7 Predigt: “Ein feste Burg ist unser Gott”

Francesco Mordasini, Reformierte Kirche Dielsdorf, 1. November 2015. 7 ropäischen Ländern, dann in England und in America. Am Reformationssonntag wird ...
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Francesco Mordasini, Reformierte Kirche Dielsdorf, 1. November 2015

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Predigt: “Ein feste Burg ist unser Gott”

Liebe Gemeinde Haben Sie schon vom schwarzen Tod geh¨ort? Der gr¨osste Ausbruch der Pest in Asien und Europa kam im vierzehnten Jahrhundert. Innerhalb von wenigen Jahren starben Millionen von Menschen. Die Pest war eine unheilbare Krankheit und sie verbreitete sich explosionsartig unter den Menschen. Damals gab es keine genaue Volksz¨ahlung. Aber man sch¨atzt, dass die Bev¨olkerung nicht nur dezimiert wurde, das heisst, dass zum Beispiel ein Mensch von zehn Menschen starb, sondern dass drei bis sechs Menschen von zehn starben. Innerhalb k¨ urzerster Zeit starben in Europa zwischen ein und zwei Dritteln der Gesamtbev¨olkerung. Der schwarze Tod wurde so genannt, weil die Haut und die Muskeln von pestkranken Menschen abstarben und schwarz wurden. Die Pest kam und ging in Wellen bis zum siebzehnten Jahrhundert und forderte eine Unmenge von Todesopfern. Die epidemische Krankheit ging kreuz und quer durch Europa, wie ein m¨achtiger Herr, dem niemand wiederstehen konnte. Heute noch findet man immer wieder Massengr¨aber, die zu jener Zeit geh¨oren. Die Reformationszeit und die Geburt der reformierten Kirche ist mit der Zeit der Pest verbunden. W¨ahrend der Zeit von Ulrich Zwingli, dem grossen schweizer Reformator, kam und ging die Pest in Z¨ urich immer wieder. Innerhalb von wenigen Monaten starb im Jahr 1519 in Z¨ urich mehr als ein Drittel der Bev¨olkerung. Zwingli selbst wurde pestkrank, aber er u ¨berlebte. Luther in Deutschland wurde auch mit der Pest konfrontiert. Im Jahre 1527 kam die Pest nach Wittenberg, wo er und seine Frau Katharina lebten. Viele Priester und M¨onche flohen aus der Stadt um das eigene Leben zu retten. Luther blieb beim Volk. Er ¨o↵nete sein Haus, das als ein kleines Spital funktionierte. Er sah viele Menschen sterben, unter ihnen auch viele Freunde. In jener Zeit der Verzweiflung und der Ho↵nungslosigkeit schrieb Luther sehr wahrscheinlich das ber¨ uhmt gewordene Lied “Ein feste Burg ist unser Gott.” Es wurde das Lied der Reformation in Deutschland. Es wurde u ¨bersetzt und es wurde ber¨ uhmt in anderen eu-

