Solare Luftheizsysteme

2.2 Solares Zu-und Abluftsystem. 12. 2.3 Doppelschalige Fassaden. 13. 24. Solare .... me Luft aus dem Solarkreis auch direkt in die .... Bei Bürobauten.
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Solare Luftheizsysteme Charles Filleux

Andreas Gütermann

Konzepte Systemtechnik

ökobuch

Planung

Charles Filleux · Andreas Gütermann

Solare Luftheizsysteme Konzepte · Systemtechnik · Planung mit einem Beitrag zur ökologischen Bewertung von Alex Primas

ökobuch Staufen bei Freiburg 1

Wichtiger Hinweis Ausdrücklich sei hier angemerkt, dass die Hinweise und Anleitungen in diesem Buch trotz aller Sorgfalt möglicherweise nicht frei von Fehlern sind, die sich unter Umständen erst beim Anwender herausstellen. Deshalb können die Verfasser bei der Zusammenstellung dieses Buches und der Materialien keine Haftung für Mängel und deren Folgen übernehmen.

Dank Die Autoren danken allen Personen und Firmen, die mit ihrer Bereitschaft Grundlagenmaterial und Photos zur Verfügung zu stellen maßgeblich zum Gelingen des Buches beigetragen haben. Ein besonderer Dank gilt Christina Gütermann und Mohammed Boulad für das Erstellen vieler Graphiken. Bedanken möchten sich die Autoren weiter beim Bundesamt für Energie (Bern, Schweiz), welches den überwiegenden Teil der in den letzten Jahren gewonnenen Erkenntnisse durch die finanzielle Unterstützung entsprechender Forschungs- und Umsetzungsarbeiten erst ermöglichte. Außerdem gilt der Dank auch den Eigentümern der zahlreichen Gebäude, welche durch ihren Willen, der solaren Zukunft einen Weg zu ebnen, das Prinzip der solaren Luftheizsysteme umsetzten und damit den Tatbeweis ihrer Funktionstüchtigkeit erbrachten.

Bibliografische Information: Die Deutsche Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-947021-01-7 1. Auflage 2005 © ökobuch Verlag, Staufen bei Freiburg 2005 Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Einspeicherung in EDV-Anlagen, Tonträger jeder Art und auszugsweisen Nachdruck, sowie die Rechte der Übersetzung sind vorbehalten. Email: [email protected] http://www.oekobuch.de Druck: fgb Freiburger Grafische Betriebe, Freiburg

2

Dieses Buch wurde mit Unterstützung des Bundesamtes für Energie (Bern) im Rahmen des Programms „Rationelle Energienutzung in Gebäuden“ erarbeitet. Photos auf dem Titel (von oben nach unten): - Fa. Grammer Solar (Freibad Hannover-Laatzen) - Fa. Grammer Solar (Solarhaus Dotzler) - Andreas Gütermann (MFH Rychenberg)

Inhaltsverzeichnis 1

Solare Luftkollektorsysteme

5

1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

Entwicklungsstationen Luft als Wärmeträger Kollektorsysteme Nur mit Luft heizen? Marktchancen

5 6 7 7 8

2

Erfolgreiche Anlagenkonzepte

9

2.1 2.2 2.3 24. 2.5 2.6 2.7 2.8

Solares Zuluftsystem Solares Zu-und Abluftsystem Doppelschalige Fassaden Solare Raumheizung Warmwasserbereitung mit Luftkollektorsystemen Einsatzbereiche für solare Luftkollektorsysteme Was leisten solare Luftkollektorsysteme? Solare Investitionskosten

11 12 13 13 14 15 15 16

3

Luftkollektoren

17

3.1 3.2 3.3 3.4

Bausteine für Flachkollektoren Thermische Leistung von Flachkollektoren Industriell gefertigte Flachkollektoren Vor Ort gefertigte Flachkollektoren – Ein dachintegrierter Ortsbau-Kollektor 3.5 Solarwall 3.6 Fensterkollektor

17 22 24 25 28 31 33

4

36

Wärmespeicher

4.1 Hypokaustenspeicher 4.2 Weitere Speichermaterialien

37 41

5

Ventilator

43

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6

Einbau Ventilatorarten Ventilatorleistung Antriebsmotoren Drehzahlregelung Temperaturbeständigkeit und Lebensdauer

43 45 47 47 48 50

6

Luftführung

51

6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7

Luft als Wärmetransportmedium Luftführung – grundsätzlich Druckverlust Materialien Wärmedämmung Luftkanäle zwischen Kollektor und Speicher Verteil- und Sammelkanäle – hydraulischer Abgleich

