Zur Entwicklung von Einzelschulen durch Schulinterne ...

9.2 Definition und grammatikalische Erläuterungen der Modalverben. 163. 9.3 Semantik der Modalverben. 165. 9.4 Paraphrasierung der Modalverben. 168.
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Katrin Basold

Zur Entwicklung von Einzelschulen durch Schulinterne Lehrerfortbildung Eine kritische Auseinandersetzung auf der Grundlage einer Analyse von Berichten niedersächsischer Haupt- und Realschulen

disserta Verlag

Katrin Basold

Zur Entwicklung von Einzelschulen durch Schulinterne Lehrerfortbildung Eine kritische Auseinandersetzung auf der Grundlage einer Analyse von Berichten niedersächsischer Haupt- und Realschulen

Basold, Katrin: Zur Entwicklung von Einzelschulen durch Schulinterne Lehrerfortbildung. Eine kritische Auseinandersetzung auf der Grundlage einer Analyse von Berichten niedersächsischer Haupt- und Realschulen, Hamburg, disserta Verlag, 2010 ISBN: 978-3-942109-13-0 Druck: disserta Verlag, ein Imprint der Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010

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Von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg – Fakultät I Bildungs- und Sozialwissenschaften – zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Philos ophie (Dr. phil.) genehmigte Dissertation

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Zur Entwicklung von Einzelschulen durch Schulinterne Lehrerfortbildung

Eine kritische Auseinandersetzung auf der Grundlage einer Analyse von Berichten niedersächsischer Haupt- und Realschulen

Inhaltsverzeichnis 1

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Einführung 1.1 Einleitung 1.2 „Gute Schule“ durch SchiLF – ein Problem der Einzelschule? 1.3 Das Forschungsanliegen: Was berichten Schulen über ihre Schulinterne Lehrerfortbildung? 1.4 Forschungs- und Literaturstand Lehrerfortbildung und Lehrerweiterbildung 2.1 Begriffsabgrenzungen 2.2 Überblick über Entstehung und Entwicklung der Lehrerfortbildung 2.2.1 Die Anfänge Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Weimarer Republik 2.2.2 Zeit des Nationalsozialismus und Ende des zweiten Weltkrieges 2.2.3 Die 50er und beginnenden 60er Jahre des 20. Jahrhunderts 2.2.4 Die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts 2.3 Zusammenfassung Lehrerfortbildung in Niedersachsen 3.1 Lehrerfortbildung in Niedersachsen zwischen 1945 und 1979 3.2 Gründung des NLI und Lehrerfortbildung in Niedersachsen seit 1979 3.3 Struktur der niedersächsischen Lehrerfortbildung 3.3.1 Zentrale Fortbildung 3.3.2 Regionale Fortbildung 3.3.3 Schulinterne Lehrerfortbildung (Pädagogische Klausurtagung) 3.3.4 Schulinterne Lehrerfortbildung ‚in Zahlen’ 3.3.5 SchiLF-Themen in Niedersachsen von 1983 - 1985 3.4 Zusammenfassung Schulentwicklung 4.1 Schulentwicklung von 1990 bis heute: ‚bottom up’ oder ‚top down’? 4.2 Die Entstehung der Einzelschule – mehrebenenanalytisch gedacht 4.3 Entwicklung der Einzelschule als ‚Wandel durch Selbstorganisation’ 4.4 Zusammenfassung Schule als (besondere) soziale Organisation 5.1 Lose gekoppelte Systeme (‚loosely coupled systems’) 5.2 ‚Front-line’-Organisation 5.3 Autonomie-Paritätsmuster 5.4 Kooperation von Individualisten 5.5 Zusammenfassung Strategien der Veränderung 6.1 Organisationsentwicklung 6.1.1 Definition Organisationsentwicklung 6.1.2 Historische Quellen der Organisationsentwicklung 6.1.3 Steuerung einer Organisationsentwicklungsmaßnahme 6.1.4 Kritische Bemerkungen zu Organisationsentwicklung 6.2 Organisationslernen und Problemlösekapazitäten 6.3 Zusammenfassung Schulinterne Lehrerfortbildung 7.1 Definitionen oder die Bandbreite der Perspektiven 7.2 Arbeitsdefinition Schulinterne Lehrerfortbildung 7.3 Ablauf einer Schulinternen Lehrerfortbildung in Niedersachsen 7.4 Bedingungen des Gelingens und des Scheiterns einer SchiLF 7.4.1 Kooperative Problem- und Zieldefinition 7.4.2 Probleme, Konflikte und Widerstände

