Vetternwirtschaft. Der Briefwechsel von Friedrich II. und ... - Buch.de

Worte und der Schriften, wie jüngst Manfred Schort gezeigt hat.14. In diesem ... spitzer Feder ein, um den österreichischen Feldmarschall Daun lächerlich zu ...
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Vetternwirtschaft Briefwechsel zwischen Friedrich II. und Luise Dorothea von Sachsen-Gotha

Herausgegeben von Günter Berger und Julia Wassermann

Duncker & Humblot . Berlin

Vetternwirtschaft

Vetternwirtschaft Briefwechsel zwischen Friedrich II. und Luise Dorothea von Sachsen-Gotha Aus dem Französischen übersetzt

Herausgegeben von Günter Berger und Julia Wassermann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Veröffentlichung wurde gefördert durch die Stiftung Preußische Seehandlung, Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagbild: Brief von Friedrich II. an Luise Dorothea von Sachsen-Gotha vom 26. 4. 1764 (im Band Brief Nr. 94) # Thüringisches Staatsarchiv Gotha, Geheimes Archiv E XIIIa Nr. 15 Bl. 68 Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten # 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISBN 978-3-428-13585-1 (Print) ISBN 978-3-428-53585-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-83585-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 * ∞ Internet: http://www.duncker-humblot.de

Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

Einleitung Schreibanlässe Als im Sommer des Jahres 1740 der briefliche Austausch zwischen dem 27-jährigen Preußenkönig Friedrich II. und der zwei Jahre älteren Luise Dorothea einsetzt, ist es nicht etwa die Herzogin des kleinen Fürstentums von Sachsen-Gotha-Altenburg, von der die Initiative ausgeht, obwohl es dazu durchaus Anlass gegeben hätte: Immerhin war die aus Sachsen-Meiningen stammende Luise Dorothea nach dem frühen Tod ihrer Mutter von ihrer Stiefmutter Elisabeth Sophie aus dem Hause Brandenburg erzogen worden,1 so dass sie schon aus dieser Nähe zu Brandenburg-Preußen einigen Grund gehabt hätte, dem ‚Salomon des Nordens‘ zu seinem Regierungsantritt im Mai dieses Jahres zu gratulieren. Stattdessen ist es der vermeintliche Friedensfürst auf dem Preußenthron, der – schließlich ist ja, wie wir spätestens seit Heraklit wissen, der Krieg der Vater aller Dinge – in einem nicht erhaltenen Brief die Initiative ergreift und die Herzogin auffordert, ihm Soldaten zu stellen.2 Dass die Reaktion auf diese erste Aufforderung, Truppen zu stellen, ebenso wenig enthusiastisch ausfällt wie diejenigen auf spätere Maßnahmen des Königs zur Rekrutierung Gothaer Landeskinder, ist verständlich, soll aber hier nicht weiter diskutiert werden. Nichts weist zunächst auf einen intensiven Briefwechsel und vielfältigen, ausgedehnten Meinungsaustausch zwischen den beiden Korrespondenten hin, stammt doch der nächste erhaltene Brief erst vom 26. 2. 1746 (unser Brief 2), in dem die Herzogin – nach mehr als fünf Jahren zäher Verhandlungen – die Stellung von Rekruten bestätigt. Nach Raschke, Französische Aufklärung bei Hofe, S. 24. Dieser Brief wird von Cotoni, S. 93 auf Grundlage der Antwort der Herzogin vom 25. 8. 1740, vgl. unseren Brief 1, rekonstruiert. 1 2

