Verfolgte Liebe

»Homosexualität ist in unserem Land zu einem so riesigen Problem geworden, dass wir unbedingt ein spezielles Gesetz dagegen brauchen«, sagt ...
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Usaam Mukwaya und ein Freund bei der rituellen Sitzung eines schwulen Hexers, der versucht das Inkrafttreten des Anti-Homosexualitäts-Gesetzes mit Magie zu verhindern.

Verfolgte Liebe Noch vor wenigen Jahren war Schwulsein in Uganda ungefährlich. Doch jetzt wächst eine Mehrheit, die Homosexuelle gerne tot sähe.

Text Jose Miguel Calatayud Fotos Benedicte desrus

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Übersetzung: Christoph Koch

Sehen — 

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omosexualität ist in unserem Land zu einem so riesigen Problem geworden, dass wir unbedingt ein spezielles Gesetz dagegen brauchen«, sagt Parlamentsmitglied David Bahati während er im Sheraton Hotel in Kampala seinen Kaffee trinkt. Die Hauptstadt von Uganda ist eine sehr lebendige, freundliche Stadt, das Wetter ist gut, jeder scheint sich wohlzufühlen. Jeder – außer die Homosexuellen. Wer in Uganda auch nur den Eindruck erweckt, homosexuell zu sein, läuft Gefahr, auf der Straße beschimpft oder angegriffen zu werden. Es gab Fälle von »Erziehungsvergewaltigungen«, bei denen junge Männer Lesben schänden, »um ihnen beizubringen, was eine anständige Frau ist«. Diese Einstellung wird auch in dem Gesetzesentwurf deutlich, den der extrem höfliche und stets lächelnde David Bahati 2009 zum ersten Mal vorstellte. Das sogenannte Anti-Homosexualitäts-Gesetz sieht in einigen Fällen die Todesstrafe für Schwule und Lesben vor. Doch nicht alle haben Lust zu warten, ob dieses

Erst geoutet, dann ermordet. Homosexuelle leben gefährlich Gesetz tatsächlich Wirklichkeit wird. Im Oktober letzten Jahres veröffentlichte eine kleine Wochenzeitung mit dem Namen »Rolling Stone« (die nichts mit dem gleichnamigen Magazin zu tun hat) Fotos, Namen und Adressen von angeblichen Homosexuellen. Auf der Titelseite war ein Foto von David Kato, einem bekannten Aktivisten abgedruckt, darüber prangte die Überschrift: »100 Fotos von Ugandas Chef-Homos. Hängt sie auf!« Im Innenteil fand sich ein weiteres Foto von Kato unter dem stand: »Das ist David. Er wohnt in der Entebbe Road und ist ein führender Schwulenaktivist.« Wenige Monate später, im Januar diesen Jahres, wurde Kato tot in seiner Wohnung in Kampala aufgefun-

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den. Er war mit einem Hammer erschlagen worden. Kurz darauf verhaftete die Polizei einen Mann, der sagte, er hätte Kato getötet, weil ihm der Aktivist Geld für Sex geschuldet hätte. Katos Freunde glauben nicht an diese Version der Geschichte und verweisen auf die Vergangenheit der ugandischen Polizei, die voll ist von Menschenrechtsverletzungen und erzwungenen »Geständnissen«. David Bahati scheinen solche Vorfälle nicht zu interessieren. Er kommt direkt aus dem Fitness-Center – »das im Sheraton ist das beste der Stadt«. In seinem Polohemd sieht er adrett aus und deutlich jünger als er ist. Er ist Mitglied der Partei von Präsident Museveni, der seit 25 Jahren an der Macht ist, hat in Großbritannien und den USA studiert und strahlt das Selbstbewusstsein von jemandem aus, der weiß, dass er eine große Zukunft vor sich hat. Sein Gesetzesentwurf hat weltweit wenig Anerkennung gefunden. Viele internationale Politiker und die großen Hilfsorganisationen haben ihn mit Entsetzen kritisiert, einige Länder haben sogar angekündigt ihre Entwicklungshilfe für Uganda zu streichen, sollte das Gesetz in Kraft treten. «Das ist purer Kolonialismus”, sagt Bahati in einem nun etwas strengeren Tonfall. »Uns vorzuschreiben, dass wir Eure Hilfe nur bekommen, wenn wir Eure Werte akzeptieren, obwohl wir nicht daran glauben: Das bedeutet, unsere Situation und unsere Armut auszunutzen.« Vehement verteidigt er seinen Gesetzesentwurf: »Homosexualität ist eine teuflische Erfindung und muss bekämpft werden.« In einem anderen Stadtviertel haben sich einige Menschen im Emerald Hotel unter dem Titel »Der Liebe zur Seite stehen« versammelt. Die Veranstaltung findet dieses Jahr zum zweiten Mal statt. Das Publikum besteht aus der ugandischen Schwulencommunity und ihren Unterstützern. Die Teilnehmer sind jung und die meisten wirken entspannt. Aber einige