51 52 53 55 56 56 62

3

7

Steuerung

63

7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6

Aufgaben der Steuerung Wahl der Stromversorgung Optimale Einstellungen der Steuerung Ansteuerung motorischer Klappen Temperaturmessung und Fühlerplatzierung Betriebsüberwachung und Betriebsoptimierung

63 65 66 68 68 71

8

Planung und Dimensionierung

73

8.1 Die ersten Planungsschritte (Vorprojekt) 8.2 Auslegungshinweise für Komponenten 8.3 Systeme zur solaren Vorwärmung der Außenluft 8.4 Systeme zur solaren Raumheizung 8.5 Systeme mit Wassererwärmung 8.6 Ausführungsplanung als Ausschreibungsgrundlage 8.7 Pflichtenhefte 8.8 Anlagenplanung mit Computerprogrammen 8.9 Ökologische Bewertung von Solarluftheizsystemen 8.10 Brandschutz

4

73 75 79 82 86 89 90 91 93 99

9

Realisierung und Betrieb

101

10

Beispiele

103

11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

Konvektive Fassade als offenes System Konvektive Solarfassade mit Fensterkollektoren Konvektive Solarfassade im traditionellen Baustil Dach- und Fassadenintegration von Luftkollektoren Dachintegration bei einer Gebäudesanierung Selektiver Absorber und Hypokauste aus Formsteinen Fassadenintegrierter Standardkollektor Standardkollektoren für Lüftung und Warmwasser Standardkollektor für die Außenluftvorwärmung Solarfassade für Zuluftvorwärmung Solarwall für die Lackiererei eines Verkehrshofes

105 113 121 128 135 142 149 156 160 163 166

22

Anhang Funktionsbeschreibung A1 und Checklisten A2 bis A6

168 168

23

Lieferantenverzeichnis

172

24

Stichwortverzeichnis

172

1 Solare Luftkollektorsysteme Neben den am Markt etablierten Wasserkollektoren zur Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung gibt es seit über 20 Jahren solare Luftkollektorsysteme, die in einem geschlossenen Kreislauf oder in Verbindung mit einer Lüftungsanlage vor allem in der Übergangszeit und im Winter Gebäude mit Wärme versorgen und die Heizungsanlage unterstützen. Eine sinnvolle Erweiterung solcher Anlagen mit solarer Lufterwärmung ist der

Einbau eines Luft-Wasser-Wärmetauschers in den Warmluftkreis, um Wärme für die Warmwasserbereitung auszukoppeln. Das vorliegende Buch soll dazu dienen, die Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung sowie die Erfahrungen mit erfolgreich realisierten Anlagen einer größeren Gruppe von Planern und Anwendern zugänglich zu machen.

1.1 Entwicklungsstationen Die ersten patentierten Luftkollektoren wurden bereits Ende des neunzehnten Jahrhunderts in den USA entwickelt und realisiert. Es waren vor Ort gefertigte, vertikal an der Südfassade montierte, schwarz eingefärbte Metallbänder in einer flachen glasbedeckten Box. Etliche Gebäude wurden seinerzeit damit ausgerüstet, eine Weiterentwicklung oder Vermarktung blieb jedoch aus. Erst die Knappheit der Energieressourcen während des zweiten Weltkrieges brachte in den USA eine Weiterentwicklung. Die einfachen Luftkollektoren wurden durch solche mit ausgeklügelter Luftführung und verbesserter Wärmeübertragung abgelöst. Zudem wurde die Notwendigkeit der Speicherung von Solarwärme erkannt, was zu Entwicklung des ersten Kiesbettspeichers führte. Im Jahre 1945 hat George Løf – damals Professor an der Colorado State University – erstmals eine komplette Solaranlage zur Raumheizung mit Luftkollektor, Kanalsystem, Kiesbettspeicher und Steuerung in seinem Wohnhaus in der Nähe von Denver realisiert. Es war die Geburtsstunde der solaren Luftkollektorsysteme. Das System erreichte einen solaren Deckungsgrad von 30%. Heute, nach mehr als fünfzig Jahren liefert es immer noch einen wesentlichen Beitrag zur Heizung des Hauses. Im deutschsprachigen Raum Europas experimentierten Ende der 1970er Jahre diverse Pioniere mit solaren Luftkollektorsystemen. Im Vordergrund stand zunächst die Demonstration der Machbar-

keit, später wurden die Systemtechnik sowie die Integration ins Gebäude zu zentralen Themen. Da es zu diesem Zeitpunkt noch praktisch keine industriell gefertigten Komponenten auf dem Markt gab, wurden die Anlagen vor Ort erstellt. In den 1980er und 1990er Jahren wurde das Thema in einige Forschungsprogramme der Internationalen Energie Agentur aufgenommen, mit dem Ziel, die Zuverlässigkeit der Anlagen zu erhöhen und die Kosten zu senken. In diesem Rahmen wurden unter der Leitung von Stuart R. Hastings Pilotprojekte ausgewertet und erste Auslegungswerkzeuge erarbeitet.