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Mehr als zwei Jahre später sind es die Interessen ihres Herzogtums im Erbfolgestreit um Weimar nach dem Tod des Herzogs Ernst August im Januar 1748,3 die Luise Dorothea dazu veranlassen, den Briefwechsel neu anzuknüpfen und den mächtigen Preußenkönig um Beistand in diesem Konflikt zu bitten (Brief 3 vom 4. 4. 1748). Auch im Fall dieses Hilfeersuchens kommt die Reaktion nicht gerade euphorisch daher – aller auf der Textoberfläche bekundeten Hilfsbereitschaft und herausgestellten Hilfeleistung zum Trotz.4 Bis zur endgültigen Beilegung dieses Streits Ende des Jahres 1749 folgen nur noch wenige Briefe und danach ein langes Schweigen, das nun wiederum Friedrich bricht, als er 1756 die Gothaer Herzogin um Unterstützung seines in einen Prozess verwickelten Ministers Gotter ersucht (Brief 8 vom 27. 4. 1756). Dass die Korrespondenz erst im September 1757 so recht in Gang kommt – wiederum auf Initiative Friedrichs – nach seinem Besuch in Gotha anlässlich der Befreiung der Stadt von ihren ungebetenen Gästen aus Frankreich und Österreich,5 lässt sich möglicherweise auch damit erklären, dass die Herzogin Voltaire nach dessen unrühmlichen Abgang aus Berlin Ende März 1753 gastfreundlich aufgenommen hatte.6 Und diese freundschaftliche Geste gegenüber dem aus Friedrichs Sicht flüchtigen Dieb und Betrüger dürfte ihr längeren Groll seitens des mächtigen Herrschers eingetragen haben. Auch nach Ende des Siebenjährigen Krieges und dem damit verbundenen Ende der militärisch-politischen Interessengemeinschaft der beiden Briefpartner dauert ihr Austausch, mit verändertem Themenschwerpunkt, zunächst fort, um erst mit Beginn des Jahres 1765 drastisch nachzulassen – vielleicht wegen der fortschreitenVgl. Cotoni, Introduction, S. 17. Vgl. Brief 4 vom 20. 4. 1748 mit Anm. 2, aus der erhellt, in welchen Grenzen Friedrich seine Unterstützungsbereitschaft aus reichspolitischen und strategischen Gesichtspunkten heraus zu halten gedenkt. 5 Vgl. Cotoni, S. 106, Anm. 2 zum Brief vom 16. 9. 1757. 6 Voltaire hielt sich nach einer Zwischenstation in Leipzig vom 22. 4. – 25. 5. 1753 in Gotha auf (vgl. Raschke, Französische Aufklärung bei Hofe, S. 36) und preist sein dortiges Asyl im Rückblick als „Tempel der Grazien, der Vernunft, des Geistes, der Wohltätigkeit und des Friedens“ in seinem Brief aus Wabern bei Kassel vom 28. 5. 1753, zit. nach Raschke (Hrsg.), Der Briefwechsel, S. 6. 3 4

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den Krankheit Luise Dorotheas, von der von diesem Zeitpunkt an bis zu ihrem Tode am 22. Oktober 1767 nur noch eine Handvoll Briefe an den Cousin überliefert sind.

Schreibformen Wie stark der briefliche Austausch von ihren jeweiligen durchaus unterschiedlichen Interessen geprägt ist, bleibt unter der glatten Oberfläche der Normen und Konventionen des Briefschreibens im höfisch-höflichen Zeitalter eher verborgen. Das Besondere dieser Korrespondenz zwischen ‚Cousin‘ und ‚Cousine‘ – insbesondere Friedrich verzichtet ganz selten auf diesen verwandtschaftliche Nähe signalisierenden Titel – ist ihr Zwischenstatus: Es handelt sich weder um einen offiziellen politischen Briefverkehr zwischen Amtsträgern oder Reichsfürsten noch um rein privat-familiäre Briefe zwischen Freunden, Verwandten, Gleichgesinnten. Zwar ist Friedrich immer „Sire“, immer „Majestät“ als König von Brandenburg-Preußen,7 ist Luise Dorothea immer „Hoheit“ als Herzogin von Sachsen-Gotha-Altenburg, aber diese höfisch-höfliche Distanz wird auch immer wieder besonders von Friedrich als dem Ranghöheren überbrückt von Signalen der Nähe wie „meine liebenswerte Herzogin“ (Briefe 54, 56 usw.), oder auch „meine liebe Herzogin“ (Briefe 56, 61 usw.) bis hin zur Inszenierung von Freundschaft (z. B. Brief 61). Als die Rangniedere kann Luise Dorothea derart deutliche Nähesignale nicht aussenden, muss den Abstand immer in gebührender Form wahren, kann ihn allenfalls leicht verringern und übertünchen, indem sie ihn als „unseren besten Freund“ (Brief 32) preist; aber natürlich heißt dies nicht bedingungslose Freundschaft um der Freundschaft willen, sondern steht in engster Nachbarschaft zu der Schutzfunktion des mächtigen Preußenkönigs als „Befreier“, als „mächtige Stütze der deutschen Freiheit“ (ebd.). Und auch dann, wenn sie Friedrich in einer immer wiederkehrenden Schlussformel ihrer „unverbrüchlichen Verbundenheit“ versichert, ist diese Verbun7 Dieser Tatsache ist sich Friedrich auch in seiner Korrespondenz mit den Literaten seiner Zeit immer bewusst, vgl. Wehinger, Zur literarischen Korrespondenz Friedrichs II., S. 70.

