Biologischer Weinbau

einbau. Uwe Hofmann. Biologischer. Weinbau. Rebe & Wein ofmann. Page 2. Uwe Hofmann (Hrsg.) Biologischer ... 9.5.3 Grau-, Sauer-, Edelfäule (Botrytis) 229.
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Hofmann

Der Bioweinbau hat deutliche Zuwachsraten. Immer mehr Winzer wollen biologisch produzieren und immer mehr Genießer legen Wert auf „reinen Wein“. Dieses topaktuelle Buch hilft mit praktischen und wissenschaftlich belegten fundierten Anleitungen bei der Umstellung und Optimierung einer ökologischen Bewirtschaftung im Weinbau. Wichtige Themen sind: • Weinbau als Ökosystem • Der Boden des Weinbergs • Technik im ökologischen Weinbau • Bodenbewirtschaftungssysteme • Düngung und Bodenverbesserung • Weinberg-Management • Ökologische Pflanzenpflege • Die Biologisch-dynamische Wirtschaftsweise • Die Umstellung auf ökologischen Weinbau

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Biologischer Weinbau

Bioweinbau auf dem Vormarsch!

Re be & We in Uwe Hofmann

Biologischer Weinbau

Uwe Hofmann (Hrsg.) Biologischer Weinbau

Uwe Hofmann (Hrsg.)

Biologischer ­Weinbau Unter Mitarbeit von: Paulin Köpfer, Hartmut Spieß, Arndt Werner

193 Farbfotos   56 Zeichnungen   40 Tabellen

4

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 7

1

Weinbau als Ökosystem  9

1.1

Das Ökosystem und die Auswirkungen der Monokultur   9 Die Bodenveränderung im Weinberg 12 Von der Monokultur zur Artenvielfalt 16

1.2 1.3

2

Der Boden des Weinbergs  19

2.1

Die Bodenstruktur als Träger der Bodengare 19 Das Bodenleben  22 Mikroorganismen 22 Symbiose 24 Makrofauna 27 Biologische Aktivität  29 Die Bedeutung des Humus  30 Die Nährstoffversorgung der Rebe  34 Die Dynamik der Pflanzennährstoffe im Weinberg 39 Stickstoff im biologischen Anbau  42 Der pH-Wert des Bodens  45 Bodenwasserhaushalt 46

2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4

3

Die Bodenbeurteilung im ökologischen Weinbau  49

3.1 3.2

Die Spatendiagnose  49 Die chemische Bodenuntersuchung  55

4

Bodenpflege im ökologischen Weinbau  59

4.1 4.1.1 4.1.2

Mechanische Bodenbearbeitung  62 Grundsätze der Bodenbearbeitung  63 Bodengerechter Einsatz des Schleppers 65

4.2 4.2.1 4.2.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.3.6 4.3.7 4.3.8

Bodenbearbeitungsgeräte 71 Lockerung 71 Flachbearbeitung 76 Begrünungsmanagement 78 Forderungen an die Begrünung im ökologischen Weinbau  78 Begrünungsstrategien 79 Begrünungspflanzen und Mischungen 85 Einsaatzeitpunkt 96 Saattechnik 96 Begrünungspflege 100 Nützlingsförderung durch gezielte Begrünungsführung 104 Begrünung und Wasserhaushalt  106

5 Bodenbewirtschaftungs­ systeme  108 5.1

Die Bodenpflege als ganzheitliches System 108 5.1.1 Alternierende Bewirtschaftung  108 5.1.2 Bodenpflegesysteme in der Praxis  109 5.2 Bodenpflege im Steillagenweinbau 120 5.2.1 Mechanisierungsverfahren für die Bodenpflege in Steillagen  122 5.3 Unterstockpflege im ökologischen Weinbau 127 5.3.1 Unterstockbegrünung   127 5.3.2 Mechanische Unterstockbearbeitung   130 5.3.3 Unterstock-Abdeckung 133 5.3.4 Thermische Verfahren  134 5.3.5 Kombinierte Verfahren  134 5.4 Die Brache: Vom Roden bis zur Bodenpflege im Jungfeld  135

