Standardisierung als Katalysator für Innovationen - Chair of Innovation ...

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STANDARDISIERUNG ALS KATALYSATOR FÜR INNOVATIONEN

PROF. DR. KNUT BLIND INAUGURATIONSREDE MAI 2009 STIFTUNGSLEHRSTUHL STANDARDISIERUNG ROTTERDAM SCHOOL OF MANAGEMENT

DIN Deutsches Institut für Normung e. V.

ZUSAMMENFASSUNG: Standardisierung wird häufig als ein Widerspruch zu Innovation betrachtet. In seinem Vortrag zeigt Prof. Blind in drei verschiedenen Bereichen, dass Standardisierung als Katalysator für Innovationen dienen kann. Nach einer kurzen Darstellung der ökonomischen Funktionen von Standards und Normen wird zunächst der Zusammenhang zwischen Forschung und Standardisierung erörtert und es wird verdeutlicht, wie die Standardisierung als Kanal für den Technologietransfer und Normen als forschungsfördernde Instrumente fungieren. Der zweite Bereich behandelt das schwierige, aber vielversprechende Thema des Transfers intellektueller Eigentumsrechte (intellectual property rights, IPR) in Normen, der sowohl für IPR-Inhaber als auch für die Anwender von Normen nützlich sein kann. Der dritte Bereich befindet sich derzeit in der Entwicklungsphase. Dabei geht es um die Rolle von Normen und Standardisierung in öffentlichen Beschaffungsprozessen, bei denen zunehmend eine Innovationsförderung verlangt wird. Es folgt eine Zusammenfassung der Katalysatorfunktionen von Normen, auf deren Grundlage Empfehlungen für Unternehmen abgeleitet werden. Der Vortrag schließt mit einem Ausblick auf zukünftige Forschungsthemen.

PROF. DR. KNUT BLIND studierte Volkswirtschaftslehre, Politologie und Psychologie an der Universität Freiburg. Im Rahmen seines Studiums verbrachte er ein Jahr an der Brock University (Kanada), an der er den Bachelor of Arts erhielt. Sein Studium der Volkswirtschaftslehre schloss er mit dem Diplom an der Universität Freiburg ab, wo er später auch promovierte. Im Jahre 1996 ging er als Wissenschaftler an das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung nach Karlsruhe. Im April 2006 wurde Knut Blind als Professor für Innovationsökonomie an die Fakultät Wirtschaft und Management der Technischen Universität Berlin berufen und zum Leiter des Competence Centers »Regulierung und Innovation« des Fraunhofer-Instituts ernannt. Seit Mai 2008 ist er ebenfalls Inhaber des Stiftungslehrstuhls Standardisierung in der Abteilung Technologie und Management der »Rotterdam School of Management« an der Erasmus-Universität Rotterdam. Im April 2010 wechselte er zum Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme und leitet dort die Forschergruppe »Public Innovation«. Neben zahlreichen Artikeln zur Standardisierung hat er Beiträge zum Thema geistiges Eigentum und zu verschiedenen Innovationsaspekten in Fachzeitschriften wie Research Policy, Telecommunication Policy, Applied Economics, Technological Forecasting and Social Change sowie dem Journal of Technology Transfer veröffentlicht.

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STANDARDISIERUNG ALS KATALYSATOR FÜR INNOVATIONEN

INHALT Zusammenfassung .......................................................................................... 2 Inhalt .............................................................................................................. 3 1

Hintergrund .................................................................................................... 4

2

Definitionen .................................................................................................... 4

2.1

Innovation ....................................................................................................... 4

2.2

Katalysator ...................................................................................................... 5

2.3

Standardisierung ............................................................................................ 5

3

Normentypen und ihre ökonomischen Auswirkungen ..................................... 6

4

Normungsbereiche als Katalysatoren für Innovation ........................................ 6

4.1

Forschung und Normung ................................................................................. 7

4.1.1

Hintergrund .................................................................................................... 7

4.1.2

Rekursive Abhängigkeit zwischen Forschung und Standardisierung ................. 7

4.1.3

Verschiedene Funktionen von Normen im Forschungs- und Innovationsprozess ........................................................................................................... 8

4.1.4

Beispiel: Nanotechnologie ............................................................................... 9

4.1.5

Implikationen für die Wirtschaft ....................................................................... 9

4.2

IPR und Normung .......................................................................................... 10

4.2.1

Hintergrund ................................................................................................... 10

4.2.2

Ökonomische Gründe für IPR ......................................................................... 10

4.2.3

Ökonomischer Nutzen von IPR in Normen für Innovationen ............................ 10

4.2.4

Wirtschaftliche Kosten der IPR in Normen für Innovationen ............................ 11

4.2.5

Der Weg zum MP3-Standard .......................................................................... 11

4.2.6

Implikationen für die Wirtschaft ..................................................................... 12

4.3

Öffentliche Beschaffung und Normung .......................................................... 13

4.3.1

Hintergrund ................................................................................................... 13

4.3.2

Auswirkungen von Innovation auf das öffentliche Beschaffungswesen ........... 13

4.3.3

Innovationsfördernde Funktionen von Normen im öffentlichen Beschaffungswesen ....................................................................................... 13

4.3.4

Die Rolle von Normen im öffentlichen Beschaffungsprozess ........................... 14

4.3.5

Die Rolle von Normen im tatsächlichen Beschaffungsprozess ......................... 15

4.3.6

Implikationen für die Wirtschaft ..................................................................... 16

5

Zusammenfassung der Katalysatorfunktionen von Normen ........................... 16

6

Empfehlungen ............................................................................................... 17

7

Zukünftige Forschung ................................................................................... 17 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 19

3

Abbildung 1: Normen als Grundlage für unser berufliches und privates Leben (Quelle: DIN)

1

HINTERGRUND Normen und Standards bilden die Grundlage für unser berufliches und privates Leben (Abbildung 1) und Innovation ist die wichtigste Quelle für Wachstum und Wohlstand unserer Volkswirtschaften. Deshalb stehen wir vor der Herausforderung, Standardisierung effektiv und effizient zu nutzen, um Innovation zu fördern. Bislang galt die Auffassung, dass Standards und Innovation unvereinbar miteinander seien. Dies hat einige nachteilige Auswirkungen für die Integration von Standardisierung sowohl in das Innovationsmanagement als auch in die Innovationspolitik. Hier beobachten wir eine starke Ausrichtung auf die Finanzierung von Forschung und Entwicklung und die Sicherung der Ergebnisse durch die Anmeldung von IPR als Instrumente der Unternehmensstrategien und der Innovationspolitik. Jedoch können Forschungsergebnisse nur kommerziell und wirtschaftlich genutzt werden, wenn der Transfer in innovative Produkte und Prozesse erfolgreich realisiert wird. Leider ist die Standardisierung noch längst nicht der leistungsstarke Technologietransferkanal, der sie sein könnte. Standards sind auch wichtiger Bestandteil der Rahmenbedingungen für zukünftige Forschung, Entwicklung und Innovation. Forschungsergebnisse werden zunehmend durch intellektuelle Eigentumsrechte (intellectual property rights, IPR) geschützt. Insbesondere Patente spielen hier eine Rolle. Normen können eine effektive Hebel- und Diffusionswirkung für IPR haben. Dies kann jedoch auch zu Konflikten zwischen den beteiligten Akteuren führen. In jüngster Zeit sind zwar nutzergetrieben Innovationsstrategien und eine daraus folgende nachfrageorientierte Innovationspolitik gefördert worden, aber die Standardisierung als Instrument zur Koordinierung von Präferenzen und Akteuren auf der Nachfrageseite ist vernachlässigt worden. Insgesamt gesehen bergen Normen und Standardisierung ein großes Potenzial der Innovationsförderung sowohl für politische Entscheidungsträger als auch für Unternehmen. Unlängst haben wir das Entstehen einiger politischer Initiativen beobachten können, wie die Leitmarkt-Initiative (LMI) der Europäischen Kommission und nationale Innovationsstrategien, die die Standardisierung als zentrales Instrument der Innovationspolitik in den Vordergrund stellen. Entscheidungsträger in Unternehmen und Innovationsstrategen zeigen ebenfalls ein wachsendes Interesse an der Standardisierung.

