Markus Bilgram
Verhalten ändern durch Neurolinguistisches Programmieren Von der Theorie zur Praxis
Bilgram, Markus: Verhalten ändern durch Neurolinguistisches Programmieren. Von der Theorie zur Praxis. Hamburg, Diplomica Verlag GmbH 2014 Buch-ISBN: 978-3-8428-8049-8 PDF-eBook-ISBN: 978-3-8428-3049-3 Druck/Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2014 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1
I Basismodelle des NLP
4
A Von der Wahrnehmung zum Verhalten und Erleben
4
1. Subjektive Wahrnehmung der äußeren Welt
4
2. Individuelle Einschränkungen: Mechanismen und Filter der Modellbildung
7
2.1 Prozessmechanismen: Tilgung, Verzerrung, Generalisierung
7
2.2 Prozessfilter: Glaubenssätze, Werte und Meta-Programme
9
3. Kognitive Repräsentationen
11
3.1 Analoge Repräsentationssysteme
12
3.2 Digitales Repräsentationssystem
15
4. Strategien: Die Repräsentationen als Grundlage des Verhaltens
17
4.1 Das TOTE – Modell
18
4.2 Integration der Repräsentationssysteme in das TOTE – Modell
20
B Die Grundstruktur der Persönlichkeit 1. Das Konzept der Logischen Ebenen der Veränderung 1.1 Glaubenssätze
23 24 29
2. Zeitebenen: Das „Time-Line“ – Konzept
32
3. Wahrnehmungspositione n
34
4. Meta – Programme
36
4.1 Äußeres Verhalten: Introvertierter Typus vs. Extrovertierter Typus
38
4.2 Innerer Prozess: Intuitiver Typus vs. Empfindungstypus
39
4.3 Innerer Zustand: Denktypus vs. Fühltypus
40
4.4 Berücksichtigung der Zeit: Beurteiler vs. Wahrnehmer
41
5. Zusammenfassung in der NLP – System – Matrix
42
C Entwicklungsmodell des NLP 1. Das Entwicklungsmodell Jean Piagets in Bezug auf das NLP
44 45
1.1 Genetische Erkenntnistheorie
46
1.2 Der strukturalistische Ansatz
47
1.3 Biologischer Ansatz
50
II Von den Ursachen problematischen Verhaltens zur Praxeologie des NLPs A Determinanten problematischen Verhaltens
54 54
1. Grundüberlegungen
54
2. Spezifische Ursachen problematischen Verhaltens
56
B Rahmenbedingungen der NLP Veränderungsarbeit
64
1. Idealtypische Beschreibung des NLP – Praktikers
64
2. Verlaufsmodell der NLP – Verhaltensmodifikation
68
2.1 Die Phase der Informationssammlung
C Spezifische Techniken der NLP – Verhaltensmodifikation 1. Ankern
70
75 76
1.1 Moment of Excellence
78
1.2 Kollaps – Anker
81
2. Reframing
82
2.1 Inhaltliches Reframing
83
2.2 Verhandlungsreframing
86
3. Das Interventionsmodell der Neuprägung
88
4. Future Pacing
93
Abschließende Diskussion
96
Literaturverzeichnis
100
Vorwort Seit ca. zwei Jahren beschäftige ich mich schon mit dem Thema NLP. Neben einem „Basiskurs NLP“ bestanden meine Bemühungen um die Materie in einem intensiven Literaturstudium. Allerdings stellte sich dies größtenteils als eine frustrierende Erfahrung dar. Seit der Entstehung des NLP in den siebziger Jahren wurde versäumt, ein fundiertes wissenschaftliches Theoriegebilde zu erstellen. Der größte Teil der Literatur beschäftigt sich ausschließlich mit der Beschreibung der verschiedenen NLP-Techniken. Überspitzt gesagt, können die meisten NLP-Bücher mit einem „Kochbuch für Veränderungen“ verglichen werden. Doch, um im Bild zu bleiben, es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen Kochen und Veränderungsarbeit:
Bereitet man ein Mahl zu, dann ist das Wissen um die chemischen Reaktionen während des Prozesses von geringer Bedeutung. Das Entscheidende ist hierbei das Endprodukt. Ist es gelungen, dann kann man sich an ihm erfreuen. Sollte es nicht gelungen sein, dann kann man das Produkt entsorgen.
