh
Kilowattstunden
Lkw
Lastkraftfahrzeug
m. E.
meines Erachtens
Mio.
Millionen
MW
Megawatt, 1.000 Kilowatt
NRW
Nordrhein-Westfalen
NS-Regime
»Nationalsozialistisches Regime« (1933-1945)
Pkw
Personenkraftwagen
qkm, qm
Quadratkilometer, Quadratmeter
SRL
Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung
SRU
Sachverständigenrat für Umweltfragen
t
Tonne, tausend Kilogramm
THG
Treibhausgas
u. a.
und andere(s)
UBA
Umweltbundesamt
VCD
Verkehrsclub Deutschland
VCÖ
Verkehrsclub Österreich
VCS
Verkehrsclub Schweiz
z. T.
zum Teil
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Treibhausgas (THG)-Emission pro Kopf und Jahr
14
Tabelle 2: Potenzielle Kohlendioxid-Senke von Waldflächen in Deutschland
24
Tabelle 3: Treibhausgas-Emissionen (THG) der industriellen Landwirtschaft
36
Tabelle 4: Industrielle Tierhaltung versus Grünland-Weide
40
Tabelle 5: Treibhausgas-Bilanz (THG) von Agro-Diesel
42
Tabelle 6: Treibhausgas-Bilanz (THG) von Bio-Ethanol
43
Tabelle 7: Treibhausgas-Bilanz (THG) von »Biogas« – auf Maisbasis
44
Tabelle 8: Reduzierung (+) oder Emission (-) von Treibhausgasen durch Wald-, Moor- und Landwirtschaftsflächen
47
Dank
Besonders danke ich zunächst meiner Partnerin Hedi Apel für geduldiges Korrekturlesen sowie Anregungen und Hinweise. Großer Dank gilt Anneliese Bäte und ihren Kolleginnen vom Büroservice SINA (Soziale Integration Neue Arbeit) in Hannover, dass sie aus einem nicht immer leicht lesbaren Manuskript mit Geduld und Mühe ein Buch gemacht haben. Dem oekom verlag danke ich für die Kooperation sowie Susanne Darabas, Volker Eidems und Clemens Herrmann für das Feedback. Michael Adler bin ich dankbar, dass er die Verbindung zum Verlag vermittelte. Nicht zuletzt habe ich all den Autor(inn)en und Forscher(inne)n zu danken, ohne deren tiefere fachwissenschaftliche Vorarbeiten in der Geobotanik und Ökologie, in der Agrar- und Forstwissenschaft sowie in den Raumwissenschaften dieser Versuch einer fachübergreifenden Sicht nicht möglich gewesen wäre. Dieter Apel im Februar 2012
1
Einleitung
1.1 Landnutzung unter Konkurrenzdruck Klimawandel, Naturzerstörung, Ressourcenverknappung und Hungerkrisen haben gemeinsame Ursachen, die Ideologie unbegrenzten ökonomischen Wachstums in einer endlichen Welt (Leggewie & Welzer 2009) und die Ausbeutung der in Jahrtausenden angesammelten Naturschätze in nur zwei Jahrhunderten. »Wir wenden ungeheure Mengen an Energie auf, um diese Ressourcen in gigantische Materialströme zu verwandeln, die den Globus umrunden, um dorthin zu gelangen, wo die Menschen leben, die versorgt werden wollen« (Schmidt-Bleek 2007, S. 29), oder die es sich leisten können, so versorgt zu werden. Überlagert werden diese Krisen durch die globalen Verteilungsungleichgewichte und durch ein Finanzsystem, das die Gesellschaft in bisher unbekannter Dimension belastet. Dieser Problembereich muss hier ausgeklammert bleiben, so wesentlich er auch für die Bewältigung der Krisen ist (Radermacher 2009, Hanisch 2010). Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die letztendlich maßgebliche Lebensbasis, die im kosmischen Maßstab zerbrechlich erscheinende Erdoberfläche. Alles Leben auf der Erde hängt unter dem Energiespender Sonne von der dünnen Oberflächenschicht der Landmassen der Erde von oft nur wenigen Dezimetern Dicke, den Wasserflächen der Erde und der aufliegenden Luftschicht ab. Um Meeresforschung soll es hier nicht gehen, sondern um »Landnutzungsforschung«. Wir fragen: »Nutzen wir die Landflächen der Erde richtig?« Die begrenzte Landfläche steht unter hohem Konkurrenzdruck unterschiedlicher Ansprüche. Die Städte dehnen sich flächenmäßig weiter in die umgebende Landschaft aus. Für Straßen und andere Verkehrsanlagen wird ebenfalls weiterer Raum in Anspruch genommen, oft auf Kosten landwirtschaftlicher Flächen. Letztere lassen sich aber nur noch sehr begrenzt auf Kosten von Wald, Moor und Grasland hinzugewinnen, ohne immense Schäden im Hinblick auf globalen Klimawandel und Naturschutz, auf lokales Klima, lokale Wasserwirtschaft und Erholungsflächen hervorzurufen. Bekannt ist zum Beispiel, dass durch Abholzen von Moorwald und Trockenlegen der Torfböden auf Sumatra (Indonesien) »ein Vielfaches dessen an Kohlendioxid freigesetzt« wird, was durch den Energie-Ertrag
12