Inhaltsverzeichnis

5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.4.6

Roden   136 Brachfeldpflege 136 Brachfeldbegrünung 139 Pflanzfeldvorbereitung 140 Neupflanzung 143 Bodenpflege im Jungfeld  144

6

Düngung und Boden­ verbesserung  146

6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5

Organische Düngung  147 Wirtschaftsdünger 148 Kompost 151 Ernterückstände 156 Siedlungskomposte 157 Strohabdeckung und Rindenmulch 158 6.1.6 Organische Handelsdünger  160 6.2 Mineralische Ausgleichsdüngung und Bodenstabilisierung 161 6.2.1 Gesteinsmehle 161 6.2.2 Mineralische Dünger auf der Basis natürlicher Ausgangsprodukte  163

9

Abiotische und biotische Schädigungen der Rebe  193

9.1 9.1.1

Abiotische Schädigungen  194 Klima- und Witterungsbedingungen 194 Immissionsschäden 197 Schäden durch Agrartechnik  198 Standortabhängige Krankheiten (Physiologische Störungen)  198 Biotische Krankheiten  203 Virosen und virusähnliche Krankheiten   204 Bakteriosen und Mycoplasmosen (Vergilbungskrankheiten) 207 Mauke (Rebenkrebs), Agrobacterium vitis 208 Schwarzholzkrankheit (Stolbur)  209 Goldgelbe Vergilbung der Rebe (Flavescence dorée)  211 Pilzkrankheiten 212 Falscher Mehltau der Rebe, Peronospora 213 Echter Mehltau der Rebe, Oidium  222 Grau-, Sauer-, Edelfäule (Botrytis) 229 Roter Brenner  235 Schwarzfleckenkrankheit 237 Schwarzfäule 239 Eutypiose 242 Esca-Syndrom – Verkümmerung und Absterben der Rebe  243 Wurzelschimmel 246 Einsetzbare Pflanzenschutz- und Pflanzenstärkungsmittel zur Pilzregulierung 247 Die Schädlinge der Rebe  256 Obstbaum- und Bohnenspinnmilben 256 Kräuselmilbe 258 Blattgall- oder Pockenmilbe  260

9.1.2 9.1.3 9.1.4 9.2 9.3 9.4 9.4.1 9.4.2 9.4.3 9.5 9.5.1 9.5.2

7 Weinbergmanagement  165 7.1 7.2 7.3 7.4

Pflanzenbauliche Maßnahmen  165 Klassische Ertragsrebsorten  171 Pilztolerante, widerstandsfähige Rebsorten 174 Unterlagsreben 177

8 Ökologische Pflanzenpflege  182 8.1 8.1.1 8.1.2

Hege – Pflege – Heilung  182 Förderung der pflanzeneigenen Abwehrkraft, induzierte Resistenz  183 Förderung und Ansiedlung von Nützlingen 190

9.5.3 9.5.4 9.5.5 9.5.6 9.5.7 9.5.8 9.5.9 9.6

9.7 9.7.1 9.7.2 9.7.3

5

6

Inhaltsverzeichnis

9.7.4

Bekämpfungsstrategien gegen Spinn-, Kräusel- und Gallmilben  260 9.7.5 Die Bekämpfung durch die natürlichen Feinde 261 9.7.6 Einbindiger Traubenwickler und Bekreuzter Traubenwickler  270 9.7.7 Bekämpfungsstrategien gegen den Traubenwickler 272 9.7.8 Bekämpfung der Traubenwickler durch deren natürliche Feinde  275 9.7.9 Springwurmwickler   281 9.7.10 Rhombenspanner 282 9.7.11 Rebzikaden 283 9.7.12 Reblaus 288 9.7.13 Sonstige Schädlinge  293 9.7.14 Wirbeltiere 293 9.7.15 Einsetzbare Pflanzenschutzmittel zur Schädlingsbekämpfung 294 9.8 Pflegeplan für den ökologischen Weinbau 299 9.9 Applikationstechnik 303 9.9.1 Spritzen 303 9.9.2 Sprühen 303 9.9.3 Stäuben 305

