"Sind wir noch brauchbar?"

13.03.2012 - 1940 Schließung des illegalen Predigerserninars; Rede- ur-rd Schreibverbot. 1910-1943 Anschluss an den politisch-militärischen Widerstand ...
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"Sind wir noch brauchbar?" C h r i stu sn a ch fo l g ea l s We l tdienstin der TheologieDietr ichBonhoeffer s

KHGWien,13.3.2012, GunterPrüller-Jagenteufel, 20'.00-20'.45 Einführung: Christ - Theologe- Märtyrer 1. Christseinin der Welt

2. Kirche als Gemeinschaftder NachfolgeChristi Kircheist nicht schonReichGottes Weder\\reltflucht noch Säkularismus Betenund Tun desGerechten J.

ChristlicheLebenspraxisals NachfolgeChristi EthischHandelnirn "Zu'ielicht"der Welt Kirche in solidarischer Verant$,ortunsfür die Welt Wer hält stand?

- 1 . C h r i s t s e i nh e u t eu n d m o r g e n

Kurzbiographie:Dietrich Bonhoeffer(1906-19a5) 1906an 4. Februarrverdenin Breslau(heute:Wroclaw/Polen) die ZrvillingeSabine(verehelichte Leibholz)und DretliclrBonhoefferals KinderdesProfessors fiir Psy'chiatrie undNeurologieKarl Bonhoefferuud dessenEhefi'auPaula(geb.von Hase)geboren. 1923-1927 Theologiestudiunt in Tr"ibingen, Rom und Berlin.Promotionin Berlinrnit der Arbeit "Sanctorur.rr zur Soziologie cornr.r.tLrrrio. EineUntersuchung der Kirche". 1928Vikariatin Barcelona. 1929130 Fakultät. Assistentan der BerlinerTheologisclren in NervYork. 1930Habilitation. Studienaufenthalt 1931-1933Plivatdozeritan der UniversitätBerlin und Studentenpfarrer. Begegnungmit Karl Barth ( l 8 8 6 - 1 9 6 8i n) B o n n . 1933-f935 Pastorder deutschen evangelischen Gemeindein London. der "Bekennenden (bei Stettin). 1935-1937 LeitungdesPredigerseminars Kirche"in Finkenwalde desPredigerseminars Nach derbehördlichen Fortsetzung der Arbeit im Untergrund Schließung 1940Schließung desillegalenPredigerserninars; Rede-ur-rd Schreibverbot. Widerstand um AdrniralWilhelmCanaris. 1910-1943 Anschlussan den politisch-militärischen 1943Verhaftungam 5. April unterder Beschuldigung der Wehrkraftzersetzung verhaftet. (Briefe;"Widerstand 1943-1944lnlraftielung inr Militärgel?ingnis Berlin-Tegel. und Ergebung") 1944Verlegungin dasBerlinerGestapogefüngnis in der Prinz-Albrecht-Straße. Konzentrationslager. 1945Im Frühjahr1945 Odysseedurch verschiedene Am 9. April wird DietrichBonhoefferrnit Adrliral WilhelmCanarisund GeneralHansOsterirn KZ zutnTodeverurteiltund gehängt. von einemSS-Standgericht Flossenbürg