der Palmölplantagen eingespart werden soll (Adler 2008, S. 3). Nebenbei wird dabei ein einmaliges Ökosystem zerstört und der zurückbleibende Boden in relativ kurzer Zeit unfruchtbar sein. Aber auch hierzulande und in Europa stellen sich kritische Fragen, wenn man sich durch unsere Agrar-Kulturlandschaft bewegt. Zu welchem Zweck und mit welchem Nutzen wird eigentlich was mit welchem Aufwand angebaut? Das Aufziehen von Nahrungsmitteln scheint in manchen Regionen nicht mehr im Vordergrund zu stehen, sondern ausgedehnte Mais-, Raps- und auch Zuckerrübenfelder fallen ins Auge. Wie kann so viel Kulturfläche in Anspruch genommen werden für einen geringen Netto-Ertrag an »Erneuerbarer Energie«, wenn außerdem zweifelhaft ist, ob die Treibhausgas-Bilanz überhaupt positiv ausfällt? Die unterschiedlichen Produktionspfade (»Biodiesel«, Bio-Ethanol«, »Biogas«) sind zu untersuchen. Ferner beruht die industrielle Landwirtschaft auf einem hohen Einsatz an fossiler Energie für Düngemittel, Pestizide, Maschinen u. a., die nicht nur beträchtliche Treibhausgas-Emissionen zur Folge haben, sondern auch Boden, Grundwasser und Flüsse schädigen und die Gesundheit von Menschen und Tieren bedrohen. Hier sind alternative Wege zu prüfen und weiterzuentwickeln, bevor das Ende des Erdölzeitalters dazu endgültig zwingt. Dazu gibt es bereits viele erfolgreich erprobte Ansätze. Auch ein Blick in die Agrar-Kulturgeschichte ist lehrreich und ermutigend (Montgomery 2010). Bewunderung und hohen Respekt lösen Bilder von chinesischen Kulturlandschaften mit kleinteiliger Terrassenfelderstruktur aus, die sich über Jahrtausende als stabile Agrar-Ökosysteme bewährten (Müller 1997). Auch in Europa können wir ähnliche Agrar-Kulturleistungen bewundern, insbesondere im Mittelmeerraum und in der Alpenregion. Der Alpenraum umfasst eine reiche Vielfalt an Kulturlandschaften, deren Schutz und Erhaltung als große europäische Aufgabe angesehen wird. Die Bewahrung des großen Kulturerbes kann – so ist zu hoffen – dazu beitragen, dass anderen, in der Vergangenheit geschädigten Landschaften, ebenfalls mehr Aufmerksamkeit zukommt. Solche meist durch Übernutzung zerstörte Landschaften sind nicht nur in Afrika, Asien und Amerika zu beklagen. Seit Jahrhunderten oder seit über zweitausend Jahren hat die Ausbeutung europäischer Wälder
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gravierende Landschaftsschäden hinterlassen: Kahle oder mit nur dürftiger Vegetation bestandene Berghänge, halbwüstenartige Karsthochflächen, trockengelegte und durch Brände zerstörte Moorwälder, durch Wasser- und Winderosion geschädigte Ackerflächen. Warum sollte es nicht möglich sein – als Beitrag zur Bewältigung der Energie-, Ernährungs-, Klima- und Umweltkrise – geschädigte Landschaften wieder zu revitalisieren mit kräftiger Vegetation oder zu rekultivieren? Heute haben wir dazu die technischen Mittel und die fachlichen Kenntnisse. Und viele junge, gebildete Menschen möchten gern eine sinnvolle Arbeit leisten. Die Möglichkeiten dazu und die Potenziale in verschiedenen Regionen Europas werden untersucht. Ein weiterer Lebensbereich, der uns in den vergangenen sechzig Jahren viel Landschaftsfläche und herbe Durchschneidungen von Landschaften gekostet hat und noch kosten soll, ist die Verkehrs- und Stadtentwicklung. Obwohl das Auto fachlich als das am wenigsten geeignete Verkehrmittel für die Stadt gilt und uns daher auch nicht zu lebenswerteren Städten verholfen hat, sind ideologische Fixierung und »das Pflegen von Fetischen« (Leggewie & Welzer 2009, S. 91) noch groß. Wir sollten aber den »Klimawandel als Kulturwandel« verstehen und die anstehende »große Transformation als Veränderungschance begreifen« (ebd., S. 174). Möglichkeiten und bereits realisierte Ansätze zu anderen, menschenbelebten statt autoverstopften, zu grünen, gesunderen, energiesparsamen, urbanen Städten und Dörfern werden erörtert.
1.2 Nachhaltige Landnutzung – Untersuchungsraum Europa Die detaillierteren Analysen beschränken sich auf den geographischen Bezugsraum Europa. Eine weltweite Betrachtung ist zur Lösung der Klima-, Umwelt- und Versorgungskrise aber notwendig und wurde eingangs auch angesprochen. Daher soll auf die erforderliche Rolle Europas im »Weltkonzert« kurz eingegangen werden. »Der Umweltverbrauch der reichen Länder ist heute so hoch, dass man für eine Übertragung dieses Lebensstils auf den Rest der Welt drei