01 Tresckow Buch innen neu

Jahrhundert allmählich abhanden kam. Joachim-Friedrich von Tresckow, der als Major den. Abschied nahm, kaufte von seinem Schwiegervater von Sydow das.
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Henning von Tresckow 1901—1944

Das entscheidende Wort hat Tresckow gesprochen, als Stauffenberg kurz nach der alliierten Invasion im Juni 1944 bei ihm anfragen ließ, ob denn Attentat und Umsturz nun noch einen Sinn hätten, da so offensichtlich nichts mehr damit zu bewirken war. Das Attentat, ließ Tresckow ausrichten, muß erfolgen, coûte que coûte.

Sollte es nicht gelingen, so muß trotzdem gehandelt werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, daß die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig.

Henning von Tresckow

Texte und Dokumente

Ich bin der ich war

Herausgegeben von Sigrid Grabner und Hendrik Röder

Lukas Verlag

Sigrid Grabner

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Vorwort

Erika von Tresckow

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Erinnerungen an Henning von Tresckow

Henning von Tresckow

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Tagebuch 1920

Henning von Tresckow

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Rede zur Konfirmation seiner Söhne

Graf zu Eulenburg

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Brief an Erika von Tresckow

Xaver Heim

57

Brief an Uta von Aretin

Eberhard von Breitenbuch

59

Generalmajor von Tresckow

Philipp von Boeselager

63

Erinnerungen

Sigrid Grabner, Hendrik Röder

67

Gespräch mit Uta von Aretin

Sigrid Grabner

103

Der Weg zur Wahrheit

Karl Otmar von Aretin

121

Henning von Tresckow und der militärische Widerstand

Joachim Fest

137

Das tragische Vermächtnis

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Sigrid Grabner

In der Geschichte begegnen wir immer wieder Persönlichkeiten, die durch ihr Schicksal das Wesen einer Familie, einer ganzen Epoche oder gar Aufstieg, Blüte und Fall eines Gemeinwesens verkörpern. Henning von Tresckow gehört zu ihnen. Ein Offizier, der jene Werte lebte, die Preußen einen Platz im Konzert der europäischen Mächte errungen hatten: Gottesfurcht, Tapferkeit, Ritterlichkeit, Weltoffenheit, Fleiß, Gehorsam, Disziplin. Der für kurze Zeit dem Irrtum verfiel, ein Mann wie Hitler könne Deutschland retten, und der schließlich erleben mußte, daß Preußen vor diesem Gefreiten des I. Weltkrieges und einem johlenden Pöbel in sich zusammenbrach und hinweggefegt wurde, lange, bevor es von den Alliierten für tot erklärt wurde. Der, um dem Verhängnis zu widerstehen, noch einmal beste preußische Tradition mobilisierte, sie dem Befehl seines Gewissens unterstellte und in die Tat umsetzte, das sichere Scheitern vor Augen. Den alten Griechen hätte dieses Leben den Stoff für eine große Tragödie geliefert. Doch in unserer auf Erfolge fixierten Zeit blieb

Vorwort

Henning von Tresckows scheinbar sinnlose Tat von vielen unbeachtet. Und die nachfolgenden Generationen, denen dieses Leben so viel zu sagen hätte, kennen es kaum. Der 100. Geburtstag Henning von Tresckows im Jahr, da an die Gründung Preußens vor dreihundert Jahren erinnert wird, bot den Anlaß, der Öffentlichkeit den Menschen Tresckow nahe zu bringen, dessen Gestalt in den meisten Büchern über den militärischen Widerstand gegen Hitler merkwürdig farblos geblieben ist. Wer war der Mann, der unter den Bedingungen einer Diktatur und eines Krieges, wie es sie in Deutschland nie zuvor gegeben hatte, sein Gewissen höher stellte als den Gehorsam eines Offiziers und die Anpassung um des Überlebens willen? Woher bezog er die Kraft, gegen den Zeitgeist zu handeln? Vorliegende Texte und Dokumente zeigen ihn in seinem Widerspruch und in seinem Ringen um Anstand und Menschenwürde. An die Zeit gebunden und von ihr geprägt, übersteigt Tresckows Botschaft doch weit die Grenzen seines Lebens.

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Erika von Tresckow

Erinnerungen an Henning von Tresckow

Wenn ich versucht habe, ein Lebensbild von Henning von Tresckow aufzuzeichnen, so geschah es aus zwei Gründen. Zunächst lag es mir natürlich am Herzen, bei seinen Kindern und allen, die ihn lieb hatten, die Erinnerung an ihn wach zu halten. Darüber hinaus habe ich seine Herkunft und Familie etwas eingehender mit einbezogen, weil ich nur noch eine der Wenigen bin, die das alte Wartenberg 1 zur Zeit meiner Schwiegereltern kannte. Der Tod hat inzwischen so viele Lücken gerissen, dass es notwendig erschien, das Bild der Heimgegangenen noch einmal zu fixieren. Damit soll auch der Dank zum Ausdruck kommen, den ich ihnen allen schulde, deren Liebe, Güte und Hilfe unser Leben lange Jahre begleitete. Es dürfte auch der jungen Generation nichts schaden, wenn sie im grossen Wandel der Zeit einmal still steht und rückwärts blickt zu den Wurzeln ihrer Herkunft. Nicht um sich dadurch belasten oder hemmen zu lassen, sondern um die lebendigen Quellen zu spüren, die auch in ihnen weiter wirken und die auf ihre Weise zu gestalten die heutige Aufgabe sein wird. Die äusseren Privilegien des Adels sind zerstört, – das Wesen seiner inneren Haltung geht unverändert durch alle Zeiten. Ortega Y Gasset, den Henning hoch schätzte, hat es sehr schön gesagt: »Für mich ist Adel gleichbedeutend mit gespanntem Leben; Leben, das immer Bereitschaft ist, sich selbst zu übertreffen, von dem, was es erreicht hat, fortzuschreiten zu dem, was es sich als Pflicht und Forderung vorsetzt. So stellt sich edles Leben dem geErika und Henning von Tresckow in Wartenberg, Ende der zwanziger Jahre

