Zürcher Studenten wurden zu Wohltätern - grateful children

08.11.2012 - Tierpatenschaft gibt es für jeden Ge- schmack etwas. Für Thomas Ruck ist die wichtigs- te Voraussetzung der Durchhaltewil- le: «Man muss ...
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Züriberg

Nr. 45

HINTERGRUND

8. November 2012

Zürcher Studenten wurden zu Wohltätern 400 000 Franken hat die Hilfsorganisation «Grateful Children» in zehn Jahren für Kinder in Ecuador gesammelt. Mitgründer Thomas Ruck erzählt, was es dazu braucht: Ausdauer, ein gutes Netzwerk, Promis und Professionalität.

mitverfolgt werden, was mit den gespendeten Hilfsgeldern geschieht.

Vertrauen in die Partner

Elisabeth Goepfert

Angefangen hat alles mit dem Ende des Studiums: Drei junge Männer gingen auf Reisen, sahen fremde Länder und Sitten und begriffen, dass es nicht selbstverständlich ist, so privilegiert aufzuwachsen, wie sie das Glück hatten. Der Eintritt ins Berufsleben stand bevor und, falls nicht etwas unerwartet Schlimmes dazwischen kommen würde, die Aussicht auf einen guten Job und ein finanziell abgesichertes, angenehmes Leben. Was sie in den fremden Ländern sahen, stimmte sie nachdenklich. Einer der drei erzählte von zwei Kinderheimen in Ecuador, die er besucht hatte. So kam der Wunsch auf, etwas zu tun für Kinder, die unvergleichbar härtere Startbedingungen haben.

Durchhaltewille ist wichtig Zehn Jahre alt wird die Hilfsorganisation «Grateful Children» dieses Jahr und hat bis heute 400 000 Franken für zwei Kinder- und Waisenheime in Ecuador gesammelt. Wie ist das gelungen? Gewartet hat hierzulande niemand auf eine weitere Hilfsorganisation. Das Angebot ist gross, der Markt gesättigt: Vom grossen internationalen Hilfswerk bis hin zur Tierpatenschaft gibt es für jeden Geschmack etwas. Für Thomas Ruck ist die wichtigste Voraussetzung der Durchhaltewille: «Man muss den Schnauf haben, also Zeit investieren und nicht aufgeben.» Da man viel Überzeugungsarbeit leisten müsse, dürfe man zudem nie den Glauben daran verlieren.

Thomas Ruck und zwei Freunde gründeten ein Hilfswerk – und blieben zehn Jahre dran. Zwei Grundsätze haben die «Grateful Children»-Gründer von Anfang an strikte respektiert. Der erste ist Transparenz, das heisst die offene Darlegung dessen, was mit dem Geld passiert: «Bei uns kann man fast auf den Banken nachschauen, wie viel überwiesen worden ist», so Thomas Ruck. Ausserdem können sich die Leute vor Ort selber ein Bild machen. Als Zweites halten die Gründer daran fest, keine Spendengelder für Administrationskosten aufzuwenden. Dies ist einer der häufigsten Kritikpunkte an Hilfsorganisationen. Die Administration kann Unsummen verschlingen. «100 Prozent geht nach Ecuador, alle Kosten, die in der Schweiz anfallen, werden von den Vorstandsmitgliedern aus der eigenen Tasche

bezahlt», so Ruck. Dies sind die zwei Betriebsökonomen Thomas Ruck und Tobias Röösli, der Forstingenieur Stefan Studhalter und seit 2007 die Soziologin Anita Klöti. Ebenfalls fast von Anfang an mit dabei ist, als Repräsentant und Türöffner: der Komiker und Drehbuchautor Beat Schlatter. «Wir haben uns überlegt, wer unserer Zielgruppe anspricht, sagt Thomas Ruck, «es ist sehr wichtig, solche Leute zu gewinnen.»

Promis bringen Geld «Die Mischung aus Promis, Medienpräsenz und Erlebbarkeit bringt Geld», so Ruck. Dies ist am besten mit Benefizanlässen gegeben. Da das gesamte Geld nach Ecuador fliesst, gibt es nämlich auch kein Marketingbudget. Ein riesiger Erfolg war zum

Foto: zvg.

Beispiel eine Lesung mit Michael Schacht, der Stimme des DRS3-Kommissars Philip Maloney, im Seebad Enge. Auch hier stand, laut Ruck, die Überlegung im Vordergrund, was das Zielpublikum ansprechen könnte: «Maloney als Kultfigur in Kombination mit dem Seebad Enge ergibt einen Mix, auf den die Generation anspricht, die jetzt mitten im Berufsleben steht und bereit ist, zu spenden.» Die meisten Spender seien aus dem Bekanntenkreis, persönliche Netzwerke sind somit sehr wichtig. Das Vertrauen der Spender liesse sich zudem durch professionelles Auftreten und eine solide Präsenz erlangen, meint Ruck. Dies beweisen die vier Vorstandsmitglieder eindrucksvoll mit ihrem Internetauftritt. Auf ihrer Website kann genauestens

