Web 2.0 Technologien im Geschäftsprozessmanagement

Prinzip. • Mashups - Kombination vorhandener (externer) Inhalte und Dienste. • Blogs, Podcasts und Videocasts - Internetkolumnen in Text, Ton und Bild.
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Web 2.0 Technologien im Geschäftsprozessmanagement Dr. Sebastian Stein Software AG Zimmerstr. 67 10117 Berlin [email protected] http:://www.ariscommunity.com/ Dr. Katrina Simon, Eric Brabänder Software AG Altenkesseler Str. 17 66115 Saarbrücken {katrina.simon|eric.brabaender}@softwareag.com http://www.softwareag.com/ Stefan Wind Universität Augsburg Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Systems Engineering Universitätsstr. 16 86159 Augsburg [email protected] http://wi-se.wiwi.uni-augsburg.de/ Abstract: Erfolgreiches Geschäftsprozessmanagement war und ist auf die Zusammenarbeit von Individuen aus unterschiedlichen Organisationen angewiesen. Web 2.0 Technologien haben die Zusammenarbeit von Internetnutzern an Inhalten ermöglicht. In diesem Industriebeitrag wird deshalb anhand eines Praxisbeispiels untersucht, wo Web 2.0 Technologien ein Projekt aus dem Geschäftsprozessmanagement sinnvoll unterstützen können oder bereits tun. Dabei zeigt sich, dass Web 2.0 Technologien zwar kein Allheilmittel sind, aber zur Effizienzsteigerung im Geschäftsprozessmanagement beitragen können.

1 1.1

Einleitung Kollaborativer Charakter des Geschäftsprozessmanagements

Ein wesentliches Gestaltungselement eines Unternehmens ist die Organisationsstruktur [Sch01]. Dabei werden Unternehmen zum Beispiel anhand einer regionalen Aufteilung oder einer Branchenstruktur gegliedert. Einzelnen Mitarbeitern werden Rollen zugewiesen, mehrere Mitarbeiter zu Abteilungen zusammengefasst, Abteilungen wiederum bilden Betriebe und Tochtergesellschaften, die zusammen den Konzern bilden. Auch wenn mit

einer unpassenden Aufbauorganisation viel Schaden angerichtet werden kann, so reicht allein die Definition dieser nicht aus, damit Arbeit verrichtet wird [SH90, BKR05]. Dazu müssen Mitarbeitern Aufgaben zugewiesen werden und es muss eine Verknüpfung dieser Teilaufgaben stattfinden, um Geschäftswerte zu generieren. Während die Aufbauorganisation die Akteure definiert, erweckt die Ablauforganisation diese zum Leben. Die Aufbauorganisation eines Unternehmens wird zum Beispiel mittels eines Organigramms abgebildet. Für die Darstellung der Ablauforganisation nutzt man Wertschöpfungsketten und Prozessmodelle. Durch die Abbildung in Modellen wird sowohl die Aufbauals auch Ablauforganisation expliziert und einer Vielzahl von Anwendungen zugeführt, etwa [BKR05]: • Dokumentation der aktuellen Unternehmensstruktur etwa im Rahmen eines Audits • Kommunikation der Unternehmensstruktur • Vergleich aktuelle Unternehmensstruktur mit einer zukünftig Angedachten • Prozessoptimierung • Prozesssimulation • Prozesskostenrechnung • modelgetriebene Implementierung von Prozessen • Messung der Leistung von ausgeführten Prozessen • etc. Diese Liste der möglichen Anwendungen von Unternehmensmodellen lässt sich beliebig erweitern, denn es steht heute eine Vielzahl von Werkzeugen und Methoden für das Management von Unternehmensmodellen zur Verfügung [BKR05]. Der Kanon an Werkzeugen und Methoden für das Management von Unternehmensmodellen wird gemeinhin unter dem Begriff Geschäftsprozessmanagement subsumiert [AFF10]. Das Studium der oben angerissenen Anwendungen von Unternehmensmodellen wie Prozessoptimierung und Prozesskostenrechnung lässt vermuten, dass dies nur bewältigt werden kann, wenn eine Vielzahl von Individuen zusammen arbeitet. So benötigt man zum Beispiel für die Erstellung eines Prozessmodels sowohl Modellierungsexperten als auch die Fachanwender, die diese Prozesse in ihrer täglichen Arbeit leben. Die Erkenntnis, dass Geschäftsprozessmanagement eine kollaborative Aufgabe ist, ist nicht neu [VFL10]. So findet sich in Standardliteratur des Geschäftsprozessmanagements (etwa [SS08]) der Hinweis, dass im Unternehmen ein Kompetenzzentrum für das Geschäftsprozessmanagement etabliert werden soll, um die reibungslose Zusammenarbeit zu ermöglichen. Auch gängige Werkzeuge für das Geschäftsprozessmanagement wie die ARIS Platform der Software AG1 nutzen seit mehr als 10 Jahren Datenbanken zur Speicherung der 1 Ein Überblick über die in diesem Artikel als Beispiele genutzten Produkte der Software AG findet man unter http://www.softwareag.com/de/products/bis/products/.

