Wie wird Malle wieder cool?

Entwicklung des Massentourismus im gesellschaftlichen Kontext. 15. 2.3. Einflussfaktoren auf die Entwicklung der Gegenwart. 19. 2.3.1. Die Postmoderne. 20.
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Wiebke Hebold

Wie wird Malle wieder cool? Nachhaltigkeit als Potenzial zur Weiterentwicklung massentouristisch geprägter Orte für „postmoderne“ Touristen

2016

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.

© Lehmanns Media • Berlin 2016 Helmholtzstraße 2-9 • 10587 Berlin www.lehmanns.de ISBN 978-3-86541-868-5

Druck und Bindung: docupoint GmbH, Barleben Redaktion und Lektorat: Freitagsgefühl Redaktion Umschlagfoto: Wiebke Hebold

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Mallorcas Süden von oben (© W.H.)

„Places serve as storehouses of meanings…

…Settings are more than simple geographical sites… …Places at a destination are social symbols embodying implicit consumer characteristics and meanings.“ (nach Snepenger, 2007)

[5]

[6]

Inhaltsverzeichnis Seite

1

Wie wird Malle wieder cool? – Eine Vorbemerkung

09

2

Tourismus im Spiegel der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung

12

2.1

Das Phänomen Tourismus

13

2.2

Entwicklung des Massentourismus im gesellschaftlichen Kontext

15

2.3

Einflussfaktoren auf die Entwicklung der Gegenwart

19

2.3.1

Die Postmoderne

20

2.3.2

Tourismus in der Postmoderne

24

2.3.3

Trends im Tourismus

27

2.4

Tourismus und Konsum

32

3

Wer ist der Tourist von heute?

37

3.1

Wie wird man Tourist? (Entstehung der touristischen Nachfrage)

37

3.2

Der „postmoderne“ Tourist

40

3.3

Lebensstile

42

3.4

Lebensführungstypen nach Otte

45

4

Tourismusorte in der Postmoderne

55

4.1

Destinationslebenszyklus

55

4.2

Konsumierte Tourismusräume

58

4.3

Touristifizierung

63

5

Nachhaltigkeit als Ansatz zur Um- und Weiternutzung touristifizierter Orte?

66

5.1

Potenziale zur Um- und Weiternutzung touristifizierter Orte

67

5.2

Nachhaltigkeit im Tourismus

72

5.3

Zielgruppen eines nachhaltigen Tourismus

76

6

Überblick über die touristische Entwicklung der Insel Mallorca

79

6.1

Begründung der Auswahl Mallorcas als Untersuchungsgebiet

81

6.2

Entwicklung Mallorcas zum Symbol des Massentourismus

82

6.3

Die Konsequenzen der Touristifizierung

88

[7]

7

Methodische Vorgehensweisen

93

7.1

Experteninterviews

94

7.2

Tourismusanbieter

96

7.3.

