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Wirtschaftsrecht Brandi/Gieseler · Vorschläge der EU-Kommission zur einheitlichen Bankaufsicht in der Eurozone

durch die Akzeptanz des Kodex erhöht werden dürfte. Allerdings sollten die Abläufe und die Transparenz dieses Verfahrens noch einmal überdacht werden, da zum Teil unklar ist, wie es zu einzelnen Änderungen zwischen der Vorlage im Februar und der endgültigen Fassung im Mai kam. In diesem Zusammenhang sollte die Regierungskommission auch den Umfang der Erläuterungen zu den Kodexänderungen erweitern und die eingegangenen Stellungnahmen veröffentlichen. Schließlich sollte die Regierungskommission prüfen, inwieweit die Anzahl der Empfehlungen und Anregungen reduziert werden kann. Dies würde eine erhebliche Entlastung für die Praxis bedeuten.

Aufgrund diverser neuer Empfehlungen und der Heraufstufung von bisherigen Anregungen zu einer Empfehlung im Sinne des DCGK ist in der Praxis für die kommende Berichterstattung zu prüfen, inwieweit bisher unberücksichtigte Prozesse berichtspflichtig werden und ob Anpassungen in der Berichterstattung und in der Handhabung von Einzelfragen zur Corporate Governance im Unternehmen erforderlich sind. Insbesondere gilt dies für die im Mittelpunkt der von der Regierungskommission beschlossenen materiellen Kodexänderungen in den Themenkreisen Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder sowie Offenlegung von Interessenskonflikten. Gerade hier ist die bisherige Handlungsweise der Gremien zu reflektieren.

Dr. Tim Oliver Brandi, LL.M. (Columbia), RA, und Konrad Gieseler

Vorschläge der EU-Kommission zur einheitlichen Bankaufsicht in der Eurozone Am 14.9.2012 hat die EU-Kommission Vorschläge für ein Maßnahmenpaket zur Etablierung eines einheitlichen Aufsichtsmechanismus für Kreditinstitute im Euroraum (Single Supervisory Mechanism) veröffentlicht. Im Mittelpunkt steht dabei der Entwurf einer EU-Verordnung, der die Schaffung einer zentralisierten Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank (EZB) innerhalb der Eurozone vorsieht. Daneben soll die Europäische Bankaufsichtsbehörde (European Banking Authority – EBA) als zentrale Aufsichtsbehörde für die Europäische Union weiterhin bestehen bleiben. Dieser Beitrag stellt die wesentlichen Regelungen des von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmenpakets vor.

I.

und eine Capital Requirements Regulation (im Folgenden: CRD IVVO),6 des Kommissionsvorschlags zur Harmonisierung der Einlagensicherung7 und des Entwurfs einer EU-Richtlinie für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen.8 Die Vorschläge zum SSM sollen nach Einschätzung der EU-Kommission keine wesentlichen Änderungen der Vorschläge zu CRD IV-RL und CRD IV-VO erfordern. Vielmehr soll hierfür eine Feinjustierung im Rahmen des laufenden EU-Gesetzgebungsverfahrens zur Verabschiedung der CRD IV-RL und CRD IV-VO ausreichen.9

II.

Übertragung von Aufgaben auf die EZB

1.

Überblick

Einleitung

Kernpunkt des von der EU-Kommission am 14.9.2012 vorgelegten Maßnahmenpakets zur Schaffung eines Single Supervisory Mechanism (SSM) ist ein Verordnungsvorschlag1 (im Folgenden: VO1-E), der wesentliche Aufgaben und Kompetenzen der Bankenaufsicht innerhalb der Eurozone in der EZB bündeln will und eine Übertragung der entsprechenden Kompetenzen von den nationalen Bankaufsichtsbehörden auf die EZB vorsieht. Dabei soll die EBA als zentrale Bankaufsichtsbehörde für die Europäische Union weiter mit ihren bisherigen Kompetenzen bestehen bleiben.2 Um der Bündelung der Stimmmacht der Mitgliedstaaten der Eurozone innerhalb der EZB Rechnung zu tragen, schlägt die EU-Kommission eine Änderung der Abstimmungsmodalitäten innerhalb der Gremien der EBA vor. Diese Änderung soll durch eine Anpassung der VO (EU) 1093/2010 (im Folgenden: EBA-VO) durch eine gesonderte Änderungsverordnung3 (im Folgenden: VO2-E) umgesetzt werden. Beide Verordnungen würden bei ihrem Erlass keiner gesonderten Umsetzung durch die nationalen Gesetzgeber bedürfen, sondern in den Mitgliedstaaten unmittelbare Geltung beanspruchen. Das Maßnahmenpaket stellt aus Sicht der EU-Kommission4 einen weiteren Baustein für die Errichtung einer europäischen Bankenunion dar und zwar in Ergänzung der Vorschläge der EU-Kommission für eine Capital Requirements Directive IV (im Folgenden: CRD IV-RL)5