1.1 Diese Männer haben die solaren Luftkollektorsysteme aktiv gefördert (v. rechts n. links): George Løf (USA), Teun Bokhoven (NL) und Fritjof Salvesen (N) auf dem Forschungsgelände der Universität Boulder, Colorado.

5

1.2 Luft als Wärmeträger Luftführende Solaranlagen sind vom Aufbau her vergleichbar mit flüssigkeitsbasierten Solaranlagen. Luft als Wärmeträger hat im Vergleich zu Wasser jedoch ganz andere physikalische Eigenschaften (vgl. Tabelle 1.1), woraus sich grundlegende Konsequenzen für solare Luftkollektorsysteme ergeben. Die physikalischen Gegebenheiten des Wärmeträgers Luft haben zur Folge, dass: • Luft sich schneller als Wasser erwärmt und bereits bei geringer Einstrahlung – also bei bedecktem Himmel – das gewünschte Nutztemperaturniveau erreicht, • Luftkollektorsysteme wegen der geringen spezifischen Wärmekapazität von Luft als Transportmedium verhältnismäßig große Strömungsquerschnitte und Gebläseleistungen für den Wärmetransport benötigen,

1.2 Luftkollektor mit überlappenden Glasscheiben, welche teilweise (im Absorberteil) schwarz eingefärbt sind, im Colorado-Haus in Denver.

• Luft wegen ihrer geringen Energiedichte nicht als Speichermedium eingesetzt werden kann, • Luft wegen der niedrigen Wärmeleitfähigkeit bei der Wärmeübertragung auf andere Medien große Übertragungsflächen erfordert. Die besten Argumente für den Einsatz luftgeführter Solaranlagen liegen beim Betriebsverhalten: • Luftgeführte Anlagen sind weniger korrosionsanfällig, die Lebensdauer der Kollektoren kann viel höher angesetzt werden als bei flüssigkeitsbasierten Systemen. • Luftgeführte Anlagen benötigen weder einen Frostschutz noch einen Überhitzungsschutz. Auf Sicherheitsventile oder Expansionsgefäße kann verzichtet werden. • Luftkollektorsysteme arbeiten bereits auf einem relativ niedrigen Temperaturniveau und können deshalb ganzjährig betrieben werden. • Die Energiespeicherung in Luftkollektorsystemen ist nur indirekt, d.h. über eine Zwischenspeicherung in einem anderen Medium (Wasser, Stein, Beton ...) möglich. Hingegen kann warme Luft aus dem Solarkreis auch direkt in die Räume eingeblasen werden. • Das Luftkanalnetz braucht nicht absolut dicht zu sein. Geringe Leckverluste wirken sich weder negativ auf das Systemverhalten aus, noch entstehen Schäden am Gebäude oder an der Einrichtung. Wirtschaftlich interessante Lösungen können insbesondere dann realisiert werden, wenn Kollektoren als Bestandteile der Gebäudehülle oder Speichermedien als Bestandteile der Tragstruktur ausgestaltet werden.

Vergleich der Kenndaten von Luft und Wasser Wasser

Faktor

Spezifische Dichte

ρ

1,185 kg/m3

998,20 kg/m3

842

Spezifische Wärmekapazität

cp

0,28 Wh/kgK

1,16 Wh/kgK

4,14

cv

0,33 Wh/m3K

1158 Wh/m3K

3488

λ

0,026 W/mK

0,599 W/mK

23

Wärmeleitfähigkeit

6

Luft

Tabelle 1.1: Kenndaten von trockener Luft bei 25°C und Atmosphärendruck; zum Vergleich die Werte für Wasser.

