B asel.Stadt.Wahlen.
| Montag, 24. Oktober 2011 | Seite 32
«Es fehlte ein Zugpferd»
SP-Präsident Lüchinger zur Wahlschlappe und zur Rücktrittsfrage Von David Weber Basel. Die Sozialdemokratische Partei
erreichte einen Wähleranteil von 27,6 Prozent. 2007 waren es noch 34,2. Parteipräsident Martin Lüchinger ist zwar zufrieden mit dem Wahlkampf seiner Partei, die Liste hätte dieses Jahr aber weniger Potenzial gehabt.
BaZ: Herr Lüchinger, die SP verliert in ihrer Hochburg Basel-Stadt 6,6 Prozent. Was ist da los? Martin Lüchinger: Die SP hat einen
guten Wahlkampf gemacht. Wir waren auf der Strasse und hatten gute Botschaften. Aber wir haben die Wählerschaft nicht erreicht, das zeigt die Abnahme bei den unveränderten Listen und die SP hat auch Stimmen an die Mitte verloren.
Vor allem FDP-Mann Peter Malama hat viele Stimme von SP-Wählern erhalten. Warum?
Er ist in Basel sehr präsent, auch in Umweltthemen. Zudem war er omnipräsent im Wahlkampf und hat auch ehemalige SP-Politiker und den Umweltaktivisten Martin Vosseler in seine Kampagne eingespannt. So wurde er auch für das linke Lager wählbar.
«Gemacht, was möglich war.» SPPräsident Martin Lüchinger musste eine Niederlage einstecken. Foto Roland Schmid
Wie kann man sagen, dass die SP einen guten Wahlkampf gemacht hat, wenn sie 6,6 Prozent verloren hat?
Wir haben gemacht, was mit unseren Mitteln möglich war. Andere Parteien
konnten sicher mehr aufwenden. Die SP hat aber auch massiv Wähler an den Listenpartner Grünes Bündnis verloren. Das relativiert das Ergebnis der SP etwas.
War die Liste der SP dieses Jahr einfach zu schwach?
Die Liste hatte nicht mehr das gleiche Potenzial wie vor vier Jahren, das muss ich anerkennen. Ein Zugpferd wie Rudolf Rechsteiner fehlte, auch wenn Beat Jans und Silvia Schenker sehr gute Resultate erzielten.
Wie geht es mit Martin Lüchinger als Parteipräsident weiter? Treten Sie nach diesem Ergebnis zurück?
Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich mich noch nicht mit diesem Gedanken beschäftigt.
Ein Präsident wird an den Wahlergebnissen gemessen.
Das ist so. Das Resultat ist enttäuschend und das Präsidium muss dafür geradestehen. Wir müssen die Wahl nun analysieren. Aber wie gesagt, ich bin der Ansicht, dass die Partei mit den Mitteln und der Liste, die von der Parteiversammlung besetzt wurde, einen guten Wahlkampf gemacht hat.
Wie gross ist die Genugtuung, dass auch die SVP verloren hat?
Sehr gross. Auch weil in Basel als Grenzkanton das Thema Migration zentral ist. Ich bin froh, dass die Kampagne der SVP gegen Ausländer – auch schweizweit – erfolglos war.
Eine Niederlage, die auch ein Sieg war Regierungsrat Christoph Eymann hätte mehr Stimmen erwartet – und ist dennoch zufrieden Von Katrin Roth Basel. Schon früh, sagte Regierungsrat
Christoph Eymann (LDP), sei ihm klar geworden, dass er den Sprung in den Nationalrat nicht geschafft habe. Dennoch zeigte sich der Erziehungsdirektor gestern zufrieden mit dem Ausgang der Wahlen: «Bei meiner Kandidatur ging es mir in erster Linie darum, die Allianz der liberalen Parteien Basels zu stützen.» Mit der Wiederwahl Peter Malamas sei dieses Ziel erreicht worden, «ohne uns wäre das nicht möglich gewesen». Entsprechend sei er stolz und brauche «sicher kein Care-Team, das mich wieder aufpäppelt», wie Eymann mit einem Lächeln meinte. Bei der Bekanntgabe seines Wahlresultats verging ihm das Lachen dann aber doch noch ein wenig: Mit 7588 Stimmen lag Eymann deutlich unter seinen persönlichen Erwartungen. «Möglicherweise eine Folge des Doppel-
mandates, das ich im Falle einer Wahl gehabt hätte», ist Eymanns Vermutung. Er wisse von einigen, die ihn aus diesem Grund nicht wählten, «obwohl sie meine Politik gut finden», wie er sagte. «Es hiess, ich solle mich auf meine Arbeit im Erziehungsdepartement konzentrieren.» Ein Indiz, dass er bei den Gesamt erneuerungswahChristoph len im kommenden Eymann. Jahr auf eine treue Wählerschaft zählen kann? Das sei schwer zu sagen, fand Eymann. Umgekehrt gehe er nicht davon aus, dass sich seine Nationalratskandidatur negativ niederschlage auf sein Wahlresultat als Regierungsrat. «Wieso auch?» Grundsätzlich habe er Verständnis für die Vorbehalte gegen ein Doppel-
mandat – auch wenn ein solches vom Gesetz her klar erlaubt und vorgesehen sei, wie Eymann mehrfach betonte. «Ich bin überzeugt, ich hätte die zusätzliche Belastung durch das Amt als Nationalrat gut verkraftet.» In der Familie flossen keine Tränen Dass nun alles beim Alten bleibe, habe auch Vorteile. «Ich bin nun nicht noch mehr fort als bisher», sagte Eymann. Das schätze vor allem sein engstes Umfeld. «In meiner Familie flossen keine Tränen, als bekannt wurde, dass ich nicht gewählt wurde.» Was aber, wenn er wider seinen Erwartungen gewählt worden wäre? «Ich habe keine Vorkehrungen getroffen für diesen Fall, weder geschäftlich noch privat.» Dahinter, sagte Eymann, stecke kein Aberglaube, sondern Pragmatismus: «Für solche Vorbereitungen wäre mir auch nach dem Wahlsonntag noch genügend Zeit geblieben.»