Schwulenaktivist David Kato (rechts) bei einem Gerichtstermin gegen die Zeitung Rolling Stone. Rechts oben

Die Zeitung hatte seinen Namen und seine Adresse veröffentlicht, sowie Namen und Bilder anderer schwuler Männer. Darunter die Aufforderung »Hängt Sie auf«. David Kato ist inzwischen tot, er wurde ermordet. Rechte Seite oben

David Bahati, Initiator des »Gesetzes gegen Homosexualität« wird während eines »Anti-Homosexualitäts«-Gottesdienstes von einem Pastor gesegnet. Rechte Seite unten

Demonstration gegen Schwule in Jinja, im Osten von Ugandas Hauptstadt Kampala.

Schwulenaktivist Abdallah Wambere, genannt Long Jones, ist so etwas wie David Katos Nachfolger. Er ist das bekannteste Gesicht der Homosexuellen in Uganda. Sein Engagement ist lebensgefährlich.

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Pastor Solomon Male während

einer Rede auf einem Anti-Homosexualität-Aktionstag in Mbarara. Er ist stolz darauf, einer der ersten gewesen zu sein, die in Uganda gegen Homosexualität kämpften.

haben ihre Mützen tief ins Gesicht gezogen und ihre Krägen aufgestellt, um nicht erkannt zu werden. Andere schauen immer wieder nervös zur Tür. John Wambere, genannt Long Jones, führt durch die Veranstaltung. Er ist so groß wie sein Spitzname andeutet, und trägt ein enges rotes T-Shirt mit einem Regenbogen darauf, wie sie auf dem Event im letzten Jahr verteilt wurden. Jones ist bekannt in Kampala und nimmt als Schwulenaktivist kein Blatt vor den Mund. Er beginnt seine Rede mit einer Erinnerung an David Kato und es entsteht eine bedrückte Atmosphäre. Aber er ist ein guter Redner und schon bald hat er die Leute durch die

Long Jones wird der nächste tote Schwulenaktivist sein, heißt es lustige und offenherzige Art aufgeheitert, in der er über das Leben als Schwuler in Kampala erzählt. Es wird ein feierlicher Abend, an dessen Ende eine Gruppe von Aktivisten Karaoke singen und gemeinsam tanzen, manche von ihnen in Frauenkleidern. Das Publikum applaudiert den Transvestiten, aber in einer Ecke des Raumes stehen zwei Männer und schütteln sorgenvoll ihren Kopf. Einer von ihnen ist Otafiire Imam Lawrence; der 30Jährige arbeitet als Koch im Hotel. »Das gefällt mir ganz und gar nicht. Es ist falsch. Der Mann wurde erschaffen, um mit einer Frau zusammenzusein,« sagt er mit großer Ernsthaftigkeit. »In der afrikanischen Kultur müssen Frauen wie Frauen aussehen und Männer wie Männer. Sehen Sie die nur an, die Kleider passen ihnen nicht einmal richtig«, sagt er, als er auf die tanzenden Transvestiten zeigt. Wie viele seiner Landsleute hält Lawrence Homosexualität für schlicht und ergreifend falsch. Er sieht darin eine Anomalie; ein Laster, das der afrikanischen Kultur lange fremd war und erst aus dem Wes-