Die Frage, wie viel Kontrolle es brauche und wann man den Leuten vor Ort die Verantwortung übergebe, bleibe schwierig. «Grateful Children» verlangt Zahlungsbestätigungen der eingegangenen Gelder und einen Jahresbericht, der von einer externen Revision abgenommen wird. Die Kontrolle auf dem Papier habe aber ihre Grenzen. Das Vertrauen in die Empfänger müsse vorhanden sein. Wenn man sich jedoch vor Ort ein Bild von den Menschen mache, die sieben Tage die Woche arbeiteten, keinen Lohn bezögen und ihr Leben ganz diesem Zweck verschrieben, dann verstehe man, dass diese kaum etwas in ihre eigene Tasche abzweigen könnten. Hilfreich sei sicher auch die Tatsache, dass es sich um langjährig etablierte Heime handle, so Ruck. Das eine sei von einem Schweizer mitbegründet worden, das andere von Ordensschwestern geführt. Für die Zukunft wünscht sich Thomas Ruck, dass es «Grateful Children» auch in zehn Jahren noch gibt. 400 000 Franken hat die Organisation gesammelt, das nächste Etappenziel sei die halbe Million. Besonders freut ihn, dass sich immer wieder Leute melden, die sich für die Organisation engagieren wollen. Somit ist auch für Nachwuchs gesorgt. Das Engagement weiter auszudehnen, allenfalls in anderen Ländern etwas aufzubauen, sei zwar verlockend, aber im Moment keine Option. Die Gründer wissen, mit welchem Aufwand dies verbunden ist: Nicht nur zusätzliche Arbeit müsste geleistet, sondern auch weite Reisen unternommen, andere Sprachen gelernt und nicht zuletzt die Kultur des jeweiligen Landes kennengelernt werden. Als Reiseland biete sich Ecuador zudem besonders gut an. Immer wieder fänden europäische Reisende den Weg zu einem der zwei Heime. Weitere Infos: www.GratefulChildren.org.

Im Heim der Hoffnung finden 80 Kinder ein Zuhause

meint Lass, eine eigene Wohnung, in die sie sich zurückziehen könnten, hätten sie nicht.

Cornelia Lass hat sich ein Bild vor Ort gemacht. Auf ihrer viermonatigen Reise durch Südamerika hat sie das Kinderheim Santa Maria de la Esperanza in Olon besucht.

Ein Dollar pro Tag und Kind

Elisabeth Goepfert

Täglich legten sie und ihr Freund den gut zehnminütigen Fussmarsch zwischen dem Ferien- und Touristenort Montanita, in dem sie wohnten, und Olon zurück: «Ein Weg in eine andere Welt», so Cornelia Lass. Von der Heimleiterin Isabel Dietrich wurden sie und ihr Freund mit offenen Armen empfangen. Nach der Besichtigung der Anlage habe die Heimleiterin gemeint, am meisten sei ihr geholfen, wenn sie die Kinder betreuen würden. So kam es, dass sie schon am darauffolgenden Nachmittag mit einer Schar von zwölf Jungs zum Strand zogen. Die Kinder würden ihnen den Weg schon zeigen, hiess es. In der Tat hätten diese wenige Berührungsängste gehabt. Am liebsten wollten sie die Kräfte mit dem seltenen männlichen Besucher messen. Von nun an holten sie die Kinder täglich gegen 14 Uhr ab. Besonders beein-

«Weg in eine andere Welt»: Die Freiwillige Cornelia Lass mit Heimkindern am Strand in Ecuador. druckt hat Cornelia Lass die Heimleiterin: «Mit ihren geschätzten 70 Jahren träumt sie noch von einem Tennisplatz. Diesen will sie auch vermieten, um mit den zusätzlichen Einnahmen die Schule weiter auszubauen.» Vor rund 40 Jahren ist die deutsche Sozialarbeiterin nach Ecuador

gekommen und hat mit einem Schweizer Pfarrer zusammen das Heim gegründet. «Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so viel Herzblut in eine Sache steckt. Sie macht nichts anderes, und würde man ihr das Heim wegnehmen, wäre sie nicht mehr, wer sie ist», erzählt Lass. Das

Foto: zvg.

gleiche gelte auch für die anderen Betreuerinnen, allesamt Ordensschwestern. Sie alle wohnten vor Ort und betreuten die Kinder rund um die Uhr. Zusammen mit den zirka 80 Kindern leben sie in kleinen Wohngemeinschaften, verteilt auf verschiedene Häuser. Das Heim sei ihre Heimat,

Da die Einrichtung eine Stiftung sei, erhielten sie vom Staat einen Dollar pro Kind im Tag, erfährt Lass von der Heimleiterin. Dies reiche für die Nahrungsmittel, alle anderen Anschaffungen wie Betten, Tische, Stühle, Schulmaterial und vieles mehr müssten durch Spendengelder finanziert werden. «Die Kinderzimmer sind sehr einfach mit zwei bis drei Betten, vielleicht einer Kommode und ein paar wenigen Spielsachen und Büchern ausgestattet. Es ist aber alles sehr liebevoll gemacht mit Farben und selber gemachten Vorhängen», sagt Lass. Der Abschied fiel schwer. In ihren Festtagskleidern machten die Mädchen und Jungs eine Tanz- und Gesangsaufführung für die Gäste. Dreimal hätten sie gehen wollen, erzählt Lass, sie seien aber immer wieder aufgehalten worden und hätten sich richtiggehend losreissen müssen. «Es war komisch, wieder in die Konsumgesellschaft nach Montanita zurückzukehren», so Lass, «wir fühlten uns so aufgehoben in der Gemeinschaft. Ausserdem ist Olon einer der schönsten Flecken Ecuadors und in keinem Reiseführer zu finden.»