Visionen eines zukünftigen Deutschlands: Alternativen zur ...

Evans u. Hartmut Pogge von Strandmann, Oxford: Oxford University Press, 2000, 207–. 235. ... im Wissenschaftsvergleich, m. Beitrr. v. Atsushi Takada u. ... Januar 1918, abgedruckt in: David Lloyd George, War Memoirs, V, London: Nichol-.
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Visionen eines zukünftigen Deutschlands: Alternativen zur Paulskirchenverfassung 1848/49 Mit einer Einführung und Annotationen herausgegeben von Horst Dippel

Band I: Einführung

Duncker & Humblot · Berlin

Visionen eines zukünftigen Deutschlands: Alternativen zur Paulskirchenverfassung 1848/49

Visionen eines zukünftigen Deutschlands: Alternativen zur Paulskirchenverfassung 1848/49

Mit einer Einführung und Annotationen herausgegeben von Horst Dippel

Band I: Einführung

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlag: Zug des deutschen Parlaments nach der Paulskirche in Frankfurt am 18. Mai 1848 (© akg-images) Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Fotosatz Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISBN 978-3-428-15103-5 (Print) ISBN 978-3-428-55103-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-85103-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Einerseits begeisterte Worte, andererseits thörichter Glauben.1 Eine Verfassung ist nichts anderes als die in Rechtsform gebrachte Selbstverwirklichung der Freiheit eines Volkes.2

Vorwort Als 1998 in Deutschland und mit besonderer Intensität im Südwesten der Republik die 150-Jahr-Feier der Revolution von 1848/49 begangen wurde, erschien die Revolution in aller Munde, und es kam vielfach Volksfeststimmung auf. Es hatte etwas Befreiendes an sich, gleichsam als hätte die Revolution im Nachhinein doch noch gesiegt, schien man sich jetzt doch vordergründig mit den Demokraten und Revolutionären von einst solidarisieren zu können.3 Damit unterschied sich die Anteilnahme der Öffentlichkeit grundlegend von dem Gedenken von 1898 und 1948. Doch nicht allein die Öffentlichkeit bekundete jetzt in Festen, Veranstaltungen und Ausstellungen oberflächliche Sympathien mit den Revolutionären von einst, auch die Wissenschaft sah sich im Bann der Revolution, was von kritischer Distanz bis zu notwendiger Aufarbeitung von seit den Zeiten des Obrigkeitsstaates verschütteten Traditionen reichte. Ohne Übertreibung wird man feststellen können, dass 1998 mehr wissenschaftliche Untersuchungen über die Revolutionen von 1848/49 in Deutschland und Europa erschienen als je in einem Jahr zuvor. So groß der wissenschaftliche Ertrag zu Regionen, Institutionen, politischen Gruppierungen, sozialen Schichten, Orten, Vereinen und einzelnen Revolutionären 1998 auch gewesen sein mag, war das Interesse zumal von Historikern und Rechtshistorikern doch sehr ungleich verteilt. Zwar wurden auch die Frankfurter Nationalversammlung und ihre Tätigkeit mit einer Reihe von Untersuchungen bedacht. Doch vor einer umfassenden Würdigung ihres Verfassungswerks scheute der wissenschaftliche Elan gleich einem Pferd vor einem unüberwindbar 1 F. L. Streber, Revolutinaire Diplomatie. Reflexionen und Charakteristiken, Berlin: Hoffmann & Compagnie, 1849, 8. 2 Carlo Schmid in der zweiten Sitzung des Plenums des Parlamentarischen Rats am 8. September 1948, in: Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, IX: Plenum, bearb. v. Wolfram Werner, München: Boldt, 1999, 21. 3 Laut Heinz-Gerhard Haupt, „Die 1848er Revolution: Verbreitungsmuster – Merkmale – Ordnungsstiftung“, in: Recht und Juristen in der deutschen Revolution 1848/49, hrg. v. Franz Josef Düwell u. Thomas Vormbaum, Baden-Baden: Nomos, 1998, 244, waren Deutschland und Ungarn 1998 „Spitzenreiter im Gedenktrubel“ der 1848er Revolution in Europa. Vgl. auch Robert Gildea, „1848 in European Collective Memory“, in: The Revolutions in Europe 1848–1849. From Reform to Reaction, hrg. v. R. J. W. Evans u. Hartmut Pogge von Strandmann, Oxford: Oxford University Press, 2000, 207– 235.