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ten importiert wurde. Trotzdem ist er wie viele andere in Uganda gegen eine Todesstrafe für Schwule. »Ich mag den Gesetzesvorschlag nicht«, sagt er während er aus dem Augenwinkel die Tänzer beobachtet. »Sie sollten einfach umerzogen werden. Sie sollen verstehen, dass das was sie tun, falsch ist.« »Nach dem Mord an David sagten mir meine Nachbarn: ,Du wirst der nächste sein.’«, erzählt Long Jones ein paar Tage später in der Cafeteria des Speke Hotels mitten im lebendigen Zentrum von Kampala. Jones fällt wie überall schnell auf. Er ist groß, gutaussehend und immer modisch gekleidet. Er verbirgt seine Neigung nicht und wird auch nicht leiser, wenn er über seine Sexualität spricht. Der Kellner bedient ihn schnell und mit gesenktem Blick. Jones kann sich noch an die Zeit erinnern, als Schwulsein in Uganda noch ungefährlich war. »Bis 2004 wurden wir nicht verfolgt. Wir konnten uns hier treffen oder draußen in den Gärten vom Sheraton. Es gab eine Bar, in die wir oft gegangen sind und in der es auch viele heterosexuelle Gäste gab. Aber es war kein Problem, wir konnten uns frei unterhalten und mit den anderen lachen. Niemand hat irgendwas persönlich genommen. Aber heute? Es ist furchtbar. Die Leute beleidigen oder treten uns. Es ist nur die Schuld der Evangelikalen; sie haben den Hass zu uns gebracht. Dazu kommt die Unwissenheit: Viele denken nicht für sich selbst, sondern hören nur auf das, was der Pastor ihnen erzählt.« David Bahati will von diesem Einfluss von außen nichts wissen. »An diesen Anschuldigungen ist nicht das geringste dran«, sagt er. »Es ist eine Beleidigung aller Afrikaner, zu behaupten, wir könnten nicht für uns selbst denken und wir müssten auf westliche Kirchen warten, die uns einreden, Homosexualität zerstöre die Zukunft unserer Kinder.« Ob nun ein Zusammenhang besteht oder nicht –

Großes Bild

Homosexuelle Prostituierte und Freier, die ihre Körper an heterosexuelle Frauen und Männer verkaufen. in ihrer Wohngemeinschaft in einem Armenviertel in Kampala.

mehrere Reisen nach Kampala von bekannten amerikanischen Evangelikalen in den Jahren 2008 und 2009 endeten mit einer Konferenz »Die Enthüllung der Wahrheit über Homosexualität und die homosexuelle Agenda«. Einer der Sprecher war Scott Lively, Präsident einer konservativen Christengruppe, die das traditionelle Familienbild verteidigt. Er ist außerdem Koautor eines Buchs, das behauptet, Homosexuelle seien »die wahren Erfinder des Nationalsozialismus und die treibende Kraft hinter vielen Gräueltaten der Nazis.« Einige Wochen nach dieser Konferenz und nach einem Treffen mit Lively und anderen Sprechern, stellte Bahati seinen ersten Entwurf des Anti-Homosexuellen-Gesetzes vor. Für Long Jones ist der Zusammenhang klar: »Erst ka-

men die evangelikalen Christen mit ihrer Kampagne, dann wurden die Medien immer aggressiver und veröffentlichten Horrorgeschichten über Schwule. Und schließlich tauchte dieser Gesetzesentwurf auf«, sagt er. Jones sieht sich selbst als Christ, wie die meisten seiner Landsleute. Für ihn steht sein Glaube in keinem Widerspruch zu seiner Sexualität: «Ich glaube an Gott und ich weiß, dass er mich geschaffen hat, schwul wie ich bin.” Pastor Solomon Male ist der Kopf der »Nationalen Koalition gegen Homosexualität und sexuellen Missbrauch in Uganda«. Er hat durch seinen Kreuzzug eine gewisse Prominenz in den nationalen Medien erreicht. »Niemand wird schwul geboren«, sagt er in seinem kleinen aufgeräumten Büro in Kampalas Innenstadt. »Homosexualität ist eine schlechte