Touristen

98

8

Nachhaltiger Tourismus auf Mallorca

100

8.1

Tendenzen eines nachhaltigen Tourismus auf Mallorca

101

8.1.1

Der vorgegebene Kontext für eine nachhaltige Tourismusentwicklung

102

8.1.2

Von der Masse zur Klasse – Ambitionen auf nachhaltigen Qualitätstourismus

106

8.2

Die Perspektive der Tourismusanbieter

110

8.2.1

Anbieter und Angebot

112

8.2.2

Kooperationen und Förderungen

121

8.2.3

Nachhaltigkeitsverständnis der Anbieter

122

8.2.4

Gelebte Nachhaltigkeit im Unternehmen

126

8.2.5

Motivation zur Nachhaltigkeit

129

8.2.6

Chancen und Herausforderungen durch Nachhaltigkeit

131

8.2.7

Förderer des nachhaltigen Tourismus auf Mallorca aus Sicht der Anbieter

135

8.2.8

Anbieter und Nachhaltigkeit – eine Zwischenbilanz

136

8.3

Nachfrager ausgewählter Tourismusangebote

140

8.3.1

Der „typische“ Tourist

143

8.3.2

Lebensführungsgruppen und die soziale Lage

145

8.3.3

Das Urlaubsverhalten der Lebensführungsgruppen

148

8.3.4

Lebensführungsgruppen und Anbieter

151

8.3.5

Lebensführungsgruppen und Nachhaltigkeit

154

8.3.6

Der „nachhaltige Tourist“ – eine Zwischenbilanz

156

9

Malle wird wieder cool – Ein Fazit

158

A

Literaturverzeichnis

I-VII

B

Abbildungsverzeichnis

VIII-IX

C

Abkürzungsverzeichnis

X

[8]

1

Wie wird Malle wieder cool? – Eine Vorbemerkung

Wer cool ist, macht Backpacking in Thailand, Couchsurfing in Shanghai oder Dschungeltrails in Ecuador. Hauptsache unverbraucht, individuell und fotogen – für die Beweisfotos in sozialen Netzwerken. Pauschaltourist auf Malle zu sein ist dagegen uncool. Das klingt nach Ballermann, Eimersaufen und deutschem Schlager. Urlaubsziele werden heute nach Preis-Leistungs-Verhältnis, Hotelausstattung, Zusatzangeboten und Image ausgewählt. Der Ort an sich wird dabei austauschbar. Ob Tunesien, Türkei oder Teneriffa auf dem Flugticket steht, spielt da kaum noch eine Rolle. Selbst der Ballermann wird in deutsche Dorfdiskos verlagert. Doch was führt dazu, dass Tourismusräume so bedeutungslos werden und eine 3.640 km2 große Insel auf einen etwa sechs Kilometer langen Strandabschnitt reduziert wird? Welche Mechanismen entscheiden darüber, ob ein Urlaubsort in der Gesellschaft als cool und attraktiv gilt? Und vor allem: Was passiert mit den aufgebrauchten Orten, die ihren Hype verloren haben? Diese Fragen lassen sich nur in der kombinierten Betrachtung von Gesellschaft und Tourismus beantworten. Doch in der Wissenschaft verzichtet die ohnehin recht theoriearme Tourismusforschung weitgehend auf eine gesellschaftstheoretische Einbettung und umgekehrt (vgl. Pott 2007: 9ff.). Dabei ist Tourismus unmittelbar an gesellschaftliche Veränderungen gebunden. Mit der Transformation zur Postmoderne vollzieht sich ein Wandel von der Produktions- zur Konsumgesellschaft, die Konsum zum konstituierenden Element werden lässt und die Ausdifferenzierung von Lebensstilen zur Folge hat. Das beeinflusst den Touristen, dessen Präferenzen und in der Konsequenz auch den Tourismusraum. Erst auf dieser Wissensgrundlage kann die Leitfrage dieser Arbeit eruiert werden: Wie können massentouristisch geprägte Orte für den postmodernen Touristen an Attraktivität gewinnen? Es wird mit dem nachhaltigen Tourismus ein Lösungsansatz herausgearbeitet, der sich sowohl in der aktuellen Sozial- als auch der Raumforschung etabliert hat. Denn

[9] [„Wie wird Malle wieder cool?“ W. Hebold]