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DEFINITIONEN

2.1

Innovation Da es viele Definitionen des Innovationsbegriffs gibt und mein akademischer Hintergrund die Volkswirtschaft ist, greife ich auf die Definition von OECD/Eurostat zurück (OECD, Eurostat 2005). Die Definition im Oslo Manual lautet: »Eine Innovation ist ein Produkt (Ware oder Dienstleistung) oder ein Prozess, das bzw. der neu oder merklich verbessert ist, eine neue Marketing-Methode oder ein neues Verfahren in Unternehmensabläufen,

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STANDARDISIERUNG ALS KATALYSATOR FÜR INNOVATIONEN

in der Arbeitsorganisation oder in den externen Beziehungen (neu entweder für das Unternehmen, den Markt oder weltweit). Innovationsaktivitäten umfassen alle wissenschaftlichen, technologischen, organisatorischen, finanziellen und kommerziellen Tätigkeiten, die zur tatsächlichen Umsetzung von Innovationen führen oder führen sollen.«

2.2

Katalysator Genau genommen ist ein Katalysator alles, was einen Prozess beschleunigt. Der Begriff ist vom griechischen Verb καταλύειν abgeleitet, was »losbinden, auflösen« bedeutet. Katalysierte Prozesse sind Reaktionen, die von Substanzen beschleunigt werden, die nach der Reaktion unverändert bleiben. Heute bezeichnet ein Katalysator in der Chemie einen Stoff, der eine chemische Reaktion auslöst oder beschleunigt, ohne selbst davon betroffen zu sein. In der Alltagssprache ist ein Katalysator etwas, was ein wichtiges Ereignis auslöst. In unserem täglichen Leben kennen wir Katalysatoren von PKWs oder aus dem Labor, wo z. B. die Stabilität von Elektrokatalysatoren mit Platinkathoden gemessen wird.

2.3

Standardisierung Angesichts der aktuellen Kontroverse über das europäische Normungssystem halten wir uns an die offizielle ISO/IEC-Definition, nach der eine Norm ein »Dokument [ist], das mit Konsens erstellt und von einer anerkannten Institution angenommen wurde und das für die allgemeine und wiederkehrende Anwendung Regeln, Leitlinien oder Merkmale für Tätigkeiten oder deren Ergebnisse festlegt, wobei ein optimaler Ordnungsgrad in einem gegebenen Zusammenhang angestrebt wird« (ISO/IEC Richtlinie 2004). Henk de Vries hat die vorhandenen Quellen zusammengefasst und definiert Standardisierung ausführlicher als »Aktivität zur Erarbeitung und Aufzeichnung einer begrenzten Auswahl von Lösungen für tatsächliche oder potenzielle Abstimmungsprobleme zum Nutzen der betroffenen Interessengruppe(n) mit dem Ziel, deren Bedürfnisse in ein Gleichgewicht zu bringen, sowie mit der Absicht und Erwartung, dass diese Lösungen über einen gewissen Zeitraum wiederholt oder kontinuierlich von einer beträchtlichen Anzahl von Zielgruppen genutzt werden« (de Vries 1997). Entscheidend ist, dass Standardisierung ein freiwilliger Prozess zur Entwicklung von technischen Spezifikationen auf der Grundlage eines Konsenses der interessierten Kreise ist: in erster Linie der Industrie, aber auch einer Reihe von Nutzern, Interessengruppen und Behörden. Normen als Standardisierungsergebnis weisen folgende Merkmale auf: Sie werden der Öffentlichkeit kostenfrei oder gegen eine Gebühr zugänglich gemacht. Die Implementierung ist kostenlos bzw. in einigen Fällen an eine Kompensationszahlung an die jeweiligen IPR-Inhaber gebunden. Ihre Anwendung bleibt freiwillig. An der Normung können folgende Organisationen beteiligt sein: Auf nationaler Ebene sind Normungsinstitute wie das DIN die zuständige Einrichtung. Auf europäischer Ebene sind die europäischen Normungsorganisationen CEN, CENELEC und ETSI für allgemeine, elektrotechnische und Telekommunikationsnormen verantwortlich. Dementsprechend teilen sich die internationalen Normungsorganisationen ISO, IEC und ITU die Normungsarbeit auf der internationalen Ebene. Ich werde auf die Normungsaktivitäten in diesen Normungsorganisationen allgemein eingehen – und nicht auf die relativ informellen Standardisierungskonsortien und -foren.

Abbildung 2: Ein Kfz-Katalysator und ein Elektrokatalysator (Quelle: Wikipedia)

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NORMENTYPEN UND IHRE ÖKONOMISCHEN AUSWIRKUNGEN Auf europäischer Ebene allein gibt es rund zwanzigtausend Normen. In Tabelle 1 erfolgt eine Unterteilung in vier Normentypen mit den jeweiligen positiven und negativen ökonomischen Auswirkungen.

Tabelle 1: Normentypen und ihre ökonomischen Funktionen

NORMENTYP

POSITIVE WIRKUNG

NEGATIVE WIRKUNG

Kompatibilitäts- und Schnittstellenstandards

· Netzwerkexternalitäten · Vermeidung von Abhängigkeiten · Steigerung der Vielfalt · Effizienz in Lieferketten

· Monopolmacht

Qualitäts-/Sicherheitsstandards

· Vermeidung von Negativauslese · Senkung von Transaktionskosten

· Erhöhung der Kosten von Mitbewerbern

Vereinheitlichungsstandards

· Rationalisierungseffekte · Kritische Masse in jungen Branchen

· Verringerung der Auswahl · Marktkonzentration

Terminologie- und Klassifikationsstandards

· Erleichterung des Handels · Senkung von Transaktionskosten

· Erhöhung der Kosten von Mitbewerbern

(Blind 2004)

Insgesamt überwiegen die positiven die wenigen negativen Auswirkungen von Normen. Letztere lassen sich verhindern, wenn Standardisierungsprozesse offen, transparent und konsensbasiert sind.

