Sprechen, um zu schreiben. Mündliche Kommunikation im ...

und Konzerte, ob im Altenheim, in der Schule, bei Priestereinführungen, auf. Schützenfesten, bei Grundsteinlegungen, Mitgliederversammlungen, im Heiß-
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Essener Schriften zur Sprach-, Kultur- und Literaturwissenschaft

Im Lokaljournalismus reicht ein guter Schreibstil allein nicht aus. Häufig gelangen Redakteure erst durch Gespräche an die Informationen, die sie für ihre Texte benötigen.

In «Sprechen, um zu schreiben» skizziert der Autor das Berufsfeld des Lokaljournalismus und führt in die Arbeitsweise der Angewandten Gesprächsforschung ein. Den Kern der Studie bilden Gespräche von Redakteuren, die während des Arbeitsalltags aufgenommen, anschließend verschriftet und gesprächsanalytisch untersucht wurden. In leicht verständlicher Sprache wird in diesem Buch die Brücke zwischen (sprachwissenschaftlicher) Theorie und (beruflicher) Praxis geschlagen. Zeitungsmitarbeiter sowie Lehrende und Studierende werden über die Merkmale und Probleme der mündlichen Kommunikation im Lokaljournalismus informiert. Dr. Patrick Voßkamp absolvierte ein Lehramtsstudium in den Fächern Deutsch und Geschichte. Seit 2005 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Germanistik/Linguistik der Universität Duisburg-Essen und arbeitet als freier Mitarbeiter für eine Lokalzeitung.

ISBN 978-3-940251-60-2

Patrick Voßkamp

Sprechen, um zu schreiben

Voßkamp · Sprechen, um zu schreiben

Doch wie kommunizieren Lokalredakteure mit ihren Gesprächspartnern? Wie gehen sie damit um, dass sie in zahlreichen Gesprächssituationen als Laien Experten befragen? Haben sie im Laufe ihres Berufslebens Gesprächsverfahren entwickelt, um an die benötigten Informationen zu gelangen?

3

Mündliche Kommunikation im Lokaljournalismus

3

UVRR Universitätsverlag Rhein-Ruhr

E S S - K u L t u r

Essener Schriften zur Sprach-, Kultur- und Literaturwissenschaft Band 3 Herausgegeben von Heinz Eickmans, Werner Jung, Nine Miedema & Ulrich Schmitz

Patrick Voßkamp

Sprechen, um zu schreiben

Patrick Voßkamp

Sprechen, um zu schreiben Mündliche Kommunikation im Lokaljournalismus

ESS-KuLtur. Band 3

Universitätsverlag Rhein-Ruhr

Die vorliegende Studie wurde als Dissertation von Patrick Voßkamp, geboren in Rhede, zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) von der Fakultät für Geisteswissenschaften (Germanistik/Linguistik) der Universität Duisburg-Essen angenommen. Die Disputation fand am 12. Oktober 2009 statt. Gutachter: Prof. Dr. Ulrich Schmitz und Priv.-Doz. Dr. Hermann Cölfen M.A.



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Mike Luthardt

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.ddb.de abrufbar.