Unternehmensmodelle, damit mehrere Nutzer gemeinsam, auch geografisch verteilt, daran arbeiten können.

1.2

Durch Web 2.0 zum Mitmachweb

Ursprünglich war das Internet aus Nutzersicht ein statisches Medium. Inhalte wurden von einer kleinen Gruppe produziert und online einer unbekannten Masse zur Verfügung gestellt [Bäc08]. Außer Foren und Gästebüchern gab es für den Konsumenten kaum Möglichkeiten Inhalte selbst zu erstellen oder sogar vorhandene Inhalte anzupassen [Alb08]. In den letzten 10 Jahren wurde eine Vielzahl neuer Technologien im Internet etabliert. Diese Technologien werden unter dem Begriff Web 2.0 zusammengefasst [OB04]. Häufig in diesem Zusammenhang genannte Technologien sind [KR07, AB08, BGT08]: • RSS Feeds - Benachrichtigung über Änderungen nach dem Pull-Prinzip • Notifications bzw. Signale - Benachrichtigungen über Änderungen nach dem PushPrinzip • Mashups - Kombination vorhandener (externer) Inhalte und Dienste • Blogs, Podcasts und Videocasts - Internetkolumnen in Text, Ton und Bild • Ratings - Qualitätsbewertung von Inhalten durch den Konsumenten • Tagging und Social Bookmarking - Verschlagwortung von Inhalten durch den Konsumenten • Wikis - kollaborative Erstellung von Inhalten durch Nutzer • massiv verbesserte Suchtechnologien (z.B. Google oder Wolfram Alpha) • mobiler Zugriff - allgegenwärtige Verfügbarkeit im Sinne des Ubiquitous Computing • offene Schnittstellen - öffentliche zur Verfügungsstellung von Diensten und Inhalten (z.B. REST) • soziale Netzwerke - Beziehungsknüpfung zwischen Internetnutzern und Nachrichtenaustausch • AJAX - Attraktivitätssteigerung durch interaktive Oberflächen • etc. Durch das Web 2.0 kann heute jeder Internetnutzer selbst Inhalte entweder allein oder zusammen mit anderen Nutzern erstellen. Technische Vorkenntnisse oder Investitionen sind im „Mitmachweb“ nicht nötig, was das Internet zu einem demokratischen offenen Medium macht.