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NORMUNGSBEREICHE ALS KATALYSATOREN FÜR INNOVATION Im folgenden Abschnitt werde ich erläutern, welche Rolle Normen für die Innovationsförderung spielen. Dabei bringen sie selbst nicht unbedingt Innovationen im engeren Sinn hervor. Normen beschleunigen nicht nur die Markteinführung von Innovationen und innovativen Technologien, sondern ermöglichen in erster Linie ihre Vermarktung, indem sie z. B. für die Bildung kritischer Massen sorgen bzw. die Unterstützung aller relevanten Interessengruppen auf sich vereinen. Sie tragen auch zur schnelleren Diffusion von Innovationen bei. Ich möchte drei Bereiche hervorheben, in denen wir mindestens eine der zwei innovationsfördernden Funktionen von Normen beobachten können. Auf der Angebotsseite werden wir uns zunächst der Schnittstelle zwischen Forschung und Normung zuwenden und anschließend diejenigen Forschungsergebnisse, die durch geistige Eigentumsrechte geschützt sind, sowie die Vorteile ihrer Integration in Normen betrachten. Zusätzlich zu diesen angebotsseitigen Bereichen werden wir schließlich die Bedeutung von Normen in innovationsfördernden öffentlichen Ausschreibungsprozessen erläutern. Alle drei ausgewählten Bereiche werden wie folgt dargestellt: Zunächst werde ich die Schnittstellen zwischen der Normung und dem Innovationsbereich beschreiben. Daran

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STANDARDISIERUNG ALS KATALYSATOR FÜR INNOVATIONEN

schließt sich eine Erörterung der Katalysatorfunktionen der Normung sowie ihrer Bedeutung für die Wirtschaft einschließlich der daraus folgenden Herausforderungen und Lösungen an.

4.1

Forschung und Normung

4.1.1 Hintergrund Forschung und Entwicklung (FuE) stehen im Mittelpunkt der Innovationsstrategien von Unternehmen und somit auch der innovationspolitischen Maßnahmen der OECD-Länder. Der kommerzielle Erfolg und die wirtschaftliche Wirkung der Ergebnisse von Forschung und Entwicklung werden jedoch nur durch ihren erfolgreichen Transfer in innovative Produkte und Prozesse realisiert. So wurden zahlreiche Unterstützungsmechanismen für den Technologietransfer implementiert, aber die Normung wird weithin nicht als ein Instrument für den Technologietransfer erkannt. Ein Beispiel: Deutschland ist weltweit führend in der Nanotechnologieforschung. Jedoch kam es zu Verzögerungen bei der nationalen Standardisierungsarbeit, was es Deutschland erschwerte, sich diese hervorragende Ausgangsposition bei der Normung auf europäischer und internationaler Ebene zunutze zu machen.

4.1.2 Rekursive Abhängigkeit zwischen Forschung und Standardisierung Wie in Abbildung 3 dargestellt gibt es neben dem klassischen Transferkanal von der Forschung hin zur Standardisierung einen rekursiven Transfer von der Standardisierung zurück zur Forschung.

Klassischer Technologietransfer Abbildung 3: Forschung und Standardisierung (Blind, Gauch 2009)

FuE

Standardisierung

Rekursiver Technologietransfer Institutioneller Rahmen

Barrieren

Institutioneller Rahmen

Das konzeptionelle Transfermodell von Bozeman (2000) betrachtet Normung nicht als Transferkanal, sondern sieht Normen als Transferobjekt. Genauer gesagt stellen Normen einen Transferkanal für Wissen und Technologie dar, der in einen Konsensprozess eingebunden ist. Die Auswahl und Priorisierung von Wissen und Technologien führen zur Bündelung von Ressourcen und verhindern eine Fragmentierung. Außerdem haben alle Akteure in Industrie und Forschung, im öffentlichen Sektor und in der Gesellschaft Zugang dazu. Maximale wirtschaftliche Effizienz wird erzielt, wenn öffentlich geförderte FuE-Ergebnisse mittels Normen in öffentliches Gut übergehen. Diese Normen sind im Gegensatz zu Patenten für jedermann gegen einen geringen Kostenaufwand zugänglich und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie auf breiter Basis implementiert werden, da alle interessierten Kreise zu einem Konsens gelangt sind. Darüber hinaus ist die Normung ein Kooperations- und Transferprozess, denn sie bietet eine gemeinsame Plattform für Akteure mit heterogenem Hintergrund – aus Forschung und Industrie, aus der öffentlichen Verwaltung, aus gesellschaftlichen Interessengruppen, wie z. B. Verbraucher. Neben der Kodifizierung von Wissen in Normen findet während des Normungsprozesses ein Aus-

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tausch von implizitem Wissen statt. Schließlich werden auch Beiträge aus den verschiedensten Quellen integriert, insbesondere Wissen von Technologieanwendern und Verbrauchern. Nimmt man all diese Aspekte zusammen, ist die Normung ein Katalysator für die praktische Implementierung von Forschungsergebnissen in innovativen Technologien, Produkten und Dienstleistungen.

Abbildung 4: Forschung

Forschung und Normung in einem einfachen Technologietransfermodell

Publikationen Patente

(Blind, Gauch 2009)

Standardisierung

Kodifizierung Wissen

Teilnahme

Standards

Umsetzung

Kodifizierung Teilnahme

Koordination

4.1.3 Verschiedene Funktionen von Normen im Forschungsund Innovationsprozess Zusätzlich zum Transfer von technischem Wissen aus der Forschung in die Normung können Normen selbst die Rahmenbedingungen für zukünftige Forschung bilden. Das trifft besonders für Terminologie- und Klassifikationsstandards in Zusammenhang mit der Grundlagenforschung sowie der Mess- und Prüftechnik zu. Prüfnormen sind von zentraler Bedeutung für die angewandte Forschung und Qualität, Sicherheitsstandards sind relevant für die Markteinführung und Kompatibilitätsstandards sind grundlegend für die Diffusion von Technologien und Produkten insbesondere in Netzwerkindustrien. Über all diese Bereiche hinweg können Normen die staatliche Regelsetzung ergänzen bzw. vervollständigen. So können z. B. bei neu entstehenden Forschungs- und Technologiefeldern interessierte Kreise mithilfe der selbstregulierenden Normung flexible Rahmenbedingungen aufstellen, die später in die staatlichen Rechtsvorschriften übertragen werden.

Abbildung 5:

Reine Grundlagenforschung

Verschiedene

Semantik

Funktionen verschiedener

Orientierte Grundlagenforschung

Innovationsprozess Gauch 2009)

FuE

(basierend auf Blind,

Mess- und Prüftechnik Angewandte Forschung Schnittstellen Experimentelle Entwicklung Kompatibilität, HSE* Diffusion

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* health, safety and environment

NORMUNG

Normentypen im

STANDARDISIERUNG ALS KATALYSATOR FÜR INNOVATIONEN

4.1.4 Beispiel: Nanotechnologie Die Bedeutung der Normung für neue Technologien lässt sich anhand der ISO-Aktivitäten zur Terminologie und zur Nomenklatur in TC 229 Nanotechnologie demonstrieren. Das Ergebnis sind folgende grundlegende Definitionen: Nanomaßstab: Nanoobjekt: Nanopartikel: Nanoplättchen: Nanozylinder: Nanoröhrchen:

Größenbereich von etwa 1 nm bis 100 nm Material mit einem, zwei oder drei Außenmaß(en) im Nanomaßstab Partikel mit allen drei Außenmaßen im Nanomaßstab Nanoobjekt mit einem Außenmaß im Nanomaßstab Nanoobjekt mit zwei ähnlichen Außenmaßen im Nanomaßstab Nanoobjekt mit zwei ähnlichen Außenmaßen im Nanomaßstab

Neben den grundlegenden Definitionen liegt die Herausforderung für die Forschung und Entwicklung in der Nanotechnologie in der Messung von Nanopartikeln. Abbildung 6 illustriert die verschiedenen messbaren Außenmaße von Nanopartikeln und zeigt, dass Messnormen von zentraler Bedeutung sind.