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denheit von Interesse geleitet, ist gebunden an die Gewährung des Schutzes durch Friedrich. Andererseits präsentiert sich diese Korrespondenz durchaus entlastet von den Zwängen und Grenzen diplomatischen und politischen Briefverkehrs, stellt sich als Fortsetzung scherzhaft-plaudernder Konversation dar: So schreibt Friedrich am 12. 3. 1760 (Brief 25): „Ich schäme mich meiner Plauderei und aller Kindereien, die ich Ihnen mitteile […] ich glaubte, Konversation mit Ihnen zu betreiben […]“ Und diese launige Bemerkung schließt ganz ernsthafte Reflexionen des Königs über die Rolle des Zufalls im Geschichtsverlauf im Allgemeinen und die aktuelle politische Lage im Besonderen ab. Doch wie die höfische Konversation, so schließt auch der privat-familiäre Brief als ihre schriftliche Verlängerung Ernsthaftigkeit, Systematik, Gelehrsamkeit aus. Wenn einmal, wie angesichts dieser Reflexionen, ein solcher Verdacht auf Pedanterie aufkommen könnte, gilt es, ihn umgehend über den Plauderton zu entkräften.8 Dieser Entlastung von Ernsthaftigkeit dienen vor allem auch Anekdoten, die beide Briefpartner, mit besonderer Meisterschaft aber Friedrich, immer wieder einflechten. Geradezu als running gag dient ihnen der strenge Glaubenseifer des Vizepräsidenten des Gothaer Oberkonsistoriums Cyprianus, der in zahlreichen Briefen (35, 86 – 88, 94, 95, 97, 99, 100) als Spottfigur herhalten muss. Aber Luise Dorothea spielt mit Friedrich nicht nur dieses boshaft-scherzhafte Spiel mit: Gelegentlich greift sie wie in Brief 74 – bezeichnenderweise unmittelbar nach Ende des Siebenjährigen Krieges – Friedrichs „reizenden Ton des Scherzens“ auf, wenn er sie als „Jungfrau Maria“ apostrophiert, um ihn ihrerseits als ihre „Schutzgottheit“ zu preisen. Doch insgesamt kann oder will die Gothaer Herzogin angesichts ihrer Position der Inferiorität in Variation, Bandbreite und Häufigkeit des Plaudertons mit Friedrich nicht mithalten. Dies gilt insbesondere für eine sehr spezifische Form der Verlängerung mündlicher Konversation in den Brief hinein, wie er dies in Form der Inszenierung eines fiktiven Dialogs mit der eng mit der Herzogin befreundeten Frau von Buchwald (Brief 72) oder in höchst spöttischem Ton mit Melchior Grimm (Brief 85) betreibt – mit dem bezeichnenden Un8 Aus dieser ästhetischen Position heraus macht er sich über Gelehrte vom Schlage eines Gottsched lustig (Brief 41).

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terschied freilich, dass er Frau von Buchwald, nicht aber Grimm zu Worte kommen lässt. Lassen wir nochmals Friedrich selbst sein Hohelied auf ideale höfische Konversation singen, wie er sie am Hof von Gotha verwirklicht sieht (Brief 63): […] wo Freiheit mit Zurückhaltung einhergeht, wo Gelehrsamkeit ohne Auftrumpfen aufscheint, die Würze des Scherzens ohne üble Nachrede, Höflichkeit ohne Geziertheit und der Hof ohne lärmendes Treiben.

Schreibthemen Wie schon die Anlässe zum Schreiben gezeigt haben, ist der Krieg – und hier vor allem der Siebenjährige Krieg – Auslöser und Motor des schriftlichen Meinungsaustauschs und damit selbstverständlich auch der zentrale Gegenstand des Schreibens beider Briefpartner von 1757 – 1763. Indirekt ist aber, wie schon gesehen, der Krieg mit der Aufforderung des Preußenkönigs an die Herzogin, Rekruten zu stellen und der zögerlichen, hinhaltenden Reaktion der ‚Cousine‘ (Brief 1 vom 25. 8. 1740) sowie – nach mehr als fünf Jahren – der endgültigen Erfüllung dieser Zusage (Brief 2 vom 26. 2. 1746) von Anfang an im Fokus dieser zweckorientierten Brieffreundschaft. Noch am Ende des Siebenjährigen Krieges erweist sich Friedrich als nicht gerade zimperlich im Umgang mit seinem Gothaer Bündnispartner, wenn er Zwangsrekrutierungen in Altenburg vornehmen lässt, über deren rüde, erpresserische Formen, deren Exzesse bis zu Erschießungsandrohungen reichen, sich Luise Dorothea beschwert (Brief 46 vom 25. 11. 1762). In geradezu klassischer Manier entschuldigt sich Friedrich für die Exzesse, schiebt die Verantwortung dafür auf untere Chargen ab, bleibt jedoch in der Sache hart, im klaren Wissen darum, dass bei seiner menschenverachtenden Form der Kriegsführung9 „keine Ware oder Münze unbedingt notwendiger ist als die der Menschen“ (Brief 47 vom 9 Allein in der Schlacht bei Zorndorf am 25. 8. 1758 betrugen die preußischen Verluste mit 12.800 Mann fast ein Drittel der Truppen, vgl. Kunisch, Friedrich der Große, S. 391.