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7.4.3 Lehrerkooperation als Problem 92 7.4.4 ‚Tagungseuphorie’ 93 7.4.5 Moderatoren: Qualifikation und Aufgabe 94 7.4.6 Die Rolle der Schulleitung 96 7.4.7 Ergebnisse einer Schulinternen Lehrerfortbildung 98 7.4.7.1 Ergebnis als Phase im Ablauf einer Tagung 98 7.4.7.2 Qualitative Bewertung des Ergebnisses 99 7.4.7.3 Ergebnisfindung 100 7.4.7.4 Ergebnis und Erfolg 100 7.4.7.5 Zusammenfassung 101 7.4.8 Transfer der Ergebnisse in den Arbeitszusammenhang der Schule 101 7.4.8.1 Transfer als Phase der Schulinternen Lehrerfortbildung 101 7.4.8.2 Transfer als Problem der Lehrerfortbildung 101 7.4.8.3 Transferstellen der Schulinternen Lehrerfortbildung 102 7.4.8.4 Aspekte des Gelingens von Transfer 102 7.4.8.5 Implementation und Institutionalisierung als Transferphase eines Schulentwicklungsprozesses im Rahmen des ISP 106 7.4.8.6 Zusammenfassung: Transfer in den Schulalltag 107 7.4.9 SchiLF als Organisationsentwicklungsprozess 107 7.4.10 Zusammenfassung 108 8 Methodologisches Vorgehen 111 8.1 Qualitative Analyse der SchiLF-Berichte 111 8.2 Quantitative Inhaltsanalyse 111 8.3 Qualitative Inhaltsanalyse 112 8.3.1 Die Technik der qualitativen Analyse 112 8.3.2 Ablaufmodell der Qualitativen Inhaltsanalyse 115 8.4 Festlegung des Materials: Berichte der Schulen über ihre SchiLF 116 8.5 Analyse der Entstehungssituation und Materialherkunft 117 8.6 Formale Charakteristika des Materials und erste Einschätzung der Dokumente: Berichte aus den Jahren von 1994 bis 1996 118 8.7 Beschreibung des Materials 121 8.8 Auswahl des Materials 121 8.9 Quantitative Angaben zum Material 123 8.10 Richtung der Analyse 124 8.10.1 Theoretische Differenzierung der Fragestellung 125 8.10.1.1 Analyse leitende Theorie 125 8.10.1.2 Fragestellungen 133 8.10.2 Festlegung der Analysetechniken und des konkreten Ablaufmodells 135 8.10.2.1 Ablaufmodell Strukturierende Inhaltsanalyse 135 8.10.2.2 Regeln der Zusammenfassung (Z-Regeln) 136 8.10.3 Definition der Analyseeinheiten 137 8.10.4 Reduktion des Materials 139 8.10.4.1 Auswahlkriterien 139 8.10.4.2 Endgültige Materialfestlegung 140 8.10.4.3 Thematische Schwerpunkte der SchiLF-Tagungen 142 8.10.5 Theoriegeleitete Festlegung der Auswertungskategorien und Definition der strukturierenden Dimensionen 149 8.10.6 Zusammenstellung des Kategoriensystems mit Kodierleitfaden 151 8.10.6.1 Dimension ‚Auswertung’ 151 8.10.6.2 Dimension ‚Problemlage der Schule’ 157 8.10.6.3 Dimension ‚Weiterentwicklung’ 159

