Von Bremen-Vegesack nach Samos

Segeln im Paradies des Dodekanes. Das Beste zum Schluss – Leros ... schließlich zu dem Ergebnis: Mit Hilfe der Bank und .... Deutschland ist auch noch dabei.
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Lisa Schultze-Marg

Von

BremenVegesack nach Samos Unsere abenteuerliche Reise über Flüsse, Kanäle und das Meer

Kellner Verlag Reiseführer

Von Bremen-Vegesack nach Samos Unsere abenteuerliche Reise über Flüsse, Kanäle und das Meer Von Lisa Schultze-Marg

Für Alexander und Joep, ohne die in Roermond vielleicht alles zu Ende gewesen wäre.

Ein Schiff, das im Hafen liegt, ist sicher. Aber dafür werden Schiffe nicht gebaut. Englische Weisheit

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Inhalt Prolog Das geht doch nicht …

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Teil 1 – Durch die Kanäle

01. Juli 2010 bis 04. September 2010 Einsamer Au�ruch und Ende im »Stau« Die ersten Schleusen, Hitzerekord und wunderbare Landschaften Höllenritt auf dem Rhein Orkan in Roermond – das Ende eines Traums? Abenteuerurlaubsland Belgien Leben auf dem langen, ruhigen Fluss Der »Canal de l’Est« Begegnung mit »Aquila« Über den Berg Auf der Saône Huckleberry Finn lebt und kommt aus Lemwerder! Mistral – die Geißel der Provence Durch die Camargue ins Mittelmeer

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Teil 2 – Von Frankreich nach Griechenland 05. September 2010 bis 30. Oktober 2010

Von Port Napoléon zu den Fjorden der Calanque Saint-Tropez – wo die Reichen und Schönen sind Salty Dog Urlaub auf Elba Nachtangler, Abzocker und wunderschöne Orte Auf den Spuren von Odysseus und Goethe

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Wunderbares Salerno und Sturmpause in Camerota »Scylla und Charybdis« – Angst in der Straße von Messina Überfahrt nach Griechenland

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Teil 3 – Überwintern in Griechenland 31. Oktober 2010 bis 06. April 2011

Die Gemeinschaft der »Le�as-Überwinterer« Weihnachten und Silvester Von Engländern, Griechen und anderen Menschen Das Fest der Epiphania Ägypten – rote Korallen und Revolution Februarblues März – Emma und der Frühling kommen

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Teil 4 – Von Lefkas nach Samos (und darüber hinaus) 07. April 2011 bis 18. Juli 2011

Endlich wieder unterwegs Ostern in Griechenland Von Orakeln und Stürmen Der Kanal von Korinth Poros, Hydra und ein Opfer für Poseidon Quer durch die Ägäis Samos! Segeln im Paradies des Dodekanes Das Beste zum Schluss – Leros Der Kreis schließt sich: Von Panteliern, Vegesackern und der Lürssen Werft Freiheit Maritime Glossar für Landratten 4

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Prolog Das geht doch nicht … Freiheit – davon spricht man, wenn man jung ist, noch nicht begriffen hat, wie festgelegt und eingebunden wir alle sind ... oder? 58 Jahre alt, zwei Kinder großgezogen, die jetzt auf eigenen Füßen stehen, etliche gescheiterte Beziehungen, Selbstzweifel, 33 Jahre Lehrerin aus Leidenschaft, seit vier Jahren unerklärlicher Reizhusten, Bandscheibenvorfall, einige Kilos zu viel, Schilddrüse raus, Haus und Freunde in Bremen. Seit 17 Jahren glücklich liiert mit Joachim Lenke (Diabetiker, ebenfalls Bandscheibenvorfall), noch fünf Jahre bis zur Pensionierung – bricht man da aus? Eigentlich ist auch gar kein Geld da, das Haus noch lange nicht abbezahlt, aber da gibt es für uns Menschen im öffentlichen Dienst eine tolle Regelung: das Sabbatjahr. Wenn wir drei Jahre für drei Viertel unseres Gehaltes voll arbeiten, können wir ein Jahr mit eben diesem Gehalt frei über unsere Zeit verfügen. Ohne genauen Plan, nur mit dem Gefühl, dass irgendetwas noch mal passieren muss, mache ich Joachim im Sommer 2006 den Vorschlag, und wir stellen beide den entsprechenden Antrag. War für mich der Ausstieg auf Zeit und das Reisen das Motiv, so war Joachims Traum immer schon das Segeln. Surfen, Sportkatamaran, Chartern, mit Freunden segeln – jetzt vielleicht mit einem eigenen Boot? Ein Katamaran soll es sein – na toll, die sind teuer, und Geld ist nicht vorhanden. Joachim rechnet hin und her und kommt schließlich zu dem Ergebnis: Mit Hilfe der Bank und Einschränkungen in unserem Leben ist es zu schaffen, einen alten, günstigen Katamaran zu kaufen. Zwei Jahre des Suchens folgen. Jeden Sonntagvormittag sitzen wir mit dem Laptop auf dem Schoß im Bett und suchen die Welt nach dem passenden Boot zum machbaren Preis ab. Reisen nach England ergänzen die 5