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ISBN

978-3-940251-89-3



Satz

UVRR



Druck und Bindung



GGP Media GmbH, Pößneck Printed in Germany

Meinen Eltern

Dank

Liebe Leser, ich weiß nicht mehr genau, wann ich den Entschluss gefasst habe, eine Doktorarbeit zu schreiben. Was ich allerdings sehr genau weiß: Ich habe lange kaum jemandem ungefragt von dem Dissertationsprojekt berichtet (was sich nun ohne Zweifel ändern wird). Warum? Weil ich wissen wollte, ob ich es überhaupt schaffe, eine solche Untersuchung durchzuführen. Nun liegt die Arbeit in gedruckter Fassung vor – und die Ausgangsfrage kann glücklicherweise mit ja beantwortet werden. Obwohl häufig von der Einsamkeit des Schreibers (vgl. Keseling 2004) zu hören und zu lesen ist, steht für mich eines fest: Der Schreibprozess mag zwar manchmal ein einsamer sein (was an nicht wenigen Tagen auch sehr angenehm war). Allerdings wäre diese Arbeit nie entstanden, hätte es nicht Phasen des intensiven Austausches und der Unterstützung gegeben. Daher ist es für mich an dieser Stelle nicht nur eine Pflichtübung, Freunden und Kollegen zu danken, die mir helfend zur Seite standen, sondern ein wirkliches Anliegen. Zunächst gilt mein Dank natürlich meinem Doktorvater Prof. Dr. Ulrich Schmitz. Er hat die Entstehung dieser Arbeit mit hilfreichen und aufmunternden Kommentaren kritisch und konstruktiv zugleich begleitet. Bei jemandem eine solche Arbeit zu schreiben, dem zudem jegliches Hierarchiedenken fremd ist, das ist ein großes Glück. Dank gilt daneben dem Zweitgutachter, PD Dr. Hermann Cölfen, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass ich mich beruflich im jetzigen Umfeld befinde. Dank schulde ich vor allem ihnen: den Redakteurinnen und Redakteuren der Lokalzeitung, die sich von mir während ihres Arbeitsalltags haben begleiten lassen. Ohne sie hätte die gesamte Untersuchung nicht durchgeführt werden können. Danken möchte ich daneben dem Arbeitskreis Angewandte Gesprächsforschung (AAG), der immer wieder aufs Neue beweist, dass eine sowohl angenehme als auch produktive Arbeitsatmosphäre keine Widersprüche sein müssen. Für hilfreiche Kommentare und Anmerkungen aus dieser Runde danke ich stellvertretend Gisela Brünner, Kristin Bührig, Reinhard Fiehler, Johanna Lalouschek und Carmen Spiegel. Für umsichtige Korrekturarbeiten sei Deborah Krstic und Anja Ozdoba gedankt sowie Matthias Bock und Michael Hügens für schnelle Hilfe bei Soft-

wareproblemen. Rüdiger Brandt sei an dieser Stelle für jahrelange gute Büronachbarschaft und hilfreiche Hinweise im Vorfeld der Disputation gedankt. Dank für die verlegerische Betreuung gebührt dem Universitätsverlag Rhein-Ruhr (UVRR), namentlich Dr. Sabine Walther. Ein besonderer Platz in dieser Auflistung gebührt Jennifer Hegerring, die die Entstehung dieses Buches intensiv begleitet hat; mit kritischem Verstand, unschätzbaren Hilfen – und großer Geduld mit mir. Den größten Dank schulde ich zweifelsohne meinen Eltern, die nun endlich die gedruckte Antwort auf die Frage, worüber ich eigentlich schreibe, in Händen halten können. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Patrick Voßkamp Heiden, im Februar 2010

Inhalt

1. Einleitung ......................................................................................... 13 1.1. Idee und Ziel ....................................................................................... 15 1.2. Aufbau der Arbeit................................................................................. 15

2. Lokaljournalismus. .......................................................................... 19 2.1. Entwicklung der Forschung zur lokalen Berichterstattung . .................. 20 2.2. Der Blick über den „linguistischen Tellerrand“ – Begründungen zur Berücksichtigung des beruflichen Umfelds von Lokalredakteuren .......................................... 22 2.3. Definition Zeitung................................................................................ 23 2.3.1. Berufs- und Ausbildungszugang............................................. 25 2.3.2. Bedeutung der Lokalzeitung – oder: vom Rückgrat der Tageszeitung.............................................. 27 2.4. Zwischenfazit........................................................................................ 39

3. Zur Methode – Entwicklung, Selbstverständnis und Arbeitsweisen der Angewandten Linguistik und der Angewandten Gesprächs-/Diskursforschung. .............. 45 3.1. Mündlichkeit im Blickpunkt – warum? ............................................... 45 3.2. Begründung der Konzentration auf Recherchegespräche....................... 48 3.3. Angewandte Diskurs-/Gesprächsforschung........................................... 49 3.3.1. Zum Begriff des ‚Verfahrens‘.................................................. 50 3.3.2. Angewandte Linguistik – Entwicklung und Potential ........... 51 3.3.3. Angewandte Gesprächs-/Diskursforschung – Entstehung und Entwicklung................................................. 54 3.3.4. Zum Begriff des ‚Diskurs‘ ...................................................... 57 3.3.5. Zum Begriff der ‚Institution‘.................................................. 60 3.4. Von der Theorie zur Praxis oder: Wie das Gespräch aufs Band kommt.. 63 3.4.1. Beobachterparadoxon – Sprung ins Wasser, ohne nass zu werden?.................................................................................. 67 3.4.2. Größe des Korpus – qualitativ oder quantitativ?..................... 69 3.4.3. Transkripte und Transkription .............................................. 72 3.5. Zusammenfassung................................................................................ 74

