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von der Denkfabrik Agenda Austria vermisst konkrete Einsparungsplä- ne. In manchen Ministerien bezö- gen sich die Einsparungen auf be- reits getroffene ...
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HINTERGRUND 3

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Der weite Weg zum

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Die Gegenfinanzierung der Steuerreform wackelt. Ausgabenseitig wäre bei Verwaltungs- und Förderungsreform viel (mehr) zu holen.

Die Steuerreform spüren die Österreicher längst im Geldbörsel – auch wenn es sich nicht nach FünfMilliarden-Entlastung anfühlt. Ob es sich mit der hoch- und immer höher gerechneten Gegenfinanzierung ausgeht, darf indes bezweifelt werden. So sieht dies unter anderem Bernhard Felderer, Präsident des Fiskalrats. Es bestünden „kaum mehr Chancen“, wie geplant 1,9 Mrd. durch den größten Posten der Gegenfinanzierung, die Betrugsbekämpfung, hereinzubekommen, sagt der Ökonom auf SN-Anfrage. Registrierkassenpflicht, Konteneinsicht und die Bekämpfung des Sozialbetrugs dürften demnach bei Weitem nicht halten, was die Regierung versprochen hat. Auch die Annahme der Regierung, dass sich die Steuerreform in einem Ausmaß von 850 Millionen Euro dank höherer Kaufkraft und mehr Konsum selbst finanziert, wird von Experten angezweifelt. Die Gegenfinanzierung der Lohnsteuerentlastung soll – sofern sie aufgeht – überwiegend einnahmenseitig passieren, sprich: durch höhere Steuereinnahmen. Ausgabenseitig – also durch Einsparungen – wäre mehr zu holen. Doch Bund, Länder und Gemeinden tun sich schon schwer, wie geplant 1,1 Mrd. Euro im Jahr weniger auszugeben. Dabei ist dieser Posten alles andere als ambitioniert. Im Land der mehrgleisigen Verwaltung und der ausufernden milliardenschweren Doppelt- und Dreifachförderungen müsste, darin sind sich die Experten einig, mehr zu holen sein. Die Einsparungen müssen erstWIEN.

mals schon für 2016 erreicht werden. Doch im Finanzministerium ist wenig Konkretes zu erfahren. Man verweist darauf, dass gemäß Finanzausgleichsschlüssel der Bund 700 Millionen und die Länder und Gemeinden 400 Millionen Euro einsparen müssten. Jedes Ressort habe seinen Beitrag zu leisten. Punkt. Fest steht also: Größere Verwaltungsreformmaßnahmen oder eine ansatzweise Reform des Förderungswildwuchses sind derzeit nicht in Sicht. Rainer Hable, Bundessprecher der Neos, wartet überhaupt „auf einen konkreten Vor-

BILD: SN/APA/TECHT

HELMUT SCHLIESSELBERGER

„Zweifle an der Finanzierung der Reform.“ Bernhard Felderer, Chef des Fiskalrats

schlag“ zur Verwaltungsreform oder Förderungsreform. Nur: „Es wird nichts kommen. Es sind nur Ankündigungen, die im Konkreten nie umgesetzt werden“, sagt Hable und kritisiert doppelte und dreifache Verwaltungsstrukturen, Doppel- und Dreifachförderungen und „nackte Klientelpolitik“ der Regierungsparteien. Laut Rechnung der Neos könnte Österreich vier Milliarden Euro einsparen, wenn die Förderungen dem Niveau der EU-Staaten angeglichen würden. Auch der Ökonom Hanno Lorenz von der Denkfabrik Agenda Austria vermisst konkrete Einsparungspläne. In manchen Ministerien bezögen sich die Einsparungen auf bereits getroffene Maßnahmen, ande-