Geht es um Veränderungsarbeit, dann sollte man nicht nur wissen, wie es geht, sondern
insbesondere
auch,
warum
es
geht.
Letztlich
stellt
ein
Veränderungsmodell ohne ein theoretisches Fundament eine leere Hülle dar.
Die anfänglichen Ausführungen sollen nicht zu der Vermutung führen, ich sei ein NLP-Gegner. Im Gegenteil. NLP fasziniert mich nach wie vor und ich bin von seiner Effektivität im höchsten Maße überzeugt.
Ursprünglich sollte an dieser Stelle eine Arbeit entstehen, die zeigt, dass das NLP als eigenständige Therapierichtung angesehen werden kann. Allerdings war mir bis vor kurzem nicht bekannt, dass das NLP bereits seit 1999 unter der Bezeichnung
„Neurolinguistische
Psychotherapie
(NLPt)“
von
der
Europäischen Gesellschaft für Psychotherapie (EAP) als eigenständige Therapierichtung anerkannt wurde. Aus diesem Grund habe ich mich für eine von egoistischen Motiven geleitete Arbeit entschieden. Die vorliegende Arbeit
1
spiegelt somit die eigenen Versuche des Autors wider, das NLP in seiner Komplexität zu begreifen. Dabei wird es nicht um die bloße Beschreibung von Techniken des NLPs gehen, sondern es soll vielmehr ein theoretisches Grundverständnis der NLP-Veränderungsarbeit evoziert werden. Die leitende Frage dieser Arbeit ist demnach nicht: „Wie funktioniert NLP?“, sondern: „Warum funktioniert NLP und welche grundsätzlichen Vorstellungen über Verhalten und Erleben stecken hinter den Techniken?“.
Um ein solches Ziel zu erreichen, sind grundsätzlich zwei Vorgehensweisen denkbar:
Man könnte versuchen, ein theoretisches Gerüst aus der Entstehungsgeschichte abzuleiten. Zu diesem Zweck müsste man sich mit den Paten des NLP und deren Therapieschulen auseinander setzen1 . Ein solches Vorgehen erscheint jedoch aussichtslos, denn zum einen sind die theoretischen Wur zeln Perls, Satirs und Ericksons in großen Teilen zu verschieden, um sie in ein gemeinsames Konzept unter dem Deckmantel des NLPs zu stecken, und zum anderen zeigt sich sehr schnell, dass eine große Anzahl anderer Denkmodelle in die Konzipierung des NLP mit einfließen. So zeigt z. B. Walker, dass die wissenschaftlichen Arbeiten Gregory Batesons zu den theoretischen Wurzeln des NLP gehören (vgl. Walker 1996, S. 57-83 und S. 243-248). Darüber hinaus lassen sich in den verschiedenen NLP-Techniken ebenso Einflüsse der Lerntheorie, der Kognitiven Psychologie und der Tiefenpsychologie finden. Der Versuch, alle diese Elemente zu einem einheitlichen Theoriegebilde des NLP zu verknüpfen, wäre sicherlich höchst interessant und lohnend, doch würde dies den Rahmen dieser Arbeit bei weitem sprengen.
Der praktikablere Weg, zu einem Grundverständnis zu gelangen, ist die Bemühung, ein Theoriegebilde aus den Modellen des NLP direkt abzuleiten. Kernstücke dieser Untersuchung werden das Wahrnehmungsmodell und das Reizverarbeitungsmodell des NLP sein. Mit Reizverarbeitungsmodell ist hier 1
NLP entstand ursprünglich aus der Beobachtung und Modellierung von Fritz Perls, Vergina Satir und Milton Erickson (vgl. hierzu und zur Entstehungsgeschichte des NLP Bilgram 2001, S. 3-6).
2
die Vorstellung über die kognitiven Repräsentationen der äußeren und inneren Welt gemeint. Auf dieser Grundlage und unter Zuhilfenahme des von Robert Dilts (1993) erarbeiteten Konzeptes der „Lo gischen Ebenen“ sowie des „TimeLine“-Konzeptes von James und Woodsmall (1991) soll dann ein Persönlichkeitsmodell abgeleitet werden.