Partikelmerkmal

»Äquivalentdurchmesser« Kugel mit gleicher minimaler Länge

Abbildung 6: Messbare Merkmale von Nanopartikeln (Quelle:

Kugel mit gleicher maximaler Länge

dmin

dmax

Kugel mit gleichem Gewicht

dw

Malvern GmbH)

dv

Kugel mit gleicher Sedimentationsrate

Kugel mit gleichem Volumen

dsed ds Kugel mit gleichem Diffusionsverhalten

dH

Kugel mit gleicher Oberfläche

dsieve Kugel, die die gleiche Siebmaschine passiert

Neben den Messnormen gibt es verschiedene Ansätze für die Messung von Partikelmerkmalen. Sie reichen von Siebmaschinen über die Elektronenmikroskopie bis hin zum Laserscanning. Auch hier sind Messnormen erforderlich, um diese Verfahren zu definieren.

4.1.5 Implikationen für die Wirtschaft Im Gegensatz zum Bedarf an Normen in Forschung und Entwicklung ist der Nutzen von Normen und Normung bislang kaum in das Bewusstsein der Forscher gerückt. Aufgrund der breiten Zugänglichkeit von Normen – im Gegensatz zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Patentanmeldungen – ergibt sich ein Mitnahmeeffekt, der dazu führt, dass Forschern der Anreiz fehlt, sich aktiv am Normungsprozess zu beteiligen, insbesondere in neu entstehenden Forschungs- und Technologiefeldern. Allgemein ist eine bessere Integration der Forschungs- und Normungstätigkeiten, einschließlich Planung, Leistung und Bewertung, erforderlich. Zudem gilt es, die Koordination zwischen den unternehmensinternen Forschungs- und Normierungsabteilungen zu verbessern. Anreizstrukturen für Forscher und Normer müssen geschaffen werden. Schließlich kann Normung als Innovationsstrategie genutzt werden, speziell von kleinen Unternehmen, die so eigene Forschungsund Entwicklungsaktivitäten ersetzen oder ergänzen. Das verlangt einen flexibleren und schnelleren Normungsprozess. Die Normungsgemeinschaft muss auch anerkennen, dass die Expertise von Forschern für den Normierungsprozess relevant ist.

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4.2

IPR und Normung

4.2.1 Hintergrund Forschungsergebnisse sind zunehmend durch geistige Eigentumsrechte (IPR), insbesondere Patente, geschützt, die auf grundsätzlichen und strategischen Beweggründen beruhen (Blind et al. 2006). Zudem neigen IPR-Institutionen, wie z. B. Patentämter, dazu, Schutz für geistiges Eigentum auch in neuen Bereichen, wie z. B. für Software, zu gewähren (Blind et al. 2005). Folglich werden mehr Debatten über die Qualität von IPR geführt, z. B. über Patentdickichte (patent thickets) und Patent-Trolle, so dass wir es mit einer verstärkten Interaktion zwischen IPR, Patenten und Standards zu tun haben (Blind et al. 2002; Blind, Thumm 2004).

4.2.2 Ökonomische Gründe für IPR Bevor wir die Wechselwirkung zwischen IPR und Standardisierung betrachten, müssen wir auf die grundlegenden ökonomischen Gründe für IPR eingehen. Zunächst haben die intellektuellen Schutzrechte eine Anreizfunktion, denn sie gewähren ein (zeitlich begrenztes) Monopol, um die Investition in Forschung und Entwicklung zu fördern. Zweitens kommt die Offenlegungsfunktion zum Tragen, indem die Veröffentlichung des geschützten Inhalts verlangt wird, um die Diffusion von (technologischem) Know-how zu fördern. Schließlich kommt den IPR durch die Forderung nach Offenlegung des geschützten Inhalts und durch die Verleihung eines (zeitlich begrenzten) Monopols eine Koordinierungsfunktion zu, durch die Doppelentwicklungen vermieden und Lizenzvergabe und sequenzielle Innovationen gefördert werden. Über diese entscheidenden Vorteile hinaus sind jedoch auch die Kosten von IPR-Systemen zu bedenken, die durch Dauermonopole, Patentdickichte, Patentrennen und Überflutung mit Patentinformationen entstehen.

4.2.3 Ökonomischer Nutzen von IPR in Normen für Innovationen Die Integration von IPR in Normen, insbesondere von Patenten, bringt eine Reihe von Vorteilen sowohl für den Rechtsinhaber als auch für diejenigen mit sich, die diese Normen implementieren wollen. Dank der Anreizfunktion hat ein Rechtsinhaber die Möglichkeit, sein zeitlich begrenztes, durch die IPR bedingtes Monopol für eine Integration in Normen zu nutzen. Dadurch entstehen zusätzliche Anreize für Investitionen in Forschung und Entwicklung. Ein zweiter indirekter Anreiz ergibt sich daraus, dass Technologien, Produkte und Dienstleistungen oft auf standardisierten Plattformen basieren. Das schafft zusätzliche Investitionsanreize ergänzend zur Erforschung und Entwicklung der Technologien, die für den Plattformstandard benötigt werden. Eine direkte positive Auswirkung der Integration von IPR, insbesondere von Patenten, ist das »Patent-Pooling« in Normen. Dies senkt die Transaktionskosten sowohl für den Patentinhaber als auch für die Normenanwender. Darüber hinaus profitieren Patentinhaber aufgrund des Diffusionseffekts von Normen von zusätzlichen Lizenzeinnahmen, und Normenanwendern kommen niedrigere Lizenzierungskosten zugute. In Normen integrierte intellektuelle Eigentumsrechte können von Rationalisierungseffekten profitieren, da die Vielfalt reduziert wird und über Normen positive Netzwerkexternalitäten entstehen. Das verstärkt nicht nur weiter die Anreize, sondern fördert auch die Diffusion der Norm und somit auch der integrierten IPR. Das führt uns zum zweiten Aspekt, der Diffusionsfunktion. Die vom Lizenzierungsverfahren abhängige allgemeine Verwendung geschützter Technologien über Normen fördert

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STANDARDISIERUNG ALS KATALYSATOR FÜR INNOVATIONEN

die Diffusion der integrierten IPR. Jedoch beginnt die Diffusion der IPR-Inhalte bereits während des Standardisierungsprozesses in den Normungsausschüssen. Bezüglich ihrer Koordinierungsfunktion profitieren IPR dreifach von ihrer Integration in Normen. Erstens reduziert die Einbeziehung von IPR in Normen parallele Entwicklungen drastisch, da der Schutz von geistigen Eigentumsrechten mit den Netzwerkexternalitäten von Normen verknüpft wird. Zweitens erleichtern Normen den Übergang von alten zu neuen und folglich auch von früheren zu nachfolgenden eigentumsrechtlich geschützten Technologien. Die Integration von IPR in Normen ist auch ein Mittel, um die Ineffizienzen eines zu schnellen Wechsels zu neuen Technologien zu reduzieren, d. h. eine überschießende Dynamik abzubremsen.