1.3

Ziel dieses Praxisbeitrags

Das Aufkommen des Web 2.0 hat zu einer fundamentalen Weiterentwicklung des Internets geführt. Da diese Technologien solch einen radikalen Wandel auslösen konnten, ist es naheliegend zu untersuchen, ob diese in anderen Bereichen ebenfalls angewendet werden können. In diesem Beitrag wird deshalb anhand eines Praxisbeispiels diskutiert, ob Web 2.0 Technologien sinnvoll im Geschäftsprozessmanagement eingesetzt werden können oder sogar schon werden. m folgenden Abschnitt wird das Praxisbeispiel eingeführt. Im anschließenden Abschnitt wird detailliert das im Beispiel durchgeführte SCM2 Projekt beschrieben. Dabei wird besonders auf die Schritte im Beispielprojekt eingegangen, die durch Web 2.0 Technologien unterstützt werden können. Für das Prozessmanagement notwendige Software wird, wo zur besseren Illustration sinnvoll, durch Rückgriff auf Bestandteile der ARIS Plattform vorgestellt. Eine Integration von Web 2.0 Technologien in diese Prozessmanagementwerkzeuge wird diskutiert. Dabei wird sich zeigen, dass Web 2.0 Technologien zwar kein Allheilmittel sind, aber zu einer Effizienzsteigerung im Geschäftsprozessmanagement beitragen können. Am Ende des Artikels erfolgt eine kurze Zusammenfassung.

2

Das SCM Projekt

Ein multinationaler Hersteller für Haushaltsgeräte wie Kühlschränke und Waschmaschinen benötigt für die Produktion seiner Geräte eine Vielzahl von elektronischen Bauteilen wie Relais oder Displays. Da es sich weitestgehend um standardisierte Komponenten handelt, bezieht er diese von unterschiedlichen Zulieferern. Die Daten zu den einzelnen Komponenten sind in einem elektronischen Katalog verzeichnet, der von einem unabhängigen Betreiber gepflegt wird. Der Katalogbetreiber stellt verschiedene Schnittstellen zu seinem Katalog zur Verfügung, damit dieser in andere Systeme und Prozesse eingebunden werden kann. Der Haushaltsgerätehersteller initiiert mit seinen wichtigsten Zulieferern ein Supply Chain Management (SCM) Projekt, um den Prozess zur Angebotsabgabe weitestgehend zu automatisieren. Zukünftig möchte der Hersteller nach Auswahl eines Bauteils aus dem Katalog eine elektronische Aufforderung zur Angebotsabgabe an die Zulieferer aus seinem ERP System schicken. Die Zulieferer sollen diese Aufforderung in ihren Systemen erhalten, um mit einer elektronischen Angebotsabgabe antworten zu können. Danach würde der Hersteller die eingegangenen Angebote evaluieren und einen Zulieferer auswählen. Folgende Schritte, wie das Versenden einer Bestellanforderung an den ausgewählten Zulieferer, sind nicht Bestandteil des SCM Projekts. Das End-to-End Szenario ist in Abbildung 1 als Wertschöpfungskette illustriert. Der Hersteller strebt eine vollständige IT Unterstützung des zuvor skizzierten Ablaufs an. Zugriff auf den Komponentenkatalog, Abfrage von aktuellen Aufforderungen zur Ange2 SCM

- Supply Chain Management

Komponente aus Katalog auswählen

Aufforderung zur Angebotsabgabe erstellen

Eingegangene Angebote prüfen

Lieferant auswählen und beauftragen

Abbildung 1: SCM Szenario AngebotsabgabSCM Szenario Angebotsabgabe

botsabgabe und Austausch von Angeboten soll elektronisch ohne Nutzerinteraktion erfolgen. Das SCM Projekt ist eine Herausforderung für den Hersteller, da nicht nur bereits genutzte Systeme, wie der Katalog, in eigene Abläufe eingebunden werden sollen, sondern die Detailabläufe mit mehreren externen Beteiligten, den Zulieferern, abgestimmt werden müssen. Um die Komplexität solch eines Projekts zu bewältigen, stützt sich der Hersteller auf zwei Kernkomponenten: • Projektmanagement • modelgetriebene Entwicklung im Rahmen des Geschäftsprozessmanagements Im folgenden Abschnitt werden die einzelnen Phasen dieser modelgetriebenen Entwicklung und der Einsatz von Web 2.0 Technologien diskutiert.