Suche, und im Frühjahr 2008 haben wir es gefunden: eine Prout Quest 31 (9,40 Meter lang und 4,30 Meter breit), 30 Jahre alt, technisch okay, bezahlbar (40.000 Euro) – aber total hässlich! Blinde, unpassende Fenster, katastrophale Inneneinrichtung ... Im März 2008 holt Joachim mit Freunden das Boot aus Emsworth in Südengland. Es ist der kälteste März seit Jahrzehnten, es schneit, und die Jungs müssen in Dover eine mehrtägige Zwangspause einlegen. Doch dann ist es da, unser hässliches Entlein. »Africat« heißt es, und so geschmacklos wie der Name ist auch die Einrichtung. Zwei Jahre Arbeit folgen. Joachim ist für die Technik und Außengestaltung zuständig, ich streiche und nähe für den Innenbereich. Noch mal fließt außer Freizeit viel Geld ins Schiff. Im Sommer 2009 kommt dann die erste größere Testfahrt. Das Schiff heißt inzwischen »Alithia« und ist in unseren Augen ein Schwan geworden. Bei unserem geringen Budget war diese Verwandlung nur durch die Hilfe lieber Freunde und kreativer Überlegungen möglich. Da stellt zum Beispiel Rudi fest, dass er noch Mahagonibretter im Keller hat, die er uns gerne schenkt. Torsten kann aus ihnen einen Tisch und Bänke bauen ... Da suchen wir in Baumärkten und Campingläden, anstatt im sehr viel teureren Bootshandel, und gestalten unseren Cockpitfußboden mit Holz, das für Terrassen angeboten wird. Siebenmal mit Bootslack behandelt, wird dieser Fußboden auch nach vier Jahren noch wunderbar sein, hat uns aber nur 50 statt 500 Euro gekostet. Wir bereisen fünf Wochen die Ostsee und schaffen es, zweimal in Seenot zu geraten, da der Motor bei absoluter Windstille ausfällt. Diese Erfahrung führt dazu, dass wir uns einen Außenborder als Ersatzmotor anschaffen (unser Katamaran hat im Gegensatz zu anderen nur einen kleinen 16-PS-Dieselmotor). Wir machen etliche Fehler und lernen viel dazu. Auf dieser Reise bekommen wir außerdem noch einmal bestätigt, was wir immer schon ahnten: Der Norden ist uns zum Segeln zu kalt und die Segelsaison viel zu kurz. Sind die Boote Anfang Mai im 6