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Gemäß dem Vorschlag der EU-Kommission sollen auf der Rechtsgrundlage des Art. 127 Abs. 6 AEUV zentrale Bankaufsichtsfunktionen einschließlich entsprechender Kontroll- und Eingriffsbefugnisse von den nationalen Aufsichtsbehörden auf die EZB übertragen werden (Art. 4 Abs. 1 VO1-E). Lediglich die nicht ausdrücklich gemäß der VO1-E auf die EZB übertragenen Aufgaben sollen in der Zuständigkeit der nationalen Bankaufsichtsbehörden verbleiben (Art. 4 Abs. 4 VO1-E). Die EZB soll künftig insoweit die Aufsicht über alle in der Eurozone niedergelassenen Kreditinstitute (Art. 4 Abs. 1 VO1-E) – zum aktuellen 1 Vorschlag für eine Verordnung des Rates v. 12.9.2012 (COM(2012) 511), abrufbar unter: http://ec.euro pa.eu/internal_market/finances/committees/index_de.htm (Abruf: 4.10.2012). 2 Begründung zur VO1-E, Ziff. 4.1.3. 3 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.9.2012 (COM(2012) 512), abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/finances/committees/index_de.htm (Abruf: 4.10.2012). 4 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat v. 12.9.2012 (COM(2012) 510), abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/finances/committees/index_de.htm (Abruf: 4.10. 2012). 5 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.7.2011 (COM (2011) 453). 6 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.7.2012 (COM (2011) 452). 7 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.7.2010 (COM (2010) 368/ 2). 8 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.6.2012 (COM (2012) 280 final/2). 9 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat v. 12.9.2012 (COM(2012) 510 final), Ziff. 2.

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Zeitpunkt etwa 6.000 – sowie über solche Kreditinstitute aus EU-Mitgliedstaaten mit Sitz außerhalb der Eurozone übernehmen, die in der Eurozone Zweigstellen betreiben bzw. grenzüberschreitende Dienstleistungen anbieten (Art. 4 Abs. 2 VO1-E). Die EU-Kommission begründet die Erstreckung der zentralisierten Bankaufsicht auf sämtliche (d. h. nicht nur auf systemrelevante) Kreditinstitute der Eurozone damit, dass die jüngsten Ereignisse in Spanien gezeigt hätten, dass auch Schwierigkeiten bei relativ kleinen Banken erhebliche negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität der Mitgliedstaaten der Eurozone haben können.10 Außerdem sollen der EZB für die Zwecke der Bankenaufsicht ergänzende Aufsichtsbefugnisse über Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften und Finanzkonglomerate, nicht aber über einzelne Versicherungsunternehmen, übertragen werden (Art. 4 Abs. 1 lit. (i) und (j) VO1-E).11 Der ambitionierte Zeitplan der EU-Kommission sieht ein Inkrafttreten der Verordnungen bereits zum 1.1.2013 vor (Art. 28 VO1-E). Dabei wird ein gestaffelter Übergang zur einheitlichen Bankenaufsicht angestrebt. Zunächst soll die EZB ab dem 1.1.2013 per Beschluss im Einzelfall die Aufsicht über bestimmte Kreditinstitute, Finanzholdinggesellschaften und gemischte Finanzholdinggesellschaften an sich ziehen können, insbesondere über solche, die Staatshilfen beantragt oder erhalten haben (Art. 27 Abs. 3 VO1-E). In einem zweiten Schritt soll die Aufsicht ab dem 1.7.2013 auf alle für den Euroraum systemrelevanten Kreditinstitute, Finanzholdinggesellschaften und gemischte Finanzholdinggesellschaften ausgeweitet werden (Art. 27 Abs. 1 S. 1 VO1-E). Noch vor dem 1.3.2013 soll die EZB hierfür eine Liste der betroffenen Institute veröffentlichen (Art. 27 Abs. 1 S. 2 VO1-E). Spätestens ab dem 1.1.2014 soll die einheitliche Bankenaufsicht schließlich vollständig umgesetzt sein und die EZB die Aufsicht über sämtliche Kreditinstitute, Finanzholdinggesellschaften und gemischte Finanzholdinggesellschaften im Euroraum übernehmen (Art. 27 Abs. 2 VO1-E).

2.

Aufgaben und Kompetenzen der EZB

Im Einzelnen soll die EZB gemäß der zentralen Kompetenzvorschrift in Art. 4 VO1-E innerhalb der Eurozone zukünftig folgende Aufgaben und Kompetenzen anstelle der nationalen Bankaufsichtsbehörden übernehmen: Zum einen soll die EZB anstelle der nationalen Aufsichtsbehörden für die Zulassung von Kreditinstituten12 zuständig sein (Art. 4 Abs. 1 lit. (a) VO1-E). Hierfür ist ein zweistufiges Zulassungsverfahren vorgesehen (vgl. Art. 13 Abs. 1 VO1-E). Es sieht vor, dass Zulassungsanträge auf einer ersten Stufe bei der nationalen Aufsichtsbehörde des Mitgliedstaates gestellt werden, in dem das Institut seinen Sitz haben soll. Die nationale Aufsichtsbehörde soll zunächst den Antrag nach nationalem Recht prüfen und, wenn alle danach für die Zulassung erforderlichen Bedingungen erfüllt sind, der EZB die Zulassung im Wege eines Beschlusses vorschlagen. Auf der zweiten Stufe soll die EZB dann die Erfüllung der im Unionsrecht festgelegten Bedingungen prüfen und die Zulassung erteilen bzw. verweigern. Ein entsprechendes zweistufiges Verfahren ist auch für den Entzug der Zulassung vorgesehen, wobei die EZB hier jedoch auch von Amts wegen unmittelbar tätig werden kann (Art. 13 Abs. 2 VO1-E). Auch das bislang der Zuständigkeit der nationalen Behörden unterliegende Inhaberkontrollverfahren bei Erwerb bzw. Veräußerung einer Beteiligung an Kreditinstituten13 soll künftig in die Zuständigkeit der EZB fallen (Art. 4 Abs. 1 lit. (b) VO1-E).