Gespannte Politiker. Auch der Sieg des FC Basel im Letzigrund gegen den FC Zürich vermochte die Stimmung nicht mehr zu heben Foto Roland Schmid
Die Bar ist leer – die Blicke der SVP-Politiker auch Von David Weber Alle paar Stunden passiert etwas. Was nach dem Bus-Fahrplan von Hinterpfupfingen tönt, beschreibt den Tagesablauf im Wahlforum ganz gut. 12 Uhr: Zwischenresultate National- und Ständeratsratswahlen; 15.30 Uhr: Schlussresultat Ständeratswahlen; 19 Uhr: Schlussresultat Nationalratswahlen. Dazwischen wird gewartet, in die Beiz geflüchtet, gewartet, in die Kamera gelächelt, gewartet, getratscht, gewartet, gratuliert, bemitleidet, ausgelacht und vieles mehr. Auch das kann spannend sein – und unterhaltsam. Zum Beispiel, wenn ein Journalist Baschi Dürr (FDP) fragt, wo Parteipräsident Daniel Stolz ist. Dürr, wahrscheinlich das gute Abschneiden der Partei im Blick, antwortet: «Auf Wolke 7». Der Journalist, mit Bestimmtheit die herbe Bruchlandung von Stolz als Ständeratskandidat im Blick, bemerkt trocken: «Warum? Weil er nun nicht in den Ständerat muss?» Apropos Ständerat. Traditionell war die glorios wiedergewählte Anita Fetz (SP) bei der Verkündung der Zwischenresultate nicht im Wahlforum. Sie zieht den grossen Auftritt vor und marschiert eine Stunde später triumphierend, das strahlende Lächeln der sicheren Siegerin im Gesicht, ins Kongresszentrum ein. «Anita, Anita», kreischt ein männlicher Juso, ob ironisch oder ernsthaft, ist nicht klar. Als dann um 15.30 Uhr das Schlussresultat verkündet wird – eine reine Formsache – hat auch SP-Präsident Martin Lüchinger ein Lächeln im Gesicht. Ein kurzer Quell der Freude für ihn, der sich seit 12 Uhr mit der Frage plagen muss: «Warum zum Teufel verloren wir knapp sieben Prozent?»
Um sich ein Frust- oder Jubelbier an der Bar im Wahlforum zu genehmigen, braucht man ein dickes Portemonnaie. Wer es sich leisten kann, erhält für 6.50 Franken 3 dl Bier, für 14 Franken 1 dl Champagner oder für 7.50 Franken ein Sandwich. Gratis gab es ab 16 Uhr die Partie FCZ – FCB auf den diversen TV-Schirmen. «Damit nicht zu viele Leute gehen», sagt Vizestaatsschreiber Marco Greiner. Ein frommer Wunsch. Bis auf den Tisch mit jassenden Jusos («Kommen die von der Villa Rosenau?», fragte ein junger SVP-Politiker) blieb kaum jemand im Wahlforum. Abgezogen ist auch der 63-jährige Präsident der jüngsten Partei, der BDP, Roland Weiner. Ob ihn der junge Mann vom Jungen Grünen Bündnis vertrieben hat? Wohl kaum. Denn die lautstarke Bemerkung des Jungpolitikers: «Wie kann jemand nur die BDP wählen?», just in dem Moment geäussert, als Weiner an seinem Tisch vorbeigegangen ist, reagiert Weiner staatsmännisch – gelassen lächelnd, mit der Kraft von 1,1 Prozent Wähleranteil in jedem Bein, schreitet er am Tisch vorbei. Am frühen Abend füllt sich das Wahl forum langsam wieder. Auch Jean Henri Dunant, der Grand-Seigneur der SVP fährt gegen 17.30 Uhr mit dem Taxi vor, und pflanzt sich zuerst einmal auf einen Stuhl – vor einen Fernseher, aber hinter Parteikollege Oskar Herzig. Genau richtig, um zu sehen wie der FCZ den Penalty verschiesst – falls Dunant denn an Herzig vorbeischauen konnte. 19 Uhr. Schlussresultate. Das Forum ist voll, die Bar immer noch leer. Genau so, wie die Blicke der SVPPolitiker, die zu den grossen Wahl verlierern gehören.
