Stadtgespräche aus Erlangen

18 Der Mentor der Autisten ///. Franz Rumpler am Dechsendorfer Weiher .................... 81. 19 Vom Markgrafen lernen ///. Siegfried Balleis am Hugenottenbrunnen .
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Erlangen Johannes Wilkes Sophia Wilkes

Stadtgespräche aus

Erlangen Johannes Wilkes Sophia Wilkes

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© 2014 – Gmeiner-Verlag GmbH Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0 [email protected] Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2014 Lektorat /Redaktion: Ricarda Dück Satz: Julia Franze Umschlaggestaltung: Alexander Somogyi Bildbearbeitung: Alexander Somogyi Kartendesign: Fenja Fecht, Alexander Somogyi Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Printed in Germany ISBN 978-3-8392-4553-8

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Lobet den Herren /// Heidemarie Hubert in der Heinrichskirche .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2 Mister Siemens /// Heinrich von Pierer auf der Bergkirchweih .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3 Der Retter von Erlangen /// Werner Lorleberg auf dem Lorlebergplatz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 4 Mein stiller Ort /// Anne Reimann und die Bank im Schwabachgrund . . . . . . . . . . . 23 5 Die Kunst der richtigen Betrachtung /// Klaus Karl-Kraus am Alterlanger Seela . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 6 Ich singe dir mit Herz und Mund /// Wieland Hofmann in der Altstädter Dreifaltigkeitskirche .. . . 31 7 Erinnerungen eines Au-pair-Mädchens /// Elzbieta Szczebak zu Gast in der Dompfaffstraße . . . . . . . . . . . . 35 8 Im Einsatz für den HC Erlangen /// Joachim Herrmann in der Karl-Heinz-Hiersemann-Halle .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 9 A schön’s Kirchla is das! /// Ursula Schäfter in der Neustädter Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 10 Was Erlanger Kinder bewegt /// Roland Albert im Heinrich-Kirchner-Skulpturengarten .. . . . . 47 11 Der Club vielseitig interessierter Frauen /// Gerlinde Dörfler im Freizeitzentrum Frankenhof .. . . . . . . . . . . . 51 12 Mein Friedrich Rückert /// Bernhard Forssman in der Südlichen Stadtmauerstraße . . . . . . 55 13 Über die Geistlosigkeit in Erlangen /// Johann Gottlieb Fichte in der Nürnberger Straße . . . . . . . . . . . . . 61 14 Schwarz und Weiß /// Hanna Marie Klek am Erlanger Hauptbahnhof . . . . . . . . . . . . . . 65 15 Ein Leben für die Kunst /// Bernd Nürmberger und die Martius-Säule. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

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Wissenschaft und Widerstände /// Georg Simon Ohm in der Fahrstraße .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Ärztin ohne Grenzen /// Parnian Parvanta im Hof des Steinbach Bräus . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Der Mentor der Autisten /// Franz Rumpler am Dechsendorfer Weiher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Vom Markgrafen lernen /// Siegfried Balleis am Hugenottenbrunnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Man lernt nie aus /// Christine Flemming im Egloffsteinschen Palais .. . . . . . . . . . . . . . . 89 Freut Euch des Lesens /// Ernst-Wilhelm Bork am Hugenottenplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Geheimnisse aus der Erlanger Unterwelt /// Volker Waltmann und seine Käse-Ecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Zauberhaftes Erlangen /// Drei Märchenerzählerinnen am Altstädter Kirchenplatz . . . 101 Erlangen, die ideale Lego-Stadt /// Thomas Engelhardt im Stadtmuseum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Mitten ins Ziel /// Inge Enzmann vom Bogensport-Verein Erlangen .. . . . . . . . . . 109 Nächtlich am Busento lispeln … /// August von Platen in seiner Studentenbude am Marktplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Pioniere der Medizintechnik /// Doris Vittinghoff im Siemens MedMuseum .. . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Das Gedächtnis der Stadt /// Andreas Jakob im Stadtarchiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Der Zauberer der süßesten Sachen /// Kai-David Gros am Ohmplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Jede Menge Theater /// Katja Ott im Markgrafentheater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

