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www.lotus-travel.com. Weitere Auskünfte: India Tourism, Frankfurt am. Main, Telefon: 069/242 94 90, E-Mail: info@india-tou- rism.com, www.india-tourism.de.
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Süddeutsche Zeitung

REISE

Donnerstag, 28. Februar 2013 Bayern, Deutschland, München Seite 34 Bau- vom Verkehrslärm abgelöst wird, dürfte das die Ruhe der rund 300 Yogis, die hier leben, empfindlich stören. Swami Taponidhi lebt seit zwölf Jahren das klösterliche Leben in der Bihar School of Yoga. Früher war er Matrose, dann Verpackungsunternehmer. War es nicht schwierig, die bürgerliche Existenz hinter sich zu lassen? Die Frage reißt ihn aus den Gedanken. Schwierig, ach was, lacht der Swami und schüttelt den Kopf: „Ich habe einfach alles meinen Brüdern überschrieben.“ An der Anlegestelle führt eine Badetreppe zur Stadt hinauf. An diesem Ghat versammeln sich einige Schaulustige, um die Bengal Ganga zu betrachten. Vor dem mehrgängigen Menü ziehen die Kellner deshalb die Vorhänge des Speisesaals zu, um die westlichen Gäste vor den Blicken zu schützen. Auch beim Landgang schirmt die Besatzung die Gäste vor allzu aufdringlichen Einheimischen ab, unterstützt durch einen bewaffneten Polizeitrupp. Aber die meisten Menschen am Ghat inter-

VON PETER SICH

M

ahant Ranelna Nadgiri steht im orangefarbenen Lendenschurz auf der Dachterrasse des Ajgaivinath-Tempels, die rechte Hand erhoben, Daumen und Zeigefinger geschlossen. Fast wirkt es so, als habe ihm mal jemand geraten, nicht direkt in die Kameras zu schauen. Und so geht sein Blick an den Menschen vorbei zum Fluss. Oft kommt es nicht vor, dass der Tempelvorsteher für Urlaubsbilder posiert. Nur wenige Touristen verschlägt es nach Sultanganj im indischen Bundesstaat Bihar. Und es ist kaum anzunehmen, dass die Kreuzfahrtgäste, für die Mahant Ranelna Nadgiri noch immer die Hand erhoben hält, je den Weg in diesen entlegenen Landstrich gefunden hätten, gäbe der Ganges ihrem Schiff, der RV Bengal Ganga, nicht die Reiseroute vor. Für die Hindus ist der Ganges die herabgekommene Flussgöttin Ganga. Zur Erlösung seiner Ahnen hat König Bhagiratha, so der Mythos, durch Jahrhunderte der Askese Mutter Ganga auf die Erde geholt. Und dort, wo heute der Ajgaivinath-Tempel steht, soll damals der Weise Jahnu gesessen haben. Durch das heranrauschende Wasser in seiner Meditation gestört, schluckte er kurzerhand den Fluss, um ihn später durch sein Ohr wieder zu entlassen. „Wenn ich das Schiff über den Ganges steuere, fühle ich mich wie ein Kind, das in den Armen seiner Mutter spielt.“ Mit dem Schnauzbart, der weißen Uniform und der Sonnenbrille ginge Mahadev Navik ohne Weiteres als Polizist auf den Straßen Kalkuttas durch. Doch er ist seit ihrer ersten Fahrt im Jahr 2009 Kapitän der Bengal Ganga. Und damit sei er, betont er stolz, seit kolonialen Zeiten der erste, der Vergnügungspassagiere über den Ganges fährt. Das Schiff wurde 2004 in Myanmar gebaut, es ist im Stil jener Schiffe gehalten, die in der Kolonialära Flussdeltas und Sumpfgebiete durchfuhren und zu offiziellen Anlässen auch die Vizekönige BritischIndiens transportierten.