10

Die Biologisch-dynamische Wirtschaftsweise  306

10.1

Überblick über den Inhalt des „Landwirtschaftlichen Kurses“  308 Erde und Kosmos  308 Organismus Landwirtschaft  308 Von Stoffen und Kräften  309 Die Düngungsfrage – Hornkuhmist, Hornkiesel 310 Behandlung des Düngers – Die Kompostpräparate 312

10.1.1 10.1.2 10.1.3 10.1.4 10.1.5

10.1.6 Erhaltung der Pflanzengesundheit  315 10.1.7 Landschaftsgestaltung als evidenter Teil der Landwirtschaft  316 10.1.8 Artgerechte Tierhaltung und Tierfütterung 317 10.2 Zur Wirkung der biologischdynamischen Präparate  317 10.2.1 Wirkung der biologisch-dynamischen Präparate 318 10.2.2 Wirkungsprinzipien der biologischdynamischen Präparate  326 10.3 Bio-dynamische Verfahren in der weinbaulichen Praxis  327 10.4 Die Rhythmen und der Biologischdynamische Landbau  336 10.4.1 Chronobiologie – eine Wissenschaft vom Lebendigen  336 10.4.2 Lunare Rhythmen finden sich in allen Naturreichen 344

11

Die Umstellung auf ökologischen Weinbau  350

11.1 Umstellungsplanung 351 11.2 Voraussetzungen für die Umstellung 353 11.3 Praktische Aspekte der Umstellung 356

Service  365 Wichtige Adressen und Bezugsquellen  365 Literaturverzeichnis 368 Bildquellen 375 Register 376 Autorenverzeichnis 383

7

Vorwort Mit der Neufassung des Buches „Ökologischer Weinbau“ wird der weltweiten Entwicklung des biologischen Weinbaus in der Praxis wie auch in der Wissenschaft Rechnung getragen. Die erste Auflage basierte im Wesentlichen auf den Erfahrungen aus der Praxis. In der aktuellen vollständig überarbeiteten Auflage fließt nun nicht nur neues Praxiswissen ein. Vielmehr haben in den letzten 15 Jahren viele wissenschaftliche Studien in den Bereichen Pflanzenschutz, der Optimierung der Bodenpflege, des Begrünungsmanagements und der aktiven Nährstoffmobilisierung neue Erkenntnisse geliefert. Darüber hinaus ist in diesen Jahren die Bedeutung des biologischen Weinbaues weit aus der Nische herausgewachsen. In der Verbraucherwahrnehmung der öffentlichen Diskussion als auch in der Politik wird der ökologische Weinbau mehr und mehr als das „Normale“ angesehen. Dabei werden z. B. in Deutschland, ähnlich wie in anderen Ländern, weniger als 10 % der Gesamtrebfläche tatsächlich ökologisch bewirtschaftet. So gehört der ökologische Weinbau heute wie selbstverständlich zur weinbaulichen Praxis und findet seinen Niederschlag in der Beratung, Ausbildung (Berufsschulen, Studium) sowie in wissenschaftlichen Kongressen und Seminaren. Viele Verfahren des biologischen Weinbaues haben in der Zwischenzeit Eingang in die „gute weinbauliche Praxis“ gefunden. So wird mehr und mehr eine sorgsame biologische Bodenpflege als Grundlage für beste Traubenqualitäten und Förderung der Standorteigenschaften erkannt. Dennoch unterscheiden sich die Bewirtschaftungssysteme vor allem im Bereich des Pflanzenschutzes und der Düngung bzw. Nährstoffversorgung noch deutlich. In dem Buch werden die Begriffe ökologischer, biologischer oder organischer Weinbau synonym gebraucht. Dies entspricht sowohl dem internationalen Sprachgebrauch als auch den gesetzlichen Regelungen für diese Wirtschaftsweise in Europa wie auch weltweit. In den letzten Jahren haben zunehmend biologisch-dynamische Verfahren in der weinbaulichen Praxis Eingang gefunden. Diese Entwicklung wird durch ein eigenes Kapitel in diesem Buch berücksichtigt. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum biologisch-dynamischen Weinbau sind eher noch sehr begrenzt. Die praktischen Erfahrungen sind jedoch so weit fortgeschritten, dass weltweit viele Betriebe heute direkt auf diese Wirtschaftsweise umstellen, weil sie die Optimierung der Qualität im Blickfeld haben. Den Autoren ist es wichtig, dass es beim biologischen Anbau nicht nur um den ökologischen und kulturellen Gesamtnutzen, sondern auch um die gesellschaftliche Verantwortung des Berufsstandes geht. Die Weinbauunternehmen sollen nach erfolgreicher Umstellung ökono-