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rop¨aischen L¨andern, dann in England und in America. Am Reformationssonntag wird das Lied noch heute in den europ¨aischen und amerikanischen evangelischen Kirchen gesungen. Das Lied ist eine Bezeugung von Vertrauen in Gott vor widrigen, unvermeidbaren Umst¨anden, die sehr wahrscheinlich einem das Leben kosten k¨onnten. Dies war sicher der Fall, als Luther die Pestkranken pflegte. Dies war sicher auch der Fall, als er vom Kaiser und von den Repr¨asentanten des Papstes nach Worms eingeladen wurde. Sie wollten sein Leben. Er bekennte seinen Glauben vor den Obrigkeiten und dann sagte Luther: “Hier stehe ich. Ich kann nichts anders. Gott helfe mir!” Obowhol er den Tod erwartete, wurde das Leben von Luther gerettet, entgegen aller Wahrscheinlichkeit, an jenem feindlichen Ort. Wenn alle gegen einem sind. Wenn ein Mensch, eine Frau oder ein Mann ausdr¨ ucklich und o↵en auf der Seite Gottes steht, und zwar vor m¨achtigen Menschen und vor zahlreichen Menschen, die sie oder ihn vernichten wollen, was denkt diese eine Frau? Was ermutigt diesen einen Mann? Martin Luther ging immer wieder zur¨ uck zu Psalm 46. Er fand Trost in der Gewissheit, dass Gott allm¨achtig ist. Er ist gr¨osser als jede Macht, auch diejenige des damaligen Kaisers und des Papstes miteinander. Psalm 46 2 Gott ist unsere Zuflucht und St¨arke, ein bew¨ahrter Helfer in Zeiten der Not. 3 Darum f¨ urchten wir uns nicht, selbst wenn die Erde erbebt, wenn die Berge wanken und in den Tiefen des Meeres versinken, 4 wenn die Wogen tosen und sch¨aumen und die Berge ersch¨ uttert werden. 5 Ein breiter, m¨achtiger Strom belebt die Stadt Gottes, die Wohnung des H¨ochsten, den heiligen Ort. 6 Gott ist in ihrer Mitte und besch¨ utzt sie schon fr¨ uh am Morgen; nie wird sie zerst¨ort. 7 Ringsum toben die V¨olker, aber ihre Macht wird ersch¨ uttert. Denn Gott l¨asst seine m¨achtige Stimme erschallen, und die Erde vergeht. 8 Der Herr u ¨ber Himmel und Erde ist mit uns! Der Gott Jakobs ist unser Schutz, (f¨ ur uns eine sichere Burg).

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9 Kommt und seht, was der Herr Großes getan hat! Seine Taten verbreiten Entsetzen. 10 In aller Welt bereitet er den Kriegen ein Ende. Die Kampfbogen bricht er entzwei, er zersplittert die Speere und verbrennt die Kriegswagen. 11 “H¨ort auf! Seid still!”, ruft er, “und erkennt, dass ich Gott bin! Ich stehe u ¨ber den V¨olkern; ich habe Macht u ¨ber die ganze Welt.” 12 Der Herr u ¨ber Himmel und Erde ist mit uns! Der Gott Jakobs ist unser Schutz, (f¨ ur uns eine sichere Burg)! Vor allem von diesem Psalm ist das Lied von Luther “Ein feste Burg ist unser Gott” entstanden. Das Bild, das der Psalm hervorruft, ist eigentlich ein historisches Bild. Die Psalmen wurden lange vor Christus geschrieben und gesungen. Und Jerusalem wurde u ¨ber die Jahrhunderte h¨aufig von grossen Armeen belagert. Es marschierten mehrfach ¨ die Philister, die Amoriten, die Agypter, die Syrer, die Assyrer, die Babyloner, die Perser und die R¨omer gegen die relativ kleine Stadt Jerusalem. Stellen Sie sich ein Land mit sanften T¨alern und H¨ ugeln vor. Auf einem von diesen H¨ ugeln strahlt weiss die Stadt Jerusalem. Mit dem Tempel in ihrer Mitte war sie das Zentrum der Anbetung Gottes. Menschen, die ihre Ho↵nung und ihr Vertrauen auf Gott gesetzt hatten, gingen immer wieder nach Jerusalem, um zu beten und um die Bibel zu lernen. Als eine feindliche Armee gegen Jerusalem marschierte, war es wie ein m¨achtige Wasserwand. Die Soldaten marschierten vor und wie Wasser umziegelten sie den H¨ ugel und die Stadtmauer von Jerusalem. Dort schlugen sie ihr Lager auf. Noch heute kann man die Pr¨asenz von diesen Lagern archeologisch belegen. Je gr¨osser die Armee, desto schrecklicher war die Sicht von der Stadtmauer von Jerusalem. Jerusalem war nicht so gross, und Israel hatte keine grosse Armee. Jerusalem war in jeder Hinsicht unterlegen. Der Fluss von Nahrung und von Menschen, die Gott anbeten wollten wurde unterbrochen. In dieser ho↵nungslosen Situation vertrauten die Menschen Gott. 6 Gott ist in ihrer Mitte und besch¨ utzt sie schon fr¨ uh am Morgen; nie wird sie zerst¨ort. 7 Ringsum toben die V¨olker, aber ihre Macht wird ersch¨ uttert. Denn Gott l¨asst seine m¨achtige Stimme erschallen, und die Erde vergeht.