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erscheinenden Hindernis zurück. Allein einer schien in der Lage, es zu nehmen, und das war Jörg-Detlev Kühne mit der zeitgemäßen Neuauflage seiner Reichsverfassung der Paulskirche, die doch eher ihrer nachwirkenden Bedeutung als dem Text selbst, seiner Entstehung und Einordnung in den zeitgenössischen Verfassungsdiskurs gewidmet ist.4 Jenseits der Frankfurter Reichsverfassung (FRV) und ihrer Wirkungsgeschichte breitet sich hingegen unverändert eine weite verfassungsgeschichtliche terra incognita aus, zumal Teile der deutschen Staatsrechtslehre es in der Folge mehrheitlich vorziehen sollten, den Blick auf die Verfassung von 1871 „als letzter vollendeter Ausdruck des Konstitutionalismus“ zu konzentrieren,5 obwohl dieser in einer Sackgasse endete und rückblickend aufgrund ihres autokratischen Militarismus zu Recht als gefährlicher Anachronismus gegeißelt wurde6 und aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts dringend einer grundlegenden Neubewertung jenseits nationaler Befindlichkeiten bedarf.7 Die Verfassungsdiskussion von 1848/49 erschien aus diesem Blickwinkel als überholt.8 Vergleichende Untersuchungen zu den Revolutionsverfassungen der deutschen Staaten bzw. deren Änderungen fehlen daher.9 Eine komparatistische 4 Jörg-Detlef Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche. Vorbild und Verwirklichung im späteren deutschen Rechtsleben, Neuwied: Luchterhand, 21998. 5 So zuletzt Michael Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806–1918. Eine Dokumentensammlung nebst Einführungen, I, Berlin/Heidelberg: Springer, 2006, 252, mit Berufung auf Karl Sterns Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland von 2000. Zur Problematik der deutschen Staatsrechtslehre unter den Bedingungen der modernen demokratisch-parlamentarischen Rechtsordnung, von Europäisierung und Globalisierung, vgl. Christoph Schönberger, Der „German Approach“. Die deutsche Staatsrechtslehre im Wissenschaftsvergleich, m. Beitrr. v. Atsushi Takada u. András Jakab (Fundamenta Juris Publici, 4), Tübingen: Mohr Siebeck, 2015. 6 So etwa der britische Premierminister Lloyd George in seiner bekannten Rede vom 5. Januar 1918, abgedruckt in: David Lloyd George, War Memoirs, V, London: Nicholson & Watson, 1936, bes. 2517–2518: „Nor did we enter this war merely to alter or destroy the Imperial constitution of Germany, much as we consider that military autocratic constitution a dangerous anachronism in the twentieth century. Our point of view is that the adoption of a really democratic constitution by Germany would be the most convincing evidence that in her the old spirit of military domination had indeed died in this war [. . .]. But, after all, that is a question for the German people to decide.“ 7 Zur deutschen Verfassungsgeschichtsschreibung der zweiten Hälfte des 19. wie des 20. Jahrhunderts vgl. generell Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert. Zeitgebundene Fragestellungen und Leitbilder, Berlin: Duncker & Humblot, 21995; Ewald Grothe, Zwischen Geschichte und Recht. Deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung 1900–1970, München: Oldenbourg, 2005. 8 Vgl. jedoch eine der wenigen neueren Ausnahmen: Simon Kempny, Die Staatsfinanzierung nach der Paulskirchenverfassung. Eine Untersuchung des Finanz- und Steuerverfassungsrechts der Verfassung des deutschen Reiches vom 28. März 1849, Tübingen: Mohr Siebeck, 2011. 9 Vgl. dagegen die hervorragende Untersuchung von Kerstin Singer, Konstitutionalismus auf Italienisch. Italiens politische und soziale Führungsschichten und die oktroyierten Verfassungen von 1848, Tübingen: Max Niemeyer, 2008.

