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08.04.2016 - zimmer: Mit so vielen Männern ist man selten unter der Dusche. Der Look der Zimmer hat etwas von Alpine. Chic und ist doch urban, die Wände zieren historische Schwarz-Weiss-Bilder aus dem. Berner Staatsarchiv. Im Badezimmer prangt zum Beispiel ein lebensgrosses Foto einer alten Männerbadi.
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EIN WOCHENENDE IN BERN

Damenwahl in der Hauptstadt Text: Nina Siegrist Fotos: Nicole Bachmann

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Eine Werbefachfrau, die alten Möbeln zu neuem Glanz verhilft, eine Dekorateurin, die unfassbar gute Kuchen bäckt, Lehrerinnen, die Kleider designen, und ganz ­viele Mütter, die neben drei oder gar vier Kindern noch ihr eigenes Geschäft führen. Man könnte es Zufall nennen, dass es vor allem Frauen sind, die Bern derzeit im ­positiven Sinne «aufmischen». Vielleicht ist es aber auch typisch, dass es Mamis und

Zweit-Karriere-Macherinnen sind, die das Extraquäntchen Leidenschaft in ihre Projekte stecken. Starten wir im Länggassquartier. Bei ­Tingel Kringel duftet es kurz nach zehn Uhr verlockend süss. Inhaberin Sabine Marti hat gerade ihren legendären Schokoladenkuchen aus dem Ofen geholt, an der Theke stellen sich Studenten ihren Bagel zusammen (der Studi von heute mags

Destination Bern www.myswitzerland.com/de/bern.html www.bern.com Fair «lädele» in Bern www.bern.com/de/nachhaltiges-bern

Foto: zvg

Verschlafen? Von wegen! Bern ist aufgewacht. Auffällig: Es sind vor allem Frauen und Mütter, die mit ihren Läden und Lokalen für frischen Wind sorgen.

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1 An der Münstergasse hat sich in den letzten Jahren viel getan. Hier findet man Kleider, Schmuck oder Taschen made in Bern, am Samstagmorgen ist «Märit». 2 Liliane Baeriswyl-Grützner verkauft in ihren zwei Patinamöbel-Shops VintageMöbel und nordisches Design. 3 Eine Bibliothek zum Lesen und Verweilen ist Teil des Konzepts im Hotel Alpenblick. Einrichtung und Baumaterialien sind ­teilweise recycelt, das Holz der Réception stammt von einem alten Maiensäss. 4 Begegnungszone und Treffpunkt im alten Burgerspital, direkt beim Berner Bahnhof: das Restaurant Toi & Moi. 5 Auserlesene Kinderkleider aus zweiter Hand: Petite Puce ist eine kleine bunte Welt, die Freude macht.

Nachhaltige Stadtführungen www.myclimate-audio-adventure.ch/audio-adventures/bern Anreise nach Bern www.sbb.ch

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Der Quartier-Hotspot: die Caffè Bar Sattler mit der dahinter ­liegenden Gelateria di Berna Schräg gegenüber sticht ein kleines Gewächshaus ins Auge: In der ehemaligen Gärtnerei führt die Stiftung Terra Vecchia heute einen Blumenladen. Ein Arbeitsintegrationsprojekt, das wortwörtlich floriert: Die natürlichen Gebinde finden Gefallen, auch weil im Sommer sämtliche Blumen von einem Gärtner aus der Region stammen. Ein paar Häuser weiter folgt der Hotspot des Quartiers, die Caffè Bar Sattler mit der dahinter liegenden Gelateria di Berna. Das «Sattler» braucht längst keine Werbung mehr, das Volk kommt wegen des Kaffees («derkaffee», eine FairtradeRösterei aus dem Emmental), der belegten Brote (mit Fleisch aus der Bio-Metzgerei Wegmüller), des Felsenau-Biers und der Zimtschnecken von Claires Bonheur (noch so eine Frau, die Unglaubliches zaubert!). Weils so schön ist, gleich der nächste Damenbesuch: Liliane Baeriswyl-Grützner, ursprünglich Werbefachfrau und Mutter von drei Kindern, hat sich ihr Hobby –

das Sammeln von Möbeln aus den Fünf­ ziger- und Sechzigerjahren – zum Beruf gemacht. «Mein Mann und ich hatten eine Zeit lang alle drei Monate ein neues Sofa – irgendwann kamen wir auf die Idee, mit den angehäuften Möbeln zu handeln», erzählt sie. Unter dem Namen Patinamöbel führt sie heute im Länggassquartier zwei Läden mit Secondhand-Liebhaberstücken, nordischem Design (u. a. Ferm Living, Gubi, DCW) und Wohn-Accessoires.

