Tauern Haute Route von Wolfgang Hackenbroich

Der Abend klingt aus mit der zweiten Halbzeit des WM. Halbfinale Deutschland-Spanien. Im Fernsehen? Nein, aus dem Radio auf Mittelwelle inklusive ...
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1. Tag In Krimml, wo sich die mit einer Gesamtfallhöhe von 380m die höchsten Wasserfälle Österreichs zu Tal stürzen, ist der Treffpunkt für unsere Hochtourenwoche. Gegen 13:30 Uhr treffen nach und nach die insgesamt 8 Teilnehmer ein. Genau in dem Moment als ich Martin, unseren Bergführer, auf dem Parkplatz treffe entlädt sich ein kräftiger Regenschauer. So haben wir zum ersten Kennenlernen bei einem Kaffee etwas mehr Zeit. Nach dem Verteilen der zusätzlichen Ausrüstung (Steigeisen, Klettergurt, Karabiner) geht es endlich los zu den Krimmler Wasserfällen. Wir tauchen ein in den Nationalpark Hohe Tauern und gehen gut bepackt über den Wasserfallweg bis zum mittleren Wasserfall. Hier holt uns ein Taxi ab und fährt dann durch das Achental zur Materialseilbahn der Warnsdorfer Hütte. Das erspart uns einen langen und wenig interessanten Marsch auf Wirtschaftswegen.

Hier am Ende des Achentals hängen die Wolken tief und es ist merklich kühler. Wer möchte kann seinen Rucksack mit der Materialseilbahn nach oben transportieren lassen. Wir begeben uns nun in einen etwas mehr als einstündigen Aufstieg zur Warnsdorfer Hütte auf 2340m. Gerade recht, um sich auf die nächsten Tage einzustimmen. Beim Anblick der immer weiter ins Tal drückenden Wolken stellt sich die Frage, ob wir die Hütte wohl trocken erreichen werden?

Etwa 10 Minuten von der Warnsdorfer Hütte entfernt fällt starker Nieselregen aus dem grauen Einerlei.

2.Tag Ab 6 Uhr in der Früh erwachen alle so langsam wieder. Das Frühstück ist recht komfortabel und lässt kaum Wünsche offen. Eigentlich wollten wir um 8 Uhr aufbrechen. Aber es regnet, und da die Bergführer einen guten Draht zum Wettergott haben wird der Abmarsch um mehr als eine Stunde verschoben. Die Entscheidung war richtig. Der Regen hört auf, allerdings bleibt es neblig und nasskalt. Die Sicht ist nicht berauschend. Davon unbeeindruckt hat Martin den richtigen Weg stets fest im Blick. Gegen 11 Uhr erreichen wir den ersten Gipfel der Tourenwoche, das Gamsspitzl(2888m). Es ist sehr windig wodurch es einem kälter vorkommt als es tatsächlich ist. Unterhalb des Gipfels suchen wir sichere Standplätze für eine kurze Rast und um den Klettergurt anzulegen. Dies ist nötig, denn von hier geht es bald angeseilt über den Obersulzbach Kees zum Maurer Törl, (3108m). Es sind noch einige Höhenmeter im Anstieg zu bewältigen. Mir erschien das an diesem Tag recht mühevoll, die Luft ist hier eben dünner. Um 13 Uhr erreichen wir das Maurertörl. Von hier sieht man Tagesziel und Stützpunkt des nächsten Tages, die Essener Rostocker Hütte.

auf dem Gamsspitzl 2888m

Gletscher werden in den Hohen Tauern Kees genannt

an der langen Leine

Blick vom Maurer Törl zum Tagesziel, der Essener Rostocker Hütte(Kreis)

Vom Maurertörl führt der südseitige Abstieg über den Maurer Kees. Bis zur Hütte sind rund 900Hm im Abstieg zu bewältigen. Je weiter wir ins Tal hinunter kommen, umso mehr müht sich die Sonne doch einmal dauerhaft zu scheinen. Und dann bei einer kleinen Rast ist es endlich soweit... Allerdings hapert es mit der Beständigkeit. Auf der letzten halben Stunde zur Hütte müssen die Regensachen wieder angezogen werden. So ist es ein Tag mit ständigem Wetterwechsel der bei Kaffee & Apfelstrudel am späten Nachmittag auf der Terrasse der Hütte einen nicht zu erwartenden Ausklang findet.