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Betrachtung des Verfassungswerks von Frankfurt und von Kremsier bleibt ein Desiderat, eine Analyse des Einflusses des schweizerischen Staatsrechts auf das deutsche vermisst man ebenso wie die der Auswirkungen der Verfassungsneuschöpfungen in Dänemark, den Niederlanden und Luxemburg, die doch alle in einem engen, wenn auch zum Teil nicht unproblematischen Zusammenhang zu den Staaten des Deutschen Bundes standen und zumindest regional wahrgenommen worden sein dürften, von weiteren europäischen Verfassungsentwicklungen der Revolutionsjahre ganz zu schweigen. Das größte Defizit ist jedoch die bislang völlige Ausblendung des innerdeutschen Diskurses über die Verfassungsvorstellungen der Paulskirchenmehrheit und die zu diesen deutschlandweit vorgebrachten alternativen Vorstellungen. Zwar gibt es Bibliographien über die Flugschriftenliteratur der Revolution,10 aber wirklich untersucht hat diese Flugschriften unter dem Aspekt der Schaffung einer gesamtdeutschen Verfassung bislang niemand, sieht man einmal von der längst überholten Teilstudie von Haufe ab.11 Hinzu kommen die Tausende von Eingaben an den Verfassungsausschuss der Nationalversammlung, von denen etliche ganze Verfassungsentwürfe oder doch solche zu größeren Teilen einer zukünftigen Reichsverfassung enthalten. Auch diese harren unverändert ihrer Auswertung. Diese Forschungslücke wiegt umso schwerer, als zu keiner anderen Zeit im Deutschland des 19. und 20. Jahrhunderts, weder 1867/71 noch 1919 oder 1949, auch nicht 1989/90, eine vergleichbar breite, alle Schichten der Bevölkerung umfassende Diskussion über die zukünftige verfassungsmäßige Gestaltung Deutschlands stattgefunden hat. Nie wieder wurden in derartiger Breite die politischen Zukunftsperspektiven des eigenen Lebens wie des ganzen Landes diskutiert. Die Intensität der Auseinandersetzung mag in abgelegenen ländlichen Räumen mitunter geringer als in den Universitäts- und Residenzstädten gewesen sein. Dennoch fühlten sich Bauern und Handwerker ebenso einbezogen – und äußerten sich entsprechend – wie Geistliche, Advokaten oder Beamte. Alle wollten ihre Stimme erheben, Unmengen von politischen Vereinen von rechts bis links wurden gegründet und mobilisierten ihre Anhänger und Mitstreiter in nah und fern. Nicht nur Verfassungsentwürfe zirkulierten, sondern auch gültige Verfassungen aus Europa wie Nordamerika, die als Anregung oder Modell dienen konnten. 10 Paul Wentzcke, Kritische Bibliographie der Flugschriften zur deutschen Verfassungsfrage, 1848–1851, Halle: Niemeyer, 1911 (Nachdr. Hildesheim: Georg Olms, 1967); Heinz Boberach und Horst Zimmermann, Publizistische Quellen zur Geschichte der Revolution von 1848 und ihrer Folgen. Inventar der Bestände in der Stadt- und Universitätsbibliothek, im Stadtarchiv und im Bundesarchiv Frankfurt am Main, Koblenz: Bundesarchiv, 1996. 11 Richard Haufe, Die Anschauungen über Gebiet, Staatsform und Oberhaupt des deutschen Nationalstaates in den Flugschriften der Jahre 1848/49, Diss. phil. Leipzig 1914 [auch erschienen u. d. T. Der deutsche Nationalstaat in den Flugschriften von 1848/49].