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Erlangen durch die Linse betrachtet /// Klaus-Dieter Schreiter in der Schiffstraße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Kopf der Powenzbande /// Baltus Powenz am Denkmal für seinen Vater Ernst Penzoldt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eine außergewöhnliche Frau /// Emmy Noether in der Hauptstraße .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der singende Menschenfischer /// Thomas Vogler im Biergarten am Röthelheim .. . . . . . . . . . . . . . Terre inconnue, que je découvre /// Julia Prime an der Bronzefigur vor St. Bonifaz .. . . . . . . . . . . . . Erlangen mit Katzenaugen betrachtet /// Kater Simba vom Krähenhorst .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von den Leiden eines unangepassten Privatdozenten /// Ludwig Feuerbach auf dem nach ihm benannten Platz .. . . . Vom Herzeleid eines Erlanger Gelehrten /// Friedrich Wilhelm Joseph Schelling aus der Friedrichstraße .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das bisschen Haushalt? /// Monika Tiedtke in der Altstadtmarkt-Passage . . . . . . . . . . . . . . Hier spielt die Musik! /// Jörg Krämer in der Heinrich-Lades-Halle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verliebt in Erlangen /// Tim Dotterweich im Gasthaus Polster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .



Bildverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Quellenverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

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»Offen aus Tradition«

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Lo b e t den Her ren Heidemarie Hubert in der Heinrichskirche

Ein Gottesdienst in einer kleinen katholischen Gemeinde am Main. Ein besonderer Tag, Weißer Sonntag, die Feier der Erstkommunion. Aufwendig hat man die Kirche dekoriert, gut gefüllt ist sie mit festlich angezogenen Gläubigen. In den vorderen Bänken die Kinder, in blütenweißen Kleidern die Mädchen, wie Bräute geschmückt, in schwarzen Anzügen die Jungen. Im Altarraum nur Männer: der Priester, der Kaplan, die Ministranten. Nebenan, im Rahmen der Sakristeitür, sieht man auf wundersame Weise ein Weihrauchgefäß auftauchen und wieder verschwinden, einem Pendel gleich, mit jeder Schwingung aromatische Duftwolken in den Chorraum sendend. Mit großem, nicht erlahmendem Eifer wird es geschwenkt, den Weihrauchschwenker erkennt man jedoch nicht. Er hält sich im Verborgenen, muss sich versteckt halten, denn offiziell darf er nicht gesehen werden: Den Weihrauch schwenkt ein Mädchen. Schon früh hat Heidemarie Hubert gezeigt, dass sie sich in der Kirche einsetzen, sie aktiv mitgestalten will, nicht lediglich im Hintergrund, wie einst in der Nachkriegszeit am Main, als ihr Bruder die erste heilige Kommunion empfing. 1973 zog die gebürtige Münchnerin mit ihrem Mann, der als Wissenschaftler an die Erlanger Universität ging, und ihren drei kleinen Töchtern, denen später noch ein Sohn folgen sollte, in die Hugenottenstadt in ein hübsches Häuschen nahe dem Regnitzgrund. Damals konnte man noch mit dem Auto durch die Hauptstraße fahren, und Heidemarie Huberts erster Eindruck war: »Hoppla! Sind wir schon wieder aus dem Ort draußen?« Doch in der Folge lernte sie die offene Art der Erlanger kennen und schätzen und begann, sich aktiv in das Leben einzubringen. Nicht nur als Apothekerin, ihrem erlernten Beruf, in dem sie heute noch tätig ist. Im Botanischen Garten, einem ihrer Lieblingsorte, engagierte sie sich im Freundeskreis und läutete mit der Handglocke zum Verlassen der grünen Oase, wenn die Blumen schlafen mussten. Ihr wohl größter Einsatz aber galt und gilt neben der Arbeit und der sechsköpfigen Familie der Heinrichsgemeinde. 11