3. Tag In der Nacht höre ich, dass es heftigst regnet. Was wird uns der Tag bringen, wo wir doch heute auf einen der besten Aussichtsgipfel der Venediger Gruppe wollen, die Simonyspitze (3441m). Als wir um 8 Uhr aufbrechen versteckt sich das Ziel irgendwo hinter den grauen Wolken (Bild rechts). Wir wissen nicht so recht wie’s werden wird. Vereinzelte Aufhellungen lassen hoffen.

Aber je höher wir kommen desto schlechter werden die Bedingungen: Nebel, Regen und dann Schnee mit starkem Wind. Von wegen Aussichtsgipfel, man sieht nichts. Etwas unterhalb des Gipfel improvisieren wir mit den Wanderstöcken unser Gipfelkreuz und kehren dann um. In der Zwischenzeit hat es so heftig geschneit, das die Bergführer an einer Schlüsselstelle beim Abstieg Seile in den glatt gewordenen Fels hängen. So meistern alle auch diese kleine Schwierigkeit.

Auf dem Weg zur Hütte wird das Wetter wieder besser, sogar vereinzelte Sonnestrahlen kommen durch. Die Simonyspitze ist weiterhin nicht zu sehen. Sie verschwindet hinter einem grauen Vorhang, also keine Aussicht und keine Ansicht. Schade. So hoffen wir auf eine Wetterbesserung für den morgigen Tag. Der Wetterdienst hat sie schon lange angekündigt.

4.Tag Das Wetter zeigt sich freundlich aber kühl mit aufgelockerter Bewölkung. Sonnige Abschnitte nehmen zu. Durch den Wind steigt die Temperatur aber kaum. Heute führt uns der Schweriner Höhenweg von der Essen Rostocker Hütte zunächst hinauf zum Türmljoch (2790m) und dann wieder hinunter zur Johannishütte. Der Weg ist unschwierig, einige Restschneefelder müssen passiert werden. Auf dem Joch selber bläst ein kräftiger Wind. Auf den ersten Metern des Abstiegs vom Türmljoch hat man eine großartigen Blick auf die gegenüber liegende Talseite. Dort erkennt man dann das Tagesziel Defregger Haus und den Weg der dort hin führt. Es wird klar, das noch ein gutes Stück Weg vor uns liegt. Auf der einen Seite gehen wir den Schweriner Weg fast 700Hm hinunter zur Johannis Hütte, auf der anderen Seite steigen wir mit dem Weg Nr. 915 wieder 830Hm hinauf. Pünktlich zum Mittag erreichen wir die Johannishütte. Das Thermometer zeigt hier auf 2121m sieben Grad. Gestärkt und aufgewärmt brechen wir um 13 Uhr auf, und erreichen gegen halb vier das Defregger Haus (2952m). Es ist benannt nach dem österreichischen Maler “Franz von Defregger“. Beim Aufstieg wurde es kontinuierlich kälter, knapp 2° auf fast 3000m H öhe.

Impressionen vom Türmljoch (2790m)

Blick auf gegenüber liegende Talseite, Defregger Haus (Kreis)

Der Dorferbach hat dem Gebiet um die Johannis Hütte Canyon ähnliche Züge verliehen. Es soll auch ein vorzügliches Bouldergebiet sein.

Eindrücke beim Aufstieg zum

Vor dem Abendessen gehe ich noch einmal nach draußen um Eindrücke rund ums Defregger Haus zu sammeln. Es ist sehr kalt, was durch den starken Wind nur noch verstärkt wird. Ohne Unterlass ziehen die Wolken um und durch die Venediger Gruppe. Zwei Stunden später sind die Wolken verschwunden, blauer Himmel und ein prächtiges Farbenspiel. Ob dies ein Vorgeschmack auf den morgigen Gipfeltag ist? Schön wär’s..... Der Abend klingt aus mit der zweiten Halbzeit des WM Halbfinale Deutschland-Spanien. Im Fernsehen? Nein, aus dem Radio auf Mittelwelle inklusive Rauschen und dauerndem Ausrichten der Antenne.