4. Die Praxis – Redaktion, Redakteure und Recherchegespräche................................................................. 75 4.1. Das Untersuchungsfeld......................................................................... 75 4.2. Die Recherchegespräche........................................................................ 76 4.3. Die begleiteten Redakteure – Von Praktikanten, freien Mitarbeitern und studentischen Nikoläusen................................ 77 4.4. Die Recherchegespräche im Überblick.................................................. 78 4.4.1. Gespräch mit Architekten und Gespräch mit Elternvertreterin............................................................... 79 4.4.2. Gespräch Stadtbücherei.......................................................... 80 4.4.3. Gespräch Hundeplatz............................................................. 81 4.4.4. Gespräch Goldhochzeit.......................................................... 81 4.4.5. Gespräch Erziehungshilfe....................................................... 81 4.4.6. Gespräch Obermeister............................................................ 82 4.4.7. Gespräch Erster Beigeordneter................................................ 82 4.4.8. Gespräch Amtsrichter............................................................. 83 4.4.9. Gespräch Kegelclub, Gespräch Ladenbesitzer und Gespräch Linkspartei ..................................................... 83 4.5. Die Recherchegespräche im Überblick.................................................. 84

5. Analyse – Allgemeine Erläuterungen zu Gesprächsphasen . ..................................................................... 87 5.1. Gesprächseröffnung – Allgemeine Erläuterungen zur Eröffnungsphase und deren Funktion............................................. 89 5.2. Begrüßung ........................................................................................... 92 5.3. Anliegensformulierung.......................................................................... 94 5.3.1. Gespräche ohne vorhergehenden Kontakt............................... 95 5.3.2. Gespräche mit vorhergehendem Kontakt................................ 98 5.4. Vorinformiertheit................................................................................ 108 5.5. Zwischenfazit zur Eröffnungsphase .................................................... 111

6. Analyse – Beendigungsphase ....................................................... 117 6.1. Allgemeine Erläuterungen zur Beendigungsphase und deren Funktion............................................................................ 118 6.2. Gespräche ohne vorhergehenden Kontakt .......................................... 120 6.3. Gespräche mit vorhergehendem Kontakt............................................ 124 6.3.1. Danksagung......................................................................... 125 6.3.2. Der Anfang vom Ende – Von der Schwierigkeit, ein Gespräch zu beenden...................................................... 127

6.4. Ein Kontakt für die Zukunft – Eine Gesprächsbeendigung „außerhalb des Protokolls“.................................................................. 138 6.5. Beendigungsvorlauf............................................................................. 144 6.6. Zwischenfazit zur Beendigungsphase . ................................................ 147

7. Analyse der Kernphase . ................................................................ 151 7.1. Allgemeine Erläuterungen zur Kernphase und deren Funktion .......... 151 7.2. Homileische Kommunikation ............................................................ 152 7.3. Erzählen.............................................................................................. 156 7.3.1. Erzählen erwünscht – Von Erzählaufforderungen und erzählenden Redakteuren......................................................157 7.3.2. Selbst-Initiierte Erzählungen der Informanten...................... 167 7.3.3. Zwischenfazit zum Erzählen................................................. 171 7.4. Nicht-ernste Kommunikation – Von Spaß, Humor und Scherzkommunikation . .............................................................. 172 7.4.1. Ironie.................................................................................... 175 7.4.2. Frotzel-Aktivitäten............................................................... 180 7.4.3. Witz..................................................................................... 184 7.4.4. Zwischenfazit zur nicht-ernsten Kommunikation . ...............191 7.5. Kritische Momente............................................................................. 194 7.5.1. Echter Dissens...................................................................... 195 7.5.2. Abgefederter Dissens............................................................ 202 7.5.3. Gespielter Dissens................................................................. 204 7.6. Wissenstransfer................................................................................... 207 7.6.1. Fachsprachen und Diskurswelten......................................... 210 7.6.2. „Ich muss ne Brücke bauen“ – Den Leser im Blick ...............215 8. Zusammenfassung und Ausblick................................................. 233 8.1. Beantwortung der Ausgangsfrage........................................................ 233 8.1.1. Positive Befunde zur verbalen Kommunikation von Lokalredakteuren........................................................... 234 8.1.2. Negative Befunde zur verbalen Kommunikation von Lokalredakteuren........................................................... 237 8.2. Vermittlung der Ergebnisse in die Praxis............................................. 241 8.3. Zukunft der Lokalberichterstattung ................................................... 243