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Vorwort

misch besser dastehen als zuvor, d. h., die ökologische Wirtschaftsweise soll die sichere Existenz der Weinbaubetriebe einschließlich der zukünftigen Generationen gewährleisten. War es 1985 mit der Gründung des ECOVIN/Bundesverbandes Ökologischer Weinbau und den damit verbundenen ersten Richtlinien in Deutschland noch eine Pionierleistung weniger engagierter Biowinzer, so wurde mit der EU-Bioverordnung 2092/92, ersetzt durch die VO (EU) 834/2007 und ergänzt durch die Durchführungsverordnung 889/2008, der Anbau von ökologisch erzeugten Trauben europaweit einheitlich geregelt. Auch im außereuropäischen Weinbau erfolgten einheitliche Regelungen. In vielen Ländern haben sich die Biowinzer zu eigenständigen Organisationen zusammengeschlossen, um gemeinsam ihre Interessen zu vertreten. Mit der VO (EU) 203/2012 ist mittlerweile auch die Verarbeitung der Trauben zu Biowein geregelt. In dem vorliegenden Buch wird, wie schon in der ersten Fassung, auf ein spezielles Kapitel zur Kellerwirtschaft verzichtet. Wir möchten den unzähligen Praktikern, Beratern und Wissenschaftlern danken, die sich für die Weiterentwicklung des biologischen Weinbaues eingesetzt und damit auch die Inhalte des Buches mitgeprägt ­haben. Die Liste derer, die genannt werden müssten, wäre an dieser Stelle zu umfangreich. Danken möchten wir jedoch ausdrücklich ­Gabriel Köpfer für die unermüdliche Durchsicht des Manuskripts sowie dem Eugen Ulmer Verlag für den Auftrag, diese aktualisierte Fassung zu erstellen.

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1 Weinbau als Ökosystem Die vielfältigen Zusammenhänge des Naturhaushaltes eines Weinbergs bilden ein regionaltypisches Agrarökosystem in welches der Bewirtschafter regulierend und stabilisierend eingreifen kann.