4.2.4 Wirtschaftliche Kosten der IPR in Normen für Innovationen Neben den zahlreichen wirtschaftlichen Vorteilen von IPR in Normen sind auch die Kosten für Innovationen zu berücksichtigen. In Bezug auf die Anreizfunktion kann die Kombination von IPR und standardbasierten Netzwerkexternalitäten zu einem Monopol führen, das über die maximale Dauer des Patentschutzes hinausgeht. Das führt zu Ineffizienzen, z. B. in Form von höheren Preisen und Marktstrukturen mit einem niedrigen Wettbewerbsniveau. Darüber hinaus können solche dominanten Positionen langfristig auch zu einem Festhalten an minderwertigen, veralteten Normen führen. Im Gegenzug zur Tendenz in Richtung Monopolisierung durch die Integration von IPR in Normen kann dieser außerordentlich starke Anreiz heftige Normenkriege auslösen, in denen Ressourcen durch Überinvestitionen und doppelte Arbeit vergeudet werden. Diese Punkte machen deutlich, dass die Integration von IPR in Normen erhebliche negative Auswirkungen haben kann, die neben den Vorteilen ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Die Wechselwirkung zwischen IPR und Normen kann zu möglichen Konflikten zwischen den beiden führen und am Ende weitere Kosten verursachen. Patentierungsstrategien könnten einen negativen Einfluss auf die Normung haben (Blind 2008b) und z. B. Normungsaktivitäten blockieren, indem für den Inhalt der Norm wichtige IPR zurückgehalten werden. Neben diesen strategischen Aktivitäten kann die Implementierung einer Norm zu einer unbeabsichtigten Verletzung der geistigen Eigentumsrechte führen, wenn deren Einbindung in die Norm nicht bekannt war. Solch eine Rechtsverletzung kann auch durch eine strategische nachträgliche Offenbarung von geistigen Eigentumsrechten durch U-BootPatente eintreten, nachdem der Normungsprozess abgeschlossen ist. Wenn also keine Rechtsverletzung zu vermuten ist, muss die Lizenzierung von IPR aus Patenten in Betracht gezogen werden. IPR und insbesondere Patente, die in Normen integriert sind, die von DIN, CEN oder ISO herausgegeben werden, müssen von ihren Inhabern zu angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen (Fair, Reasonable and Non-Discriminatory, FRAND) lizenziert werden. Es bleibt jedoch ziemlich unklar, wie FRAND in der Praxis definiert ist. Selbst wenn durch die FRAND-Bedingungen die Lizenzgebühren bei einem einzelnen Patent angemessen sind, kann eine Summierung von Lizenzgebühren für IPR verschiedener Patentinhaber zu erhöhten Lizenzkosten führen. Folglich würden den Parteien, die an der Implementierung der Norm interessiert sind, höhere Kosten entstehen.

4.2.5 Der Weg zum MP3-Standard Der MP3-Standard ist ein erfolgreiches Beispiel für die Integration von IPR in eine Norm. Seit 1981 hat die Universität Erlangen im Rahmen des Projekts Digital Audio Broadcast (DAB), das Teil des EUREKA-Forschungsprogramms war, Forschung betrieben. Die ersten Patentanmeldungen wurden 1987 vorgelegt und im selben Jahr begannen die Forschungs-

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arbeiten an Audiocodierverfahren am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS. Im Jahre 1992 wurde MPEG-1 Layer 3 unter der Bezeichnung MP3 vom internationalen Normenausschuss MPEG (Moving Pictures Experts Group) herausgegeben, der 1988 gegründet worden war. Zu den Mitgliedern von MPEG mit dem offiziellen Namen ISO/IEC JTC 1/SC 29/WG 11 gehörten Sony, Philips und EMI. Ein Patent-Pool mit allen relevanten Patenten der verschiedenen Patentinhaber wurde 1995 eingerichtet. Dann begann die massenhafte Verbreitung von MP3-Dateien über das Internet, besonders über die Peerto-Peer-Dateiaustauschnetzwerke wie Napster, Kazaa, eDonkey und andere. Seit 2000 ist MP3 eine »de facto«-Norm im Internet. MP3 ist ein Standardformat und Eponym für MP3Player und der Vorläufer des AAC-Standards, der in den iPods von Apple und in der iTunesSoftware implementiert ist. In Abbildung 7 sind die zahlreichen Produkte und Dienstleistungen rund um MP3 dargestellt.

Abbildung 7:

Soundtracks von Computerspielen

Exoten MP3-Player in Uhren, Waschmaschinen

Innovationen rund

Aufnahme- und Abspielgerät MP3-Player

um MP3 – Produkte

Integrierte MP3-Player in Handys, CD-Spielern, Navigationsgeräten etc.

und Dienstleistungen (Quelle: Fraunhofer IIS)

Online-RadioPodcast

Individuell zusammengestellte CDs Mobile Content, z. B. Klingeltöne

Musikspeicherung und -verteilung

Download als Vertriebskanal für Musik

MP3-Zubehör, z. B. Kopfhörer, Lautsprecher, Aufladegerät etc.

Als ein Beispiel für den Erfolg von MP3 sei erwähnt, dass weltweit über 100 Mio. MP3Player verkauft worden sind und dass die Fraunhofer-Gesellschaft durch MP3 Lizenzeinnahmen in Höhe von über 100 Mio. € erzielt hat.

4.2.6 Implikationen für die Wirtschaft Der Nutzen und die Kosten der Integration von IPR in Normen und die Erfolgsgeschichte der MP3-Technologie unterstreichen die große Bedeutung dieser wechselseitigen Beziehung für Unternehmen. Erstens haben IPR-Strategien einen wachsenden Einfluss auf die Standardisierung, was wiederum eine bessere Koordinierung zwischen IPR und Standardisierung auf politischer Ebene erfordert, aber auch zwischen den entsprechenden Strategien auf Unternehmensebene. So hat z. B. die strategische Nutzung von IPR in der Normung durch das Fraunhofer IIS Lizenzeinnahmen generiert, die nun zur Finanzierung von ähnlich erfolgversprechender Forschung aufgewendet werden. Zweitens erfordern die möglichen Konflikte zwischen IPR und Normen eine gemeinschaftliche Nutzung von IPR in der Normung, z. B. durch die Sicherstellung von Transparenz bezüglich eigener IPR in Normungsverfahren. Drittens können verbesserte IPR-Strategien dazu beitragen, durch die Nutzung der Möglichkeiten im Rahmen der Standardisierung die Lizenzierung zu optimieren. So könnten sogar abgabenfreie Lizenzvereinbarungen getroffen werden. Das ermöglicht die Integration einer wachsenden Anzahl von IPR und IPR-Inhabern in Normen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Beziehung zwischen IPR und Normung zahlreiche Facetten mit positiven und negativen Auswirkungen sowohl für die Wirtschaft insgesamt als auch für die einzelnen Unternehmen aufweist. Unternehmen sollten versuchen, die Chancen auszuschöpfen und die Risiken zu mindern, die daraus erwachsen.