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Des Weiteren soll der EZB die Überwachung der Einhaltung aufsichtsrechtlicher Anforderungen des Gemeinschaftsrechts an Kreditinstitute in Bezug auf Eigenmittelanforderungen,14 Beschränkungen für Großkredite,15 Liquidität,16 Verschuldungsgrad,17 Berichterstattung und Informationsveröffentlichung18 übertragen werden (Art. 4 Abs. 1 lit. (c) VO1-E). In den im sonstigen Gemeinschaftsrecht explizit genannten Fällen soll die EZB zudem strengere aufsichtsrechtliche Anforderungen festlegen und zusätzliche Maßnahmen durchführen können (Art. 4 Abs. 1 lit. (d) VO1-E). Ferner ist geplant, der EZB die Festlegung von Kapitalpuffern19 einschließlich der Quoten für antizyklische Kapitalpuffer20 und sonstiger Maßnahmen zur Abwendung von Systemrisiken oder Risiken auf Makroebene, die im sonstigen Gemeinschaftsrecht vorgesehen sind, zu übertragen (Art. 4 Abs. 1 lit. (e) VO1-E). Außerdem soll die EZB Anforderungen an Banken festlegen, mit denen das Vorhandensein solider Governance-Regelungen, -Verfahren und -Mechanismen einerseits sowie geeigneter Strategien und Verfahren zur Prüfung und angemessenen Vorhaltung regulatorischen Kapitals andererseits sichergestellt wird (Art. 4 Abs. 1 lit. (f) VO1-E).21 Die Kontrolle der bankeninternen Risikomanagementsysteme soll zukünftig ebenfalls der EZB obliegen (Art. 4 Abs. 1 lit. (g) VO1-E). Dies schließt explizit die Feststellung ein, ob die von den Banken eingeführten Regelungen und Verfahren sowie ihre Eigenkapitalausstattung eine solide Risikoabdeckung gewährleisten, sowie die Festlegung zusätzlicher spezifischer Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen bzw. sonstiger Maßnahmen, soweit das Gemeinschaftsrecht dies zulässt (Art. 4 Abs. 1 lit. (g) VO1-E). Ferner soll die EZB zukünftig für die Durchführung aufsichtsrechtlicher Stresstests zuständig sein (Art. 4 Abs. 1 lit. (h) VO1-E). Gleiches gilt für die Beaufsichtigung von in Mitgliedstaaten innerhalb des Euroraumes niedergelassenen Muttergesellschaften von Banken, d. h. auch Finanzholdinggesellschaften und gemischte Finanzholdinggesellschaften, auf konsolidierter Basis,22 sowie für die Mitwirkung an der Beaufsichtigung solcher Muttergesellschaften, die ihre Niederlassung nicht in einem Mitgliedstaat des Euroraumes haben (Art. 4 Abs. 1 lit. (i) VO1-E). Auch die Wahrnehmung von Aufsichtsaufgaben für ein frühzeitiges Eingreifen bei Verletzung aufsichtsrechtlicher Anforderungen durch ein Kreditinstitut soll zukünftig der EZB obliegen, die insoweit in Abstimmung mit den zuständigen Abwicklungsbehörden handeln soll (Art. 4 Abs. 1 lit. (k) VO1-E). Schließlich soll die EZB den gemeinsamen Standpunkt der Vertreter der Mitgliedstaaten der Eurozone im Rat der Aufseher und im Verwaltungsrat der EBA koordinieren und vertreten, soweit die der EZB übertragenen Aufgaben betroffen sind (Art. 4 Abs. 1 lit. (l) VO1-E). Aus den vorgenannten Kompetenzübertragungsregelungen in Art. 4 Abs. 1 VO1-E ist nicht in jedem Fall klar ersichtlich, inwieweit der EZB jeweils nur solche Kompetenzen übertragen werden sollen, die 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

Mitteilung der Kommission v. 12.9.2012 (COM(2012) 510), Ziff. 3.1. Begründung, Ziff. 3, zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 511). Vgl. Art. 9 ff. CRD IV-RL; vgl. § 32 ff. KWG zum geltenden deutschen Recht. Vgl. Art. 22 CRD IV-RL; vgl. § 2c KWG zum geltenden deutschen Recht. Vgl. Art. 87 CRD IV-VO. Vgl. Art. 376 ff. CRD IV-VO. Vgl. Art. 400 ff. CRD IV-VO. Vgl. Art. 416 f. CRD IV-VO. Vgl. Art. 418 ff. CRD IV-VO. Vgl. Art. 122 ff. CRD IV-RL. Vgl. Art. 124 ff. CRD IV-RL. Vgl. Erwägungsgrund 19 zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 511). Vgl. Art. 106 ff. CRD IV-RL.