Dank Öko-Gold können Mann und Frau – zumindest was die Ringe anbelangt – mit reinem Gewissen vor den Altar treten. Weiter geht es in die Altstadt. «Wybergass» nennen die Ladenbesitzerinnen der Münstergasse ihre Strasse zuweilen schmunzelnd. Wer dabei an Zickenkrieg denkt, liegt falsch: Hier hat jede ihr «Gärtli» ­gefunden. Alexandra Otis, früher mal Kostümbildnerin beim Fernsehen, näht elegante Jerseykleider in allen möglichen Farben, Formen und (auch grossen!) ­Grössen, macht zudem noch aufwendigen Formstrick (kein Zuschneiden, die Form entsteht in der Strickmaschine) und verwendet dafür edle Schweizer Wolle. Fragt sie jemand nach speziellen, gemusterten Stoffen, schickt sie die Kundschaft schon mal rüber zu Ooonyva, dem charmanten Laden von Nathalie Pellon, De­ bora Rentsch und Zara Nydegger. Pellon

DINNER-TIPP? AB ZUM «LÖSCHER»!

„ Ich wohne im Länggassquartier, gleich neben dem Sattler. Dessen

Brunches, Brote und Salate sind immer frisch zubereitet, mit lokalen ­Produkten. Für den Znacht empfehle ich das Restaurant Löscher in der ehemaligen ­Feuerwehrkaserne beim Viktoriaplatz, die haben eine kleine Karte mit wechselnder Feinkost. Mein Lieblingsladen ist der neue Vinautic Concept Store an der Zähringerstrasse. Er verkauft Wein, Bier und natürlich hergestellte Kosmetika und Esswaren aus der Provence. Auch toll: das Emmaus-Brocki in Bümpliz, mit einem riesigen Angebot an Kleidung, Möbeln und Gegenständen aller Art. Unsere ganze Wohnungseinrichtung stammt von dort! Greis, Rapper



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und Rentsch haben beide das Lehrer-Semi absolviert, aber schnell gemerkt, dass sie eigentlich lieber Mode machen. Während Pellon, von Zeichnungen und Fotos aus­ gehend, Stoffe designt, kreiert Rentsch ­innovative Schnitte und sitzt an der Nähmaschine, oft auch im Laden. Ebenso Zara Nydegger, sie macht im Moment aber gerade Babypause – auch das gehört zur Münstergasse. Bei Kulta von Barbara Mohr gibts Schmuckes zum Heiraten und Einfach-so-Tragen. Ringe, Colliers und Armreife werden individuell entworfen und liebevoll von Hand gefertigt. Das Schöne daran: Dank ökozertifiziertem Recycling-Gold der Schweizer Firma ­ Gyr können Mann und Frau – zumindest was die Trauringe anbelangt – mit reinem Gewissen zum Altar schreiten. Bleibt noch Fiona Losinger, studierte Juristin mit Zweitausbildung als Sattlerin und Mutter von vier Kindern. Seit zehn Jahren führt sie an der Münstergasse mit Ursula Häni den Laden, in dem sich alles um Leder­taschen dreht. Kunden wählen aus pflanzlich gegerbten Ledern, hochwertigen Futterstoffen und möglichen Formen und Modellen ihre Favoriten aus. Und dann entsteht in zwei bis drei Monaten ihr Einzelstück, direkt im Laden und im Ate­lier darüber. Pflege und kleinere Reparaturen sind kostenlos – so lebt die Lieblingstasche länger.