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STANDARDISIERUNG ALS KATALYSATOR FÜR INNOVATIONEN

4.3

Öffentliche Beschaffung und Normung

4.3.1 Hintergrund Ausgehend von »technology push« und »demand pull« als Treiber für erfolgreiche Innovationen steht fest, dass eine Koordinierung der beiden Kräfte erforderlich ist. Darüber hinaus betont der systemische Innovationsansatz die Bedeutung der Integration der Nachfrageseite in erfolgreiche Innovationsprozesse. Als Folge davon haben wir in jüngster Zeit eine verstärkte Ausrichtung auf nachfrageorientierte Innovationen und zunehmende politische Aktivitäten in diesem Bereich beobachten können. Die Instrumente der nachfrageorientierten Politik sind: die direkte öffentliche Finanzierung der Nachfrage nach innovativen Produkten, die Subventionierung privater Nachfrage, öffentliche Beschaffung, Regulierung und Normung. Bislang ist der Normung keine große Bedeutung beigemessen worden und von einer Koordination der verschiedenen Instrumente kann ebenfalls nicht die Rede sein.

4.3.2 Auswirkungen von Innovation auf das öffentliche Beschaffungswesen Neben der Funktion des öffentlichen Beschaffungswesens als Innovationstreiber gibt es mehrere positive Auswirkungen von Innovationen für die öffentliche Beschaffung. Zunächst können Innovationen die Qualität öffentlicher Dienstleistungen und Infrastrukturen verbessern, was eine größere Kundenzufriedenheit, d. h. Zufriedenheit der Bürger, zur Folge hat. Zudem verschaffen solche Verbesserungen in den öffentlichen Dienstleistungen einen Vorsprung im verschärften Wettbewerb zwischen den Regionen. Zweitens können Innovationen die Kosten einer Technologie – über den gesamten Lebenszyklus betrachtet – senken, z. B. durch geringere Energie-, Wartungs- und Instandhaltungskosten. Innovationen haben aber auch negative Auswirkungen für öffentliche Beschaffer. Zunächst ist der Einkaufspreis aufgrund neuer Eigenschaften oder Produktmerkmale möglicherweise höher. Zweitens bergen innovative Technologien, Produkte und Dienstleistungen höhere Risiken für Anwender, aber auch z. B. für die Umwelt, und sie können wegen der fehlenden Erfahrung höhere Wartungskosten mit sich bringen. Außerdem können bestimmte Innovationen nur von einer kleinen Anzahl von Anbietern oder sogar von nur einem einzigen Unternehmen eingeführt werden. Normen können dazu beitragen, die positiven Wirkungen zu verstärken und die negativen zu minimieren. Dieses Thema ist Gegenstand des folgenden Abschnitts (Blind 2008a).

4.3.3 Innovationsfördernde Funktionen von Normen im öffentlichen Beschaffungswesen Folgende Mechanismen können die innovationsfördernde Rolle von Normen im öffentlichen Beschaffungswesen unterstützen. Erstens kann die Umsetzung von Normen in innovativen Produkten die Produktionskosten und somit den Preis senken, den öffentliche Beschaffer zahlen müssen, sowie die Lebenszykluskosten verringern, z. B. durch geringere Ausgaben für Wartung und Instandhaltung. Zweitens können Normen die Kompatibilität der eingekauften Innovation mit der vorhandenen Infrastruktur sicherstellen. Darunter fällt auch der Übergang von alten zu neuen Technologien, z. B. durch niedrigere Kosten für Gateways oder Konverter. Drittens regen Normen den Wettbewerb an und erhöhen somit auch den Konkurrenzdruck bei öffentlichen Ausschreibungen. Viertens reduziert die Anwendung von Normen das Risiko der Abhängigkeit von einem bestimmten Lieferanten. Fünftens gibt es durch die Implementierung neu herausgegebener Normen, die in Ausschreibungen angeführt werden, einen direkten Innovationseffekt für Unternehmen. Sechstens reduzieren Normen die Risiken für den öffentlichen Beschaffer in Bezug auf Kosten, Gesundheit, Umwelt und Sicherheit und schaffen damit einen Spielraum für die Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen mit innovativen Eigenschaften. Schließlich kann die Anwendung von Normen in der öffentlichen Beschaffung auch innovationsfördernde

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Beschaffungsprozesse im privaten Sektor positiv beeinflussen. Alles in allem bringt die Anwendung von Normen in der öffentlichen Beschaffung eine lange Liste von positiven, innovationsfördernden Auswirkungen mit sich.

4.3.4 Die Rolle von Normen im öffentlichen Beschaffungsprozess Da der öffentliche Beschaffungsprozess recht komplex ist, spielen Normen in seinen verschiedenen Abschnitten eine Rolle. Vor der Beschaffung werden mit dem Lieferanten eventuell die allgemeinen Optionen im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Beschaffungsprozess besprochen, wozu auch eine Analyse der potenziell einschlägigen Normen gehören sollte. Folglich sollten die Bekanntmachungen langfristiger Pläne auf dem Markt auch die Normen beinhalten, auf die Bezug genommen werden könnte. Der strategische Verweis auf Normen kann auch dazu dienen, IPR-Fragen vorab zu klären. Letztendlich spielen Normen eine zentrale Rolle für die Spezifikation sowohl des Inputs, z. B. für die Forderung nach bestimmten Qualifikationsstandards, als auch des Outputs, z. B. für die Vorgabe bestimmter Qualitätsstandards. Während des Kernbeschaffungsprozesses kann die Auswahl in Frage kommender Angebote von der Konformität mit den geforderten grundlegenden Standards abhängig gemacht werden. Die Bewertung der einzelnen Angebote kann durch die Berücksichtigung von Normen, möglicherweise mit unterschiedlichen Leistungsstufen, vereinfacht werden. Schließlich können mögliche Abweichungen vom vereinbarten Leistungsumfang für die gelieferten Produkte oder Dienstleistungen erkannt werden, indem ein Benchmark-Vergleich mit den angegebenen Normen angestellt wird, und Konflikte können mithilfe von Normen vor Gericht leichter beigelegt werden. Nach Abschluss des Beschaffungsprozesses können Normen die Transaktionskosten im Zusammenhang mit Haftungsfällen senken, indem unter Bezugnahme auf Normen Abweichungen von der vereinbarten Leistung ermittelt werden. Dasselbe Prinzip kommt bei der Belohnung von Vertragspartnern zum Tragen, deren Leistungen die vorab vereinbarten Standards übertreffen. Im Fall langfristiger Verträge muss sich die Qualität der gelieferten Produkte und Dienstleistungen entsprechend dem technologischen Fortschritt weiterentwickeln und dies lässt sich anhand neu herausgegebener Normen leichter überwachen.