zumindest theoretisch bietet der nachhaltige Tourismus ein Konzept, „das die negativen Effekte des Tourismus zu minimieren und gleichzeitig die positiven zu unterstützen in der Lage ist“ (Schneider 2009c: 125). Ob Nachhaltigkeit tatsächlich das Potenzial dazu hat, einen vom Massentourismus geprägten Ort wieder cool werden zu lassen und aus der Anonymität der austauschbaren Ferienparadiese emporzuheben, das soll am Beispiel der Mittelmeerinsel Mallorca untersucht werden. Da Nachhaltigkeit als Sammelbecken für unterschiedlichste Definitionen, Absichten, Motivationen und Umsetzungsmodelle dient, soll allerdings nicht geprüft werden, inwieweit Mallorca nachhaltig im Sinne aufoktroyierter Konzepte und wissenschaftlicher Leitlinien ist. Stattdessen liegt der Fokus auf den vor Ort wirkenden Konsumenten und Produzenten, die nachhaltig deklarierte Angebote konsumieren bzw. produzieren. Wer sind diese Anbieter, welches Nachhaltigkeitsverständnis haben sie? Inwieweit begreifen sie sich selbst als nachhaltig und welche Motivationen treiben sie an? Wird das Potenzial der Nachhaltigkeit überhaupt erkannt und wie wird es genutzt? Welche Touristengruppen werden mit welchen Angeboten angesprochen? Wie lassen sich diese Touristen charakterisieren? Das sind die grundlegenden Fragestellungen, welche die empirische Feldforschung angeleitet haben. Intention dieser Arbeit ist es, den Blick auf überreife Tourismusorte zu richten. Es soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass Räume nicht einfach verbraucht und weggeworfen werden können. Die Arbeit soll zeigen, ob vollentwickelte Tourismusorte Nachhaltigkeit als Potenzial nutzen könnten, um vom verbilligten Wegwerfprodukt zur haltbaren Recyclingware zu werden. Um die Frage beantworten zu können, wie massentouristisch geprägte Orte für den postmodernen Touristen wieder attraktiv gemacht werden können, wird zunächst im zweiten Kapitel aufgezeigt, welche Veränderungen in Tourismus und Gesellschaft überhaupt zum Attraktivitätsverlust geführt haben. Das dritte Kapitel widmet sich dem postmodernen Touristen und dessen Segmentierungsmöglichkeiten. Im vierten

[10] [„Wie wird Malle wieder cool?“ W. Hebold]

Kapitel wird untersucht, inwiefern sich die zuvor erläuterten Prozesse auf den touristischen Raum auswirken und welche Konsequenzen diese für den Raum haben. Das fünfte Kapitel führt schließlich zum Lösungsansatz, der Nachhaltigkeit. Die darauffolgenden Kapitel setzen sich empirisch damit auseinander, inwieweit Nachhaltigkeit als Potenzial zur Weiterentwicklung bzw. Umdeutung Mallorcas geeignet ist. Nach der Vorstellung des Untersuchungsgebiets und dessen touristischer Entwicklung im sechsten Kapitel, wird im siebten Kapitel die methodische Vorgehensweise der Feldforschung expliziert. Das achte Kapitel präsentiert die Forschungserkenntnisse, die durch die empirische Untersuchung von offiziellen Strategien, nachhaltigen Anbietern und deren Nachfragern gewonnen werden konnten. Abschließend resümiert das neunte Kapitel, ob „Malle“ dank nachhaltigem Tourismus wieder cool werden kann.

[11] [„Wie wird Malle wieder cool?“ W. Hebold]

2

Tourismus im Spiegel der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung

„Die Verunglimpfung des ‚billigen Reisepöbels‘ verschob sich parallel zur sozialen Ausweitung des Tourismus: Der britische Aristokrat blickte naserümpfend auf den Großbürger herab, der Groß- und Bildungsbürger einige Jahre später auf die Kleinbürger, der bürgerliche Seebadbesucher und kleinbürgerliche Sommerfrischler auf die KdF- oder Neckermann-Touristen, die wie Heuschreckenschwärme in vermeintlich vormals idyllische Urlaubsorte einfielen“ (Hachtmann 2007: 162). Diese Darstellung HACHTMANNS illustriert die kontinuierlichen Wandlungsprozesse im Tourismus und der Touristen. Wer wie und wohin reiste, unterlag und unterliegt gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aushandlungen unter der Prägung des jeweiligen Zeitgeistes. „Von den Pilgerfahrten des Mittelalters bis zum Massen- und Alternativtourismus der Gegenwart war und ist Tourismus Teil der jeweiligen gesellschaftlichen Strukturen und damit auch Prozessen sozialen Wandels unterworfen“ (Hein 2006: 135). Tourismus wird damit gleichsam zu einem Spiegel der Gesellschaft, in dem sich die jeweils gegenwärtigen Produktionsweisen, sozialökonomischen und politischen Strukturen, technischen Wandlungen sowie zeittypischen Kulturen und Werte, aber auch gesellschaftlichen Differenzen abbilden (vgl. Hachtmann 2007: 180ff.). Änderungen in der Gesellschaft wirken sich unmittelbar auf den Tourismus aus und andersherum, wobei die Gesellschaft selbst (und damit auch der Tourismus) in wechselseitiger Beziehung mit Wirtschaft, Politik und globalen Erscheinungen steht. Daher gibt dieses Kapitel einen Einblick in die gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen und zeigt die Zusammenhänge von Gesellschaft und Tourismus auf, dabei dient Konsum als verbindendes Erklärungselement. Zuvor jedoch soll kurz das zugrundeliegende Begriffs- und Bedeutungsverständnis von Tourismus aufgezeigt werden.