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8 Der Herr u ¨ber Himmel und Erde ist mit uns! Der Gott Jakobs ist unser Schutz, (f¨ ur uns eine sichere Burg). Menschen suchten Zuflucht bei Gott, weil sie wussten, dass Gott nicht besiegt werden kann. Auch wenn die Armee noch so gross war. Ein Wort gen¨ ugt “H¨ort auf! Seid still! Und erkennt dass ich Gott bin. Ich stehe u ¨ber den V¨olkern; ich habe Macht u ¨ber die ganze Welt.” Es gen¨ ugt ein kleines Wort und “Die Kampfbogen brechen entzwei, die Speere zersplittern und die Kriegswagen verbrennen.” Auch die gewaltigen Kr¨afte der Natur beeindrucken Gott nicht, deshalb suchten die Menschen Zuflucht bei Ihm. 3 Darum f¨ urchten wir uns nicht, selbst wenn die Erde erbebt, wenn die Berge wanken und in den Tiefen des Meeres versinken, 4 wenn die Wogen tosen und sch¨aumen und die Berge ersch¨ uttert werden. Es erinnert uns an den Bericht u ¨ber die Bootfahrt u ¨ber den See von Galil¨aa (Markus 4,35-41). Jesus schlief im Boot, w¨ahrend sich ein grosser Sturm aufbaute. Seine J¨ unger, fast alle erfahrene Seem¨anner, hatten grosse Angst, dass sie sterben w¨ urden. Sie suchten Zuflucht beim Herrn. Sie weckten ihn. Dann sprach Jesus nur ein kleines Wort “H¨or auf! Sei still!” Der Sturm legte sich sofort, und es herrschte Ruhe. Dies waren die Bilder, die Martin Luther die Realit¨at Gottes in Erinnerung riefen, als der Sturm des Pests tobte oder als er alleine vor den M¨achtigen und vor der M¨achten des Aberglaubens stand. Er f¨ uhlte sich alleine und doch nicht alleine. Er f¨ uhlte sich ausgeliefert und doch nicht ausgeliefert. Er f¨ uhlte sich unterlegen und besiegt und doch wusste er, dass Gott m¨achtiger als die dringendste Not ist. Jede Minute suchte er Zuflucht bei seiner festen Burg, Gott. Nur ein kleines Wort von Gott, nur eine kleines “Sei still!” von Jesus gen¨ ugt, um den F¨ urst dieser Welt zu f¨allen, singt Luther in der 3. Strophe seines Liedes. Der prophet Elia machte lange vor Luther und lange vor Christus einen mutigen Stand f¨ ur Gott und f¨ ur den Glauben. Es war eine schwierige Zeit, in der das Volk Israels selbst nicht mehr an Gott glaubte. Elia stand alleine vor dem K¨onig, vor der K¨onigin, vor den M¨achtigen und vor dem Volk. Er verk¨ undete “Kehrt zur¨ uck zu Gott! Vertraut ihm!” Aber die K¨onigin und der K¨onig wollten sein Leben. Elia fl¨ uchtete in die W¨ uste und weinte besiegt vor Gott: “Ach Herr, du großer und allm¨achtiger Gott, mit welchem Eifer