1.3 Kollektorsysteme Solare Luftkollektoren nutzen die einfache Tatsache, dass dort, wo die Solarstrahlung auf eine dunkle Fläche trifft, Wärme entsteht, die zum größten Teil unmittelbar an die umgebende Luft abgegeben wird. Die „Kunst“ des Anlagenbaus besteht nun darin, diese Luft auf das gewünschte Temperaturniveau zu bringen, sie zu fassen und nutzbar zu machen. Heizt oder belüftet man einen Raum oder ein Gebäude direkt mit erwärmter Außenluft, sind schon Kollektortemperaturen ab 25°C für das gewünschte Temperaturniveau der Raumluft ausreichend. Diese Temperatur wird in einem Solarluftkollektor bereits bei geringer Sonneneinstrahlung erreicht und stellt sich wegen der geringen thermischen Trägheit der Luft sehr schnell ein. Dies ist ein Vorteil gegenüber herkömmlichen wasserführenden Heizsystemen, welche – je nach Art der Wärmeverteilung – mit Vorlauftemperaturen von mindestens 30 bis 55°C arbeiten. Im Solarluftkollektor können auch noch geringere Temperaturerhöhungen genutzt werden, die Energieeffizienz des Kollektors ist zudem bei niedrigen Kollektortemperaturen am höchsten. Eben dies macht die Luftkollektoren zu einer besonders attraktiven Art der Solarenergienutzung. Große Verbreitung finden Systeme zur Vorwärmung von Außenluft in Gebäuden mit hohem Außenluftbedarf wie Sport- und Mehrzweckhallen sowie Industriebauten. Sinnvoll sind weiter Systeme mit geführter Zu- und Abluft in Wohn-

1.3 Beispiel eines solaren, in die Fassade integrierten Luftkollektors.

und Ferienhäusern, wo mit solarer Luftvorwärmung der Lüftungswärmebedarf reduziert werden kann. In Wohnbauten können Systeme zur solaren Raumheizung in Kombination mit einer Holzheizung den ganzen Wärmebedarf abdecken.

1.4 Nur mit Luft heizen? Komfortable Lüftungsanlagen mit Lufterwärmung, also reine Luftheizungsanlagen, bei denen die gesamte Heizleistung ausschließlich durch die Lüftung bereitgestellt wird, sind nur in sehr gut gedämmten Wohngebäuden mit MINERGIE-P- und Passivhaus-Standard realisierbar. Deren geringe Heizleistung ermöglicht es, das Kanalnetz für die Lufterneuerung auch für die Verteilung der Heizwärme zu verwenden und damit die Kosten für eine wasserführende Wärmeverteilung zu sparen.

Die Heizleistung einer Lüftungsanlage mit Lufterwärmung ist abhängig von der Zulufttemperatur und der Luftmenge. Weil die Zulufttemperatur und die Luftmenge begrenzt sind, ist auch die Heizleistung begrenzt. Um Staubverschwelung und damit unangenehme Gerüche zu verhindern, darf die Zuluft auf maximal 50°C erwärmt werden. Die Luftmengen im MINERGIE-P- und Passivhaus orientieren sich am hygienischen Bedarf (Mindestluftwechsel 15 m3/h pro Person) und sind

7

F A K T U M

somit viel niedriger als bei herkömmlichen Luftheizungen. Höhere Luftmengen im System sind unwirtschaftlich, weil die Investitionskosten für das Leitungsnetz hoch und die Luftumwälzung energieintensiv ist. Zudem treten Zugerscheinungen und Lüftungsgeräusche auf. Somit ist die Heizleistung durch das Kanalnetz, und die maximal zulässige Erwärmung der Zuluft

auf ca. 10 W/m2 Nettowohnfläche begrenzt. Dies entspricht genau der maximal zulässigen Heizleistung im Passivhausstandard. Durch eine zusätzliche Wärmequelle im Wohnraum (z.B. Holzspeicherofen) sind Lüftungsanlagen mit Lufterwärmung noch bis zu einer Heizleistung von 15 - 20 W/m2 Nettowohnfläche ohne Umluft möglich.

1.5 Marktchancen Die solaren Luftkollektorsysteme werden überwiegend aus Elementen der Lüftungstechnik aufgebaut. Zusätzlich zu diesen Komponenten (z.B. Luftdurchlässe, Kanäle, Klappen, Ventilatoren, Wärmetauscher usw.) werden nur wenige solarspezifische Komponenten wie Luftkollektoren und thermoaktive luftdurchströmte Bauteile gebraucht. Eine verstärkte Anwendung von Luftkollektorsystemen bietet den Herstellern konventioneller Lüftungskomponenten somit die Möglichkeit, ihr Sortiment in Zukunft um diese solartechnischen Elemente zu erweitern, und den Lüftungsunternehmer ein zusätzliches Betätigungsfeld, um mit spezifischem Know-How am Markt aufzutreten. Zur Beheizung von Sport- und Industriegebäuden sowie von Lagerhallen sind einfache Lüftungs-