9. Literaturverzeichnis....................................................................... 247 Zeitungen/Zeitschriften...................................................................... 264 Internet-Quellen (sämtlich eingesehen am 14.06.2009)...................... 265

1.

Einleitung

Da stand ich am Beckenrand des Freibades. Ausgestattet mit Block, Stift, Kamera – und mit spärlichen Informationen über ein Berufsfeld, dem sich dieses Buch widmet: dem Lokaljournalismus. In dieses Freibad führte mich mein erster Termin, den ich als freier Mitarbeiter einer kleinen, ländlichen Lokalzeitung wahrnehmen sollte. Einige Pressemitteilungen, für einen Verein getippt, sowie ein begonnenes Germanistikstudium schienen als Qualifikation für die Tätigkeit zu genügen. Immerhin: phänotypisch passte ich mit Schreibzeug und Kameratasche bereits gut in das journalistische Umfeld. Jetzt ging es nur noch darum, die Texte so zu schreiben, dass sie auch gedruckt würden. Zumindest dachte ich zu diesem Zeitpunkt, dies würde genügen. Die Hinweise zur Textproduktion waren im Vorfeld denkbar knapp ausgefallen. „Schreib‘ mal neunzig Zeilen und mach‘ ein dreispaltiges Foto; am besten, wenn die bei der Schwimmmeisterschaft vom Startblock springen.“ Nach dem Fotografieren sprach ich mit Teilnehmern, befragte den Pressesprecher des Schwimmvereins, redete mit dem Schwimmmeister und fuhr nach Hause – und verbrachte lange Zeit vor dem Monitor, um das Gehörte in Geschriebenes zu verwandeln. Anscheinend war das Endprodukt nicht völlig unlesbar. Weitere Termine folgten. Auch diese glichen, um im Bild zu bleiben, einem Sprung ins kalte Wasser. Und so war es zum Beispiel der herzhaft gähnende Redakteur, der meinen Text vom Kinderzirkus redigierte und damit wenig subtil, aber wirksam, auf den langweiligen Texteinstieg hinwies. Aber auch telefonische Diskussionen mit den Redakteuren lieferten Verbesserungshinweise für die Textproduktion, die schließlich zum Verschwinden des Ich-Erzählers führten und ein Bewusstsein für die überproportionale Verwendung von ‚aber‘ und ‚auch‘ in meinen Texten schufen (nicht immer erfolgreich, wie dieser Satz beweist). Daneben gab es Hinweise, die in erster Linie praktischer Natur waren: Als Lokalredakteur auf dem Land sollte man immer Gummistiefel im Kofferraum haben. Spätestens bei Berichten über Jagd und Jäger, mit im Acker versunkenen Sportschuhen, hört man auf, über solche Tipps zu lächeln. Wie viele Zeilen? Wie viele Fotos? Hoch- oder Querformat? Mit der Zeit wurden die Angaben zu Terminen und Veranstaltungen knapper, die Diskussionen über Textsorten, Inhalte oder Füllwörter kürzer. Doch etwas blieb: die thematische Heterogenität der Berichterstattung. Ob über Gemeinderatssitzungen, Tage der offenen Tür in Kindergärten, über Theateraufführungen und Konzerte, ob im Altenheim, in der Schule, bei Priestereinführungen, auf Schützenfesten, bei Grundsteinlegungen, Mitgliederversammlungen, im Heiß-