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Exkurs Modalverben 163 9.1 Begründung für den Exkurs 163 9.2 Definition und grammatikalische Erläuterungen der Modalverben 163 9.3 Semantik der Modalverben 165 9.4 Paraphrasierung der Modalverben 168 9.5 Zusammenfassung 168 10 Ergebnisse der Qualitativen Inhaltsanalyse 169 10.1 Ergebnisse der Dimension ‚Auswertung’ 169 10.1.1 Auswertungskategorie Allgemeine Beurteilung 169 10.1.2 Auswertungskategorie Emotionale Atmosphäre 172 10.1.3 Auswertungskategorie Verhältnis Theorie/Praxis 173 10.1.4 Auswertungskategorie Referenteneinsatz 173 10.1.5 Auswertungskategorie Arbeitsformen 173 10.1.6 Auswertungskategorie Arbeitsräume/äußerer Rahmen 174 10.1.7 Auswertungskategorie Zeit 174 10.1.8 Zusammenfassung und Interpretation der Dimension ‚Auswertung’ 175 10.2 Ergebnisse der Dimension ‚Problemlage der Schule’ 175 10.2.1 Situation der Schule 175 10.2.2 Ziele der Schule 176 10.3 Ergebnisse der Dimension ‚Weiterentwicklung’ 177 10.3.1 Auswertungskategorie Ergebnis 177 10.3.1.1 Erläuterung der Auswertungs- und Hauptkategorien Ergebnis 178 10.3.1.2 Weitere Kategorisierung im Bereich Ergebnis: Hauptkategorien und Orientierungsbereiche 189 10.3.1.3 Hauptkategorien Ergebnis und Handlungsebenen der Lehrkräfte 192 10.3.1.4 Zusammenfassung der Hauptkategorie Ergebnis 194 10.3.2 Auswertungskategorie Transfer 194 10.3.2.1 Erläuterung der Auswertungs- und Hauptkategorien Transfer 195 10.3.2.2 Zusammenfassung der Hauptkategorie Transfer 201 11 Interpretation der Ergebnisse 203 11.1 Typologien der Ergebnis-Orientierungen und der Hauptkategorien Transfer 203 11.1.1 Vergleich: Ergebnis-Orientierungen mit Hauptkategorien Transfer 205 11.1.2 Kontrastierung der Ergebnis-Orientierungen mit den Hauptkategorien Transfer 207 11.2 Die sechs Typen der Schulinternen Lehrerfortbildung 210 11.3 Die sechs SchiLF-Typen und ihre besonderen Merkmale 221 11.4 Kann sich die Einzelschule durch SchiLF weiterentwickeln? 226 12 Gegenwart und Zukunft der Schulinternen Lehrerfortbildung in Niedersachsen 228 12.1 Neues Steuerungsmodell und Eigenverantwortliche Schule: Eigenverantwortliche Schule in Niedersachsen 228 12.2 Die Zukunft der Schulinternen Lehrerfortbildung: Schlussfolgerungen und Notwendigkeiten 231 13 Gesamtzusammenfassung 233 Tabellen

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Literatur

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Anhang

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1 Einführung 1.1 Einleitung Schulentwicklung als Entwicklung der einzelnen Schule ist seit Beginn der 80er Jahre1 in Deutschland der entscheidende Punkt, auf den sich die pädagogische Forschung und im Anschluss daran die bildungspolitische Entwicklung fokussiert hat. Untersuchungen von Qualitätsmerkmalen erfolgreicher Schulen (vgl. Rolff 1980, Fend 1986, Tillmann 1989) zeigten, dass nicht die Schulstruktur auf der Makroebene allein, sondern dass die pädagogische Arbeit der Einzelschule als Ergebnis einer kooperierenden Arbeit eines Lehrerkollegiums ein entscheidendes Merkmal für diesen Erfolg ist. Diese „Vergrößerung von Gestaltungsspielräumen“ (Altrichter 2006) hatte Folgen für die Lehrerfortbildung, die vor Ort in der Einzelschule verankert werden musste. Schulinterne Lehrerfortbildung (SchiLF) entstand seit Beginn der 80er Jahre als drittes Modell von Lehrerfort- und Lehrerweiterbildung. Hier war Niedersachsen in der Bundesrepublik Deutschland führend. Zwischen 1981 und 1991 stieg die Zahl der Schulen, die in Niedersachsen SchiLF durchführten, von 30 auf 1028 Schulen (Niedersächsisches Landesinstitut für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung 1993, S. 68). Die Schulen mussten über ihre Pädagogische Klausurtagung dem zuständigen Dezernenten des Schulaufsichtsamtes berichten und parallel ihren Bericht an das Niedersächsische Landesinstitut für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung (im Folgenden NLI genannt) in Hildesheim senden. Ein Teil dieser Berichte, die die Schulen über ihre Fortbildung schrieben, wurde von mir im Rahmen meiner Forschungstätigkeit inhaltsanalytisch ausgewertet. Der Schwerpunkt liegt auf der Fragestellung, was die Schulen über die Ergebnisse einschließlich der Umsetzungsplanungen ihrer Schulinternen Lehrerfortbildungen berichten und wie sie ihre gemeinsame Fortbildung bewerten. Diese Analyse als qualitative Forschungsarbeit bedurfte eines enormen Zeitaufwandes, der so von vornherein nicht abzusehen war. Das Lesen, Kategorisieren, Schreiben, Überprüfen, Verändern und ‚Wieder-von-vorn-Beginnen’ hat sehr, sehr viele Stunden Arbeit in Anspruch genommen, die nur neben meiner Tätigkeit als Schulleiterin zu erübrigen waren. Insofern haben der gesamte Forschungsprozess und die Verschriftlichung etwa 10 Jahre gedauert. Dass sich während dieser Zeit in der Schulentwicklung enorm viel verändert hat, ist mir aus Theorie und besonders aus der Praxis sehr gut bekannt. Die Schwerpunkte dieser Arbeit beziehen sich auf die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, d.h., dass das Material in einer Zeit entstanden ist, in der Schulautonomie ein bedeutsames Thema war. Insofern bezieht sich meine theoretische Position besonders auf die Veröffent1