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29. 11. 1762). Wenn Friedrich dann im Folgenden seiner „Frau Cousine“ empfiehlt, sich doch beim Reichstag in Regensburg über das brutale Vorgehen seiner Untergebenen zu beschweren, kann ihr das nur als blanker Zynismus vorkommen, auch wenn aus ihren folgenden Briefen keinerlei Beschwerden oder Misshelligkeiten mehr herauszulesen sind, sondern ganz im Gegenteil intensive Bemühungen aufscheinen, bei der Vermittlung von Friedensvorbereitungen eine aktive Rolle zu spielen (Briefe 49 / 50 vom Dezember 1762). Diese aktive Rolle hatte Luise Dorothea, als Schwägerin der Prinzessin von Wales, schon seit März 1760 zu spielen versucht (Brief 29 vom 28. 3. 1760),10 war aber von Friedrich mit höflichen Worten vertröstet worden (Brief 31 vom 1. 4. 1760). Erst am 8. Dezember 1762 darf Luise Dorothea ihren heißersehnten Vermittlungsbrief (Brief 49) nach London schreiben, muss aber dem Preußenkönig den entsprechenden Entwurf vorlegen, bittet schließlich in ihrer demütigen Verzweiflung ihn darum, ihr diesen Entwurf selbst zu diktieren (Brief 50 vom 13. 12. 1762); doch am Ende scheinen all ihre Offerten und Mühen fruchtlos: Höflich, aber mit fadenscheinigen Begründungen weist der König ihr Vermittlungsangebot von der Warte höherer politischer Einsicht zurück (Brief 51 vom 15. 12. 1762). Dann aber (Brief 54 vom 27. 12. 1762) stimmt er plötzlich ihrem Vermittlungsversuch zu – aber da war der Präliminarfrieden mit England am 3. 11. 1762 längst geschlossen und die am 30. 12. 1762 begonnenen Verhandlungen in Hubertusburg standen unmittelbar vor der Tür. Von daher gab es nichts mehr zu vermitteln.11 Anders steht es mit Luise Dorotheas Rolle als Vermittlerin zwischen Preußen und Frankreich, die darin von Voltaire aktiv unterstützt wird. Besser gesagt: Sie unterstützt als eine Art Briefkasten und Relaisstation die über Voltaire laufende Geheimdiplomatie zwischen Berlin und Paris, deren Bedeutung etliche Briefe über einen langen Zeitraum vom September 1759 bis März 1760 unter10 Im Grunde hatte sich Luise Dorothea schon im Januar 1758 (Brief 12) als mögliche Vermittlerin ins Spiel gebracht, insofern sie Friedrich ihr Insiderwissen über Geheimverhandlungen zwischen England und Frankreich andient. 11 Vgl. Füssel, Der Siebenjährige Krieg, S. 85, 88.