1 Wartenberg: in der Neumark, rechts der Oder, heute polnisch

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Erika von Tresckow

meinen und tatenlosen gegenüber, das sich bewegungslos in sich selbst verschliesst und zu dauerndem In-Sich-Beharren verurteilt ist, wenn eine äussere Kraft es nicht zwingt, aus sich herauszugehen.« Familie und Heimat Es scheint von Zeit zu Zeit Menschen zu geben, die, als besondere Lieblinge ihres Schöpfers, mit besonderen Gaben begnadet und mit besonderen Kräften des Geistes und der Seele ausgerüstet werden. Das Leben dieser Bevorzugten ist deshalb nicht, wie es bei oberflächlicher Betrachtung scheinen mag, etwa leichter oder unkomplizierter als das durchschnittliche Dasein anderer Menschen. Im Gegenteil – die erhöhte Leistungsfähigkeit, die guten und edlen Eigenschaften verpflichten sie auch doppelt. Gerade diese ganz ernst genommene Verpflichtung macht sie ja erst zu dem, was sie sind und sein sollen: Vorbild und Ansporn ihrer Mitmenschen, Antrieb zu allem guten Tun. Sie brennen ihr Licht an beiden Enden an, sie können nichts Halbes tun oder dulden, sie verzehren sich immer wieder im geistigen Ringen um das Grosse und Wahre, sie sehnen sich nach der Einheit im Chaos, nach dem Licht in der Dunkelheit. Von ihnen gilt das Wort: »Sein Höchstes gibt nur, wer nichts anderes hat.« Eine solche Persönlichkeit war Henning von Tresckow, geboren am 10. Januar 1901, fast an der Schwelle des neuen Jahrhunderts und damit »zwischen den Zeiten«. Eine ganze Epoche der Geschichte neigte sich dem Ende zu, und einem grossen Teil dieser Generation war es auferlegt, das Alte zu stürzen und das Neue nicht mehr wachsen zu sehen. Die Wurzeln ihres Seins lagen noch im alten Bismarckreich, aber die Fundamente waren schon brüchig, die grosse Wandlung begann sich vorzubereiten, und damit wurde jeder Einzelne vor neue Probleme und neue Entscheidungen gestellt. Auch Henning, Sohn eines preussischen Generals, wuchs noch ganz in der alten Atmosphäre besten deutschen Adels auf. Das ur-

Erinnerungen an Henning von Tresckow

adlige Geschlecht der Tresckow lässt sich bis in das 14. Jahrhundert zurück verfolgen. Urkundlich erscheint als Erster, um die Mitte dieses Jahrhunderts, Heinrich von Tresckow ansässig bei Rathenow. Der Ursprung der Familie war bisher nicht zuverlässig zu ermitteln. Es ist zweifelhaft, ob der Name dem Ort Treskow bei Neuruppin entlehnt ist, oder ob er mit Treskowo in der Mark Meissen zusammen hängt. Seit dem Auftreten in der Mark Brandenburg breiteten sich die Tresckows hauptsächlich im Land Jerichow aus und erwarben bedeutende Güter. Erbteilungen, die Nöte der Zeit nach dem Dreissigjährigen Krieg und andere Umstände zerstückelten und entwerteten den Besitz, der im 17. und 18. Jahrhundert allmählich abhanden kam. Joachim-Friedrich von Tresckow, der als Major den Abschied nahm, kaufte von seinem Schwiegervater von Sydow das Gut Schmarfendorf und wurde der Stammvater der in der Folgezeit wieder erheblich begüterten neumärkischen Tresckows. Ein starker Einschlag ins Soldatische ist der Familie allzeit eigen gewesen. Einer ihres Namens, Joachim-Christian, zuletzt Generalleutnant und Ritter des Schwarzen Adlerordens, tat sich im Zweiten Schlesischen und Siebenjährigen Krieg hervor: bei Kesselsdorf und Prag, vor den Wällen von Schweidnitz und als namhafter Verteidiger von Neisse, mit dessen schwacher Besetzung er ein Vierteljahr hindurch standhielt. Friedrich der Grosse rechnete ihn zu seinen »guten Generalen, an Denen er keinen Überfluss habe«. Henning Hermann Robert Karl von Tresckow wurde in Magdeburg geboren, wo sein Vater damals als Oberst und Brigadekommandeur die 7. Kavalleriebrigade befehligte, – als sechstes Kind, dem noch zwei weitere folgten. Zwei Söhne stammten aus der ersten Ehe seines Vaters mit der Tochter des Kriegsministers von Kameke und waren bei seiner Geburt schon als junge Offiziere dem Elternhaus entwachsen. Ein Bruder Mark starb als Baby an den Folgen einer Verbrennung, so dass sein engster Geschwisterkreis schliesslich aus zwei Schwestern und zwei Brüdern bestand. Seine Mutter, Marie Agnes, geborene Gräfin Zedlitz-Trützschler, eine Tochter des Kultusministers Robert Graf Zedlitz-Trützschler,

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