3 3.1

Anwendung von Web 2.0 Technologien im SCM Projekt Projektmanagement und Web 2.0

Am SCM Projekt sind geografisch stark verteilte Personen beteiligt, die zudem aus unterschiedlichsten Bereichen kommen. • Mitarbeiter des Herstellers: – aus der Einkaufsabteilung – aus dem Kompetenzzentrum Geschäftsprozessmanagement – aus der IT Abteilung – Projektleitung • technische Ansprechpartner beim Katalogbetreiber • technische und fachliche Ansprechpartner bei den Zulieferern Alle diese Personen müssen zu unterschiedlichen Zeitpunkten am SCM Projekt beteiligt werden. Es muss eine Kommunikation zwischen den Beteiligten stattfinden und Arbeitsergebnisse müssen zwischen ihnen verteilt werden.

Für diese allgemeinen Aufgaben im Rahmen des Projektmanagements erscheint der Einsatz von Web 2.0 Technologien sehr sinnvoll. So könnte zum Beispiel eine entsprechende Lösung für die Zusammenarbeit in Projekten bei einem unabhängigen Anbieter genutzt werden. Diese Lösung könnte zum Beispiel ein einfaches soziales Netzwerk umfassen, in dem die Beteiligten ihre Kontaktdaten pflegen. In einem Wiki würden die wichtigsten Projektergebnisse gepflegt und ein Forum steht für Diskussionen zwischen den Beteiligten zur Verfügung. Notifications werden genutzt, um Projektmitglieder über Änderungen zu informieren. Während des gesamten SCM Projekts findet eine Projektsteuerung durch den Hersteller statt. Dazu müssen Termine koordiniert, der Projektfortschritt dokumentiert und kommuniziert, Diskussionen geführt und das Verhalten der Beteiligten gesteuert werden. Im Rahmen des SCM Projekts erstellte Artefakte werden allen Beteiligten zugänglich gemacht. Die Projektsteuerung begleitet damit als Querschnittsdisziplin alle anderen Projektphasen. Der Einsatz solch eines Projektwikis muss aber auch kritisch hinterfragt werden. So muss zum Beispiel genau abgegrenzt werden, wer Zugriff auf welche Inhalte hat. So wird der Hersteller zum Beispiel nicht seine für das SCM Projekt relevanten internen Abläufe im Wiki dokumentieren, denn in ihrer Gesamtheit sollten diese für die Zulieferer nicht zugänglich sein. Dadurch kann es notwendig sein, dass jede beteiligte Organisation ein separates Werkzeug für den Austausch der eigenen Mitarbeiter und die Ablage von internen Dokumenten einsetzt. Dadurch besteht die Gefahr, dass Informationen redundant gepflegt werden oder nicht alle notwendigen Informationen allen Beteiligten zur Verfügung stehen, da sie in unterschiedlichen Systemen gepflegt werden. Trotz dieser Bedenken erscheint der Einsatz von Web 2.0 Technologien im Projektmanagement und der Projektkommunikation sinnvoll. In den nächsten Abschnitten werden die wichtigsten Phasen des SCM Projekts näher erläutert und die Einsetzbarkeit von Web 2.0 Technologien untersucht.