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Angewohnheit, ein Laster.« Pastor Male ist ein sehr höflicher Mann mit einem Lächeln, das niemals verschwindet. Er sagt, er sei gegen die Todesstrafe und behauptet, in der Lage zu sein, Homosexualität zu heilen: »Zuerst müssen sie erkennen, dass es falsch ist, was sie tun. Danach beraten wir sie über ihren Schmerz, denn viele sind traumatisiert, andere haben Probleme in Analbereich oder der Vagina. Zuguterletzt bieten wir ihnen eine angemessene medizinische Behandlung.« Um zu beweisen, wie viele Schwule er schon kuriert hat, holt Male sein Mobiltelefon hervor. »Sehen Sie: ,hom’ steht für homosexuell«, sagt er, während er durch seine Kontaktliste scrollt, in der viele Namen mit ,hom’ beginnen. »Dieser Junge wurde als Kind missbraucht und dachte, das sei nicht so schlimm. Er wurde süchtig und fing an, selbst Kinder zu missbrauchen. Aber nach unserer Beratung hörte er damit auf und wurde Mitglied unseres Teams zur Bekämpfung der Homosexualität«, sagt er zufrieden. Laut Male benutzen viele der Homosexuellen die Aufmerksamkeit der Medien nur, um Geld zu machen. »Homosexualität ist ein Geschäft. Die internationale Schwulengemeinschaft fördert die Aktivisten hier in Uganda finanziell und viele Arbeitslose sagen, sie würden wegen ihrer Sexualität verfolgt, nur um Geld zu bekommen. Was sie nicht erzählen, ist wie sie Sex mit Minderjährigen haben oder wie sie andere zum Sex zwingen.« Während er das sagt, verschwindet für keine Sekunde das Lächeln von seinen Lippen. Anschließend versucht er einen Bericht über Homosexualität zu verkaufen, den er erstellt hat und für den er 50.000 Uganda-Schilling verlangt. Das entspricht etwa 13 Euro, ist in Uganda aber ein stolzer Betrag. Im Laufe des Interviews versucht Male mehrmals, seinen Bericht zu verkaufen. Seit die Pläne für das Anti-Homosexualitäts-Gesetz bekannt geworden sind, berichten die internationa-

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len Medien darüber. Statt an einer politischen Debatte darüber, scheinen jedoch viele Aktivisten auf beiden Seiten eher daran interessiert zu sein, Geld mit der Aufmerksamkeit zu verdienen. Völlig außer Acht bleiben dabei die Homosexuellen, die einfach ein normales Leben führen wollen. Am Stadtrand von Kampala, in einer Siedlung aus Wellblechhüten und schlammigen Trampelpfaden, teilen sich sieben junge Menschen ein Zimmer, alle sind homosexuell. Eine von ihnen ist Juliet, 25 Jahre alt, feminin und gutaussehend in ihrem kurzen Kleid. »Was haben wir von einem solchen Interview?« fragt sie. Sie und ihre Mitbewohner vertrauen den Journalisten nicht, die kommen, sie ausfragen und dann wieder verschwinden ohne etwas zu bewegen. »Wir sind sauer. Manche Aktivisten nutzen uns aus und zeigen uns vor – aber wenn ihre Organisationen Geld bekommen, sehen wir nichts davon. Schauen Sie nur, wie wir hier leben!« ruft sie und zeigt auf ihre ärmliche Behausung. Am Ende willigt sie doch ein, ihre Geschichte zu erzählen: »Das erste Mal tat ich es, weil ich Geld brauchte. Ich hatte nichts zu essen. Ein Mann sprach mich an und sagte, er wolle ein paar Dinge mit mir machen, er würde auch dafür bezahlen. Und ich sagte, okay.« Seit 2007 arbeitet Juliet als Prostituierte. Sie bekommt zwischen 20.000 und 30.000 UgandaSchilling pro Freier, zwischen fünf und acht Euro. »Ich weiß, dass es riskant ist und ich würde gerne etwas anderes machen, aber es geht nicht. Wir bekommen keine normalen Jobs. Die Leute wissen, dass wir homosexuell sind und geben uns keine Arbeit.« Das Anti-Homosexualitäts-Gesetz stand im vergangenen Mai auf der Tagesordnung des Parlaments, die Diskussion darüber wurde aber verschoben – offiziell aus Zeitgründen. Nun muss ein Abgeordneter den Gesetzesentwurf erneut einbringen. Bahati hat genau das vor. Er sagt, dass er eine Diskussion

Pastor Martin Ssempa zeigt bei einer Pressekonferenz in Kampala einheimischen Journalisten einen Pornofilm, in dem zwei Männer Sex haben. Zur Abschreckung, wie er sagt. Rechts oben

Usaam Mukwaya besucht seine Mutter in dem Slum, in dem er aufgewachsen ist. Seit er mit Name und Bild in einer Zeitung als »homosexuell« geoutet wurde, kann er dort aus Sicherhjeitsgründen nicht mehr leben.

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Die Stimung im Land kippt. Viele Menschen in Uganda glauben den irren Verleumdungen der Politiker und der geistlichen Führer, die verbreiten, dass Homosexuelle nicht nur anormal sind, sondern auch Erfinder des Nationalsozialismus seien.

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