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Auch wenn nicht jeder sich gleichermaßen in den Feinheiten ihrer jeweiligen Konstruktion zurechtfinden mochte und selbst so mancher Jurist, der sich hier an erster Stelle zur Artikulation aufgefordert sah, als Experte für Verfassungsrecht gelten konnte – zu neuartig war die durch die Revolution auf die Tagesordnung geworfene Materie für die übergroße Mehrheit, die in der Vergangenheit diesen Fragen eher wenig Interesse entgegengebracht hatte –, so sah sich doch in dieser allgemeinen Euphorie und Aufbruchstimmung ein jeder aufgefordert, sich zu artikulieren. Kein Wunder, dass sich als Ergebnis der heutige Verfassunghistoriker einer bis dahin und seither nie wieder erreichten Fülle von Verfassungsvorstellungen und -modellen gegenüber sieht. Aber auch der Mentalitätshistoriker findet, ohne sich in die Details von Verfassungskonstruktionen verlieren zu müssen, eine selten erreichte Konzentration unterschiedlicher politischer Anschauungen und Zukunftsvisionen, die sich nach Altersgruppen, Bildung, sozialer Zugehörigkeit, religiösen Überzeugungen und anderen Faktoren auffächern lassen. Insgesamt machen sie nicht allein die besondere Qualität der Revolutionszeit aus, sie haben auch bis heute nichts an Bedeutung verloren. Selbst wo die konkrete Verfassungskonstruktion rudimentär oder in sich widersprüchlich sein mochte, unterstreichen diese Texte doch alle den 1848/49 noch kaum entwickelten Grundsatz, dass politische Entscheidungen lediglich dann Akzeptanz und Dauer beanspruchen können, wenn sie nicht auf Macht, sondern auf Konsens beruhen. Auch wenn der Staatsrechtler, der Politologe wie der Historiker mit diesen Verfassungsentwürfen in der Vergangenheit wenig anzufangen wussten, gilt es, diesen Fundus endlich zu heben und sich seiner bewusst zu werden, statt den Blick ausschließlich auf die Reichsverfassung von 1849 einzuengen – sofern man diesen nicht gleich nach 1871 weiterschwenkt –, um ermessen zu können, wie sich die Gewichtungen verteilten und warum Entscheidungen, die Auswirkungen auf die nachfolgenden hundert Jahre hatten und die unterschiedlichen Zukunftsvisionen prägten, die nachfolgend auf dem Markt der Meinungen präsent waren. Geht es doch nur vordergründig um Verfassungstexte und ihre Analyse als vielmehr tatsächlich um die Art und Weise, wie sich die Deutschen 1848/49 die politischen Rahmenbedingungen eines Landes vorstellten, in dem sie zukünftig leben wollten mit allen Konsequenzen, die sich daraus für ihr eigenes Leben ergaben. Es mag der Euphorie der damaligen Revolutionsbegeisterung – 1848 wie in seinem fernen Nachhall 1998 – geschuldet sein, die mich nach 1998 dazu bewogen hat, mich jenem weit gespannten Zukunftsdiskurs zuzuwenden, und so hatte ich mich bald darauf entschlossen, einschlägige Flugschriften und Petitionen – den Grundstock der auszuwertenden Petitionen damals noch in Frankfurt, den Rest später in Berlin – zu sammeln. Der Verleger, ursprünglich in der Gestalt von Prof. Dr. Norbert Simon, stand dem Projekt von Anbeginn sehr aufgeschlossen gegenüber. Doch seine Ermunterungen habe ich – aus seiner nachvollziehbaren Sicht – immer wieder mit Enttäuschungen honoriert. Die Arbeit zog sich hin und

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wurde schließlich Opfer eines ganz anders ausgerichteten größeren DFG-Projektes, das über ein Jahrzehnt meine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte. So sind nach den ersten bescheidenen Anfängen inzwischen rund fünfzehn Jahre bis zu seiner endlichen Fertigstellung vergangen, was die Nerven des Verlegers, inzwischen Dr. Florian Simon, nachvollziehbarerweise über Gebühr strapazierte. Für diese Zumutung kann ich bei Vater und Sohn nur auf Nachsicht hoffen und mich bei beiden für ihre arg auf die Probe gestellte Geduld zugleich aufrichtig bedanken. Zu meiner Entschuldigung und Rechtfertigung kann ich allein vorbringen, dass nach meiner Überzeugung das Gesamtwerk in all den Jahren nachhaltig gereift ist und an Struktur, Umfang und Aussage substantiell gewonnen hat. Ihm kam zugute, dass inzwischen, anders als noch um das Jahr 2000 Flugschriften und in kaum überschaubarem Maße weitere wichtige einschlägige Quellen und Literatur mit Hilfe des Internets allgemein zugänglich geworden sind. So wäre ohne die im Aufbau befindliche Zeitschriftendatenbank (ZDB) die Datierung der in Band II abgedruckten Texte in dieser Form kaum möglich gewesen. Dank dieser digitalen Revolution haben sich, wessen man sich noch längst nicht in allen Archiven, Bibliotheken und Sammlungen bereits hinreichend bewusst zu sein scheint, auch die Methoden wissenschaftlicher Arbeit und Forschung grundlegend verändert. Im konkreten Fall, wenn davon auch allein ein kleiner, mir jedoch wichtiger Teil der Gesamtarbeit betroffen ist, war es daher möglich, anders als noch vor zehn, zwanzig Jahren, unverzichtbare biographische Daten von kaum bekannten Autoren und andere, in der Literatur häufig falsch wiedergegebene Details zusammenzutragen, die früher ungeklärt und unberücksichtigt bleiben mussten oder unüberprüft weiter kolportiert wurden, da niemand für derartige „Marginalien“ Zeit und Geld hatte, von Archiv zu Archiv zu ziehen, zumal wenn diese weit verstreut und über mehrere Länder verteilt liegen. Diese Intensivierung der Forschung, die dank moderner Kommunikationsmöglichkeiten heute weitgehend ohne Präsenz vor Ort durchgeführt werden kann, stellt Archive und Bibliotheken vor neue, bislang in diesem Umfang nicht gekannte Herausforderungen. Generell bin ich auf große Bereitschaft getroffen, sich diesen neuen Aufgaben zu stellen. Doch blieben auch mir die in Fachkreisen hinreichend bekannten Fälle von Verweigerung der Mitarbeit nicht erspart, während in wenigen anderen Fällen offensichtlich die Versuchung für den Kämmerer oder Finanzminister zu groß erscheint, Archive als wohlfeile Einnahmequelle zu betrachten und eine Gebührenpflichtigkeit selbst bei jenen wissenschaftlichen Anliegen zu dekretieren, die lediglich einen vergleichsweise überschaubaren Arbeitsaufwand verursachen, wie sie das Ermitteln biographischer Daten im Regelfall darstellen. Diese Versuche, die modernen Formen der Wissensgerierung zu erschweren – würden diese Beispiele Schule machen, hätte es die hier in Anhang III wiedergegebenen Kurzbiographien in dieser Form nicht gegeben –, sind,