3.2

Phase 1: Konzeptioneller Entwurf

Da der Hersteller Nutzer des Produktportfolios der Software AG ist, folgt er dem vom Anbieter vorgeschlagenen prinzipiellen Vorgehen für solche Prozessimplementierungsprojekte. Dieses Vorgehen umfasst prinzipiell drei Phasen: 1. Konzeptioneller Entwurf des Geschäftsszenarios 2. Logischer Entwurf der Lösungsarchitektur 3. Implementierung und Inbetriebnahme der Lösung Abbildung 2 zeigt eine detailliertere Darstellung des Vorgehens. Die methodischen Grundlagen zu dem Vorgehen finden sich in [Ste09]. Zu Beginn der ersten Phase benennt der Hersteller zunächst sein SCM Projektteam. Die erste Aufgabe besteht in der Erfassung und Dokumentation des zukünftigen Prozesses

zur Angebotsabgabe. Dazu modellieren die Projektmitarbeiter den Prozess in einem Geschäftsprozessmodel. Ausgehend von der in 1 gezeigten Wertschöpfungskette untersetzen sie jede Funktion mit detaillierteren Prozessmodellen zum Beispiel mittels der EPK Notation. Für die Erstellung der Modelle nutzen sie den ARIS Business Architect. Die erstellten Prozessmodelle stehen dabei nur den Beteiligten des Herstellers zur Verfügung, da die Modelle eine Vielzahl von Details enthalten, die für Externe irrelevant sind und auch nicht veröffentlicht werden dürfen. Konzeptioneller Entwurf

Logischer Entwurf

Geschäftsprozess definieren

Benötigte IT Unterstützung analysieren

Logischen Prozess definieren

Abstimmung IT Schnittstellen

Definition benötigte Geschäftsservices

Review und Freigabe konzeptioneller Entwurf

Anreicherung logischer Prozess mit IT Schnittstellen

Review und Freigabe logischer Entwurf

Implementierung & Betrieb

Schnittstellen implementieren

ServiceOrchestrierung implementieren

Testzyklus

Betrieb

Abbildung 2: Vorgehen Prozessimplementierungsprojekt

Während der Prozessmodellierung ist eine intensive Abstimmung sowohl innerhalb des Herstellers als auch mit den Zulieferern notwendig. So ist zum Beispiel zu klären, ob die Zulieferer die aktuelle Liste von Aufforderungen zur Angebotsabgabe selbst abfragen oder ob die Zulieferer über eine automatische Nachricht durch den Hersteller über das Vorliegen informiert werden. Intern veröffentlicht der Hersteller die erstellten Modelle in einem Prozessintranet. In dieses Intranet können verschiedenste Web 2.0 Technologien integriert werden. So haben Mitarbeiter zum Beispiel die Möglichkeit, Modelle zu bewerten oder Rückmeldungen zu

Modellen in Form von Kommentaren zu geben. Mitarbeiter können die Modelle mit Tags versehen, um diese unter gängigen Begriffen besser zugänglich zu machen. Weiterhin wird für jedes Model ein RSS Feed angeboten, um direkt über eine Modeländerung informiert zu werden. Alternativ können sich Mitarbeiter per Email über Änderungen informieren lassen. Der Einsatz von Web 2.0 Technologien für die interne Kommunikation von Unternehmensmodellen erscheint sehr sinnvoll und wird schon heute teilweise von entsprechenden Produkten unterstützt. Für die Kommunikation mit den Zulieferern nutzt der Hersteller das Projektwiki. Hier veröffentlicht er nur eine grobe Darstellung des Integrationsszenarios und skizziert, welche prinzipiellen Anforderungen sich für Zulieferer ergeben, die sich zukünftig am neuen Verfahren beteiligen wollen bzw. müssen. Bevor der Übergang zur nächsten Projektphase, dem logischen Entwurf einer Lösungsarchitektur, möglich ist, müssen alle Verantwortlichen zunächst die Ergebnisse dieser ersten Phase abnehmen und freigeben. Die Begutachtung der aktuellen Ergebnisse kann in den bereits diskutierten Werkzeugen wie dem Projektwiki oder dem Prozessintranet erfolgen. Bei der formalen Freigabe können Web 2.0 Technologien aber nicht sinnvoll unterstützen.