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Petite Puce – kleiner Flohmarkt. Der Laden wächst so schnell wie die Kinder aus ihren Kleidern Nicht weit von der Münstergasse entfernt, an der Brunngasse, ist Petite Puce zu Hause. Viviane Lang und Franciska Baumann dachten beim Gründen ihrer Kinderkleiderbörse eher an ein «Velorüümli im Marzili», doch dann wurde das Ladenlokal mit der integrierten alten Stadtmauer frei, und sie schlugen – «obwohl wir beide gerade noch am Stillen waren» – einfach zu. Entstanden ist eine fröhlich-bunte kleine Welt, in der man auch Selbstgemachtes von lokalen Designern findet, zum Beispiel Strickwaren von Vivianes Tante Susi Fux, die im Laden auch schon ihr Figurentheater aufgeführt hat. Gebrauchte Kinder­ kleider (Grössen 62 bis 170) werden aussortiert, was passt, wird in Kommission genommen, nicht Verkaufbares geht an zwei Hilfswerke in Tansania und Syrien. Und der Laden wächst und wächst – am 23. April wird ein neuer Raum eingeweiht! Müde vom Shoppen? Dann ist das Hammam & Spa Oktogon die perfekte Op­ tion – ein achteckiger Bau (früher ein

Grégoire Vuilleumier alias Greis www.greis.ch Restaurant Löscher www.facebook.com/loescherbern Vinautic Concept Store

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Foto: zvg

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vegan – mit Hummus und Gemüse!), dazu gibts Elfen-Sirup vom Sirupier de Berne oder eine Lola Cola, hergestellt im Lor­ rainequartier. Ein «Stübli» grenzt an den Verkaufsraum, in dem man auch kleine Geschenke (z. B. Krüge und Chacheli von der Töpferei beim Loryplatz) kaufen kann – alles schön bunt und mit Liebe gestaltet. Sabine Marti ist gelernte Dekorateurin, den Traum eines Cafés mit «Bagels wie in New York» und «Kuchen, wie ihn meine deutsche Mutter macht», hatte sie schon lange. Als sie das Ladenlokal 2008 übernommen habe, sei es «achegnidlet» (Berndeutsch für heruntergekommen) gewesen. Doch Marti hat gehämmert, gestrichen, ­tapeziert – und das hat sich gelohnt!

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1 Spezielle Architektur, orien­ talisches Ambiente, Wellness und natürliche Pflegeprodukte: Das Hammam Oktogon hat den perfekten Mix. Früh­zeitig reservieren – die Besucherzahl ist beschränkt! 2 Cheesecake, Streuselkuchen oder Zimt-Bagel mit Frisch­käse? Bei Sabine Marti im «Tingel Kringel» hat man die Qual der Wahl. 3 Fiona Losinger (links) und Ursula Häni schneidern ihre Leder­ taschen auf die Kundschaft zu. 4 Einfach schmuck: die Ringe und Colliers von Barbara Mohr in ­ihrem Goldschmiedeatelier Kulta. 5 Formstrick-Jäckchen von ­Alexandra Otis. Sie ist eine der «dienstältesten» Ladenbesitze­ rinnen an der Münstergasse.

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www.facebook.com/levinducapitaine Emmaus-Brocki www.emmaus-schweiz.ch Länggassquartier www.laenggasse.ch

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thek («Bring ein Buch, nimm eins mit!») betritt, fühlt man sich wie zu Hause. Neben den Gästen beherbergt das Haus auch 50 000 Bienen auf dem Dach (ein Projekt des Jungunternehmens Citizen Bees), produziert wird ein feiner Stadthonig.

Ein ganz schön gewagtes Badezimmer: Mit so vielen Männern ist man selten unter der Dusche Der Look der Zimmer hat etwas von Alpine Chic und ist doch urban, die Wände zieren historische Schwarz-Weiss-Bilder aus dem Berner Staatsarchiv. Im Badezimmer prangt

Nachhaltige Produkte im Hammam Oktogon www.farfalla.ch www.marius-fabre.net www.joyajoya.ch www.argan-essaouira.com

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Gaskessel!) mit orientalischem Ambiente auf vier Stockwerken. Beim Schwitzen, Einseifen, Abspülen und Baden vergisst man den Alltag, die Behandlungen (Tipp: die Shiatsu-ähnliche Baldachin-Massage) werden hervorragend ausgeführt, die Pflegeprodukte stammen u. a. vom Schweizer Bio-Label Farfalla, das Arganöl von einem Frauen-Hilfsprojekt in Marokko. Nach dem Rundgang trinkt man Länggass-Tee, isst Dörrfrüchte vom Reformhaus oder arabische Spezialitäten von Sefina. Ein guter Übernachtungstipp ist das Hotel Alpenblick im hippen Breitenrainquartier. Spätestens wenn man die loftartige Biblio-