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sich bereits sonstigem EU-Recht ergeben (zukünftig also aus CRD IVVO und CRD IV-RL) und insoweit bislang den nationalen Bankaufsichtsbehörden oblagen bzw. obliegen sollen, oder ob auch die Kompetenzübertragungsregelungen selber eine solche Eingriffsbefugnis erstmals originär begründen sollen. Im letzteren Falle wären noch detaillierende Ergänzungen für die Voraussetzungen und die Reichweite der Eingriffsbefugnisse der EZB erforderlich. Insoweit besteht bei Art. 4 Abs. 1 VO1-E demnach noch Klarstellungs- und ggf. Ergänzungsbedarf.

3.

Kontroll- und Eingriffsbefugnisse der EZB

Die Übertragung von Zuständigkeiten der nationalen Aufsichtsbehörden auf die EZB soll durch die Gewährung umfassender Kontrollund Eingriffsbefugnisse zugunsten der EZB ergänzt werden:23 Hierzu zählt zunächst das Recht der EZB, alle zur Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Informationen von den beaufsichtigten Instituten bzw. Personen, die an den Tätigkeiten dieser Institute beteiligt sind, mit ihnen in Verbindung stehen, an welche die Banken operative Aufgaben ausgelagert haben, und von allen sonstigen Personen, die eine enge und wesentliche Beziehung zu einem beaufsichtigten Institut haben, anzufordern (Art. 9 VO1-E). Auch allgemeine Untersuchungen wie die Vorlage von Unterlagen, die Prüfung von Büchern und Aufzeichnungen, die Einholung schriftlicher oder mündlicher Erklärungen sowie die Durchführung von Befragungen sollen der EZB hinsichtlich der vorgenannten Institute bzw. Personen ermöglicht werden (Art. 10 VO1-E). Auch Prüfungen vor Ort soll die EZB durchführen können (Art. 11 VO1-E), allerdings unter dem Vorbehalt von im Einzelfall nach nationalem Recht erforderlichen gerichtlichen Genehmigungen (Art. 12 VO1-E). Schließlich soll die EZB mit der Befugnis ausgestattet werden, Verwaltungsgeldstrafen zu verhängen, wenn Institute oder (gemischte) Finanzholdinggesellschaften Anforderungen aus direkt anwendbarem Gemeinschaftsrecht nicht erfüllen und Verwaltungsgeldstrafen nach Gemeinschaftsrecht verhängt werden können (Art. 15 Abs. 1 VO1-E). Darüber hinaus soll die EZB in Fällen, wenn lediglich Verstöße gegen nationales Recht vorliegen, von den nationalen Aufsichtsbehörden die Verhängung von Sanktionen verlangen können (Art. 15 Abs. 5 VO1-E).

4.

Rolle der nationalen Aufsichtsbehörden im Euroraum

Die nationalen Aufsichtsbehörden sollen die Zuständigkeiten und Befugnisse für all jene Aufgaben behalten, die nicht ausdrücklich der EZB zugewiesen werden (Art. 4 Abs. 4 VO1-E). Dies sind insbesondere die Bereiche des Verbraucherschutzes, der Geldwäschebekämpfung und der Beaufsichtigung von Kreditinstituten aus Drittstaaten außerhalb der EU, die entweder im Euroraum eine Zweigstelle unterhalten oder grenzüberschreitende Dienstleistungen anbieten.24 Aber auch für die Überwachung von Zahlungsdienstleistungen, die laufende tägliche Prüfung entsprechend den Leitlinien der EZB und die Wahrnehmung der Funktion der zuständigen Behörde bezüglich der Märkte für Finanzinstrumente sollen weiterhin die nationalen Aufsichtsbehörden zuständig sein.25 Schließlich soll auch die Aufsicht über solche Unternehmen, die lediglich nach nationalem Recht zu beaufsichtigen sind, nicht aber Kreditinstitute i. S. d. Gemeinschaftsrechts darstellen, sowie die Befugnis zur Entgegennahme von Mitteilungen durch Institute zu ihrem Niederlassungsrecht und der Dienstleistungsfreiheit bei den nationalen Aufsichtsbehörden verbleiben.26

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Darüber hinaus sollen die nationalen Aufsichtsbehörden als Bestandteile des einheitlichen Aufsichtsmechanismus die EZB bei der Durchführung ihrer Aufgaben unterstützen (Art. 5 Abs. 2 VO1-E), wobei sie den durch die EZB vorgegebenen rechtlichen Rahmen befolgen müssen und gegenüber der EZB weisungsgebunden sind (Art. 5 Abs. 3 und 4 VO1-E). Durch die Einbindung der nationalen Aufsichtsbehörden in den SSM soll nach den Vorstellungen der EU-Kommission die umfangreiche und langjährige Erfahrung, die diese Behörden in der Beaufsichtigung lokaler Kreditinstitute sowie im Hinblick auf örtliche Besonderheiten haben, für das einheitliche Aufsichtssystem nutzbar gemacht werden.27 Hinsichtlich der Details der Abgrenzung der Aufgaben und Befugnisse zwischen EZB und nationalen Aufsichtsbehörden in den vorgenannten Bereichen schweigt sich der Entwurf der VO1-E jedoch bislang aus.