3.3

Phase 2: Logischer Entwurf der Lösungsarchitektur

Nachdem in Phase 1 das Geschäftsszenario und die Zusammenarbeit der Beteiligten definiert wurden, erfolgt in dieser Phase der logische Entwurf einer Lösungsarchitektur. Dieser Entwurf ist noch keine Implementierung. Es erfolgt zwar eine Spezifikation der zu verwendenden Schnittstellen, aber die eigentliche Implementierung der Schnittstellen erfolgt erst in der folgenden dritten Phase. Die Schnittstellendefinition ist von zentraler Bedeutung für diese Phase. Je nach eingesetzter Technologiefamilie werden dafür die passenden technischen Werkzeuge verwendet. Der Katalogbetreiber bietet bereits eine Reihe von Schnittstellen für sein Katalogsystem. Der Hersteller muss spezifizieren, wie neue Aufforderungen zur Angebotsabgabe durch die Zulieferer abgerufen werden können. Die Zulieferer müssen definieren, über welche Schnittstelle sie über neue Aufforderungen zur Angebotsabgabe informiert werden wollen. Für die technischen Abstimmungen kann wiederum das zentrale Projektwiki genutzt werden. Für eine einheitliche Ablage und Verwaltung der Schnittstellendefinitionen empfiehlt sich hingegen aber der Einsatz eines spezialisierten Werkzeugs wie einer Service-Registry, etwa CentraSite. Jeder Beteiligte veröffentlicht seine Schnittstellenbeschreibungen, zum Beispiel in Form von WSDL Dateien, und der Hersteller führt diese Informationen in seiner internen Service-Registry zusammen, damit die eigene IT Abteilung für die spätere Implementierung diese nicht aus unterschiedlichen Systemen abrufen muss. Ein ähnliches Vorgehen findet für die zwischen den beteiligten Systemen auszutauschenden Nachrichten statt. Die in Phase 1 erstellten Geschäftsprozessmodelle werden zunächst über eine automatisierte Transformation in Entwürfe der logischen Darstellung auf Basis der BPMN 2 Notation überführt. Dieser Entwurf wird weiter verfeinert und die Schnittstelleninformatio-

nen werden in das logische Prozessmodel eingefügt. Auf Seite des Herstellers findet die Transformation von konzeptionellem Geschäftsprozessmodel (EPK) hin zum Entwurf eines logischen Prozessmodels (BPMN 2) mit dem ARIS Business Architect statt. Dieser ist mit der Service-Registry CentraSite integriert und kann daher auf die Schnittstelleninformationen direkt zugreifen. Diese zweite Phase ist beendet, wenn alle für die Implementierung benötigten Informationen zur Verfügung stehen. Ob dieser Status erreicht ist, wird durch die Projektleitung über das Projektwiki ermittelt. Beim Hersteller intern findet ebenfalls eine Freigabe statt. Dazu werden die logischen Prozessmodelle im Prozessintranet veröffentlicht und die beteiligten Mitarbeiter können wiederum die integrierten Web 2.0 Technologien nutzen, um die Ergebnisse dieser Phase zu begutachten und zu hinterfragen.