zum Beispiel ein lebensgrosses Foto einer alten Männerbadi. Mit so vielen Herren auf einmal stehen die meisten wohl nie mehr unter der Dusche. Und, noch so ein Spass: Weil man bei der Renovation eines Zimmers eine überflüssige Wasserleitung nicht zumauern konnte, platzierte die HotelCrew kurzerhand einen Bier-Zapfhahn davor, aus dem nun, zur Enttäuschung einiger Gäste, «nur» Wasser rauskommt. Bevor man die Heimreise antritt und in den Zug steigt, sollte man unbedingt noch bei Toi & Moi am Bahnhofplatz vorbei­ schauen. Am Buffet gibts unter anderem Käse und Trockenfleisch der bekannten Berner Jumi-Giele. Eine variantenreiche Auswahl von Wähen, Säften und warmen Gerichten (z. B. der «Burger Böörger») ist den ganzen Tag über erhältlich. Und mit Küchen­ chef Remo Antonitti (ehemals «Bär­egghöhe») ist hier nicht nur ein Experte für nachhaltiges und biologisches Essen am Werk, sondern – genau, endlich! – auch ein innovativer Mann.

Illustration: Anna Haas

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1 Der Haus-Eistee schmeckt hier ebenso gut wie der Kafi aus der Emmentaler Bio-Kleinrösterei. Die Caffè Bar Sattler has it all. 2 Frühlingsgefühle im ehemaligen Gewächshaus: der Blumenladen der Stiftung Terra Vecchia. Alte Seifenspender werden hier mit Blumen zu neuem Leben erweckt. 3 Nathalie Pellon (links) und ­Debora Rentsch von Ooonyva.

der Mittelstrasse 12, Möbel/Lampen v. a. Neubrückstrasse 70). www.patinamoebel.ch 1 ALEXANDRA OTIS Jerseykleider, Strick, Keramik. http://alexandraotis.ch 7 TERRA VECCHIA BLUMENLADEN 2 SATTLEREI FIONA LOSINGER Mass- Saisonale Schnittblumen, Deko-Objekte. gefertigte Ledertaschen, pflanzlich gegerbt, http://terra-vecchia.ch/produktion/ betriebe/blumenladen ohne Giftstoffe. www.fionalosinger.ch 3 KULTA Goldschmiedeatelier von GENIESSEN ­Barbara Mohr. www.kulta.ch 4 OOONYVA Kleider und Foulards der drei Besitzerinnen, Accessoires von 8 TINGEL KRINGEL Bagels, Kuchen, Schweizer Labels (u. a. VIU-Brillen, Herren- Feinkost, Geschenkartikel und Wundertüschuhe von Velt, Schmuck von Evelyne-M, ten für sie und ihn. www.tingel-kringel.ch Taschen von Lila Lila). www.ooonyva.ch 9 CAFFÈ BAR SATTLER Kafi, Brote, Bier, gute Atmosphäre. www.caffebarsattler.ch 5 PETITE PUCE Auserlesene Secondhand-Kinderkleider, Selbstgemachtes 10 RESTAURANT TOI & MOI Urbaner von diversen Designern (u. a. Karten/Poster Treffpunkt im Generationenhaus, ganztags währschafte und mediterrane Küche von der benachbarten Illustratorin Gina (z. B. der «Burger Böörger») mit lokalen Graeser; www.ginadraws.ch). ­Produkten, u. a. vom Biohof Grafenried und www.petitepuce.ch den Jumi-Giele. Grosser Sonn- und Feier6 PATINAMÖBEL Vintage-Möbel tagsbrunch. www.restaurant-toietmoi.ch und nordisches Design (Kleinigkeiten an

RELAXEN 11 HAMMAM OKTOGON Türkisches Bad mit Wellness-/Massageangeboten in architektonisch einmaligem Gebäude (Gaskessel aus dem 19. Jahrhundert). Natürliche Pflegeprodukte, auch im eigenen Shop erhältlich. www.hammam-bern.ch

ÜBERNACHTEN 12 HOTEL ALPENBLICK Seit 2011 mit Witz und Sinn für Ästhetik renoviertes Mittelklassehotel (Design/Alpine Chic). Bienen auf dem Dach, eigener Honig, Pellet-Heizung (Asche geht als Dünger zum Bauern), schöne Tausch-Bibliothek, Gym. Doppelzimmer ab CHF 170.– mit Bern Ticket (Zug/Bus). www.welcomehotels.ch/de/alpenblick 13 LA CASITA Klein, aber fein: One-Bedroom-Boutique-Hotel in der Länggasse. www.casita-bern.ch

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