5.

Verhältnis zu EU-Mitgliedstaaten außerhalb des Euroraums

Der Kommissionsvorschlag will innerhalb der EBA eine Dominanz der Mitgliedstaaten der Eurozone gegenüber den Mitgliedstaaten außerhalb der Eurozone verhindern.28 Dieses Ziel soll zum einen durch eine Anpassung der Abstimmungsmodalitäten innerhalb der EBA erreicht werden (dazu sogleich unter Ziff. III.3). Zum anderen sollen die Regelungen der VO1-E die Stellung der Nicht-Euromitgliedstaaten in den gem. Art. 131a Abs. 1 RL 2006/48/EG (Bankenrichtlinie) eingerichteten und mit der EBA zusammenarbeitenden Aufsichtskollegien unberührt lassen.29 Die Bestimmungen über diese Kollegien und die Regelungen für die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch bei der Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis sowie zwischen den Aufsichtsbehörden von Herkunfts- und Aufnahmestaaten sollen ohne Einschränkung auch für die EZB als zuständige Behörde des Euroraums gelten und somit den rechtlichen Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen der EZB und den nationalen Bankaufsichtsbehörden außerhalb des Euroraums darstellen.30 Ferner schlägt die EU-Kommission vor, dass auch EU-Mitgliedstaaten außerhalb des Euroraums ihre Bankaufsicht im nachstehend beschriebene Umfang auf freiwilliger Basis der EZB unterstellen können: Hierfür hat sich der ersuchende Staat zu verpflichten, den Leitlinien und Ersuchen der EZB Folge zu leisten sowie der EZB alle Informationen zu in dem jeweiligen Staat niedergelassenen Kreditinstituten vorzulegen, die die EZB anfordert (Art. 6 Abs. 2 lit. (b) VO1-E). Außerdem muss der ersuchende Staat nationale Rechtsakte erlassen, die eine Verpflichtung seiner nationalen Aufsichtsbehörde zur Durchführung aller von der EZB in Bezug auf Kreditinstitute angeordneten Maßnahmen sicherstellen (Art. 6 Abs. 2 lit. (c) VO1-E). Bei Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen würde die nationale Aufsichtsbehörde des Nicht-Eurostaates zwar weiterhin die Bankenaufsicht über die lokalen Kreditinstitute ausführen, wäre hierbei aber an die Leitlinien und Ersuchen der EZB in Bezug auf die der EZB übertragenen Aufgaben und Befugnisse gebunden (Art. 6 Abs. 1 VO1-E).

23 24 25 26 27 28 29 30

Begründung, Ziff. 4.3.1 zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 511). Begründung, Ziff. 4.2.2, sowie Erwägungsgrund 22 zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 511). Erwägungsgrund 22 zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 511). Erwägungsgrund 22 zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 511). Erwägungsgrund 28 zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 511). Begründung, Ziff. 4.4, zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 511). Begründung, Ziff. 4.4, zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 511). Begründung, Ziff. 4.4, zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 511).

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6.

Interne Organisation der EZB

In Folge der vorgeschlagenen Übertragung von bankaufsichtsrechtlichen Aufgaben auf die EZB kann es innerhalb der EZB zu Interessenskonflikten im Verhältnis zu ihren geldpolitischen Aufgaben kommen. Diese können z. B. daraus resultieren, dass die Änderung von Zinssätzen durch die EZB als geldpolitische Steuerungsmaßnahme nachteilige Auswirkungen auf die von der EZB beaufsichtigten Kreditinstitute haben kann.31 Daher sieht der Regelungsvorschlag der EU-Kommission grundsätzlich eine organisatorische und funktionelle Trennung der beiden Bereiche Bankaufsicht und Geldpolitik innerhalb der EZB vor (Art. 18 VO1-E). Dies soll insbesondere durch die Schaffung eines gesonderten Aufsichtsgremiums innerhalb der EZB erreicht werden, das die Beschlüsse in bankaufsichtsrechtlichen Angelegenheiten vorbereiten soll (Art. 19 VO1-E). An dieses Aufsichtsgremium soll der Rat der EZB klar umgrenzte Aufgaben und darauf bezogene Beschlussfassungskompetenzen delegieren können, die bestimmte Kreditinstitute bzw. (gemischte) Finanzholdinggesellschaften betreffen (Art. 19 Abs. 3 VO1-E). Das Aufsichtsgremium soll aus vier vom EZB-Direktorium benannten Vertretern und jeweils einem Vertreter der nationalen Aufsichtsbehörden zuzüglich einem stellvertretenden Vorsitzenden, der aus den Mitgliedern des EZB-Direktoriums zu wählen ist, und einem Vorsitzenden, der aus den Mitgliedern des EZB-Rates zu wählen ist, bestehen. Die Letztzuständigkeit für die Beschlussfassung sowie die Gesamtverantwortung in bankaufsichtsrechtlichen Fragen soll allerdings beim Rat der EZB verbleiben.32 Damit liegt die Zuständigkeit für Geldpolitik und Bankaufsicht auf der obersten Entscheidungsebene der EZB in denselben Händen. Aus diesem Grund erscheint es zweifelhaft, ob die Risiken einer Interessenskollision zwischen Geldpolitik und Bankaufsichtsrecht mit dem Vorschlag der EU-Kommission wirklichvermiedenwerden. Zum Zwecke der demokratischen Kontrolle über die bankaufsichtsrechtliche Tätigkeit der EZB sind diverse Rechenschafts- und Berichtspflichten der EZB vorgesehen. So soll die EZB gegenüber dem Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission und der Eurogruppe zur Vorlage eines Jahresberichts verpflichtet werden (Art. 21 Abs. 1 VO1-E). Außerdem ist die Möglichkeit der Anhörung des Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums durch die zuständigen Ausschüsse des Europäischen Parlaments vorgesehen (Art. 21 Abs. 3 VO1-E).