anlagen mit solarer Lufterwärmung bereits heute vielfach im Einsatz und wirtschaftlich. Die Gründe, die für den Einsatz dieser Systeme sprechen, sind der hohe produktionsbedingte Luftwechsel, der niedrige Komfortanspruch, die geringen Investitionskosten und der geringe Wartungsaufwand. Die rasche Verbreitung des MINERGIE-P- und Passivhaus-Standards bei Wohnbauten lässt erwarten, dass die Anzahl Gebäude, die mit einer Lüftungsanlage mit Lufterwärmung ausgerüstet sind, zunehmen wird. Die anfänglich geäußerte Skepsis gegenüber Luftheizungen beruhte auf früheren Erfahrungen mit solchen Anlagen in Gebäuden mit höherem Wärmebedarf, in denen häufig ungenügender Wärmekomfort und mangelnde Lufthygiene festgestellt werden musste.

Wärmebedarf verschiedener Gebäude Altbauten

40 - 80 W/m2

Durchschnittliche Neubauten

30 W/m 2

Neubauten mit gutem Wärmedämmstandard („Niedrigenergiebauten”)1)

20 W/m2

Passivhäuser 1) oder Albausanierungen mit vergleichbarem Wärmedämmstandard

8

< 10 W/m 2

Tabelle 1.2: Wärmeleistungsbedarf verschiedener Bauten pro m2 Netto-Wohnfläche. Quelle: Steinemann U.: Warme Luft?, tec 21, 19/2002

2 Erfolgreiche Anlagenkonzepte Die Systeme, in denen Solarluftkollektoren eingesetzt werden, unterscheiden sich je nach Einsatzbereich und Zielsetzung in Aufbau und Komplexität. Funktion, Charakteristik und Eignung erfolgreicher Anlagenkonzepte sind in einer Übersicht auf Seite 10 vorgestellt. Grundsätzlich können zwei Formen solarer Luftkollektorsysteme unterschieden werden: • Systeme zur Vorwärmung der Außenluft. Verbreitet sind sowohl reine Zuluftsysteme wie auch Systeme mit geführter Zu- und Abluft. Bei letzterem ist es von Vorteil, wenn bereits ein Sys-

tem zur Be- und Entlüftung des Gebäudes installiert bzw. vorgesehen ist. • Systeme zur Raumheizung. Dieses System arbeitet meist in geschlossenem Umluftbetrieb, wobei Böden und Wände des Gebäudes als Speichermasse in das System einbezogen werden. Systeme zur Raumheizung lassen sich am einfachsten realisieren, wenn sie bei einem Bauvorhaben von vornherein mit eingeplant werden. Das Thema „Solare Klimatisierung mit Luftkollektorsystemen“, also z.B. die Erzeugung von gekühlter Zuluft, wird hier nicht behandelt.

2.1 Wandintegrierter Solarluftkollektor aus industrieller Fertigung (vgl. Kap. 17, Beispiel Dotzler).

9

Systeme zur Vorwärmung der Außenluft Solares Zuluftsystem

Funktion: Diese Anwendung kombiniert einen (unverglasten) Luftkollektor mit einer Lüftungsanlage. Außenluft wird im Kollektor vorgewärmt und gezielt dem Gebäude oder einzelnen Räumen zugeführt. Die Fortluft entweicht aufgrund von Überdruck im Gebäude über dafür vorgesehene Öffnungen. Charakteristik: Offenes System ohne Speicher, Temperaturniveau am Kollektorausgang 10 bis 20 Kelvin über Außenluft; hohe Effizienz, da niedriges Temperaturniveau. Eignung: Gut geeignet für Gebäude mit hohem Außenluftbedarf wie Industriebauten, Lagerhallen, Sport- und Mehrzweckhallen. Voraussetzung ist der Einsatz einer Lüftungsanlage im Gebäude. Das System ist sowohl bei Neubauten wie bei Sanierungen einsetzbar. Das System ist eine gute Alternative zur Wärmerückgewinnung, wo diese nicht realisierbar ist.