1.1 Das Ökosystem und die Auswirkungen der Monokultur

Beschäftigt man sich mit der Ökologie einer Intensivkultur wie dem Weinbau, dann stellt sich die Frage, inwieweit in einer dermaßen „unnatürlich“ gestalteten Landschaft überhaupt ein funktionierendes Ökosystem existieren kann. Würde man die Flächen, auf denen heute in Mitteleuropa Weinbau betrieben wird, sich selbst überlassen, so würde nach vielen Jahrzehnten über die Zwischenstufen Grasland und Bebuschung eine in der Hauptsache aus Eichen und Buchen bestehende Waldvegetation entstehen. Ökologisch gesehen stellt diese Endstufe ein relativ artenarmes System dar, ein sogenanntes Klimax-Stadium als ökologisch stabiles Endstadium eines Standorts. Eine solche Lebensgemeinschaft (Biozönose) ist in einem komplexen System organisiert, in welchem viele Untersysteme miteinander verknüpft und dadurch sehr stabil sind. Der Standort einer Lebensgemeinschaft ist verschieden und nicht voraussehbaren Einflüssen ausgesetzt, die diese Systeme und damit auch das natürliche Pflanzenwachstum beeinflussen. Ein funktionierendes, stabiles Ökosystem ist in seiner Gesamtheit sehr komplex. Betrachtet man beispielsweise einen natürlichen Waldstandort, dann fällt auf, dass Bäume und andere Pflanzen als Hauptverbraucher im Ökosystem immer genügend Nahrung zur Verfügung haben, obwohl der Mensch irgendwann in das System eingriff, den Wald wirtschaftlich nutzte und einen Teil des produzierten pflanzlichen Materials (Holz) in bestimmten Abständen dem Standort entzog. Trotzdem hatte der Boden immer wieder genug Reserven, neue Bäume wachsen zu lassen. Durch chemische und physikalische Verwitterung der Gesteine und Mineralkomplexe des Bodens wird immer wieder neuer Mineral-Nachschub geliefert, der durch die Tätigkeit der Bodenlebewesen und natürlicher Kreisläufe in pflanzenaufnehmbare Form gebracht wird. Die organischen Stoffe aus absterbendem Pflanzenmaterial bilden einen Bodenhorizont, in dem sie über verschiedene Abbaustufen, Rohhumus, Moder und Mull bis zur Vererdung, im System gehalten werden. Die enthaltenen Nährstoffe werden schrittweise freigesetzt und wandern mit dem Niederschlagswasser aus den biologisch aktiveren oberen Bodenschichten nach unten zu den Wurzeln.

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Weinbau als Ökosystem

Als große Teile des Waldes einer agrarischen Nutzung weichen mussten, trat eine ökosystemare Änderung ein. Durch das neu entstandene Agrarökosystem entstanden Nischen für Pflanzen anderer Standorte und damit eine teilweise größere Artenvielfalt. Neben Kulturpflanzen wuchsen, auch in den späteren Weinbaugebieten, Wildkräuter, Wegrandvegetationen, Vegetation typischer Mikrostandorte (Hohlwege, Stütz- und Terrassenmauern und Randbereiche) und als Brachevegetationen sogenannte Ruderalpflanzen. Ein eigenes Ökosystem Weinberg mit typischer Flora entstand und der Mensch wurde Teil dieses Öko­ systems. Durch Zwischenfutteranbau, arbeitsbedingte Toleranz von Wildkräutern, Aufbringen von Mist aus der Viehhaltung und eine mäßige Bodenbearbeitung (Handarbeit, Pferd) konnte sich ein eigener Rigolboden als neues Bodenprofil entwickeln, welcher die Fruchtbarkeit bewahrte. Über Jahrhunderte blieb dieses System, ohne nennenswerte negative Einflüsse auf die Umwelt, erhalten. Die scheinbare Monokultur Weinbau, die dadurch zustande kam, dass Weinbau in unseren Breiten eben nur an begünstigten Standorten (Flusstäler, Hangbereiche, mit Expositionsvorteilen) möglich ist, war in Wirklichkeit ein artenreiches Agrarökosystem. Innerhalb dieses Systems konnte die Rebe ausgewogen ernährt werden. Ein negativer Einfluss auf die Stabilität war vor allem durch neue Pflanzenkrankheiten, eingeschleppten Parasiten oder Fehler der Menschen möglich. Die heutige Form des Weinbaus unterscheidet sich in vielen Bereichen von diesem Typ des stabilen Weinberg-Ökosystems. Durch den wirtschaftlichen Zwang zur Technisierung entstand die eigentliche Monokultur. Flurbereinigungen brachten Veränderungen oder den Austausch des gewachsen Bodens mit sich. Planungsfehler oder fehlendes ökologisches Bewusstsein führten zur Beseitigung von Rückzugs- und Randgebieten und der unvermeidliche Einsatz der Technik hatte maßgeblichen Einfluss auf die Bodenfruchtbarkeit. Diese Veränderung wurde oftmals gar nicht bemerkt, weil durch die Düngung mit leicht löslichen Nährsalzen Fruchtbarkeit vorgetäuscht wurde. Durch den Einsatz von ­Herbiziden gegen Wildkräuter und von Pestiziden gegen Schädlinge und Krankheiten wurde das Ökosystem so beeinträchtigt, dass zur Stabilisierung ein hoher, ökologisch bedenklicher Aufwand notwendig wurde. Der konventionelle Weinbau als besonders intensive Form der Landwirtschaft gilt als extrem starker Eingriff in das ursprüngliche Ökosystem eines Standortes. Diese Tatsache macht den Weinbau zu einer Sonderform des durch den Menschen beeinflussten Agrarökosystems. Der ökologische Weinbau will die Abhängigkeit von außerbetrieblichen Mitteln zur Erreichung eines standortgemäßen Ertragspotenzials gering halten und anbaubedingte Umweltschädigungen möglichst ausschalten:

Das Ökosystem und die Auswirkungen der Monokultur

–– Degenerierung des Bodens und des Bodenlebens, –– Reduzierung der Artenvielfalt an Flora und Fauna im Weinbaugebiet, –– die Auswaschung von Schadstoffen ins Grundwasser, –– das Ausbringen synthetischer Komplexverbindungen der Chemie, –– die Belastung von Mensch und Umwelt durch nicht kalkulierbare Summenwirkung der Agrarchemikalien, –– die Belastung der Flüsse und Meere durch Düngemittel und Ero­ sionsmaterialien, –– die Produktion umweltschädlicher Abfallprodukte, –– den weiteren Rückgang der Familienbetriebe im Weinbau verhindern.

Standort- und Umweltfaktoren mit ihren Wirkungen auf die Pflanze im Ökosystem (nach Ellenberg 1973).

11

12

Weinbau als Ökosystem

Die Selbstregelfaktoren eines funktionierenden, landwirtschaftlichen Ökosystems sollen nicht geschädigt, unterbrochen und gemindert, ­sondern zur Ertragsleistung und Fruchtbarkeitserhaltung ausgenutzt werden.

1.2 Die Bodenveränderung im Weinberg

Seit Mitte der 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts wurde die Bodenpflege mit Pferd und Pflug auch im Weinbau zunehmend durch die Mechanisierung verdrängt. Bei einigen biologisch-dynamischen Weinbaubetrieben kommt es heute wieder zur Renaissance der Arbeit mit dem Pferd – einerseits zur Schonung des Bodens, andererseits zur Wiedereingliederung von Tieren in den Betriebskreislauf. Dem Weinbergsschlepper, dem auch die Breite der Rebzeilen angepasst ist, verdankt der Winzer, dass mittlerweile in vielen Weinbauregionen nahezu alle Weinbergsarbeiten mechanisch durchgeführt werden können. Dadurch ist der Weinbergsboden einem bis zu 20-maligem Befahren mit schweren Maschinen innerhalb einer Vegetationsperiode ausgesetzt. Dieser Druck der Schlepperreifen führt zu einer erheblichen Verdichtung des Weinbergsbodens. Durch diese Bodenverdichtung kommt es zur Hemmung des Luft- und Nährstoffaustausches zwischen Bodenoberfläche und Unterboden. Stärkere Bodenverdichtungen bewirken vor allem bei fein strukturierten, schweren Böden ein Absterben lebenswichtiger Rebwurzeln als Folge von Luftmangel. Selbst in sandigen Böden werden starke Bodenverdichtungen festgestellt. Der Bearbeitungshorizont liegt oberhalb der verdichteten Horizonte bei etwa 10 cm Tiefe. Hier spielt heute die Frühjahrs- und Sommerbodenbearbeitung die wesentliche Rolle, während eine früher übliche Winterbodenbearbeitung in den Hintergrund tritt. Man weiß heute, dass die Winterbodenbearbeitung mit der alten Form des Zupflügens eher zur Bodenverdichtung sowie zum Nährstoffaustrag führte. Die Bodenbearbeitung im Frühjahr soll die Winterfeuchte im Boden dadurch erhalten, dass vorhandener Bewuchs entfernt wird und durch Zerschlagen und Lockern des Oberbodens die Kapillaren zur Bodenoberfläche unterbrochen und damit die Verdunstung verhindert wird. Hierbei wird zweimal, und oftmals mit Grubber oder Fräse, gearbeitet. Bei der Sommerbearbeitung wird weiterhin das Unkraut entfernt und die oberste Bodenschicht gelockert sowie Verkrustungen und Verschlämmungen der Bodenoberfläche beseitigt. Die Fräse mit großer Arbeitstiefe gilt als umstritten, weil durch die schnelle Rotation der Metallkörper die Krümelstruktur zerstört wird, dadurch die Aggregatstabilität der Bodenteilchen verloren geht und der Boden letztendlich zu Verschlämmungen neigt, nachdem sich eine harte Kruste gebildet hat. Der Einsatz der Fräse ist z. B. auch ein Grund für den Rückgang der Regenwürmer in den heutigen Weinbergen.