Wasser, müssen sie spätestens Mitte Oktober schon wieder raus. Die verbleibende Zeit ist zu 50 Prozent verregnet, die Tide unpassend, oder es ist zu stürmisch. Im Winter 2009/2010 verbringen wir die meiste Zeit damit, Schnee vom Schiff zu schaufeln und vor dem Kamin sitzend zu träumen – von Griechenland. Griechenland war schon immer unsere ganz große Liebe. Unendliche Male haben wir es bereist und besegelt, mit dem Sportkatamaran und mit Charteryachten. Wir sind auf Kreta gewandert und haben mit Fährschiffen die Ägäisinseln erkundet. Und immer haben wir uns wohlgefühlt, mit der Art der Menschen vertraut, die Landschaften geliebt. In Volkshochschulkursen erarbeite ich mir ein wenig die griechische Sprache, was sich als Schlüssel zum Herzen der Menschen beweisen wird. Aber mit dem eigenen Schiff nach Griechenland? Wir haben so gut wie keine Erfahrungen, dafür Zeit und Abenteuerlust. Warum sollen wir es nicht versuchen? Wir werden belächelt. Als ich einem Vereinsmitglied erzähle, das Schiff habe den Namen »Alithia« (griechisch: Wahrheit), weil wir mit ihm nach Griechenland wollen, kommt die spöttische Bemerkung, ein Kollege habe sein Schiff »Tonga« genannt und letztendlich die Weser nie verlassen. Überhaupt werden uns viele Bedenken entgegengeschleudert. Am häufigsten hören wir die Warnung vor dem Zurückkommens. Das würde ganz fürchterlich – der Wiedereinstieg ins normale Leben eine Qual. – Wir können das nicht glauben. Was wir zurücklassen ist nun wahrlich nicht schrecklich. Wir mögen unsere Berufe, haben Freunde, ein schönes Haus ... Außerdem erscheint es uns absurd, etwas Schönes zu unterlassen in der Befürchtung, traurig zu sein, wenn es vorbei ist. Dann dürfte man sich ja auch nie verlieben. Andere meinen, zu zweit so lange auf so engem Raum – das müsste jede Beziehung zerstören. Nun, wir hatten 17 Jahre Zeit, unsere Beziehung in Freud und Leid zu testen, 7

und halten sie für sehr stabil. Außerdem gehört Joachim nicht zu den »Hardcore«-Seglern (»Brauchen Frauen an Bord wirklich einen Spiegel?«, fragte mich einer von diesen einmal sehr ernsthaft). Auch Joachim liebt das angenehme Leben, gutes Essen, Gemütlichkeit, und die Planung der Innengestaltung unseres Bootes hatte bei uns beiden den gleichen Stellenwert wie die Klärung der technischen Probleme. Und das Haus? Durch die verrückten Umstände einer bewegten Zeit sind wir nach Auszug vergangener Mitbewohner auf einem Zweifamilienhaus »sitzen geblieben«, ein Umstand, den wir oft verfluchten. Nun passt es: Wir vermieten unten zu einem sehr günstigen Preis an Jürgen, der im Gegenzug die Verpflichtung übernimmt, Schnee zu schippen, Laub zu fegen, den Efeu zu beschneiden und alles, was anfällt, zu erledigen. Wir kannten ihn vorher nicht – reine Vertrauenssache. Es wird sich zeigen, dass Jürgen dieses Vertrauen verdient hat! So findet sich für jedes Problem Schritt für Schritt eine Lösung. Kaum zu glauben, dass ich an meiner Schule nach 33 Jahren die Erste bin, die ein Sabbatjahr beantragt (und unsere Schule ist keine kleine Schule: 60 bis 80 Lehrer waren hier in all den Jahren immer im Dienst). Im Sommer 2010 ist es dann soweit: Verabschiedungsparty, Versprechen, von unserer Reise zu berichten, gute Wünsche, Abschiedstränen. Dann geht es am Donnerstag, dem 01. Juli, los. Das Schiff gleicht mit gelegtem Mast, rundherum verlegten Feuerwehrschläuchen etc. eher einem Floß als einem Segelschiff. Höllisch, die Arbeit zuletzt. Was alles bedacht werden musste! Man kam nicht zum Nachdenken. Aber als wir dann unterwegs sind, kommen sie doch, die Bedenken. Auf was lassen wir uns ein? Wir haben keine Erfahrung auf Flüssen und wenig auf See. Ein ganzes Jahr weg – was macht das mit uns? Werden wir noch Freunde haben, wenn wir wiederkommen? 8

Ständig verzögerte sich der Abfahrttermin, und am 01. Juli sind alle Freunde, die eigentlich zur Verabschiedung am Kai stehen wollten, bereits im Urlaub. Wir starten morgens um elf Uhr allein. Es ist diesig und warm. Als am »Utkiek«, der Aussichtsplattform von Bremen-Vegesack, dann doch noch Jutta und Volkmar stehen und winken, kann ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten, und ich habe Angst vor dem, was uns erwartet. Vielleicht ist das ganze doch eine Nummer zu groß für uns?