re setzen auf kostendämpfende Gestaltung der Bezugserhöhungen aufgrund der geringen Inflation. Als Reformen lassen sich derartige „Einsparungen“ nicht verkaufen. Schon in der Budgetprognose vom November 2015 stellte der Fiskalrat fest, dass 600 Millionen der Einsparungen sich aufgrund der niedrigen Inflation durch moderate Gehaltsabschlüsse öffentlich Bediensteter ergeben. Doch dabei wird es laut Bernhard Felderer ausgabenseitig nicht bleiben können: „Größere Anstrengungen werden kommen müssen – das betrifft auch den Sozialhaushalt – und gerade diesen“, sagt Felderer den SN. Nicht nur der Rechnungshof kritisiert regelmäßig Ineffizienzen, Doppelgleisigkeiten und Kompetenzüberlappungen insbesondere bei Förderungen und in der Verwaltung. Vorschläge zu massiven Einsparungen bei Förderungen gibt es genug. Die „Aufgabenreform- und Deregulierungskommission“ hat 2015 in ihrem Förderbericht zwar keine konkreten Streichkandidaten genannt, aber immerhin eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und einen weiteren Ausbau der Transparenzdatenbank verlangt. Im Jahr 2013 flossen dem Expertenbericht zufolge fast 13 Mrd. Euro in Förderungen. Davon 6,2 Mrd. Euro vom Bund (ohne EU-Beiträge und Bankenhilfen), 3,7 Mrd. Euro von den Ländern, 2,9 Mrd. Euro von den Gemeinden und weitere 202 Mill. Euro von den Sozialversicherungen. Als Hauptproblem nennt der Expertenbericht die „Unüberschaubarkeit der Förderungslandschaft“. Bund, Länder und Ge-

Rot und Schwarz vergeben ungebremst Milliarden an Förderungen.

meinden gewährten Förderungen nämlich auch außerhalb ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeitsbereiche, womit ein kaum zu durchschauender Wildwuchs entstanden sei. Die Transparenzdatenbank, die einen Überblick über die Förderungen verschaffen sollte, ist bisher nicht mit den notwendigen Daten befüllt und stellt sich daher bisher nur als „Millionengrab“ heraus, wie auch bei der Agenda Austria betont wird. Neos-Mann Hable spricht von „größter Intransparenz in einem Sumpf, in dem Milliarden Steuergelder versickern“. Die Intransparenz sei „gewünscht“, damit man nicht beurteilen könne, ob das Fördergeld nicht doch nur zur Bedienung der eigenen Klientel diene. Deshalb wehren sich laut Hable vor allem die Länder gegen die Transparenzdatenbank. Länder und Gemeinden liefern in die Datenbank nur ein, welche Arten von Förderungen es gibt, aber nicht, wer wie viel bekommt. Das Einsparen der aufgrund der Steuerreform gekürzten Finanzausgleichsmittel von 400 Millionen

BILD: SN/APA

stellt Länder und Gemeinden tatsächlich vor Herausforderungen. In Oberösterreich beträgt der Einnahmenentfall durch die Steuerreform 60 Mill. Euro. Primär würden Ermessensausgaben gekürzt, heißt es im Büro von Landeshauptmann Josef Pühringer. Neben der Kürzung gebe es eine zehnprozentige Sperre bei den Ermessensausgaben, hier werde später entschieden, ob diese zusätzlich schlagend werde. In Salzburg sei das Einnahmenminus durch die Steuerreform ebenfalls im Budget eingepreist, heißt es im Büro des Finanzreferenten Christian Stöckl. Hunderte kleine Budgetposten seien gekürzt werden. Die Einsparungen ergäben sich aus einer „Summe der Kleinigkeiten“. Allein die Mehrausgaben für Flüchtlinge machen im Salzburger Landesbudget 20 Mill. Euro aus. Dass der steuerreformbedingte Wegfall von 30 Mill. Euro sich eins zu eins in der Salzburger Neuverschuldung von 32 Mill. Euro abbilde, stimme übrigens nicht, heißt es im Büro Stöckls: „Diesen Schluss kann man nicht ziehen.“

Aus dem Friedhof der eingestampften Plakate

SCHLI

Helmut Schliesselberger

Text

BILDER: SN/APA, MONTAGE: SCHLI

Gut, dass die ursprünglich vorgesehenen, vielleicht eh zu ehrlichen Wahlplakate in allerletzter Sekunde noch leicht modifiziert wurden.