Kaum zu glauben, dass aus diesem Wasser etwas sauberer hervorgehen soll

Wenn im Himalaja die Gletscher schmelzen, beginnt Ganga zu wüten Vom Sonnendeck aus bietet sich ein Blick auf Indien, wie er in diesem lauten und stark bevölkerten Land selten zu finden ist. Vereinzelt kreisen Vögel durch die Luft, Wasserbüffel stehen am Ufer. Immer wieder springt ein Ganges-Delfin aus dem Wasser. Am Ufer ziehen Sandflächen und Reisfelder vorüber. Nur ab und an zeigt sich ein Fischerboot oder eine überladene Fähre. Denn als Verkehrsweg wird der Fluss kaum genutzt. Über weite Strecken ist er nicht schiffbar, und wo er es ist, herrschen schwierige Bedingungen: So breit er sich durchs Land wälzt, so flach ist er an vielen Stellen. Hinzu kommt, erklärt Mahadev Navik, dass sich die Gestalt des Flusses beständig ändert. Mal verschieben sich Sandbänke, entstehen Untiefen, wo vorher keine waren. Wenn im Sommer der Monsun aufzieht und im Himalaja die Gletscher schmelzen, dann beginnt Ganga zu wüten. Dann wäscht der Fluss Gestein aus dem Gebirge und gestaltet die Landschaft neu: Er wächst auf ein Vielfaches an und begräbt die Felder am Ufer unter braungrünen Wassermassen. In Sultanganj kennt man die alljährliche Zerstörungswut. Am Ufer hat man extra keine festen Bauten errichtet, auf dem schlammigen Boden stehen nur einige Holzgerüste. Um sie herum wuseln Menschen, füllen Flusswasser in kleine Plastikfässer. Sultanganj liegt auf der Pilgerroute nach Deoghar. Hier holen sich die Gläubigen Gangeswasser. Gangajal, wie sie es nennen, ist ein wichtiger Bestandteil vieler Hindu-Zeremonien. In den kleinen Plastikfässern tragen die Pilger es mit Holzlatten auf den Schultern. Viele bestreiten die rund 100 Kilometer nach Deoghar zu Fuß, auf den Lippen den Ruf „Bol Bam!“, mit dem sie einen der Namen Shivas preisen.

Die fließende Göttin Der Ganges zieht Millionen indischer Pilger an. Auf einer Flusskreuzfahrt lassen sich die alltäglichen Bräuche deshalb besonders gut beobachten. Aber der Strom hat auch seine Tücken

Morgens und abends kommen die Hindus zur rituellen Reinigung – oder einfach nur, um sich oder ihre Kleidung zu waschen. Solche ruhigen Momente, die Flussreisende erleben, sind etwas Besonderes in dem lauten und bevölkerungsreichen Land. FOTO: KAZUYOSHI NOMACHI/CORBIS

Auf dieser Pilgerstrecke bewegt sich – wie jedes Jahr – auch Teg Bahadur Kargi mit seiner Familie. Den ganzen Tag hat der untersetzte Nepalese im Auto verbracht, um die 500 Kilometer aus seinem Heimatort zurückzulegen. Sein Tata Sumo ist zwar geräumig, die 13-köpfige Familie wird es darin dennoch eng haben. Nur drei Tage hat Teg Bahadur Kargi für die insgesamt 1200 Kilometer lange Reise eingeplant. Dann will der Hotelier wieder zurück in Nepal sein, die Arbeit ruft. Bereits eine Stunde, bevor das Schiff im Zentrum von Munger eintrifft, zieht sich die Stadt am Ufer entlang. Hier macht der

Ganges einen auffälligen Knick. Die Stadt schiebt sich auf einer Landzunge in den Fluss. „Am Ufer ändert der Fluss auf einem kurzen Abschnitt seine Strömungsrichtung. Er steht auf dem Kopf – wie beim Yoga“, sagt Swami Taponidhi. Und er ist überzeugt: Durch den eigenwilligen Verlauf des Flusses durchströmt den Ort eine besondere Energie. Swami Taponidhi steht im orangefarbenen Gewand im Garten der Bihar School of Yoga. Hohe weiße Mauern schützen den Ashram vor dem Lärm der indischen Großstadt. Direkt hinter der Schule entsteht eine neue Brücke über den Fluss, mehr als drei Kilometer lang. Wenn der

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CHINA NEPAL G a ng

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BHUTAN

Simaria

INDIEN

Munger Sultanganj Deoghar BANGLADESCH Kalkutta Golf von Bengalen 250 km SZ-Karte: Schnieber