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Teil 1 – Durch die Kanäle

Teil 1 Durch die Kanäle

Einsamer Aufbruch und Ende im »Stau« Am 30. Juni verlassen wir abends zu Fuß unser Haus, um für ein Jahr wegzubleiben. Nur mit einem leichten Rucksack, welcher Zahnbürste, Waschzeug, Papiere und Geld enthält, laufen wir von unserem Haus in Vegesack zum Grohner Yachthafen, wo »Alithia« im VWV (Verein Wassersport Vegesack) vollbepackt wartet. Früh am nächsten Morgen brechen wir auf, es ist schwül, diesig und drückend. Drückend ist auch die Stimmung an Bord. Bis zur Abzweigung der Hunte fahren wir auf der Weser im vertrauten Gebiet, aber schon die Huntebrücke stellt uns 10

01. Juli 2010 – 01. September 2010

vor eine unerwartete Herausforderung: Ein Licht leuchtet rot – dürfen wir trotzdem durch? Nach einer Weile des Zögerns entscheiden wir uns für »Ja« und gelangen in die recht enge Hunte, in der erstaunlich viele Schiffe unterwegs sind. Stau – das ist in diesem Fall kein Zustand auf heißen Autobahnen, mit dem so mancher normale Urlaub anfängt. Stau ist der Name des kleinen Hafenabschnitts in Oldenburg, der unser erster Anlegehalt ist. Die Hunte ist hier zu einer kleinen »Sackgasse« gestaut, rundum sind Cafés und Restaurants. Sonne, lachende Menschen, plärrende Fernseher – wir befinden uns mitten in der Fußballweltmeisterschaft 2010, in der gerade die spannende Endphase beginnt. Deutschland ist auch noch dabei. Das Viertelfinalspiel Hollands sehen wir auf der Großleinwand und trinken danach mit netten Holländern ein Glas auf deren Sieg auf ihrer luxuriösen Motoryacht. Auf einmal werden unsere Gastgeber ganz aufgeregt. Ihr Boot ist neu und teuer, und obwohl sie Holländer sind, haben sie sich nicht wirklich Gedanken über Tiden gemacht. So haben sie Angst, als das Wasser sinkt und sich ihr Schiff im Schlamm steckend zur Seite neigt, umzukippen oder zumindest nie wieder freizukommen. – Wir können sie beruhigen, und ein paar Stunden später schwimmt ihr Schiffchen wieder. Auf einer nebenan liegenden Péniche leben Schweizer, die schon oft in den französischen Kanälen unterwegs waren. Auch sie laden uns auf ihr Schiff ein und geben uns jede Menge Tipps. Es ist so einfach, Kontakt zu bekommen, und die Angst vor der Einsamkeit schwindet. Eigentlich soll es am Tag darauf gleich weitergehen, doch daraus wird nichts: Wir haben das Ladegerät für die Kamera vergessen, und die Fäkalienpumpe ist kaputt. Also leiht Joachim sich ein Auto und rast nach Bremen, um beides zu besorgen. So fängt das immer bei uns an.

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Teil 1 – Durch die Kanäle

Die ersten Schleusen, Hitzerekord und wunderbare Landschaften Über den Küstenkanal geht es zwei Tage später weiter – unsere erste Binnenschleuse. Das Schicksal meint es gut mit uns, wir sind ganz alleine in der Schleusenkammer, und mit viel Herzklopfen klappt das An- und Ablegen. Ich muss das Boot mit dem Schleusenhaken festhalten, während Joachim die Leinen befestigt. Im Küstenkanal ist wenig los, ruhig und gemütlich fahren wir im Fahrradtempo durch eine wunderschöne grüne Landschaft. Das Viertelfinalspiel Deutschlands können wir am Ende des Küstenkanals in einer gemütlichen Kneipe zusammen mit mehreren netten Menschen sehen. 12