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streichen. Auch wenn Friedrich in diesem Zusammenhang gegenüber der Herzogin von Anfang an (so im Brief 18 vom 18. 12. 1759) seinen Friedenswillen betont und den geheimen Briefverkehr als ein probates Mittel preist, um dieses hehre Ziel zu erreichen, so dient ihm diese Form der Geheimdiplomatie letztlich dazu, die jeweilige Stimmung im feindlichen Lager zu sondieren und seine eigenen Intentionen zu verschleiern, die im Grunde auf die Vernichtung seiner Feinde auf dem Schlachtfeld und einen ruhmreichen Frieden abzielen, der möglichst viele seiner Eroberungen seit den beiden Schlesienkriegen bestätigt.12 Wie gegenüber der gesamten Öffentlichkeit inszeniert sich Friedrich auch gegenüber Luise Dorothea als Befreier Deutschlands (Briefe 10, 25), die ihn nach Kriegsende entsprechend als providentiellen Retter Deutschlands vor Aberglauben und Despotismus feiert (Brief 84 vom 6. 8. 1763). Damit erhält Friedrichs Krieg, in dem es ihm im Wesentlichen um Macht, Machterhaltung und Größe geht,13 eine ideologische Überhöhung und Rechtfertigung seiner eigentlichen Intentionen. Dieser Rechtfertigung dienen natürlich ebenfalls seine auch in dieser Korrespondenz an die Adresse seiner Feinde gerichteten Schuldzuweisungen mit Blick auf brutale Kriegsführung (Brief 42 vom 23. 2. 1761) und Ausplünderung des eigenen Landes (Brief 72 vom 19. 2. 1763). Größe aber schreibt ihm die Herzogin immer wieder zu, sei es im Sinne politisch-militärischer (vgl. Briefe 24, 43, 55 usw.), sei es im Sinne moralischer (vgl. Briefe 26, 38 usw.) Größe. Größe, das heißt in der politisch-militärischen Auseinandersetzung neben raffiniertem politischem Kalkül und genialer Schlachtenführung persönlicher Einsatz, persönliches Risiko im Kampf selbst, die der Preußenkönig als Roi-Connétable, als König, der zugleich sein eigener Feldherr ist, auch propagandistisch nutzt. So etwa seine leichte Verletzung, in der Schlacht bei Torgau am 3. 11. 1760, von der Luise 12 Dem steht auch seine in Brief 45 am 2. 11. 1762 geäußerte Überzeugung nur scheinbar entgegen, nur solche Siege seien zu begrüßen, die zum Frieden führten, alles andere sei nur Abschlachten. Denn seine Strategie zielte über weite Strecken des Krieges im Gegensatz zur damals herrschenden Defensivstrategie auf Offensive in – dann notwendig verlustreichen – Schlachten, in denen bewusst auch hohe eigene Verluste einkalkuliert waren, vgl. Kunisch, Friedrich der Große, S. 406 f. 13 Hierzu jetzt Luh, Friedrichs Wille zur Größe.

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Dorothea aus den Magdeburger Nachrichten erfährt, deren Bericht gewiss nicht ohne Friedrichs Zutun zustande kam. Für die Herzogin kommt dieser Sieg bei Torgau angesichts der Besetzung des eigenen Landes durch französische Truppen nicht nur zur rechten Zeit, sondern erscheint ihr geradezu als ein Werk göttlicher Providenz (Brief 84 vom 6. 8. 1763). Und überhaupt sieht Luise Dorothea bei Friedrichs Siegen und Erfolgen prinzipiell die göttliche Providenz am Werk, sieht ihn geradezu als Werkzeug Gottes an (Brief 52 vom 18. 12. 1762). Friedrich selbst sieht freilich, dass in solch „verzweifelten Situationen“ allenfalls „ein glücklicher Zufall“ waltet (Brief 39 vom 4. 12. 1760). Das Schlachtenglück, die militärische Fortune, die der König immer wieder herausfordert, hat nach seiner Überzeugung nichts mit der Vorsehung eines Gottes zu tun, dem die irdischen Belange gleichgültig sind, der nicht in irdisches Geschehen eingreift, das demgemäß auch nicht nach den Gesetzen göttlicher Gerechtigkeit abläuft (Briefe 25, 31 und insbesondere Brief 33). Der Siebenjährige Krieg ist nicht nur – in zuvor unvorstellbarer Form – ein Krieg der Schlachten, sondern ebenso ein Krieg der Worte und der Schriften, wie jüngst Manfred Schort gezeigt hat.14 In diesem Propagandakrieg setzt der Preußenkönig anders als seine Gegner nicht auf Pamphletisten, sondern greift selbst mit spitzer Feder ein, um den österreichischen Feldmarschall Daun lächerlich zu machen. Neben diesem Pamphlet zur angeblichen Segnung des Schwertes Dauns in einem dem Papst untergeschobenen Breve, auf das Luise Dorothea im 34. Brief vom 2. 5. 1760 anspielt, bestätigt sie dort ebenfalls die Lektüre seiner „Relation de Phihihu“, die ihr Friedrich zwei Monate vorher geschickt hatte (Brief 23).15 Ihre Begeisterung über die Lektüre dieser im Gewand eines Briefromans daherkommenden Spottschrift über den Papst und den katholischen Glauben, der Friedrich selbst durchaus eine Langzeitwirkung zutraute,16 dürfte die österreichische Seite kaum In seiner Dissertation Politik und Propaganda. Den Erhalt der Schrift mit einer ersten, positiven Kurzeinschätzung hatte Luise Dorothea schon am 9. März, vier Tage nach Friedrichs Sendedatum bestätigt (Brief 24). 16 Wie er in diesem Brief selbst formuliert: „Diese Saat geht nicht sofort auf; manchmal trägt sie mit der Zeit Früchte.“ 14 15