Wer bei den Nationalratswahlen wie viele Stimmen erhalten hat Die Namen und Resultate aller 114 Kandidatinnen und Kandidaten auf 25 Listen – die Gewählten sind fettgedruckt FDP Peter Malama (bisher) Baschi Dürr Daniel Stolz Sarah Wenger Luca Urgese
14115 4588 4277 3489 2787
LDP
Christoph Eymann Patricia von Falkenstein Heiner Vischer André Auderset Christoph B ürgenmeier Jungfreisinnige Carol Baltermia Nicolas Lüdin Samuel Lanz Mirko Zuber Levent M orandini Jungliberale Philip C. Schotland Michael Wieser Diana Blome Michael Hug Remigius Berger FDP Umweltschutz jetzt Christian Egeler Helmut Hersberger Annik K undert Stephan Maurer Frank Urech
7588 2626 2555 2475 2302
SP Beat Jans (bisher) Silvia Schenker (bisher) Mustafa Atici Tanja Soland Regina Rahmen
Grünes Bündnis Anita Lachenmeier (bisher) 10253 Sibel Arslan 6753 Mirjam Ballmer5878 Michael Wüthrich 5513 Brigitta Gerber 4667
262 209 181 151 124
Juso Pascal Pfister Sarah Wyss Lukas Wiss Lavinia Fasciati Nicolas Baudet
262 250 188 137 136
Junges Grünes Bündnis Michelle Lachenmeier Nora Bertschi Laura Stöcklin Anina Ineichen Benedikt Christ
896 579 552 520 436
22227 18444 12502 12376 9464
1116 1113 737 687 652 942 829 752 720 545
CVP Markus Lehmann Daniel Albietz Lukas E ngelberger
4172 2906 2589
Remo Gallacchi Helen Schai
2358 2108
EVP Annemarie Pfeifer Brigitte Gysin Christoph Wydler Leonhard Müller Dieter S tohrer
Dagmar Jenny Andrea Strahm Priska Keller
406 384 375
1791 1341 1299 1236 1188
GLP David Wüest-Rudin Martina Bernasconi Emmanuel Ullmann Dieter Burkhard Dorothee Widmer
Junge GLP Jonas Schwarz Nadine Michèle Lienhard Véronique Bron Tobias Christ Sandro S cherrer
495 436 382 294 225
3723 2563 2227 2218 1833
BDP
Nadine R osenblatt Rudolf Loosli Roland Weiner Michel Schielly
2822 1176 1053 1023
Junge CVP Balz H erter Tiziana Conti Patrick Huber Tobias Kohler Lukas Strickler
416 249 226 164 148
CVP-Frauen Beatrice Isler Andrea Knellwolf
650 481
GLP-Senioren
Dieter Werthemann Theres Zigerlig Verena Thomi Stefan Kaister Hans Rudolf Hecht
387 352 307 275 260
SVP Sebastian Frehner (bisher) Karl Schweizer Patrick Hafner Eduard Rutschmann Lorenz Amiet
11197 8460 7770 7598 7227
EDU
Roland H erzig-Berg Michael Böhme Lukas Michel Liliane Vitanza-Hoffer Heidi R echer
343 337 297 230 206
SVP International Thomas B ucheli Rolf Bruno Schudel Urs Zaugg Sacha Buser Johan Klaasse
313 232 216 214 209
Junge SVP Alexander G röflin Aaron Agnolazza Judith Müller Matthias Stalder Emanuelle Giannotta
354 276 253 252 202
Piratenpartei
Patrick Mächler Cedric Meury Battist Utinger Freistaat Unteres Kleinbasel Christian Mueller
2211 2147 931 748
parteifrei.ch
Bastiaan T obias Frich Julian Buchwalder Claudio Paganini Volks-Aktion Bernhard Hofer Eric Weber Sybilla Hofer
435 403 375 1614 1596 800