Wenn das Jahrhundert nicht explizit genannt wird, ist das 20. Jahrhundert gemeint.

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lichungen von Hans-Günter Rolff und Per Dalin im Zeitraum zwischen 1990 und 1999.

1.2 „Gute Schule“ durch SchiLF – ein Problem der Einzelschule? Im Vorwort zu Heft 5 der Veröffentlichungen des NLI schreibt Georg-Berndt Oschatz 1982, dass „das niedersächsische Schulwesen im letzten Jahrzehnt eine ganze Reihe von organisatorischen Veränderungen erlebt hat. Diese Phase ist beendet. [...] Es geht jetzt um die Entwicklung einer ‚Guten Schule’“ (Niedersächsisches Landesinstitut für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung 1982, S. 3). Am Schluss dieses Vorworts geht er auf die Schulinterne Lehrerfortbildung ein, indem er sie in Beziehung zur Entwicklung der ‚Guten Schule’ setzt. „Als geeignetes Instrument, in kollegialer Weise ein solches pädagogisches Konzept mit dem Ziel einer ‚Guten Schule’ schrittweise zu entwickeln, muß die Schulinterne Lehrerfortbildung angesehen werden. Von ihr erwarte ich mir, daß sie das pädagogische Denken und Handeln in der Schule nachhaltig belebt und fördert“ (ebd., S. 3). 1981 waren 30 Schulen in Niedersachsen innerhalb eines Unterstützungsprogramms des NLI (vgl. Niedersächsisches Landesinstitut für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung 1982, S. 20) an der Durchführung von Schulinterner Lehrerfortbildung beteiligt. Das NLI veröffentlicht hierzu einen Erfahrungsbericht, der Kultusminister schreibt das Vorwort und fordert die Schulen auf, Schulentwicklung aus eigener Initiative ‚von unten’ zu betreiben. Kultusminister Oschatz macht in diesem Vorwort auf dem Hintergrund eines Perspektivenwechsels bzgl. der Dezentralisierung von Verantwortung im Bildungssystem deutlich, dass der Blick zukünftig stärker auf die Einzelschule und ihre pädagogischen Fragen zu richten ist (vgl. ebd., S. 3). In einem weiteren NLI-Bericht (Niedersächsisches Landesinstitut für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung 1993) äußert sich Kultusminister Wernstedt wiederum in einem Vorwort zu dieser Fortbildungsart. „Die Pädagogische Klausurtagung ist in Niedersachsen zur dritten Säule der Lehrerfortbildung geworden. Etwa ein Drittel beträgt heute ihr Anteil an den gesamten Fortbildungsaktivitäten im Lande. Das Besondere an der Pädagogischen Klausurtagung liegt darin, dass sie von Lehrerinnen und Lehrern als kollegiumsinterne, selbst organisierte und selbst verantwortete Veranstaltung geplant und durchgeführt wird. […] Die bildungspolitischen Ziele, die mit der Pädagogischen Klausurtagung verknüpft sind, wurden eindrucksvoll bestätigt: Stärkung der Autonomie der Schule und Unterstützung der Selbsthilfekräfte im Kollegium“ (Niedersächsisches Landesinstitut für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung 1993, S. 6).