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da nicht allein aus wissenschaftlichen Gründen höchst bedenklich, sicherlich die falsche Reaktion. Allen ihren Verfechtern sei daher etwa die Lektüre von § 2,1,3 des Archivgesetzes der EKD anempfohlen, dessen Verpflichtung, Archivgut „nutzbar zu machen“ und „für die Benutzung bereitzustellen“, man in staatlichen Archivgesetzen, angefangen vom Bundesarchivgesetz, vielfach schmerzlich vermisst. Derartige Bestrebungen sind zudem rechtlich höchst zweifelhaft, da sie eine Form der Selbstbegünstigung darstellen, wo anderenorts auf mangelnde eigene Kapazitäten und eine Liste freier Rechercheure verwiesen wird, aus denen man eine unabhängige Person auswählen und gegen entsprechende Bezahlung mit den erforderlichen Nachforschungen beauftragen kann. Sie bewegen sich darüber hinaus in einer verfassungsrechtlichen Grauzone angesichts ihres offensichtlichen Widerspruchs zur Garantie der Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes. Eine moderne Wissensgesellschaft sollte mit zeitgemäßeren Antworten auf die Revolutionierung des Wissenschaftsbetriebs reagieren. Dass meine Untersuchung dennoch insgesamt bis auf wenige Ausnahmen methodologisch von der neuen Forschungssituation profitieren konnte, ist hingegen allen jenen aufrichtig zu danken, die mit mir diese neuen Wege in den einzelnen Archiven, Bibliotheken und Sammlungen vielfach mit bewunderswertem Engagement und Elan gegangen sind, während sich noch vor fünfzehn Jahren studentische Hilfskräfte allzu häufig vergebens mühten, mit traditionellen Mitteln auch nur der wichtigsten biographischen Daten unbekannter Autoren habhaft werden zu können. Dennoch gilt ihnen mein nachdrücklicher Dank für diese vielfach frustrierende Arbeit. Auch in anderen Bereichen wäre diese Arbeit, so wie sie heute ungeachtet ihrer Mängel vorgelegt werden kann, vor fünfzehn Jahren nicht zu erstellen gewesen, sei es allein, weil die seither vergangene Zeit so manches hat heilen helfen und reifen lassen und das allgemein verfügbare Wissen nicht zuletzt in der Form digitalisierter Quellen vormals ungeahnte Ausmaße angenommen hat und täglich weiter wächst. Ferner konnte ich nicht zuletzt von den Anregungen der Kollegen Jörg-Detlef Kühne, Hannover, Brigitte Mazohl, Innsbruck und Matthias Manke, Schwerin, profitieren, die sich der Zumutung unterzogen, ein nicht einmal halbfertiges Manuskript durchzulesen und zu kommentieren, wofür ich ihnen zu tiefem Dank verpflichtet bin. Den Mitarbeitern des Bundesarchivs, in den Anfangsjahren dieser Arbeit noch in Frankfurt am Main, seither in Berlin, danke ich für die Anfertigung von Kopien der in ihrem Besitz befindlichen Eingaben und Entwürfe sowie die Hilfestellung bei der Klärung zahlloser offener Fragen und ebenso den Mitarbeitern der Universiätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel für die Beschaffung aller übrigen Entwürfe, von denen längst nicht alle in den folgenden Jahren insbesondere in Frankfurt/M. und München digitalisiert wurden. Besonderer Dank gebührt dem Kollegen Olivier Jouanjan und auf seine Vermittlung zumal Maria Kordeva für die Anfertigung von Scans von drei seltenen Flugschriften aus den Beständen der Bibliothèque nationale et universitaire de Strasbourg. Darüber