3.4

Phase 3: Implementierung und Inbetriebnahme der Lösung

Im nächsten Schritt implementiert jede beteiligte Organisation die von ihr zur Verfügung gestellten Schnittstellen. An dieser Stelle ist ein genaues Projektmanagement nötig, damit die Fertigungsstellungstermine möglichst synchronisiert werden und nicht ein einzelner Schnittstellenanbieter das Gesamtvorhaben verzögert. Neben der Implementierung der Schnittstellen muss der Hersteller noch die logischen Prozessmodelle (BPMN 2) implementieren. Im Fall des Produktportfolios der Software AG nutzt er dazu den webMethods Designer. Dieser kann ebenfalls auf die Service-Registry CentraSite zugreifen. Der Einsatz von Web 2.0 Technologien im Rahmen der Implementierung wird in diesem Beitrag nicht untersucht. Nach der Implementierung erfolgt ein Testzyklus. Dieser lässt sich hervorragend durch Web 2.0 Technologien unterstützen. So können Testpläne und detaillierte Testfälle in einem Wiki von allen Beteiligten dokumentiert werden. Auch die aktuellen Testergebnisse lassen sich über solche Werkzeuge zentral kommunizieren. Nach Implementierung und Test wird der neue Prozess zur Angebotsabgabe in Betrieb gestellt. Für die Überwachung des laufenden Betriebs kann zum Beispiel ein Mashup erstellt werden, das Kennzahlen aus unterschiedlichen Systemen auf einem Dashboard zusammen führt. Zu diesem Zweck verwendet der Hersteller das Werkzeug ARIS MashZone. Dieses kann sowohl auf klassische Datenquellen wie Datenbanken zugreifen, als auch RSS Feeds und XML Dateien auswerten.

3.5

Nutzung weiterer Web 2.0 Technologien im SCM Projekt

Die Diskussion der Einsatzmöglichkeiten von Web 2.0 Technologien im SCM Projekt zeigt, dass bestimmte Technologien wie RSS Feeds, Notifications, Wikis, Foren, Ratings, Tagging und soziale Netzwerke an verschiedenen Stellen eingesetzt werden können. Sie

dienen häufig dazu, Informationen zu verbreiten und über Änderungen zu informieren. Abgesehen von der Dokumentationserstellung erfolgt eine kollaborative Ergebniserstellung nur, wenn entsprechende Mechanismen direkt in den Werkzeugen für das Geschäftsprozessmanagement vorgesehen sind. Der Einsatz von Wikis etwa ist nur dann sinnvoll, wenn dadurch kein Medienbruch erzeugt wird. Andere Technologien wie Blogs, Podcasts, mobiler Zugriff und offene Schnittstellen sind für das SCM Projekt wenig relevant. Blogs könnten etwa durch das Projektmanagement eingesetzt werden, um alle Beteiligten regelmäßig über den aktuellen Stand zu informieren. Es ist allerdings fraglich, ob dies wirklich notwendig ist oder ob hier regelmäßige Telefonkonferenzen nicht ein besseres Mittel sind. Der mobile Zugriff auf im SCM Projekt erstellte Artefakte ist nur bedingt sinnvoll. Für die Projektleitung könnte es sinnvoll sein, wenn Dashboards mit den aktuellen Kennzahlen zum Projektstand mobil abrufbar sind, um möglichst kurzfristig auf kritische Änderungen reagieren zu können. Im SCM Projekt werden von den Beteiligten eine Reihe von Schnittstellen zwischen IT Systemen entwickelt, aber für die Projektdurchführung selbst sind offene Schnittstellen nur bedingt erforderlich.

4

Zusammenfassung

Geschäftsprozesse verbinden Menschen, damit diese gemeinsam für den Erfolg ihres Unternehmens arbeiten können. Dieser Fokus auf den Menschen spiegelt sich auch im Geschäftsprozessmanagement selbst wieder. Die Zusammenarbeit einer Vielzahl unterschiedlicher Mitarbeiter ist notwendig, um dieses erfolgreich zu machen. Die heute verfügbaren Werkzeuge unterstützen diese Zusammenarbeit seit Jahren in Form von datenbankgestützten Modellierungswerkzeugen, Prozessintranets und standardisierter Modellierungssprachen. Mit Aufkommen des Web 2.0 können sich diese Werkzeuge weiter entwickeln, indem sie Web 2.0 Technologien dort integrieren, wo es einen Mehrwert schafft. Das im Artikel diskutierte SCM Projekt zeigt aber, dass der Einsatz von Web 2.0 Technologien im Geschäftsprozessmanagement letztlich nur eine konsequente Weiterentwicklung vorhandener Werkzeuge ist und nicht zu einem völlig neuen revolutionierten Geschäftsprozessmanagement führt.

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