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Gesellschaft

24. Mai 2016

Salzburger Fenster

TATEN S TATT WORTE

„Die Buben sind uns zugeflogen“ Rifer Paar nahm junge Syrer auf und erlebt Familie ganz neu

VON SIG RID S CHARF

Sie waren im September mit einer Gruppe Syrer im Salzburger Landeskrankenhaus gelandet, weil einer der Flüchtlinge erkrankt war. Wären die aus Damaskus stammenden Brüder Mohamad (20) und Berah (10) von dort aus in die Bundesbetreuung gekommen, hätte man sie auseinandergerissen. Das wussten ein paar Helfer zu verhindern. Eine in Hallein-Rif lebende Ärztin erzählte ihrem Nachbarn von der Geschichte, der wiederum trug sie als Patient in die Ordination des ortsansässigen Allgemeinmediziners Christoph Dachs. „Mich hat diese Situation damals mit den Flüchtlingen total aufgewühlt. Wir mussten etwas tun. Diese Buben sind mir zugeflogen“, sagt seine Frau Regina. Und ihr Mann räumt ein: „Irgendwie sind wir da recht blauäugig hineingegangen.“ Später meldete sich das Jugendamt zu einem Kontrollbesuch und noch später kam das Land auf die Idee, Gastfamilien für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu suchen. Als solcher gilt Berah heute offiziell – weil er zwar mit Bruder, aber ohne Eltern ins Land gekommen ist. Seine Gasteltern erhalten eine monatliche Unterstützung von 685 Euro und machen dafür bis Juni eine Art Ausbildung an sechs Abenden. Mit seinen 10 Jahren ist Berah der jüngste privat untergebrachte Flüchtling im Bundesland. Seine Integration funktioniert vorbildlich. Schon wenige Tage nach seiner Ankunft besuchte er die Volksschule in Rif. Er geht gern hin, ist tagtäglich mit der deutschen Sprache

Unkonventionelle Familie: Regina und Christoph Dachs mit ihren syrischen „Söhnen“ Berah (10) und Mohamad (20). BILD: VIPS

konfrontiert und hat auch schon Freunde gefunden. Für seinen Bruder ist es ungleich schwieriger. Aber auch er hat seit wenigen Tagen einen Praktikumsplatz im Halleiner Seniorenheim – „um dieses Sprachbad zu bekommen, das für das Deutschlernen so wichtig ist“, sagt sein Gastvater. Und wie hat sich das Leben des Ehepaares durch den Familienzuwachs verändert? „Die eigene

Freiheit hat sich massiv eingeschränkt. Auf einmal muss man abends wieder zu Hause sein“, sagt Regina, die sich ein Netzwerk aus drei Familien aufgebaut hat, die einspringen, wenn Not am Mann ist: „Ohne diese Menschen würde es nicht gehen.“ Plötzlich sitze man wieder bei Elternabenden – mit Leuten, die vor Jahren mit ihren eigenen Kindern die Schulbank gedrückt ha-

ben, erzählt Regina. Die heute 54Jährige war mit 26 Jahren dreifache Mutter: „Damals war ich streckenweise völlig überfordert. Heute fühlt sich das viel ruhiger an.“ Am meisten freut sie, wenn sich die Normalität durchsetzt, Berah am Rücksitz des Autos fröhlich vor sich hin palavert oder in der Dusche singt. Und trotzdem gibt es auch diese schweren Stunden, in denen die neue familiäre Situation einen seelisch fast erdrückt. Wenn den Kleinen die Traurigkeit übermannt oder der Ältere verzweifelt Arbeit sucht. „Bei diesen großen Themen tut es gut zu spüren, dass mein Mann das mitträgt“, sagt Regina, die streckenweise auch viel Zeit allein mit den Burschen verbringt. Beide haben Asylstatus. Wenn der Pass für Mohamad rechtzeitig kommt, fahren die Dachs über Fronleichnam nach Caorle, fast wie eine österreichische 08/15Familie. Die sie freilich nicht sind. Sorge bereitet die langfristige Perspektive. Berah macht sich gut – er hat die Zeit, sich zu integrieren. Die fehlt seinem Bruder ein bisschen. Zu Hause wäre er in der Zwischenzeit verheiratet und hätte einen Job. Hier fühlt er sich entwurzelt. Nicht ausgeschlossen ist, dass die derzeit in der Türkei lebenden Eltern nächstes Jahr nachkommen dürfen. Wenn der Krieg einmal vorbei ist, sei Mohamad einer, der eher zurückgehen werde, meint sein Gastvater. „Ich habe mit ihm gespaßt, dass wir uns in fünf Jahren in einem Restaurant in Damaskus treffen.“ Das versteht er und sagt: „. . . aber Christoph, wir brauchen doch kein Restaurant. Ich koche für dich. Bei mir zu Hause.“