Auszeit vom Alltag

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Auszeit vom Alltag

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AB IN DIE LAUBE. Kreative Ruheoase, geheimer Rückzugsort oder Platz zum Entspannen: Die Gartenhütte erfreut sich wieder zunehmender Beliebtheit. Im Gegensatz zu früher legt man heute allerdings mehr Wert auf Individualität. Von Elisabeth Stolzer

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»glücklich Willst du ein Leben lang sein, dann leg einen Garten an.« Chinesisches Sprichwort

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In den durchgestylten Häuschen kann man den Alltagsstress hinter sich lassen und der Hektik des modernen Großstadtlebens entfliehen – soweit die Theorie. Aber braucht die Frau von heute wirklich so dringend einen eigenen Rückzugsort? Wenn es nach Autorin Jana Henschel geht, lautet die

Antwort ganz klar: Ja! Gemeinsam mit Fotografin Ulrike Schacht hat sie für ihr Buch „Garden Girls“ 20 Frauen besucht, die den Traum vom eigenen „She Shed“ bereits in die Tat umgesetzt haben. Sie erzählt: „In den letzten Jahren ist die Nachfrage nach Schrebergärten enorm gestiegen. Meist sind es Frauen, die den Ausschlag geben, wenn sich ein junges Paar oder eine Familie auf die Suche nach einer freien Parzelle macht.“ Aber in Wahrheit geht es um viel mehr als eine Auszeit vom Alltag: Es ist der Kontakt mit den Nachbarn, das unmittelbare Erleben der Natur und die kreativen Gestaltungsmöglichkeiten, die die Laube so attraktiv erscheinen lassen. Gleichzeitig soll ein Ort geschaffen werden, der den eigenen Bedürfnissen entspricht. Denn die Nutzung ist so individuell wie die Bewohner der Lauben: Während die einen auf Selbst-

versorgung schwören und fleißig Tomaten und Himbeeren ernten, sehnen sich die anderen nach einem eigenen Yoga-Paradies oder einem ganz privaten Nähzimmer. Die Geschichten hinter den Lauben sind damit genauso unterschiedlich wie die Umsetzung selbst. Von der idyllischen Berglaube mit Blick auf einen kristallkalren See bis hin zur durchgestylten Architektenhütte aus Holz und Beton ist für jeden Geschmack das Passende dabei. Ganz egal, ob man ein Zweithäuschen im eigenen Garten besitzt oder sich für eine Laube im Kleingärtnerparadies entscheidet: Besonders viel Wert wird auf die Wahl der passenden Details gelegt. Eine hübsche Vase für die Gartenblumen, eine gemütliche Sitzecke oder ein paar sorgfältig ausgewählte Bilder gehören auf jeden Fall mit dazu und machen das Outdoor-Re-

DEN CHARME EINER LAUBE MACHEN DIE INDIVIDUELLEN DETAILS AUS. ERLAUBT IST, WAS GEFÄLLT.

FOTOS: ISTOCK/THINKSTOCK, COLOURBOX.DE

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s ist das Glück vom eigenen Gartenhäuschen, das viele Frauen ins Schwärmen geraten lässt. Denn in den letzten Jahren haben die sogenannten „She Sheds“ (übersetzt zu dt. „Frauenschuppen“) in den sozialen Netzwerken einen echten Hype ausgelöst. Der Trend, der aus Amerika zu uns herübergeschwappt ist, liefert der Damenwelt endlich ein lang ersehntes Gegenstück zu sämtlichen Bastlergaragen, Männerzimmern und Heavy-Metall-Proberäumen dieser Welt.

„SHE SHEDS“ SIND IDEAL FÜR ALLE, DIE IHREN WOHNRAUM HINAUS INS FREIE VERLAGERN MÖCHTE.

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Jana Henschel ist selbst leidenschaftliche Laubenbesitzerin. In ihrem Buch „Garden Girls“ (Callwey) hat sie 20 Gärtnerinnen in ihrem persönlichen Paradies besucht. Vor gar nicht allzu langer Zeit galten Schrebergärten als ganz schön spießig. Warum erleben Sie gerade jetzt wieder ein Revival? Ganz einfach: Weil unser Leben eine ziemliche Hetzerei geworden ist. Wir sind immer gestresster von der Arbeit, hängen ständig am Smartphone, schalten kaum noch ab. Irgendwann merken wir dann: Uns fehlt frische Luft – und das Gefühl von Sinnhaftigkeit. Ein Schrebergarten schenkt dem Städter beides, und er ist schnell zu erreichen. Wenn wir nach Feierabend oder am Wochenende in der Erde wühlen, im Hochbeet den selbst angepflanzten Mangold gießen oder eine Wurst auf den Grill schmeißen, kriegt unser Leben schnell wieder Leichtigkeit. Wir fühlen uns wie im Kurzurlaub, bekommen andere Reize, erleben beim Anbau eigener Nahrung etwas Ursprüngliches. Das erinnert an Kindertage, lässt uns das wahre Leben wieder intensiver spüren.