Solares Zu- und Abluftsystem

Funktion: Im Gegensatz zum reinen Zuluftsystem wird bei dieser Anwendung über eine Wärmerückgewinnungsanlage zusätzlich Wärme aus der Abluft gewonnen, was einen energieeffizienten Lüftungsbetrieb auch außerhalb der Sonnenstunden gewährleistet. Der Kollektor wird der WRG entweder vor- oder nachgeschaltet. Die Abluft kann zentral oder dezentral abgesaugt werden. Charakteristik: Offenes System ohne Speicher, Erhöhung der Temperatur der Zuluft um 10 bis 30 Kelvin; Konkurrenzsituation zwischen Solarkollektor und Wärmerückgewinnung bei Sonnenschein. Eignung: Die Anwendung konzentriert sich auf Wohnbauten, Bürobauten und Schulbauten, welche mit einer Zu- und Abluftanlage und Wärmerückgewinnung ausgerüstet sind. Das System ist auch bei Sanierungen realisierbar.

Systeme zur Raumheizung Solare Hypokaustenheizung

Funktion: Bei der solaren Hypokaustenheizung zirkuliert solar erwärmte Luft in einem geschlossenen Kollektor-Speicherkreislauf. Die Wärmeabgabe erfolgt in Form von Strahlungswärme über die speichernden Bauteile. Charakteristik: Meist erzwungene Luftzirkulation, Temperaturerhöhung im Kollektor um 15 bis 30 K über Raumlufttemperatur, für kalte Schlechtwetterperioden ist ein zusätzliches Heizsystem notwendig. Eignung: Das System eignet sich insbesondere für den Heizungsbetrieb mit hohen Ansprüchen an den thermischen Komfort in Wohnbauten. Bei Bürobauten und Schulbauten besteht in der Übergangszeit kein Heizenergiebedarf. Der Einsatz ist nur bei Neubauten oder bei einer Totalsanierung sinnvoll.

Systeme zur Warmwasserbereitung Warmwasserbereitung mit Luftkollektoren Funktion: Der Nutzen der solaren Zuluft- und Heizsysteme kann durch Hinzufügen der Warmwasserbereitung vor allem im Sommer wesentlich gesteigert werden (ganzjährige Nutzung der Sonnenenergie). Charakteristik: Erfordert Temperaturerhöhung im Kollektor von 15 bis 35 Kelvin im Winter bzw. von 30 Kelvin im Sommer. Eignung: Lässt sich mit den meisten oben beschriebenen Systemen kombinieren.

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2.1 Solares Zuluftsystem Die solare Zulufterwärmung ist ein einfaches, energieeffizientes System, das – wie der Name besagt – der Vorwärmung der dem Gebäude zugeführten Außenluft dient. Dieses System zeichnet sich insbesondere durch niedrige Investitions- und Betriebskosten aus. Als Kollektor werden meist unverglaste Absorber eingesetzt, wie z.B. eine aktiv hinterlüftete gelochte Blechfassade (vgl. SOLARWALL® im Kapitel „Kollektoren“). Die Erwärmung der Außenluft im Kollektor findet schon bei geringer Sonneneinstrahlung und auch bei niedrigen Außentemperaturen statt. Bei einer Außentemperatur von 0°C kann die Luft bei entsprechendem solaren Angebot (z.B. 400 W/m2 – entspricht etwa „leicht bewölkt“) und einer Durchströmung von 50 m3/m2h durchaus auf 10 bis 15°C erwärmt werden. Steht eine große Kollektorfläche zur Verfügung, so lässt sich der Lüftungswärmebedarf durch das solare Zuluftsystem merklich reduzieren. Übertrifft die Temperatur der solar erwärmten Luft (d.h. der Zuluft) die Raumlufttemperatur, so trägt das System sogar aktiv zur Raumheizung bei. Bei Bedarf kann die Zuluft auch über ein Heizregister nachgeheizt werden. Dem System sind in Wohn-, Büround Schulbauten allerdings auch Grenzen gesetzt: Aus Komfortgründen können weder die Zuluftrate noch die Temperatur der Zuluft beliebig hoch gewählt werden. Im Sommer sorgt der perforierte Absorber für einen willkommenen Kühleffekt: Die Gebäudehülle hinter dem Absorber wird nicht direkt durch die Sonne bestrahlt und die infolge natürlicher Konvektion aufströmende Luft kühlt die Oberfläche der eigentlichen Gebäudehülle. Insbesondere bei ungedämmter Gebäudehülle kann diese Reduktion der Kühllast bedeutend sein.

Linke Seite:

2.2

Prinzipschema der solaren Zulufterwärmung.

Merkmale des solaren Zuluftsystems • Es ist eine Alternative zur Wärmerückgewinnung, wo diese nicht realisierbar ist. • Es bringt eine Reduktion des Lüftungswärmebedarfs während der Heizperiode. • Es führt zu einer Reduktion der Kühllast im Sommer nach dem Prinzip einer hinterlüfteten Fassade. • Es zeichnet sich durch niedrige Investitionsund Betriebskosten sowie durch geringen Materialeinsatz aus.