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Warum kam es in diesen Jahren zu diesem Anstieg und der Bedeutung Pädagogischer Klausurtagungen? Eine Entwicklung, die sich bis 1997 halten sollte. Was meinte Oschatz, als er vom Ende der Phase der organisatorischen Veränderungen sprach und auf eine verstärkte Hinwendung zu pädagogischen Fragen verwies? Gab es 1973 noch den Bildungsgesamtplan, ein „auch im internationalen Vergleich einzigartig großformatiger und umfassender Plan zur Weiterentwicklung des gesamten Bildungssystems der Bundesrepublik“ (Rolff 1995, S. 106), so bahnte sich in den 80er Jahren eine Entwicklung an, die die Einzelschule in den Blick nahm. Untersuchungen erfolgreicher Implementierungen schulischer Innovationen kamen zu dem Ergebnis, dass „sich die Umsetzung und damit auch der Erfolg von Plänen nicht auf der staatlichen Ebene, sondern auf der Ebene von Einzelschulen entscheidet (ebd., S. 106). In Westdeutschland ist es H. Fend, der aufgrund empirischer Studien 1986 den Aufsatz „Gute Schulen – schlechte Schulen. Die einzelne Schule als pädagogische Handlungseinheit“ veröffentlicht und damit den Blickwinkel verändert. Rolff (1998) stellt rückblickend dar, dass die Auffassung von Schulentwicklung, die sich ab Mitte der 80er Jahre herausbildete, nicht mit dem Gedanken einer zentralistischen Steuerung von Schulen vereinbar war. „Die Einzelschule geriet nicht nur aus pädagogischen Gründen ins Zentrum, sondern aufgrund einer weltweiten ‚Krise der Außensteuerung’. Überall wird nach neuen Steuerungsmodellen für Schulen und Schulsysteme gesucht; denn Schulen sind unregierbar geworden. Zentrale Behörden können die je individuellen Schulen in ihrer Entwicklung nicht (mehr) lenken, schon weil es ihnen angesichts der Vielfalt und Differenziertheit der Schullandschaft an Steuerungswissen fehlt, und innere Entwicklung, also pädagogisches Handeln, ohnehin nicht ‚regierbar’ ist“ (ebd., S. 296f.). Die „Einzelschule als Motor“ (Daschner 1998, S. 5) der Schulentwicklung ist die Maxime sowohl auf wissenschaftlicher als auch auf politischer Seite. Auch Schönig und Seydel (1990) beziehen sich auf Fend (1986) und stellen fest, „das Leitziel von Schulinterner Lehrerfortbildung ist die Weiterentwicklung der Schule als ‚pädagogische Handlungseinheit’“ (S. 183). Gleichzeitig bemerken sie, dass es deshalb umso erstaunlicher ist, trotz der hohen Nachfrage nach Schulinterner Lehrerfortbildung kaum etwas über ihre Wirksamkeit zu wissen. „Was geschieht also nach Klausuren von Kollegien? Gelingt der Transfer des in der Klausur ‚Gelernten’ in den schulischen Alltag? Werden die in der Veranstaltung gesteckten Ziele zur Erneuerung der schulischen Praxis in einer Weise erreicht, dass man von Institutionalisierung der Veränderung, d.h. von Integration neuer Praxis und neuer Routinen sprechen könnte?“ (ebd., S 183). Schönig und Seydel (1990) teilen nicht die positive Überzeugung der Politiker. Angestrebte Neuerungen, so nehmen sie an, würden in der Schule nur selten aufrechterhalten. Insgesamt schildern sie ein pessimistisches Bild von der Effektivität einer Schulinternen Lehrerfortbildung. In einer von Skepsis gezeichneten Dar13