III. Anpassung der EBA-VO 1.

Kompetenzen der EBA

Auf Grundlage des Art. 114 AEUV soll auch die EBA-VO durch die VO2-E an die durch die VO1-E zu ändernden Rahmenbedingungen angepasst werden. Die Kompetenzen der EBA als Bankaufsichtsbehörde der gesamten Europäischen Union einschließlich der Verteilung ihrer Kompetenzen im Verhältnis zu den nationalen Bankaufsichtsbehörden sollen hierbei allerdings unangetastet bleiben.33 Diejenigen Weisungskompetenzen und Eingriffsbefugnisse, die der EBA bislang gegenüber den nationalen Aufsichtsbehörden zustanden, soll sie innerhalb der Eurozone nun auch gegenüber der EZB haben.34

2.

Vermittlungsverfahren zwischen EBA und EZB

Für den Fall des Auftretens von Differenzen zwischen EBA und EZB sieht die VO2-E ein spezielles Vermittlungsverfahren vor. Befolgt die EZB Anweisungen der EBA zur Beilegung einer Meinungsverschiedenheit oder als Reaktion auf einen Krisenfall nicht, so soll sie gegenüber dieser zur Darlegung ihrer Gründe verpflichtet sein, um auf

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diese Weise etwaige Differenzen auszuräumen (Art. 1 Nr. 2 und Nr. 3 VO2-E). Bleibt es jedoch bei einer divergierenden Auffassung zwischen beiden Behörden, soll die EBA weiterhin – auch bezüglich Kreditinstitute in der Eurozone – die Befugnis behalten, individuelle Anweisungen an das konkret betroffene Kreditinstitut zu richten.35

3.

Abstimmungsmodalitäten innerhalb der EBA

Um ein Übergewicht der Mitgliedstaaten des Euroraumes in Abstimmungen des Rats der Aufseher der EBA bei mit einfacher Mehrheit zu fassenden Beschlüssen, beispielsweise über Verletzung von Gemeinschaftsrecht nach Art. 17 EBA-VO oder zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten nach Art. 19 EBA-VO, zu vermeiden, sollen die Beschlussfassungsmodalitäten für derartige Sachverhalte angepasst werden (Art. 1 Nr. 7 VO2-E).36 Die Beschlussfassungsbefugnisse für derartige Sachverhalte sollen demnach an ein unabhängiges dreiköpfiges Gremium übertragen werden, das aus dem Vorsitzenden und zwei vom Rat der Aufseher aus dem Kreis seiner stimmberechtigten Mitglieder benannten Mitglieder besteht und wovon mindestens ein Mitglied aus einem Staat außerhalb der Eurozone kommen soll (Art. 1 Nr. 5 VO2-E).37 Für diese Sachverhalte unterbreitet das vorgenannte Gremium einen Beschlussvorschlag, der als angenommen gelten soll, wenn er nicht von einer einfachen Mehrheit im Rat der Aufseher abgelehnt wird, wobei diese Mehrheit mindestens jeweils drei Stimmen von Mitgliedstaaten innerhalb und von Mitgliedstaaten außerhalb des Euroraums enthalten muss (Art. 1 Nr. 7 VO2-E).

4.

Verwaltungsrat der EBA

Um eine ausgewogene Repräsentation der Mitgliedstaaten, die am SSM teilnehmen bzw. mit diesem eine enge Zusammenarbeit praktizieren, und derjenigen Mitgliedstaaten, die nicht am SSM teilnehmen, zu gewährleisten, soll schließlich auch die Zusammensetzung des Verwaltungsrats der EBA geändert werden.38 Künftig sollen mindestens zwei Mitglieder des Verwaltungsrates von Mitgliedstaaten kommen, die nicht der Eurozone angehören bzw. die keine enge Zusammenarbeit mit der EZB als Bankaufsichtsbehörde vereinbart haben (Art. 1 Nr. 8 VO2-E).