Abendstimmung am Defregger Haus und Vorgeschmack auf’s Finale

5. Tag Heute beginnt der Tag früher als bisher, denn wir wollen um 7Uhr zum Großvenediger aufbrechen. Der Blickdurchs Fenster während des Fühstücks bestätigt die Wetterlage vom Vorabend, es sieht vielversprechend aus. Draußen hat es minusGrade und es weht ein kräftiger Wind. Nun kommt Kleidung zum Einsatz, die bisher tief unten im Rucksack verstaut war. Wir sind gut in der Zeit und um sieben Uhr bereits an dem einige Minuten oberhalb der Hütte liegenden Einstieg zum Gletscher. Beim Blick Richtung Gipfel sieht man schon früher gestartete Seilschaften. Steigeisen an, auf den Gletscher und Schritt für Schritt dem Gipfel entgegen. Wir ziehen vorbei am Rainer Horn und sind beeindruckt, von den Ausblicken, von dem traumhaten Wetter, aber auch von der Erfahrung sich über 3000Hm zu bewegen. Hier auf dem Gletscher pfeift der Wind so heftig, das der Neuschnee der letzten Tage über dem Firn tanzt. Um 9:40 Uhr haben wir das Gipfelkreuz fest im Blick. Jetzt ist nur noch der gut einen halben Meter breite Grat zu bewältigen. Auch das ist für die meisten von uns Neuland. Tief durchatmen, konzentrieren und ruhigen Schrittes passieren. Um 9:50 Uhr erreichen wir das Gipfelkreuz auf 3666m. Berg heil!

am Einstieg zum Gletscher, rechts das Rainer Horn, in der Ferne der Großvenediger

den Gipfel fest im Blick

nur noch der Grat ist zu bewältigen

der Gipfelgrat, das letzte Hindernis zum Gipfelglück

sieht nicht nur kalt aus, gefühlte minus 10°

Großvenediger vom Obersulzbach Kees gesehen

Wir steigen über die Venedigerscharte und das Obersulzbachkees ab. Der Wind läßt merklich nach, die Temperatur steigt. Dies können wir im unteren Teil des Kees merken, man sinkt deutlich tiefer ein. Auch der Abstieg ist beindruckend. Um 14:30 Uhr erreichen wir die traumhaft schön gelegene Kürsinger Hütte.

Von der Terasse kann man das Panorama mit Großem Geiger(3360m) und den umliegenden Gletschern richtig genießen. Heute passt einfach alles.

Die Bergstiefel sind ausgezogen. Ich kann den Tag bei einem kühlen Radler Revue passieren lassen. Zum Wohle!

Großer Geiger am Abend, ein traumhaft schöner Tag neigt sich dem Ende.

6. Tag Eigentlich steht heute morgen der Keeskogel mit Sonnenaufgang auf dem Programm. Dafür ist die Zeit jedoch etwas knapp, da wir Mittags an der Talstation der Materialseilbahn sein müssen, wo uns das Hüttentaxi abholt und nach Krimml zurück bringt. Wir beschließen den morgen ruhig angehen zu lassen. Wer will macht noch einen Spaziergang zu einem dem Keesgogel vorgelagerten Gipfel oder läßt alternativ noch einmal die Impressionen rund um die Kürsinger Hütte auf sich wirken. Der “Spaziergang“ war eine lohnende Sache. Unterwegs treffen wir auf eine Herde Steinböcke und auf einige sehr neugierige Murmeltiere. Ebenso ist die Aussicht noch einmal grandios. Gegen 11 Uhr steigen wir zur Talstation ab wo bereits das Taxi wartet. Ein letzter Blick zurück ins Obersulzbach Tal mit Großem Geiger und die Tour geht langsam aber sicher zu Ende.

Groß und Kleinvenediger

Schlusswort: Es war eine superschöne Hochtourenwoche mit absolutem Kaiserwetter zum Finale. Auch die Simonyspitze in Nebel, Regen und Schnee hatte ihren Reiz. Die Gruppe hat gut harmoniert, alle haben auch Dank der guten Führung von Martin die Gipfel erreicht. Das es auch zum Abbruch einer Tour kommen kann haben wir an der Johannishütte mitbekommen. Eine vierer Seilschaft gab hier wegen Kälte, Höhe, Schwierigkeitsgrad und Kniebeschwerden auf, der Bergführer selbst davon überrascht. Auf allen Hütten war die Unterbringung (zweier, vierer, zwölfer Zimmer) und Verpflegung gut. Abends gab es immer Menüs mit der Möglichkeit des Nachschlags. Bei einem guten Glas Rotwein in gemütlicher Runde wurden die Tagesetappen vor- und nachbereitet, stets konnten wir vor der geplanten Startzeit aufbrechen. SCHÖN WAR’S !!!

Fotos & Text: Wolfgang Hackenbroich Camera: Canon Powershot G11

Obersulzbachtal mit Großem Geiger