Konzepte solarer Luftkollektorsysteme

11

2.2 Solares Zu- und Abluftsystem Bei diesem System handelt es sich um die Kombination eines solaren Luftkollektors mit einer kontrollierten Lüftungsanlage (Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung WRG). Für die Integration des Kollektors in den Kreislauf gibt es zwei Möglichkeiten:

duziert. Die Zuluft wird natürlich nur bei Sonnenstrahlung über den Kollektor geführt, da sie anderenfalls dort auskühlen würde. Die Heizleistung kann durch teilweises Öffnen der Bypassklappe des Kollektors begrenzt und dem Wärmebedarf angepasst werden.

1. Der Kollektor ist der WRG vorgeschaltet: Bei Sonnenstrahlung wird die Außenluft zuerst über den Kollektor geführt und anschließend in der WRG nachgewärmt. Durch die Vorwärmung im Kollektor wird allerdings die Effizienz der WRG reduziert. An bewölkten Tagen und nachts wird der Kollektor nicht durchströmt (Bypass). Die Heizleistung kann durch Beimischung von Außenluft begrenzt und dem Wärmebedarf angepasst werden. Als Kollektoren kommen auch nicht abgedeckte Fassadenkollektoren in Frage.

Bei beiden Varianten kann dem System Umluft beigemischt werden. Ein Teil der aus den Räumen abgesaugten Luft wird vor dem Wärmetauscher des Lüftungsgerätes der Zuluft zu den Räumen beigemischt. Beim nachgeschalteten Kollektor wird die Umluft über den Kollektor geführt. Der Luft-

2. Der Kollektor ist der WRG nachgeschaltet: Bei entsprechendem solaren Angebot wird die in der WRG vorgewärmte Zuluft durch den Kollektor und anschließend dem Raum zugeführt. In diesem Fall wird durch die höhere EintrittsLufttemperatur die Effizienz des Kollektors re-

• Eine Reduktion des Lüftungswärmebedarfs um bis zu 50% ist im Wohnungsbau möglich. • Eine Kombination mit der Warmwasserbereitung ist möglich und sinnvoll. • Das System kann auch nachgerüstet werden.

Auslass Bypass

Merkmale des solaren Zu- und Abluftsystems

Auslass Bypass

FortluftAuslass

FortluftAuslass AußenluftEinlass

altern. Außenluft-Einlass

AußenluftEinlass

alternat. AußenluftEinlass

Abluft Wohnraum

Abluft Wohnraum

ZuluftAuslässe

ZuluftAuslässe

2.3 Prinzipschema für ein solares Zu- und Abluftsystem: links Kollektor vorgeschaltet, rechts nachgeschaltet.

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kollektor und das Kanalsystem müssen deshalb auf den höheren Luftdurchsatz ausgelegt sein, um zusätzlich Energie gewinnen zu können. Umluftsysteme sind wirtschaftlich meist nur dann sinnvoll, wenn die gesamte Raumwärme über die Luft verteilt und auf ein konventionelles wassergeführtes Heizsystem verzichtet werden kann.

Bei beiden Varianten kann die solar erwärmte Zuluft auch für die Erwärmung von Warmwasser genutzt werden. Bei einem Überangebot an Wärme wird dem System durch einen Warmwasserwärmetauscher Wärme entzogen und erst die kühlere Luft in die Räume geleitet (Wärmenutzungskaskade).

2.3 Doppelschalige Fassaden Verglaste doppelschalige Fassaden, die auch als Luftkollektor dienen, kommen an lärmexponierten Standorten in Frage. Durch die zusätzliche vor der Hauptfassade angeordnete Glashaut wird nicht nur der Schallschutz verbessert, es entsteht auch eine Pufferzone, welche den Gesamt-U-Wert der Gebäudehülle verbessert. Hauptvorteil ist und bleibt aber der verbesserte Schallschutz, denn aus energetischer Sicht allein lässt sich der Aufwand für die zweite Außenhaut nicht rechtfertigen, wenn man ihn beispielsweise mit einer Kompaktfassade mit Sonnenschutz vergleicht. Im Sommer besteht die Tendenz zur Überhitzung, d.h. ein bewegli-

cher, nahe der Außenhaut gelegener und gut belüfteter Sonnenschutz ist unabdingbar. Man unterscheidet Korridorfassaden, bei denen der Fassadenzwischenraum vertikal geschossweise getrennt ist, und mehrgeschossige Fassaden, welche sowohl vertikal wie horizontal an mehrere Räume grenzen. Bei fast allen Doppelfassaden besteht die Gefahr von Schallübertragung zwischen einzelnen Räumen über die Fassade. Zu den Doppelfassaden gibt es hervorragende Literatur (z.B.: Oesterle, Lieb, Lutz, Heusler: Doppelschalige Fassaden – Ganzheitliche Planung. Verlag Callwey Verlag, München 1999), weshalb hier auf die weitere Behandlung verzichtet wird.