stellung von SchiLF stellen sie fest, dass diese Fortbildungsform in der Regel positiv vom Lehrerkollegium gesehen wird, auch wenn dabei schwelende Konflikte aufgedeckt werden. Aufgrund gruppendynamischer Prozesse entsteht ein Hochgefühl (‚Tagungseuphorie’), man könne gemeinsam die Schule verändern und Pläne umsetzen. Eine Beschlussvorlage für eine Gesamtkonferenz ist aus ihrer Sicht bereits ein großer Schritt. Aber leider versickert dieser, wie auch andere Pläne, im Alltag. Zeitliche Überlastung, fehlende Beteiligung durch Kolleginnen und Kollegen und fehlende Unterstützung durch die Schulleitung werden als Gründe des Scheiterns angegeben (vgl. ebd., S. 184f.). Deutlich ist, dass sich während des ‚Booms’ von Schulinterner Lehrerfortbildung kontroverse Einstellungen zu dieser Fortbildungsform entwickelt haben: die optimistische Seite der Politiker und die teilweise skeptische Seite einiger Fachwissenschaftler. Diese bieten allerdings nicht durchgängig eine negative Sichtweise, sondern erachten schon diese Fortbildungsform als ein Instrument, um die Schule weiterzuentwickeln. Es bleibt die Frage, welche dieser beiden Positionen sich der Realität von Schulinterner Lehrerfortbildung mehr annähert. 1.3 Das Forschungsanliegen: Was berichten Schulen über ihre Schulinterne Lehrerfortbildung? Das Interesse an den Berichten, die die niedersächsischen Schulen von 1981 bis 1997 im Anschluss an ihre Schulinterne Lehrerfortbildung schreiben mussten, entstand bei mir 1995 während einer Zusammenarbeit mit dem NLI bzgl. der Planung und Durchführung einer zentralen Lehrerfortbildung. Die damalig zuständige Dezernentin im NLI schilderte eher ‚en passant’ eine umfangreiche Sammlung von SchiLF-Berichten, die im NLI zwar katalogisiert würden, aber von niemandem aus Zeitgründen gelesen werden könnten. Nur die Themen und die speziell genannten Referenten übernähme das NLI in eine Auswertung. Für mich war dieses Gespräch der Auslöser, mich für diese Berichte zu interessieren. Drei Jahre später nahm ich deshalb erneut Kontakt mit der Dezernentin auf, um diese Berichten lesen und eventuell auswerten zu können. Das NLI stand meinem Vorhaben sehr positiv gegenüber, unterstützte meine ersten ‚Gehversuche’ und formulierte auch ein eigenes Interesse an der Auswertung der SchiLFBerichte (s. Anhang). Seit 1976 bin ich im niedersächsischen Schuldienst als Lehrerin, Konrektorin und Schulleiterin tätig und lernte Schulinterne Lehrerfortbildung als Teilnehmerin, externe Referentin und – in meiner Rolle als Schulleiterin – als Tagungsleiterin kennen. So erlebte ich an einer Reihe von Schulen unterschiedliche Haltungen und Meinungen der Lehrkräfte zum Thema Schulinterne Lehrerfortbildung: in der Bandbreite von sehr zustimmend bis sehr ablehnend. Insofern ist mein Forschungsinteresse stark angelehnt an meine schulpraktische Tätigkeit

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und meine bisherigen Erfahrungen mit der Weiterentwicklung der Schule vor Ort. Nach Durchsicht der Literatur zur Schulinternen Lehrerfortbildung zeigte sich, dass es bisher keine Untersuchungen bzw. Auswertungen von Berichten, die Lehrkräfte über ihre pädagogischen Klausurtagungen geschrieben haben, gibt. Da Schulinterne Lehrerfortbildung auf der politischen Ebene als „geeignetes Instrument zur Entwicklung einer ‚Guten Schule’“ (Niedersächsisches Landesinstitut für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung 1982, S. 3) angesehen wurde und wird, ohne dass entsprechende Untersuchungen vorliegen, sehe ich mein berechtigtes Forschungsinteresse, Berichte von Lehrkräften unter bestimmten Fragestellungen auszuwerten. Mein Forschungsinteresse bezieht sich auf die folgenden vier Schwerpunkte: 1. Was kann ich durch die Auswertung der Berichte über die Arbeit der Lehrkräfte im Rahmen einer SchiLF erfahren? Der Fokus liegt hier auf der Frage, was berichten sie über das, was sie erreichen wollten, und das, was sie nicht erreicht haben. Geben sie Gründe dafür an und einen Einblick in die jeweiligen Situationen? Registrieren sie Misserfolge und berichten sie von Problemen untereinander während der SchiLF? Geht es dabei besonders um den Bereich der Kooperation innerhalb des Lehrerkollegiums? 2. Der zweite Bereich umfasst die Konsequenzen, die ich als Schulleiterin aus den Erkenntnissen ziehen könnte, die aufgrund der Untersuchung deutlich werden. Welche Bedingungen müssten an einer Schule gegeben sein, um erfolgreich eine Schulinterne Lehrerfortbildung durchführen zu können? Was könnte ich daraus schlussfolgernd aus den Erfahrungen anderer Schulen lernen? Was könnte ich in meiner Arbeit verändern? 3. Die dritte Frage bezieht sich auf die politischen Äußerungen und wissenschaftlichen Befunde zu Schulinterner Lehrerfortbildung im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung von Schulen. Welche Konzepte wurden hierzu entwickelt, welche Wirkung wurde ihnen aufgrund von Erfahrungen oder Untersuchung zugeordnet? Können Lehrerkollegien gemeinsam Probleme ihrer Schule benennen, Ursachen feststellen und nach Lösungen suchen, die sie dann auch gemeinsam umsetzen? Oder sind sie dazu aus ‚eigener Kraft’ nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen in der Lage? Berichten sie über eine Metakommunikation bzgl. ihrer gemeinsamen Arbeit während der SchiLF, d.h., reflektieren sie die einzelnen Phasen der Schulinternen Lehrerfortbildung, so dass sie Konsequenzen aus Erfolg oder Misserfolg ziehen könnten? 4. Der letzte Komplex umfasst die Fragen nach dem Bedarf an Unterstützung, den eine Schule benötigt, um so Schulinterne Lehrerfortbildung durchzuführen, dass daraus Lösungen für die Probleme vor Ort gewonnen 15