[12] [„Wie wird Malle wieder cool?“ W. Hebold]

2.1

Das Phänomen Tourismus

Ganz allgemein ist Tourismus „die Gesamtheit der Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus der Reise und dem Aufenthalt von Personen ergeben, für die der Aufenthaltsort weder hauptsächlicher und dauernder Wohn- noch Arbeitsort ist“ (Müller 2011: 17). Die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO) definiert Tourismus als „a social, cultural and economic phenomenon which entails the movement of people to countries or places outside their usual environment for personal or business/professional purposes. These people are called visitors (…) and tourism has to do with their activities, some of which imply tourism expenditure“ (UNWTO 2007). Grundsätzlich sind beim Tourismus drei Komponenten zu berücksichtigen: Der durch den Ortswechsel ausgedrückte Raumaspekt; der als vorübergehender Aufenthalt kenntlich gemachte Zeitaspekt (der Pendler aus-, Zweitwohnsitze aber einschließt), sowie die Reisemotive (vgl. Schneider 2009c: 14ff.). Die Tourismusformen sind vielfältig und können beispielsweise nach Aufenthaltsdauer, Motiven, Beherbergungsformen, Zahlungsbilanz-Auswirkungen, sozio-demographischen Kriterien, Arrangements, Jahreszeiten oder Verkehrsmittel kategorisiert werden (vgl. Müller 2011: 18ff.). POTT versteht Tourismus als eine „moderne Erscheinung, die das Reisen zum Selbstzweck erhebt und sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts mit zunehmender Dynamik entwickelt“ (Pott 2007: 47). Diese Dynamik zeigt sich insbesondere in den ökonomischen Effekten. Tourismuswirtschaft ist jedoch keine Wirtschaftsbranche im Sinne der NACE1-Klassifikation, sondern eher als Querschnittssektor zu sehen und zählt zu den ökonomisch erfolgreichsten Wirtschaftszweigen weltweit. So erwirtschaftete die Tourismusindustrie im Jahr 2011 neun Prozent des globalen GDP und stellte jeden

1

NACE (Nomenclature statistique des activités économiques dans la Communauté européenne) ist die seit 2008 geltende Klassifikation der Wirtschaftszweige, die der Verordnung der Europäischen Union (EG 1893/2006) nachkommt. (Statistisches Bundesamt Destatis, 2008).

[13] [„Wie wird Malle wieder cool?“ W. Hebold]