IV. Erste Reaktionen auf den EU-Vorschlag 1.

Politischer Widerstand

Die Vorschläge der EU-Kommission sind zum Teil auf heftigen Widerspruch innerhalb der EU-Mitgliedstaaten gestoßen, insbesondere auch in Deutschland.39 Bedenken wurden insbesondere gegen die Erstreckung der Aufsicht auf nicht-systemrelevante Institute vorgebracht.40 Solche Vorbehalte wurden auch in einem Antrag der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP vom 25.9.2012 an den Bundestag formuliert, die Bundesregierung dazu aufzufordern, sich 31 Commission proposes a package for banking supervision in the Eurozone – frequently asked questions, 12.9.2012, S. 6, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/finances/committees/index_de.htm (Abruf: 4.10.2012). 32 Begründung, Ziff. 4.5.2, sowie Erwägungsgrund 36 zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 511). 33 Begründung, Ziff. 3, zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 512). 34 Erwägungsgrund 5 zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 512); Commission proposes a package for banking supervision in the Eurozone – frequently asked questions, 12.9.2012, S. 9. 35 Erwägungsgrund 5 zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 512). 36 Begründung, Ziff. 4, zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 512). 37 Begründung, Ziff. 4, zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 512). 38 Begründung, Ziff. 4 zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 512); Erwägungsgrund 9 zum Vorschlag v. 12.9.2012 (COM(2012) 512). 39 F.A.Z. v. 16.9.2012, abrufbar unter: http://m.faz.net/aktuell/politik/inland/schuldenkrise-bankenaufsichtim-euroraum-kommt-nicht-so-schnell-wie-geplant-11892539.html (Abruf: 4.10.2012). 40 Handelsblatt v. 19.9.2012, abrufbar unter: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken/ezb-kon trolle-sparkassen-geben-der-bankenaufsicht-den-kleinen-finger/7156230.html (Abruf: 4.10.2012).

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für eine Begrenzung der einheitlichen Bankenaufsicht auf nicht-systemrelevante Kreditinstitute einzusetzen.41 Auch wurde von Bundesbankpräsident Jens Weidmann die Vereinigung von geldpolitischen und bankaufsichtsrechtlichen Funktionen unter dem Dach der EZB wegen der drohenden Gefahr von Interessenkonflikten kritisiert.42

2.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Laut Presseberichten hat der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages in einem Kurzgutachten zudem Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Übertragung von Kompetenzen von der BaFin auf die EZB im Wege einer EU-Verordnung geäußert. Danach soll eine Kompetenzverlagerung zu Lasten der BaFin die Beteiligung des Bundestages in Form eines Gesetzgebungsverfahrens voraussetzen, so dass die vorgesehene Übertragung zentraler Aufgaben der Bankaufsicht auf die EZB nur im Wege einer EU-Richtlinie und deren einzelstaatlicher Umsetzung durch ein Bundesgesetz, nicht jedoch per EUVerordnung erfolgen könne.43 Für diese verfassungsrechtlichen Bedenken lassen sich plausible Argumente finden. Sie ergeben sich aus der beschränkten Reichweite der EUrechtlichen Rechtsgrundlage, auf die die Kompetenzübertragung auf die EZB gestützt wird. Art. 127 Abs. 6 AEUV lässt zu, dass der Rat einstimmig durch Verordnung besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute mit der Ausnahme von Versicherungsunternehmen auf die EZB überträgt. Die Vorschrift erlaubt jedoch lediglich die Übertragung besonderer Aufgaben. Die generelle Übertragung der Bankenaufsicht ist hiervon nach wohl einhelliger Auffassung des deutschen Schrifttums nicht gedeckt.44 Die von der EU-Kommission vorgeschlagene weitreichende Übertragung der Aufsicht über sämtliche Banken im Euroraum dürfte allerdings als eine solche generelle Kompetenzübertragung anzusehen sein. Zwar sollen einzelne, in der VO1-E nicht explizit genannte Aufgaben bei den nationalen Bankaufsichtsbehörden verbleiben. Die für die Bankenaufsicht prägenden Kompetenzen sollen nach dem Willen der EU-Kommission künftig jedoch bei der EZB liegen. Die nationalen Behörden sollen ferner zwar im Rahmen eines Aufsichtssystems mit der EZB zusammenarbeiten und auch einzelne Aufsichtsaufgaben ausführen. Jedoch sollen sie gegenüber der EZB weisungsgebunden sein. Letztlich sollen die Entscheidungsbefugnisse und Verantwortung für die zentralen Aufgaben der Bankaufsicht innerhalb der Eurozone demnach auf die EZB übergehen. Ein derartiges Vorhaben würde gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG ein entsprechendes Bundesgesetz voraussetzen. Die Kompetenzübertragung im Verordnungswege, wie sie von der EU-Kommission vorgeschlagen wird, wäre somit unzulässig. Nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG, der Art. 24 Abs. 1 GG als Spezialgesetz vorgeht,45 ist die Übertragung von Hoheitsrechten auf europäische Institutionen durch den Bund nämlich nur durch Gesetz zulässig. Der Begriff der Hoheitsrechte im Sinne des Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG entspricht dem des Art. 24 Abs. 1 GG46 und umfasst vorrangig Befugnisse zum Erlass von Rechtssätzen und Einzelfallregelungen.47 Die Ausübung der Bankenaufsicht ist ein solches Hoheitsrecht.48 Insbesondere stellen die Instrumentarien, die zur Durchsetzung der Aufsichtsbefugnisse gegenüber den Instituten dienen – vorrangig Verwaltungsakte und Allgemeinverfügungen49 sowie Rechtsverordnungen – hoheitliche Maßnahmen dar.50 Geht man also davon aus, dass Art. 127 Abs. 6 AEUV die Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB in dem von der EUKommission vorgeschlagenen Umfang nicht deckt, so bedürfte eine solche Übertragung in der Tat eines eigenen Bundesgesetzes.