Für die Hintergründe eines Modells der Verhaltensmodifikation ist die Betrachtung eines Entwicklungsmodells unerlässlich. „Entwicklung“ war aber leider bis zum heutigen Zeitpunkt nie ein Thema im NLP. Aus diesem Grund ist es auch nicht möglich, ein abgeschlossenes Entwicklungsmodell des NLP zu beschreiben und eine eigenständige Ableitung würde über die Grenzen dieser Arbeit hinaus gehen. In der vorliegenden Arbeit wird deshalb ein Mittelweg beschritten: Es soll aufgezeigt werden, dass das kognitive Entwicklungsmodell von Jean Piaget als Grundlage für das NLP dienen kann.
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll das NLP bezüglich einer Störungstheorie betrachtet werden. Vorstellungen des NLPs über die Ursachen problematischen Verhaltens werden zum einen auf Grundlage der bis dato erarbeiteten Modelle und zum anderen auf der Arbeit von Schauer (1995), welche hierfür eine hervorragende Basis darstellt, erörtert.
Nachdem die ätiologischen Vorstellungen des NLPs betrachtet wurden, wendet sich die Arbeit der Praxeologie zu. An dieser Stelle wird es unter anderem darum gehen, ein Verlaufsmodell der NLP-Veränderungsarbeit zu erstellen. Dabei soll insbesondere auch erörtert werden, über welche Fähigkeiten ein NLP-Praktiker verfügen sollte, um Veränderungen erfolgreich einleiten zu können.
Die Arbeit abschließend werden dann spezifische Interventionstechniken des NLPs betrachtet, wobei neben einer Beschreibung versucht werden soll, jeweils einen Bezug zu den Basismodellen des NLPs herzustellen, um zu erklären, warum die Intervention funktioniert bzw. worauf sie sich begründen lässt.
3
I. Basismodelle des NLP
A. Von der Wahrnehmung zum Verhalten und Erleben
1. Subjektive Wahrnehmung der äußeren Welt
„Die Wirklichkeit und die Welt als solche ist vom Menschen nicht objektiv, sondern nur subjektiv mit Hilfe kognitiver Repräsentationen (Modelle) erkennbar und denkbar.“ (Weerth 1994, S. 25) In diesem Zitat, welches eine zentrale Grundannahme des NLP wiedergibt, wird deutlich, dass die äußere Welt in ihrer Vielfältigkeit vom Menschen weder objektiv noch in ihrer Gesamtheit erfahrbar und begreifbar ist. Im ersten Moment mag sich diese Erkenntnis negativ anhören und es scheint sich um eine grundlegende Einschränkung des Menschen zu handeln. Bei genauerer Betrachtung wird die Einschränkung allerdings schnell zu einer menschlichen Fähigkeit, welche das Überleben und das Zurechtfinden in der Welt ermöglicht 2 . Da jedes Individuum zu jeder Zeit einer fast unendlichen Menge an Reizen aus der Umwelt ausgesetzt ist, ist es notwendig, sich ein Modell der Welt zu schaffen. Das Charakteristikum von Modellen ist es, Sachverhalte in einer
vereinfachten
Form
darzustellen,
um
sich
leichter
in
ihnen
zurechtzufinden (vgl. Duden 1997, S. 525). Der Sachverhalt, um den es sich hier handelt, ist die Welt und das Leben in ihr. „Man muß hierbei sich daran erinnern, daß die ganze Vorstellungswelt in ihrer Gesamtheit nicht die Bestimmung hat, ein Abbild der Wirklichkeit zu sein – es ist dies eine ganz unmögliche Aufgabe – sondern ein Instrument, um sich leichter in derselben zu orientieren.“ (Vaihinger 1924, zitiert nach Bandler und Grinder 1998, S. 27) 3 Für das Zustandekommen der subjektiven Modelle der Welt sehen Bandler und Grinder im Wesentlichen drei Determinanten (vgl. Bandler und Grinder 1998, S. 28-34): 2
Zur Untermauerung dieser These wird in der einschlägigen NLP-Literatur auf die „Philosophie des Als Ob“ von Vaihinger verwiesen. 3 Wird in Zitaten die alte Rechtschreibung benutzt, dann wird diese beibehalten.
4
Neurologische Einschränkungen Soziale Einschränkungen Individuelle Einschränkungen Neurologische Einschränkungen: Die neurologischen Einschränkungen beziehen sich auf die Leistungsgrenzen der einzelnen Sinnesorgane. Für den Bereich des Hörens gilt z. B., dass nur Schallwellen zwischen 20 und 20.000 Schwingungen pro Minute vom Menschen wahrnehmbar sind. Jedes Geräusch außerhalb dieser Grenze bleibt daher im Verborgenen. Ähnliches gilt auch für das visuelle System, das durch die Wellenform zwischen 380 und 680 Nanometer begrenzt ist.