Anreise: Flug mit Air India von Frankfurt nach Patna über Delhi hin und zurück ab 690 Euro. Mit Air India nach Kalkutta oder Varanasi über Delhi hin und zurück ab 690 Euro, www.airindia.com Reisearrangement: Eine Kreuzfahrt mit der RV Bengal Ganga von Kalkutta bis Simaria mit Anschlussprogramm in Bodhgaya und Varanasi kostet im Doppelzimmer pro Person für 13 Tage inklusive Ausflügen, Vollpension und deutschsprachiger Reiseleitung ab 5168 Euro. Die Strecke wird auch in umgekehrter Richtung angeboten. Buchbar ist die Reise z. B. über: www.lotus-travel.com Weitere Auskünfte: India Tourism, Frankfurt am Main, Telefon: 069/242 94 90, E-Mail: [email protected], www.india-tourism.de

essieren sich kaum für das Schiff. Morgens und abends kommen sie – zur rituellen Reinigung oder einfach nur, um sich oder ihre Kleidung zu waschen. Auf den Stufen des Ghats sind die meterlangen Stoffbahnen der bunten Saris zum Trocknen ausgebreitet. Kaum zu glauben, dass aus dem braungrünen Wasser irgendetwas sauberer herauskommen soll. So rein der Ganges im religiösen Sinne gilt, so verdreckt ist er nach ökologischen Maßstäben. Als türkisfarbener Gebirgsfluss tritt der Ganges bei Haridwar in die nordindischen Ebenen. Ab da geht es bergab. Insgesamt liegen mehr als 50 Städte am Fluss, darunter 29 Großstädte. Und fast alle pumpen ihre Fäkalien und Industrieabwässer in den Ganges. Dazu kommt die Asche der Toten. Die Belastung mit Schwermetallen, Industrieabfällen und Kolibakterien liegt weit über dem gesundheitlich verträglichen Maß. Dabei baden und waschen die Menschen nicht nur im Fluss – 400 Millionen Menschen beziehen ihr Trinkwasser aus dem Ganges. „Wir leben mit dem Fluss, wir sind damit aufgewachsen und baden täglich darin. Das macht uns immun“, meint Mahadev Navik. Dass es so einfach aber nicht ist, zeigt eine Studie, die das Nationale Krebsprogramm im Oktober 2012 veröffentlicht hat. Demnach häufen sich die Krebsfälle im Einzugsgebiet des Flusses. Die Rate an Gallenblasenkrebs entlang des Ganges etwa ist die zweithöchste der Welt. Und doch liegt der Fluss, wenn man ihn abfährt, da wie gemalt. Ein Ort, an den die Menschen auch kommen, um ihrer Ahnen zu gedenken. Seit Jahrhunderten zieht es Pilger im hinduistischen Mondmonat Kartika Ende Oktober deshalb nach Simaria. An die 100 000 Besucher kamen im vergangenen Jahr, erzählt Ramesh Gautam, der in Simaria für die Sicherheit des Kalpvas-Rituals zuständig ist – für indische Verhältnisse eher eine kleine Zeremonie. Aber auch in Simaria strebte man nach Höherem. 2011 wurden Stimmen laut, die forderten, die Kumbh Mela, das größte religiöse Fest der Welt, das abwechselnd in Haridwar, Ujjain, Nashik und – so wie in diesem Jahr geschehen – in Allahabad stattfindet, doch auch in den Ort im Bundesstaat Bihar zu holen. Ein Sadhu trat dafür in den Hungerstreik, Bihars Gesundheitsminister sicherte seine Unterstützung zu. Aber die Sprecher des All India Akhara Councils, traditionelle Autorität in Sachen Kumbh Mela, legten ihr Veto ein. Aus der Sache wurde nichts. So kehrte wieder Ruhe ein in Simaria, wo der Fluss im Abendlicht glänzt. Öllichter und Blüten treiben auf dem Wasser. Seile begrenzen den Badebereich, dem Ramesh Gautams ganze Aufmerksamkeit gilt. Denn die größte Gefahr, die vom Fluss ausgehe, sei nicht die Verschmutzung, sagt er, die größte Gefahr seien Badeunfälle. „Viele Pilger kommen vom Land. Und sie können nicht schwimmen.“

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