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Was macht denn die eigene Gartenlaube für ihre Bewohner so attraktiv? Eine Laube fühlt sich wie ein Ferienhäuschen in der eigenen Stadt an. Wenn man einen Tapetenwechsel braucht, ist man schnell dort. Lauben sind auch kreative Spielwiesen. Gerade Frauen lieben es, dass sie diesen Ort nach Herzenslust und völlig anders als die Wohnung einrichten können. Und das Beste: Der Mann meckert nicht mal, wenn plötzlich alles wie in einer Puppenstube aussieht. Weil er viel zu beschäftigt ist, das Dach neu zu decken, den Kirschbaum einzupflanzen oder das Beet umzugraben. Die Kinder lernen nebenbei, wie Radieschen wachsen oder können Himbeeren vom Strauch naschen. Wie verwandelt man seinen Garten in eine echte Wohlfühloase? Da haben die Garden Girls, die ich mit der Hamburger Fotografin Ulrike Schacht besucht habe, die tollsten Ideen. Viele haben erst mal die geraden Betonwege aufgebrochen und rechteckigen Beeten geschwungene Formen gegeben, das lässt den Garten sofort weicher aussehen. Andere zauberten Atmosphäre durch farbige Wimpelketten, alte Gartenmöbel, Hängematten, bunte Kissen, Tischdecken und bepflanzte Zinkwannen hinein. In sind gerade wieder Lichterketten mit großen Glühbirnen, die in der Dämmerung für Stimmung sorgen. Gefallen haben uns auch die schönen Ideen, Sichtschutz zu schaffen: mit alten Scheunentoren, Paravents, die mit Stoffbahnen bespannt oder mit Wein berankt waren. Als Deko kann man kleine Gläser mit Blumen und Kerzen in die Bäume hängen oder Outdoor-Teppiche auf die Wiese legen. Pflanzen sollte man aus einer Farbskala wählen sowie Höhen und Tiefen variieren, das sieht harmonischer aus. Da haben wir schöne Kombinationen gesehen: Rosen zu Lavendel, lila Zierlauch mit rosa Akelei, violetter Storchenschnabel zur weißen Hortensie, rosa Knöterich zu Prachtscharte … Was gefällt Ihnen persönlich am Gärtnern am besten? Dieses zufriedene Gefühl, wenn ich nach getaner Arbeit müde auf die Gartenbank sinke und mein Mann reicht mir ein Feierabendbier. Die Amsel singt, es riecht nach Erde und wir sitzen schweigend vor unserer Laube und schauen dem Rasensprenger zu, während am Horizont die Sonne versinkt. Das ist ein enormes Gefühl von Freiheit und Glück, Hach, so ein Schrebergarten ist wirklich ein Geschenk.

fugium gleich noch ein bisschen gemütlicher. In den heimischen Baumärkten wird dafür mittlerweile eine breite Produktpalette angeboten. Von ganzjährig bewohnbaren Häusern bis zu verspielten Pavillons ist alles dabei.

EIN LAUER SOMMERABEND MIT FREUNDEN LOCKT SOGAR COUCHPOTATOS IN DEN GARTEN. Wer auch in der kühleren Jahreszeit nicht auf sein Freizeitparadies verzichten will, sollte sich nach wetterfesten Modellen umschauen. Wenn es das Budget erlaubt, kann auch eine Heizung oder ein Wasseranschluss sinnvoll sein. Die Lebensdauer einer Outdoorküche lässt sich ebenfalls erheblich verlängern, wenn sie nicht unmittelbar der Witterung ausgesetzt ist. Und alles andere wird ganz einfach selbst gewerkelt. Denn genau diese Individualität macht ja den Charme der Gartenhäuschen aus. Vielleicht holt man so dann auch die restliche Familie mit an Bord? Denn Technik-Nerds und Hobbyhandwerker können hier ebenfalls ihre Ideen umsetzen. So wird das „She Shed“ zu einem echten Gemeinschaftsprojekt. Belohnt wird man dann mit einem gemütlichen Grillabend und vielen schönen Stunden in der Natur. Einen Versuch, liebe Männer, wäre es doch zumindest einmal wert. v

FOTOS: ISTOCK/THINKSTOCK, CALLWEY.

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