werden können. Das umfasst sowohl die Frage nach dem Einsatz und der Qualifikation von Moderatoren oder Referenten als auch die Qualifikation von Lehrkräften bzgl. der Durchführung einer SchiLF im Sinne eines Organisationsentwicklungsprozesses. Dazu gehört die Frage nach den Inhalten dieser Qualifikationen im Abgleich zu den Befunden. Gleichzeitig betrifft dieser vierte Bereich auch die Unterstützung durch die Schulaufsicht und das NiLS (Niedersächsisches Landesamt für Lehrerbildung und Schulentwicklung; ehemals NLI), so dass im Sinne von Überlegungen zu einem Bildungsmonitoring eine politische Dimension mit einbezogen werden kann. Ergänzend zu dem skizzierten Forschungsinteresse gilt darüber hinaus mein Augenmerk den beiden Schulformen Hauptschule und Realschule, da ich an diesen beiden (neben weiteren) Schulformen bisher überwiegend tätig war und mir einerseits die Problemlagen aus der Praxis bekannt sind und andererseits mich die Antwort auf die Frage interessiert, wie die beiden Schulformen mit Hilfe von SchiLF diese bearbeiten und zu gemeinsam von einem Lehrerkollegium entschiedenen Lösungen vor Ort kommen können. 1.4 Forschungs- und Literaturstand Zum Forschungs- und Literaturstand gebe ich einen Überblick über Veröffentlichungen, die überwiegend parallel zur ‚Hochkonjunktur’ der Schulinternen Lehrerfortbildungen in Niedersachsen (1990 – 1996) entstanden. Ausführlicher stelle ich hier die Ergebnisse von Schönig (1990) dar, weil er sich zum einen sehr eingehend zu diesem Thema äußert und zum anderen seine Untersuchungen in Zusammenarbeit mit dem NLI entstanden, d.h., dass insofern eine Verbindung zu den von mir analysierten Berichten besteht. Weitere Veröffentlichungen werden kurz beschrieben. Nach 1997 ist nur noch wenig Literatur zum Thema ‚SchiLF’ erschienen. Als Forschungsarbeit erschien 1990 von Wolfgang Schönig „Schulinterne Lehrerfortbildung als Beitrag zur Schulentwicklung“. Es handelt sich um eine Dissertation an der Universität Freiburg, die sich u.a. mit der niedersächsischen Form der SchiLF im Vergleich zu anderen Bundesländern beschäftigt. Schönig (1990) entwickelt aufgrund einer Bestandsaufnahme eine Konzeption von Schulinterner Lehrerfortbildung, die die Weiterentwicklung einer ‚Schule als Ganze’ zum Ziel hat. Schönig (1990) bezieht seine Analyse auf die Situation in Niedersachsen Mitte der 80er Jahre. Er geht der Frage nach, ob SchiLF einen Beitrag zur Schulentwicklung liefern könne und analysiert hierzu Berichte über einzelne SchiLF-Veranstaltungen, die überwiegend als Aufsätze in Fachzeitschriften zwischen 1982 und 1985 erschienen. Weiterhin untersucht er Erfahrungsberichte über Schulinterne Lehrerfortbildungen, die die ‚Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule’ 1985 veröffentlichte und die sich nur mit Veran16