12. Arbeitsplatz weltweit (UNWTO 2012b). Innerhalb der Europäischen Union (EU) erzeugt die Tourismusbranche sogar zehn Prozent des BIP der EU (einschließlich indirekter Effekte) und beschäftigt ca. 12 Prozent aller Arbeitnehmer (Europäische Kommission 2011). Rund 1,8 Millionen Unternehmen mit 97 Mio. Beschäftigten können direkt dem Tourismus zugeordnet werden (ebd.). In Deutschland hat die Tourismuswirtschaft mit 214,1 Mrd. € (im Jahr 2010) sogar eine höhere Bruttowertschöpfung erzielt als die Kfz-Industrie, der Maschinenbau und die Bankwirtschaft. Sie stellte 4.873.517 Arbeitsplätze, was 12 Prozent der Gesamtbeschäftigten entspricht (BMWi 2012b: 19–22; BMWi 2012: 89ff.). Gerade die deutsche Bevölkerung gilt mit über 85 Mio. Auslandsreisen als Reiseweltmeister (BMWi 2012a). Weltweit betrachtet ist Europa mit jeweils über 50 Prozent das beliebteste Ziel- und Quellgebiet von Touristen (UNWTO 2012a). Das Wachstum der Tourismusbranche ist zukunftsträchtig, so konnte bspw. am 13.12.2012 erstmals die eine-Milliarden-Grenze an grenzüberschreitenden Touristen überschritten werden (UNWTO 2012b). Der Inlandstourismus wird gar auf sechs Milliarden Touristen weltweit geschätzt (ebd.). Tourismus hat neben der wirtschaftlichen auch eine außerordentliche gesellschaftliche Relevanz. Bspw. geht POTT (2007: 71f.) davon aus, dass der Tourismus die Reproduktion und Aufrechterhaltung der physischen und psychischen Voraussetzungen ermöglicht, die der Mensch für die Alltagsbewältigung benötigt. Außerdem dient er als Ventil zur Lockerung von Erwartungsstrukturen und Ausleben von alltagsfernen Lebensweisen (ebd.). Doch Tourismus hat nicht nur gesellschaftliche und ökonomische Effekte, sondern beeinflusst auch die vor Ort gegebene Umwelt, Infrastruktur, lokale Bevölkerung und Touristen. Daher ist touristische Entwicklung immer aus einer holistischen Perspektive zu betrachten und kann nicht auf ökonomische Statistiken reduziert werden.

[14] [„Wie wird Malle wieder cool?“ W. Hebold]

In der deutschsprachigen Fachliteratur wird Tourismus vorrangig eine Abhängigkeit von der Gesellschaft unterstellt. Daher soll im folgenden Kapitel unter Berücksichtigung einer ganzheitlichen Perspektive gezeigt werden, wie sich gesellschaftliche, wirtschaftliche, technische und politische Veränderungen historisch auf den Tourismus ausgewirkt haben. 2.2

Entwicklung des Massentourismus im gesellschaftlichen Kontext

Eine grundlegende Annahme dieser Arbeit ist, dass massentouristisch geprägte Urlaubsorte für viele Besuchergruppen an Attraktivität verlieren. Bevor dafür potenzielle Lösungsansätze erörtert werden können, sollte jedoch aufgezeigt werden, wieso überhaupt Orte des Massentourismus entstanden sind. Dabei ist der Entwicklungspfad des Massentourismus eng an gesellschaftliche Prozesse gebunden. Massentourismus ist ein in Alltag wie Wissenschaft gängiger Begriff, dem selten eine genaue Definition zugrunde gelegt, der dafür aber häufig mit negativem Unterton belegt wird. Bereits seit Ende des 19.Jhs. existiert ein pejorativer Massen-Diskurs; Tourismuskritik ist ständiger Begleiter des Tourismus, die vornehmlich aus Gründen sozialer Distinktion geäußert wird (vgl. Hachtmann 2007: 12). Dennoch ist Massentourismus keine sozial gebundene Kategorie, sondern ein Relationalbegriff, der sich nur auf Quantitäten bezieht. Obwohl bereits in früheren Epochen Reisende massenhaft auftraten, wird heute mit Massentourismus „das massierte Auftreten einer großen Zahl von Touristen seit Ende der 1960er Jahre an bestimmten Orten insbesondere der spanischen und italienischen Mittelmeerküsten, aber auch bestimmter Skigebiete“ bezeichnet (Hachtmann 2007: 69). Prinzipiell ist Tourismus vom Reisen zu unterscheiden. So gibt es Reisen als Tätigkeit seit Anbeginn, oft aus privaten, beruflichen, politischen oder religiösen Zwecken. Schon zu Zeiten des Römischen Imperiums gab es Straßennetze, Herbergen und

[15] [„Wie wird Malle wieder cool?“ W. Hebold]