Soziale Einschränkungen: Als soziale Einschränkungen, oder auch „sozial-genetische Faktoren“ genannt (vgl. Bachmann 1991, S. 117), werden alle Wahrnehmungskategorien und Wahrnehmungsfilter bezeichnet, denen Menschen durch ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe ausgesetzt sind. Unter Filter fallen alle „allgemein anerkannten Arten der Wahrnehmung und alle sonstigen sozial vereinbarten Fiktionen (...)“ (Bachmann 1991, S. 117) sowie die Sprache. Bandler und Grinder heben an dieser Stelle insbesondere die Sprache hervor: „(...) wenn wir eine Sprache lernen, sind wir die Erben des Wissens der Menschen, die vor uns da waren. In diesem Sinne sind wir genauso die Opfer: aus der unbegrenzten Menge möglicher Erfahrungen haben nur ganz bestimmte einen Namen bekommen, sind mit Worten gekennzeichnet und binden, auf diese Weise hervorgehoben, unsere Aufmerksamkeit. Gleichermaßen valide, möglicherweise sogar spannendere und nützlichere Erfahrungen auf der sensorischen Ebene, die unbenannt blieben, dringen typischerweise nicht in unser Bewusstsein.“ (Bandler und Grinder 1981, S. 33; Hervorhebung im Original). Bandler und Grinder gehen davon aus, dass die möglichen Erfahrungen, die ein Mensch machen kann, unmittelbar mit seinem Sprachsystem in Verbindung stehen. Je größer die Unterscheidungsmöglichkeit eines Sprachsystems bezüglich bestimmter Wahrnehmungsbereiche ist, desto vielfältiger werden die potentiellen Erfahrungen und umso komplexer wird das Modell der Welt sein (vgl. Bandler und Grinder 1998, S. 30).
5
Zur Verdeutlichung vergleichen die Autoren Maidu (eine amerikanische Indianersprache) und Englisch bezüglich der Beschreibungsmöglichkeiten des Farbspektrums (vgl. ebenda, S. 30). Im Maidu stehen nur drei Begriffe zur Verfügung, um das Farbspektrum abzudecken: Lak
= rot
Tit
= grün-blau
Tulak = gelb-orange-braun Der englische Wortschatz dagegen umfasst acht Farben. Worum es in diesem Beispiel geht, ist, dass ein Mensch, dessen Muttersprache Maidu ist, nur drei Kategorien der Farbempfindung kennt. Würde man ihm nun zwei Farbtafeln zeigen, die gelb und braun sind, dann wären beide für ihn identisch: zwei tulak Tafeln. Daraus folgt, dass seine Wahrnehmung und damit sein subjektives Modell der Welt im Kontext der Farbempfindung bedeutend kleiner ist als das Modell der Welt eines Menschen, der in seinem Sprachsystem mehr Untersche idungsmöglichkeiten des Farbspektrums aufweist.
Individuelle Einschränkungen: Die dritte Kategorie von Filtern, durch die ein Mensch zu seiner individuellen Vorstellung von der Welt kommt, sind die individuellen Einschränkungen. Durch sie kommt es dahin, dass keine zwei Menschen ein identisches Weltbild haben. Bandler und Grinder beschreiben individuelle Einschränkungen als „(...) all diejenigen Repräsentationen, die wir als Menschen schaffen und die auf unserer einzigartigen persönlichen Geschichte beruhe n.“ (Bandler u. Grinder 1998, S. 33). Jedes Individuum macht auf seinem Lebensweg vielfältige Erfahrungen, welche anschließend in die vorhandenen Kategorien eingebunden werden bzw. neue Kategorien und damit Repräsentationen der Welt schaffen. Somit
sind
die
individuellen
Einschränkungen
maßgeblich
dafür
verantwortlich, was ein Mensch wahrnimmt, was er für möglich und unmöglich
hält.
Im
nächsten
Abschnitt
werden
die
individuellen
Einschränkungen genauer beschrieben. Im Fokus der Betrachtung wird vor allem ihre Auswirkung auf die Wahrnehmung und deren Verarbeitung stehen.
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