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habe ich versucht, die Israeliten zu dir zur¨ uckzubringen! Denn sie haben den Bund mit dir gebrochen, deine Alt¨are niedergerissen und deine Propheten ermordet. Nur ich bin u ¨brig geblieben, ich allein. Und nun trachten sie auch mir nach dem Leben!” (1. K¨onige 19,10) Elia sucht Zuflucht bei Gott. Dann geschieht etwas Wunderbares. Gott zeigt dem Elia, wen er wirklich ist. “Stell dich auf den Berg vor den Herrn, denn der Herr wird vor¨ ubergehen.” Zuerst kam ein heftiger Sturm, der die Berge teilte und die Felsen zerschlug, vor dem Herrn her. Doch der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm bebte die Erde, doch der Herr war nicht im Erdbeben. 12 Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer, doch der Herr war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer ert¨onte ein leises S¨auseln. 13 Als Elia es h¨orte, zog er seinen Mantel vors Gesicht. . . Elia sp¨ urte die Macht Gottes. Er h¨orte ein leises S¨auseln, wie das eines kleinen Worts, das gefl¨ ustert wird, und doch, weil es von Gott kommt hat es die Macht jede Macht im Himmel, auf Erde und unter der Erde: “Sei still! Und erkenne, dass ich Gott bin! Ich stehe u ¨ber den V¨olkern; ich habe Macht u ¨ber die ganze Welt.” Liebe Gemeinde Vielleicht haben Sie sich auch auch in unm¨oglichen Situationen wiedergefunden. Vielleicht haben Sie sich auch alleine und verlassen gef¨ uhlt. Vielleicht haben Sie auch alleine stark f¨ ur eine Sache gemacht, weil sie richtig war. Vielleicht sind Sie das einzige Familienmitglied, das an Gott glaubt. Vielleicht sind Sie die einzige Person im B¨ uro, der jedes Wort Gottes wichtig geworden ist. Vielleicht bist du der einzige Sch¨ uler in der Klasse oder in der Schule, der Jesus Christus vertraut. Ich erinnere mich an die Zeit im Gimmi. So weit ich wusste, gab es niemand in der Schule, der oder die u ¨berhaupt Gott suchte. Niemand besuchte am Sonntag einen Gottesdienst. Ich auch nicht. Niemand in meinem Umfeld glaubte an Jesus Christus, und ich f¨ uhlte mich absolut alleine in der Suche nach Gott. Ich las die Bibel f¨ ur mich, aber niemand schloss sich an. Gott suchen, die Bibel lesen, ein Gottesdienst besuchen, dies waren absolut fremde Begri↵e. Ich f¨ uhlte mich alleine. Und doch wusste ich, dass ich nicht alleine war. Ich f¨ uhlte mich gef¨ uhrt und geleitet. Der Herr war mein Zufluchtsort.

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Bis heute ist er meine treue feste Burg. Treu und m¨achtig ist er. Immer wieder hat er mir dies gezeigt. Es muss keine feindliche Armee vor der Haust¨ ure stehen, aber vielleicht f¨ uhlen Sie Sich machtlos und ausgeliefert, wenn es darum geht, Ihre Ehe zu retten, oder die Beziehung zu Ihrer Teenagetochter oder zu Ihrem Teenagesohn aufrechzuerhalten. Vielleicht k¨ampfen Sie gegen einer Sucht. Vielleicht f¨ uhlen Sie Sich von allen Seiten angegri↵en. Sie haben das Gef¨ uhl, dass die Welt immer schlechter wird. Vielleicht sind Sie einer Krankheit ausgeliefert. Vielleicht haben Sie seit langem eine Arbeit gesucht, aber nicht gefunden. Vielleicht ist Ihnen der Glaube und die Gemeinschaft der Gl¨aubigen wichtig. Vielleicht macht es Ihnen grosse Sorge, dass die Kirchen allgemein weniger und weniger Mitglieder haben. Vielleicht haben Sie Angst, dass eines Tages der Glaube an Jesus Christus nicht mehr zu finden sein wird. Dann m¨ ussen Sie wissen: Nichts ist m¨achtiger als unser Gott, nur ein kleines Wort von Jesus Christus und wir sind gerettet. Wir sind nicht wirklich alleine. Suchen wir Zuflucht bei Gott, dann ist er unser unbesiegbarer Schutz. So wie das Volk im belagerten Jerusalem, so wie Elia und so wie Luther erinnern wir uns daran, wer Gott wirklich ist. Rufen wir immer wieder in Erinnerung, dass Jesus alle Macht hat im Himmel, auf Erden und unter der Erde. Wie viele Menschen vor uns suchen wir zuversichtlich Schutz bei Gott. Er wird uns nie im Stich lassen. Er hat sich treu bewiesen. Amen!