Abbildung 8: Die Rolle von Normen

Investitionskonzept

im öffentlichen Beschaffungsprozess

Bedarfsfeststellung

(Quelle: basierend auf Office of Government

Bedarfsentwicklung

Commerce 2004)

Vor der Beschaffung · Frühzeitige Einbeziehung von Lieferanten · Bekanntgabe langfristiger Pläne gegenüber dem Markt · Klärung von IPR-Fragen · Spezifizierung von Input- und OutputEigenschaften

Beschaffungsstrategie

Vorqualifikation

Ausschreibungsvorbereitung

Auswahl, Vergabe

Während des Beschaffungsprozesses · Auswahl geeigneter Angebote · Angebotsauswertung · Risikominderung

Implementierung

Vertragsmanagement

Evaluierung

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Nach der Beschaffung · Verteilen der Chancen und Risiken · Anreizmanagement · Fortlaufende Verbesserung

STANDARDISIERUNG ALS KATALYSATOR FÜR INNOVATIONEN

4.3.5 Die Rolle von Normen im tatsächlichen Beschaffungsprozess Obwohl wir gesehen haben, wie Normen zur Verbesserung der öffentlichen Beschaffung sowie zur Unterstützung der öffentlichen Beschaffer bei den Entscheidungsprozessen und beim Risikomanagement beitragen können, ist es interessant, sich die Praxis anzuschauen. Eine Umfrage unter über 2000 öffentlichen Beschaffern in Deutschland, von denen über 200 antworteten, hat ergeben, dass über 70 % von ihnen Normen in die Spezifikation der Ausschreibung aufnehmen (Abbildung 9). Eine Auswertung von Dokumenten von über 500 Ausschreibungen im Rahmen des europäischen Projekts STEPPIN (www.steppin.eu), gefördert durch das 6. Forschungsrahmenprogramm der EU, hat gezeigt, dass 40 % der Beschaffer tatsächlich bestimmte Normen angeben, insbesondere die Normenreihen ISO 9000 ff. und ISO 14000 ff. zu Qualitäts- und Umweltmanagement. Abbildung 9: Wahrscheinlichkeit

Anforderungen Bedarfsträger Funktionale Anforderungen

von Aspekten in Ausschreibungsspezifikationen

Konstruktive Anforderungen Normen und Standards

(Quelle: Lorenz et al. 2009)

Nebenangebote Leitprodukte, Marken, Gebrauchsmuster und Patente Preispräferenzen 0%

10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % Sehr häufig

Häufig

Gelegentlich

Selten

Nie

Die Nutzung der Normen in der Praxis durch öffentliche Beschaffer bestätigt ihre Zweckvielfalt. Sowohl die theoretischen Überlegungen als auch die empirischen Beweise lassen darauf schließen, dass öffentliche Einkäufer nicht nur daran interessiert sind, Normen in Ausschreibungsverfahren zu referenzieren und zu verwenden, sondern auch die Gelegenheit zu nutzen, an der Erstellung von Normen mitzuwirken und Einfluss auf die Spezifikation von Normen zu nehmen, die sie nutzen wollen. Die Einkäufer wurden aber auch nach dem Ausmaß ihrer Kooperation mit Interessengruppen und Institutionen befragt. Abbildung 8 unterstreicht eindrucksvoll, dass öffentliche Beschaffer während des Ausschreibungsprozesses keinen Kontakt mit Normungsgremien aufnehmen. Das ist ein klares Indiz dafür, dass sie nur existierende Normen verwenden, aber nicht laufende Normungsverfahren verfolgen bzw. sich an solchen nicht beteiligen, obwohl sie von diesen möglicherweise betroffen sind oder sogar von ihnen profitieren. Die beträchtliche Diskrepanz zwischen der Nutzung von Normen und dem Kontakt mit Normungsgremien zeigt deutlich, dass öffentlichen Beschaffern der Nutzen einer Mitwirkung an Normungsprozessen nicht bewusst ist, obwohl sie von der Nützlichkeit von Normen in Beschaffungsverfahren überzeugt sind. Abbildung 10: Intensität der Kooperation mit unterschiedlichen Institutionen während des Ausschreibungsverfahrens (Quelle: Lorenz et al. 2009)

Bedarfsträger Nutzer Erfahrungsaustausch Nachfragebündelung Gemeinsamer Einkauf Unternehmen Unternehmensberatungen Produktentwicklung mit Unternehmen Rechtsanwaltskanzlei ÖPP Normungsgremien 0%

10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 %

Sehr intensiv

Intensiv

Weniger intensiv

Gar nicht

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4.3.6 Implikationen für die Wirtschaft Das Ausmaß der Nutzung von Normen durch öffentliche Beschaffer deutet darauf hin, dass die Mehrheit den theoretischen Überlegungen in Bezug auf den Nutzen von Normen für das öffentliche Beschaffungswesen zustimmt. Eine Befragung zeigt jedoch, dass sie sich über die positiven Auswirkungen von Normen insbesondere auf die Innovationsförderung nicht ganz im Klaren sind. Außerdem zeigt der schwerpunktmäßige Einsatz von Qualitätsmanagementnormen auf Seiten der öffentlichen Beschaffer, dass diese über das Ausmaß der Normenwelt nicht vollständig informiert sind. Darüber hinaus neigen sie dazu, ausgesprochen technologiespezifische Normen in Ausschreibungen zu verwenden, was nicht sehr innovationsfreundlich ist. Und zuletzt sind öffentliche Beschaffer nicht an Normungsaktivitäten beteiligt. Generell besteht die Herausforderung darin, öffentliche Beschaffer vom Nutzen der Normen zu überzeugen, von denen sie ab Beginn des Beschaffungsprozesses über seine gesamte Dauer hinweg profitieren können und nicht erst, nachdem dieser abgeschlossen ist. Öffentliche Beschaffer müssen proaktiv über die Normenvielfalt informiert werden, denn sie können nicht nur Qualitätsmanagementstandards einfordern, sondern auch von einem großen Angebot technischer Normen profitieren, die in den technischen Ausschreibungsspezifikationen referenziert werden. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, auf die Unterschiede zwischen innovationsfördernden und -hemmenden Normen aufmerksam zu machen. Öffentliche Beschaffer müssen als Hauptakteure auf der Nachfrageseite und als potenzielle Nutzer von Normen dringend davon überzeugt werden, dass ihre Teilnahme am Normungsprozess notwendig ist.