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V.

Fazit

Zwar ist der Grundansatz des Vorschlags der EU-Kommission zu begrüßen, dass die Aufsicht der EZB letztlich für sämtliche Institute im Euroraum gelten soll. Denn auch von nicht system-relevant Banken können systemische Risiken für die Eurozone ausgehen. Jedoch birgt der Vorschlag der EU-Kommission noch einen erheblichen Klärungsbedarf: Erstens erscheint die Abgrenzung der Kompetenzen der EZB und der nationalen Bankaufsichtsbehörden bislang noch diffus und nicht hinreichend im Detail geregelt. Zweitens wirken auch die Vorschläge der EU-Kommission zur organisatorischen Trennung von Bankenaufsicht und Geldpolitik innerhalb der EZB noch nicht ausgereift. Drittens birgt der Vorschlag der EU-Kommission für die Abgrenzung der Zuständigkeiten der EBA als Aufsichtsbehörde für die gesamte Europäische Union und der EZB als zentrale Bankenaufsicht für den Euroraum derzeit Konfliktpotenzial für die Zusammenarbeit beider Behörden. Viertens sprechen die vorstehend dargelegten verfassungsrechtlichen Erwägungen dafür, dass die Kompetenzübertragung auf die EZB aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts nur im Wege einer Richtlinie mit Einbeziehung des deutschen Bundesgesetzgebers und nicht per Verordnung erfolgen kann, wie dies von der EU-Kommission vorgeschlagen wird. Fünftens schließlich muss erst noch die notwendige Verwaltungsinfrastruktur innerhalb der EZB für die Übernahme der vorgesehenen Aufsichtsaufgaben errichtet werden. Aus den vorgenannten Gründen dürfte ein Inkrafttreten des Vorschlags der EU-Kommission für eine einheitliche Bankenaufsicht innerhalb der Eurozone bis zum 1.1.2013 und dessen vollständige Umsetzung bis zum 1.1.2014 – wie von der EU-Kommission vorgeschlagen – bei realistischer Einschätzung nicht zu schaffen sein.

// Autoren

h

Dr. Tim Oliver Brandi, LL.M. (Columbia), ist Partner bei Hogan Lovells. Er leitet die Praxisgruppe Gesellschaftsrecht/M&A am Standort Frankfurt a. M. und ist im Bereich Gesellschaftsrecht, M&A und Bankaufsichtsrecht tätig. In der jüngeren Vergangenheit hat er bei mehreren namhaften Transaktionen im Bereich Finanzmarktstabilisierung federführend beraten.

Konrad Gieseler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Hogan Lovells in der Praxisgruppe Gesellschaftsrecht/ M&A am Standort Frankfurt a. M.

41 BT-Drs. 17/10782, 2, 3. 42 F.A.Z. v. 27.9.2012, abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/bundesbank-praesident-weid mann-macht-front-gegen-bankenaufsicht-unter-dach-der-ezb-11906411.html (Abruf: 4.10.2012). 43 Handelsblatt v. 27.9.2012, abrufbar unter: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken/wissen schaftlicher-dienst-experten-zweifeln-an-plaenen-fuer-die-bankenaufsicht/7188146.html (Abruf: 4.10. 2012). Dieses Kurzgutachten ist bis zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags nicht veröffentlicht worden. Derartige Kurzgutachten werden regelmäßig veröffentlicht unter: http://www.bundestag.de/do kumente/analysen/2012/ (Abruf: 4.10.2012). 44 Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 127 AEUV Rn. 56 m. w. N. 45 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Losebl.-Kommentar, Stand: 2012, Art. 23 Rn. 4. 46 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Losebl.-Kommentar, Stand: 2012, Art. 23 Rn. 65. 47 Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, Losebl.-Kommentar, Stand: 2012, Art. 24 Rn. 29. 48 Reischauer/Kleinhans, KWG, Losebl.-Kommentar, Stand: 2012, § 6 Rn. 1. 49 Vgl. § 7 Abs. 2 S. 4 KWG. 50 Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl. 2012, § 6 Rn. 9 f.

Betriebs-Berater // BB 43.2012 // 22.10.2012