Die Kirche St. Heinrich mit ihrem zeltartigen Dach

Weil der frühere Pfarrer denselben Nachnamen trug, kam es manchmal zu Verwechslungen. Auf dem Stimmzettel zur Wahl des Elternbeirats des Kindergartens wurde sie sogar hochoffiziell als »Frau Pfarrerin Hubert« angekündigt, was für viel Heiterkeit sorgte. Die Münchnerin, auf deren oberbayerische Herkunft heute noch ihr Dialekt schließen lässt, wurde Mitglied des Pfarrgemeinderates, des Arbeitskreises Feste und Feiern, Kommunionhelferin und gestaltete zusammen mit anderen Aktiven über Jahre die sogenannten »Kryptagottesdienste«. Während die Erwachsenen oben in der Kirche Lesung, Evangelium und Predigt lauschten, ging es unten wesentlich lebendiger zu: Es wurde getanzt und gelacht, denn dort begingen die jüngsten Gemeindemitglieder ihre Form der Messfeier. So wuchs die fröhliche Katholikin in die Rolle der aktiven Zelebrantin hinein, und als sie hörte, dass das Bistum Bamberg Wortgottesdienstleiter ausbildet, war sie mit zwei weiteren Mitgliedern der Heinrichsgemeinde sofort mit von der Partie. Ein Jahr lang wurde Heidemarie Hubert in Wochenendseminaren auf die wichtige Aufgabe vorbereitet, seitdem steht sie im Wechsel mit den beiden anderen Laien vorne am Altar. Als kleines Mädchen musste sie sich noch in 12

Heidemarie Hubert in der Heinrichskirche

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der Sakristei verstecken, jetzt leitet sie wie selbstverständlich die Gottesdienste. Das feierliche Gewand zu tragen, ist ihr anfangs allerdings nicht leicht gefallen, doch dann erkannte sie seine Vorteile. Es sei nicht nur ein Schmuck, sondern auch ein Schutz, sagt die Christin. Insbesondere für ältere Gläubige ist eine Frau im liturgischen Kleid nach wie vor keine Selbstverständlichkeit. Rollenbilder wandeln sich nur langsam. Als ihre eigenen Eltern altersbedingt nicht mehr zur Kirche gehen konnten, wollte Heidemarie Hubert ihnen die Sakramente bringen, was die Eltern jedoch erschrocken ablehnten. Lieber ließen sie aus einem Kloster einen Priester kommen. Der Prophet zählt nichts im eigenen Land, das ist seit eh und je so gewesen. Ob die Gemeinde aufmerksam ist oder nicht, spürt Hubert sofort. Blickkontakt zu den Gläubigen zu halten, ist ihr wichtig. Ideen zur Gestaltung der Gottesdienste reifen oft über längere Zeit, Anregungen bietet der Alltag genug. Froh ist sie über jede Rückmeldung. So kann sie sich immer wieder neu auf die Gläubigen einstellen. In Zeiten grassierenden Priestermangels bedeutet es ein großes Glück für jeden Pfarrverbund, solch engagierte Laien zu haben. Viele Messfeiern müssten sonst ausfallen. Und die Heinrichsgemeinde ist stolz auf »ihre« Zelebranten. Mehr als vier Jahrzehnte ist Heidemarie Hubert nun Mitglied der Heinrichsgemeinde. Was sie sich für deren Zukunft in weiteren 40 Jahren erhofft, fragen wir sie noch. »Einen eigenen Pfarrer vor Ort«, lautet die prompte Antwort. Und wie wäre es mit einer Pfarrerin? »Warum nicht?«, erwidert Heidemarie Hubert und lächelt verschmitzt.

K a t h o l i s c he P f a r r k i r c he S t. H e i n r i c h Möhrendorfer StraSSe 31 91056 Erlangen www . s t - he i n r i c h - e r l a n g e n . d e

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