staltungen dieser Schulform beschäftigen. Die zwischen 1984 und 1986 in Nordrhein-Westfalen durchgeführten SchiLF-Veranstaltungen, die in einem breiteren Kontext standen und landesweit von ca. 40 Schulen unter Anleitung durch das Landesinstitut für Schule und Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen (LSW) durchgeführt wurden, dienen Schönig gleichfalls zur Auswertung. Über dieses Projekt berichtet auch Maybaum (1990). Ihre Ausführungen werden von mir in Kapitel 7 (‚Schulinterne Lehrerfortbildung’) mit einbezogen. Außerdem zieht Schönig eine Dissertation von Andreas Pieper (1986) mit heran. Pieper verwendet in seiner Arbeit 20 Kurzbeschreibungen und neun ausführliche Beschreibungen, die sich mit mehrjährigen, d.h. kontinuierlichen Schulinternen Fortbildungsprojekten auf der Basis von Organisationsentwicklung beschäftigen. Schönigs (1990) Analyse untersucht anhand von Erfahrungs- und Projektberichten und einzelner SchiLF-Veranstaltungen aus der Zeit von 1982 bis 1985 die Häufigkeit bestimmter Themen. Es ist davon auszugehen, dass diese überwiegend in Nordrhein-Westfalen entstanden (vgl. S. 91). Insgesamt standen ihm 80 Berichte zur Verfügung. Die Themen wie ‚schwierige Schüler’ und ‚Kommunikation und Zusammenarbeit im Kollegium’ findet er in diesen Berichten besonders häufig vor. Er relativiert die Ergebnisse allerdings, da er davon ausgeht, dass gerade bzgl. der Themenwahl ‚Zusammenarbeit’ keine repräsentative Zahl vorliegt. Hier gab es wohl durch die freiwillige Beteiligung bestimmter Schulen schon eine positive Selektion (vgl. ebd., S. 98). Die Auswertung von Lehrerbefragungen zu Fortbildungsbedürfnissen, die zwischen 1979 und 1984 stattfanden, werden von Schönig (1990) mit den Themen der o.a. Berichte zu Schulinternen Lehrerfortbildungen verglichen (vgl. S. 35ff.) und er zieht folgenden Schluss. „Die Themenwahl ‚schwierige Schüler’ korrespondiert in hohem Maße mit den in den Befragungen eruierten Bedürfnissen von Lehrern, durch die Lehrerfortbildung Hilfen für den Umgang mit ‚schwierigen Schülern’ zu erhalten. Das heißt, daß die in der Literatur beschriebenen Veranstaltungen in quantitativer Hinsicht diesem Bedürfnis von Lehrern weitgehend entgegenkommen. Dagegen entspricht das hohe Gewicht des Bereichs ‚Kommunikation und Zusammenarbeit im Kollegium’ in den Veranstaltungen nicht der geringen Bedeutung dieses Bereichs, wie sie ihm von Lehrern in Befragungen beigemessen wird“ (ebd., S. 93). Als Grund hierfür sieht er, dass SchiLF während dieser Zeit (Ende der 70er Jahre bis Anfang der 80er Jahre) noch nicht als Fortbildungsform für die Verbesserung von Kommunikation und Zusammenarbeit gesehen wurde. Unbedeutend ist insgesamt der Themenbereich ‚Eltern’ (vgl. ebd., S. 93). Die Fortbildungsziele, die in den Berichten festgestellt wurden, beziehen „sich auf die konkreten Probleme der Schulen und das Bedürfnis der Lehrer nach bestimmten Bereichen des Schulalltags“ (ebd., S. 94). Sie erfassen konkrete innerschulische Handlungsfelder und dienen der Veränderung des Schulalltags. Schönig stellt fest, „daß Ziele zur Veränderung der Schule als ganze kaum genannt werden“ (ebd., S. 94). Er sieht darin einen Vorteil für die Schulen, da solche konkreten Ziele in naher Zukunft erreichbar 17