2.4 Solare Raumheizung Bei diesem System handelt es sich um eine Solaranlage mit einem von der Raumluft getrennten Luftkreislauf. Die im Kollektor erwärmte Luft durchströmt wärmespeichernde Bauteile im Gebäude. So entsteht eine Hypokaustenheizung nach römischem Vorbild mit hohem thermischem Komfort. Damit dem Raum bei niedrigen Oberflächentemperaturen genügend Wärme zugeführt werden kann, sind große Heizflächen erforderlich. Da es sich um ein in sich geschlossenes Heizungssystem handelt, hat die Belüftung der Räume gesondert zu erfolgen. Wie bei jeder Art von Solarheizung ist auch bei solaren Luftkollektorsystemen eine Zusatzheizung nötig, welche klimaabhängig zusätzliche Wärme einbringt. Als Zusatzheizsysteme kommen im EFH aus Kostengründen vor allem einfache Zimmer-(speicher-)öfen ohne zusätzliches Wärmeverteilsystem in Frage.

Auslass Bypass

Murokauste

Hypokauste Bypass Einlass

2.4 Prinzipschema für solare Raumheizung

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Merkmale der solaren Raumheizungssysteme • Sonnenwärme wird im ganzen Gebäude verteilt. • Großflächige Heizflächen (Strahlungswärme) garantieren hohen Wärmekomfort. • Eine Kombination mit der Warmwasserbereitung ist möglich und sinnvoll.

Die Lufteintrittstemperatur am Kollektor entspricht etwa der Raumlufttemperatur. Als Temperaturerhöhung im Kollektor genügen in der Regel somit 15 bis 35 K, um mit der erwärmten Luft einen Heizbeitrag zu leisten. Als Kollektoren für dieses System empfehlen sich abgedeckte Kollektoren (industriell oder ortsgefertigte), die auch bei höheren Kollektortemperaturen noch einen guten Wirkungsgrad erreichen, sowie Fensterkollektoren. Da größere Kollektorflächen benötigt werden, wird auch deren bauliche und ästhetische Integration in das Dach oder in die Fassade bei der Auswahl der Kollektoren eine Rolle spielen.

2.5 Warmwasserbereitung mit Luftkollektorsystemen Durch die Erweiterung des Solarsystems um einen Wärmetauscher zur Warmwasserbereitung kann der nutzbare Energieertrag aus der Solaranlage erhöht werden, da das solare Luftsystem dadurch ganzjährig, d.h. auch im Sommer, genutzt wird. Der Luft-Wasser-Wärmetauscher wird innerhalb des Dämmperimeters direkt hinter dem Kollektor am wärmsten Ort des Luftkreislaufes platziert, um für die Warmwasserbereitung das höchstmögliche Temperaturniveau zu nutzen. Die Anbindung des

Wärmetauschers an den Warmwasserspeicher erfolgt wie in der konventionellen Solartechnik, wobei hier das (Trink-) Wasser als Wärmeträger eingesetzt werden kann. Frostschutzmittel im Kreislauf ist nicht nötig, da der Wärmetauscher ja frostgeschützt im Gebäudeinnern liegt. Im Sommerbetrieb sorgt ein Bypass im Kollektorkreislauf dafür, dass trotz Warmwassernutzung kein unerwünschter Wärmeeintrag in das Gebäude stattfindet.

Eignung solarer Luftkollektorsysteme System Gebäudetyp

Reines solares Zuluftsystem

Solares Zu- und Abluftsystem

Solare Raumheizung

Wohngebäude

Bedingt geeignet

Geeignet

Geeignet

Bürogebäude

Bedingt geeignet

Geeignet

Bedingt geeignet

Schulgebäude

Bedingt geeignet

Geeignet

Bedingt geeignet

Industriegebäude, Lagerhallen

Geeignet

Bedingt geeignet

Bedingt geeignet

Sport- und Mehrzweckbauten

Geeignet

Geeignet

Bedingt geeignet

Tabelle 2.1 Eignung solarer Luftkollektorsysteme für verschiedene Gebäudetypen.

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