Die Bodenveränderung im Weinberg

Bodenprofil eines Agrarstandortes.

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Weinbau als Ökosystem

Der Grubber, der den früher eingesetzten Pflug weitgehend verdrängte, wirkt zwar nicht negativ auf die Krümelstruktur, bildet jedoch oftmals an der Grenze der Bearbeitungstiefe einen typischen Bearbeitungshorizont. Bei der Vorbereitung eines Jungfeldes ist meist der Einsatz des Rigolpflugs, der den Boden bis zu 1 m tief wendet, der einzige Eingriff in den Unterboden. Die tiefe Wendung bringt nach ökologischen Maßstäben jedoch das Problem mit sich, dass hierbei verschiedene Bodenhorizonte untypisch verlagert werden. Jeder Horizont besitzt – während bestimmter Zeitspannen entstandene – typische Bodenökosysteme mit bestimmten Organismenarten, welche beim tiefen Rigolen verändert und zerstört werden. Konsequenzen einer falschen Bodenbearbeitung Seit Jahrzehnten wird ein zu starker Eingriff in den Boden der Weinberge betrieben und muss negativ betrachtet werden. Die ansteigende Intensität der Bearbeitung ging mit dem Strukturzerfall des Bodens einher. Nahezu an allen bisher genannten Problemen ist die Bodenbearbeitung nicht unwesentlich als Beeinflusser beteiligt. Die Bodenstruktur wird durch häufiges Befahren geschädigt. Vor allem bei nassen oder feuchten Böden ist der Verdichtungsgrad deutlich erhöht. Verdichtungen zeigen sich durch eine Verringerung des Porenvolumens sowie eine dadurch eintretende schlechtere Bodendurchlüftung und geringere Wasseraufnahmefähigkeit. Gleichzeitig ist der Nährstofftransport nach unten gehemmt, es kommt zur verstärkten Erosion durch Zerschlagen (Fräse, Regentropfen) des Oberbodens. Da auch der Gasaustausch gehemmt wird, ist die Aktivität der Mikroorganismen geringer. Durch die Bearbeitung des Oberbodens und dessen Durchlüftung erfolgt ein beschleunigter Humusabbau, der zur Humusverarmung mit allen Folgen für Bodenstruktur, Bodenphysik, Bodenchemie und Bodenbiologie führt. Die Entstehung von Bodenverdichtungen sowie die Bearbeitung der Böden mit der Fräse wirken zusätzlich negativ auf den Regenwurmbesatz. Noch gravierender muss jedoch ein offen gehaltener Boden bewertet werden – ein durch die Bodenbearbeitung erreichter Zustand –, den es an natürlichen Standorten nicht gibt. Der Boden wird trotz vielfacher Propagierung einer Weinbergsbegrünung noch oftmals aus Gründen von falsch angenommener Wasser- und Nährstoffkonkurrenz zur Rebe von jedem Bewuchs frei gehalten. Alternativ wird oft jede zweite Zeile mit einer kurz gemulchten Grasdecke (Begrasung) eingesät, deren Wurzeln jedoch kaum bodenökologische Verbesserungen ermöglichen.