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hinaus gilt mein aufrichtiger Dank den über 160 Archiven, Bibliotheken und weiteren Institutionen und ihren überaus bemühten und entgegenkommenden Mitarbeitern zwischen Tartu (Dorpat) und New York, die bereitwillig meine nicht immer einfachen Fragen beantwortet und mir mit ihren Antworten und Hinweisen vielfache Dienste erwiesen haben. Auch wenn diese elektronische und mitunter telefonische Kommunikation kein wirklicher Ersatz für die eigene Recherche vor Ort ist, die sich angesichts der Fülle und breiten Verstreutheit der zu konsultierenden Einrichtungen von selbst verbot, haben mir doch die auf diese Weise erhaltenen Auskünfte und Materialien ungeachtet ihrer naturgemäßen Unterschiedlichkeit in aller Regel dazu verholfen, biographische Lücken so weit wie möglich und nötig zu schließen und in der Literatur kolportierte Angaben zu präzisieren und notfalls zu korrigieren bzw. ergänzende Kenntnisse über Vereine zu gewinnen. Ein weiterer Dank gilt den Damen und Herren der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg sowie Frau Ursula Binnewies vom Obstbauzentrum Esteburg in Jork, eine in diesem Zusammenhang eher exotisch anmutende Institution, und Frau Annette Meier von der Stadtbibliothek Buxtehude, die für die Verfügbarmachung der Literatur vor Ort in Hamburg bzw. für die Beschaffung der notwendigen Fernleihen mit Umsicht und Kompetenz gesorgt haben. Nicht geringer ist mein Dank schließlich gegenüber meinen seinerzeitigen Sekretärinnen in Kassel, Angelika Ferrante und Ingeborg Radde, für die Transkription Dutzender Texte, darunter etliche in nicht immer leicht leserlicher Sütterlinschrift sowie an Matthias Schneider für vielfältige, jahrelange Hilfe als eine Art „Feuerwehrmann“, worunter nicht zuletzt auch das OCRen einer Reihe, zum Teil besonders langer Texte gehörte, was den Transkriptionsprozess deutlich beschleunigen half. Andreas Beck vom Verlag Duncker & Humblot bin ich zutiefst für das sorgfältige Lektorieren dieses Werks verbunden, während ein besonderer Dank der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur für die großzügige Förderung des Drucks dieser drei Bände gilt. Einen nicht in Worte zu fassenden Dank schulde ich schließlich meiner lieben Frau Gudrun, die sich sicherlich meinen „Ruhestand“ reichlich anders vorgestellt hatte. Jork, im Februar 2016

Horst Dippel

Inhaltsverzeichnis BAND I: EINFÜHRUNG I. Die Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Die Texte und das biographische Profil ihrer Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Der Kampf um die Verfassungsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 a) Die konstitutionelle Monarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 b) Die parlamentarische Monarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 c) Der moderne Konstitutionalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 d) Die Verfassung des souveränen Volkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 e) Die Diskussion um die Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 IV. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Archive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verzeichnis der Eingaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Übrige ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verzeichnis der Entwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Übrige Flugschriften und Zeitungen 1848/49 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Übrige gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192 192 192 192 193 194 195 204 213 217

Anhang I: Chronologische Anordnung der Eingaben und Entwürfe . . . . . . . . . . . . . . 247 Anhang II: Inhaltliche Eingruppierung der Eingaben und Entwürfe . . . . . . . . . . . . . 249 Anhang III: Kurzbiographien der Autoren der Eingaben und Entwürfe . . . . . . . . . . . 251

BAND II: TEXTEDITION Teilband 1 Editionskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

I. Frühe Entwürfe (März–April 1848) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

II. Die Zeit des Siebzehnerentwurfes (Mai–Juni 1848) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

XIV

Inhaltsverzeichnis BAND II: TEXTEDITION Teilband 2

III. Reaktionen auf die Verfassungsberatungen der Paulskirche (Juli–Dezember 1848) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755 IV. Die Diskussion um die Grundrechte (Juni 1848–März 1849) . . . . . . . . . . . . . . . . 919 V. Die Debatte um die Paulskirchenverfassung (Februar–Mai 1849) . . . . . . . . . . . . .1261