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ZUSAMMENFASSUNG DER KATALYSATORFUNKTIONEN VON NORMEN Anhand der drei verschiedenen Bereiche und der Beispiele wurden mehrere Katalysatorfunktionen aufgezeigt, die Normen für Innovationen haben. Erstens beschleunigt der Normungsprozess die Markteinführung von Erfindungen, Forschungsergebnissen und innovativen Technologien. Zweitens fördern die Normen selbst die Diffusion innovativer Produkte, was für die wirtschaftliche Wirkung von Innovationen von größter Bedeutung ist. Eine dritte, indirektere, aber wichtige Funktion von Normen ist, dass sie durch Schaffung gleicher Bedingungen für alle den Wettbewerb und damit auch die Innovation fördern. Viertens bilden Kompatibilitätsstandards die Innovationsgrundlage für Netzwerkindustrien, z. B. für Kommunikationsnetzwerke wie GSM, die unsere Wirtschaftssysteme immer mehr durchdringen. In Netzwerkindustrien erleichtern Normen auch die Ablösung alter Technologien durch neue, z. B. durch Vorwärts- und Rückwärtskompatibilität, sowie die Koexistenz alter und neuer Technologien. Neue Plattformstandards sind häufig die Basis für Innovationen in Downstream-Märkten (z. B. GSM als Plattform für zahlreiche mobile Dienstleistungen), aber auch in Upstream-Märkten. Neben diesen netzwerkbezogenen Funktionen ist ein allgemeines Merkmal von Normen, dass sie die Erfordernisse der Nutzer widerspiegeln und daher den Kauf, d. h. die Diffusion neuer Produkte durch »Early Adopters« fördern. Zu guter Letzt stellen Normen die Mindestanforderungen an Umweltschutz-, Gesundheits- und Sicherheitsaspekte auf und fördern somit das Vertrauen vor allem in innovative Produkte. Trotz all dieser Katalysatorfunktionen von Normen für Innovation gibt es auch Nachteile und Schwierigkeiten. Zunächst sind Normen das Resultat eines Konsensprozesses aller interessierten Parteien. Das heißt, sie repräsentieren den kleinsten gemeinsamen Nenner, was oft keinen großen Anreiz für Innovationstätigkeiten darstellt – verglichen mit den anspruchsvolleren technologischen Spezifikationen, die eventuell durch staatliche Regulierung von oben vorgegeben werden. Zweitens schaffen Normen, die technologiespezifisch und überregulierend anstatt technologieneutral und auf Funktionen und Leistungsmerk-

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STANDARDISIERUNG ALS KATALYSATOR FÜR INNOVATIONEN

male ausgerichtet sind, keinen Spielraum und Wettbewerbsanreiz für innovative Alternativlösungen. Drittens können Normen auch Bindungen an vorhandene Technologie herstellen, besonders wenn sie keine Schnittstellen festlegen bzw. nicht mit Nachfolgetechnologien kompatibel sind. Das stellt ein Hemmnis für weitere Innovationen in einer Branche dar. Vor allem können proprietäre Standards einzelner oder einer Gruppe marktführender Akteure verhindern, dass konkurrierende Technologien am Markt Einzug halten, und somit Innovationen vereiteln.

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EMPFEHLUNGEN Um die Katalysatorfunktionen von Normen zu fördern und die negativen Nebeneffekte zu vermeiden oder zumindest zu begrenzen, sollten Normungsinstitute und die betroffenen interessierten Kreise folgende Empfehlungen beachten. Erstens, je breiter die Diffusion der Normeninhalte, desto größer ist ihre innovationsfördernde Wirkung. Zweitens sollten Normungsprozesse offen und transparent sein, um alle potenziellen Mitbewerber (auch solche in nachgeschalteten Märkten), aber ebenso Wissenschaft und Forschung und die Bedarfsseite, inklusive der Einkäufer der öffentlichen Hand, einzubeziehen. Drittens sollten Normungsprozesse in neuen Wissenschafts- und Forschungsfeldern und aufstrebenden Märkten frühzeitig eingeführt werden, um die innovationsfördernden Funktionen von Normen von Anfang an auszuschöpfen und unnötige Fragmentierungen in der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklung zu vermeiden. Viertens sollten Normen mit hohen und innovationsfördernden Anforderungen auch zugelassen werden, ohne potenzielle Mitbewerber zu diskriminieren. Fünftens sollten technologieneutrale Leistungsstandards technologiespezifischen oder übermäßig präskriptiven Designstandards vorgezogen werden. Sechstens sollte bei der Spezifikation von Normen ein Gleichgewicht gefunden werden, indem einerseits so wenig proprietäre Inhalte wie möglich aufgenommen, andererseits aber alle relevanten geschützten Technologien berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang sollten Normungsinstitute Anreize für IPR-Inhaber schaffen, sich der Normungsarbeit anzuschließen, aber wettbewerbshemmende Strategien unterbinden. Und schließlich – was am wichtigsten ist – muss das Normungsmanagement als zentrales Element im unternehmerischen Innovations- und Strategiemanagement verankert und durch geeignete Schulungen und überzeugende Forschung unterstützt werden.

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ZUKÜNFTIGE FORSCHUNG Auf der Suche nach überzeugenden und attraktiven Forschungsprojekten, die die Normung als zentrales Element des Innovations- und Strategiemanagements fördern, sollte vor allem die wirtschaftliche Bedeutung der Katalysatorfunktion von Normung für Innovation ergänzend zu den bereits gut entwickelten und erfolgreichen politischen Aktivitäten und der öffentlichen Meinung im Mittelpunkt stehen. Ein erster Schritt besteht darin, Daten bezüglich der Innovationsaktivitäten von Unternehmen mit denen über ihre Mitwirkung an Normungsaktivitäten in Verbindung zu bringen, um die Rolle von Normung unter anderen Innovationsstrategien und -aktivitäten zu erforschen. Ein besonderer Aspekt dabei ist der Abgleich der Normungs- mit den Patentierungsaktivitäten von Unternehmen. Neben diesen allgemeinen Forschungsaufgaben gibt es noch andere interessante und relevante Bereiche zur Erforschung von Normung als Katalysator von Innovationen. Es gibt nur wenige Untersuchungen darüber, wie konvergierende Technologien von der Normung als einer integrativen Plattform profitieren können.

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Die Rolle von Normen für Dienstleistungs- und nicht-technische Innovationen ist zu untersuchen. Außerdem stellt sich die Frage, ob Innovationen, einschließlich offener Innovationen, durch vorhandene und adäquate künftige Qualitätsmanagementstandards gefördert werden können. Ferner gilt es, die folgenden komplementären Aspekte der innovationsfördernden Katalysatorrolle der Normung zu untersuchen. Wir beobachten eine weitere Differenzierung der Normenlandschaft. Dazu zählt z. B., dass Standardisierungskonsortien den Forschungs- und Normungsinstituten durch das Angebot neuer Produkte wie Workshop Agreements entgegenkommen. Diese Reaktionen spiegeln Veränderungen in den Technologie- und Innovationsprozessen wider, haben aber auch Auswirkungen auf die Normung als Innovationskatalysator. Dies bedarf der weiteren Erforschung. Neben diesen von der Industrie vorangetriebenen Entwicklungen spielen Normen auch eine immer wichtigere Rolle für den Regulierungsrahmen – wie die Neue Konzeption in der Europäischen Union erfolgreich gezeigt hat. Jedoch kann Regulierung auch als ein wirtschaftspolitisches Instrument für Innovation fungieren (Blind 2010), was weder theoretisch noch empirisch ausreichend erforscht ist und im Zusammenhang mit Normen noch komplett außer Acht gelassen wird. Das übergeordnete Ziel der zukünftigen Erforschung von Normung als Katalysator für Innovationen ist die vollständige Integration der Normung in das Innovationsmanagement als Ganzes, z. B. von der Technologievorausschau über IPR-Management und offene Innovation bis hin zum Innovationsmarketing.

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