Aus dem Außatz "Dein Reich konune' Wir sind Hinterrveltleroder rvir sind Säkularisten; das heißt aber,rvir glauber-r nicht rnehr an GottesReich.Wir sind der Erde feind,rveil rvir besserseinrvollenals sie,oder u'ir sind Gott feind, weil er uns die Erde, unsereMutter, raubt.[...] An das Reich Gottesglaubenkann nur, rverdie Erdeund Gott in einemliebt. Hinter*,eltlerisch sind wir. seit wir den bösen Kniff herausbekamen, religiös,ja sogar "christlich"zu seir.rauf Kosten der Erde. Im Hinterrveltlefturn läßt es sich prächtigleben.Man springt imrner dort. wo das Leben peinlich und zudringlichzu rverdenbeginnt,rnit kühnem Abstoßin die Luft und schrvingtsich erleichtertund unbekürnmert in sogenannte ewigeGefilde. Man i.ibersprin-qt die Gegenwart,rnan verachtetdie Erde, man ist besserals sie [...]. Aber Christusrvill nicht diese Schu,äche, sondernmacht den Menschenstark.Er fiihrt ihn nicht in Hirtterrveltender religiösenWeltflucht, sonderner gibt ihn der Erde zurück als ihren treuen S o h t r[.. . . ] Es sind nuu Hiuterrveltleftum und Säkularismus nur die beiden SeitenderselbenSachencintliclttlaf3GottesReiclt tticJilgeglaubtv,ird. Weder der glaubt es, der zu ihrl aus der Welt flieht [...], noch der glaubtes, der es als ein Reichder Welt selbstaufrichtenzu sollenmeint. [...] \Ver Gott liebt. liebt ihn als Herrn der Erde,rvie sie ist; wer die Erde liebt, liebt sie als GottesErde. Wer GottesReich liebt. liebt es ganz als GottesReich. er liebt es aber auch als GottesReiclt auf Erden. DBI4/t2. 261-278 Aus dem "Sclruldbekenntnis der Kirche" Die Kirche ist heLrtedie Gerreinschaftder Menschen,die erfaßt von der Gervalt der Gnade Christi iltre eigene persönlicheSünde rvie den Abfall der abendländischen Welt von Jesus Christusals Schuldan JesusChristusbekennt.[...] Das Bekenntnisder Schuldgeschieht ohne Seitenblicke auf die Mitschuldigen. Die Kirche bekennt[...] ihre Furchtsamkeit.ihr Abweichen,ihre gef?ihrlichen Zugeständnisse. Sie hat ihr Wächteramt und ihr Trostamt ofturals verleugnet. Sie hat dadurch den Ausgestoßenen und Verachtetendie schuldigeBarmherzigkeitoftmals verrveigert.Sie rvar rvo hätte rveildasBlut derUnschuldigen sturuur, sie schreientni.issen, zum Hirnmelschrie.[...] Sie hat es rnitangesehen, daßunterdernDeckmantel desNamensChristiGeu,alttat und Unrecht geschalr. Die Kirche bekeunt,die rvillkürlicheAnwendungbrutalerGewalt,das leiblicheund seelische Leiden unzähligerUnscliuldiger,Unterdrückung,Haß, Mord, gesehenzu haben ohne ihre StirnnrefLir sie zu erheben,ohne Wege gefundenzu haben,ihnen zu Hilfe zu eilen. Sie ist schuldiggewordenam Lebender Schwächsten und Welirlosesten BrüderJesuCliristi.[...] Die Kirche bekenntbegehrtzu habennach Sicherheit,Ruhe, Friede,Besitz.Ehre, auf die sie keiuenAnspruchliatte. Ethik (DBIy 6) 12s-136 Aus dem Aufsntz "Die Iftrche vor der Judenfrage" (1933) ... dasbedeuteteinedreifacheMöglichkeitkirchlichenHandelnsdem Staatgegenüber: erstens1...]die an den StaatgerichteteFrage nach dem legitim staatlichenCharakterseines Handelns, d.h.die Verantwortlichmachung desStaates. Die Kirche ist den Opfern jeder Zv,eiten.sder Dienst an den Opfern des Staatshandelns. in unbedingter auch wenn sie nicht der christlichen Gesellschaftsorduung Weiseverpflichtet, "Tut Gutesaujedermaun." Gemeindezugeltören. dient die Kirche dernfreien Staatin ihrer freienWeise. und in In beidenVerhaltLrngsrveisen darf die Kirche sichdiesenbeidenAufgabenkeinesfallsentziehen. Zeitender Rechtswandlung Die dritte N4öglichkeitbestehtdarin.nicht nur die Opfer unterdem Rad zu verbinden,sondern zu fallen. dernRad selbstin die Sneichen DBW12.319-358

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Auszäge ous "Nach l0 Jahren" (Neujohr 1943): "Die sroßelVlaskerade des Böseuhat alle ethischen Begriffedurcheinander gewirbelt.Daß das Böse in der Gestalt des Lichts. der Wohltat. des geschichtlichNotrvendigen,des sozial Gereclttenerscheitit.ist für den aus unserelethischenBegriffsrveltKommendenschlechthin verrvirrend:ftir den Cltristen,der aus der Bibel lebt. ist es gerade die Bestätigungder abgrtindigen BosheitdesBösen. Offenkundigist dasVersagender "Vernünftigen", die in besterAbsicht und uaiverVerkennuns der Wirkliclrkeit das aus den Fugen gegangeneGebälk rlit etwas Vernunft rvieder zusatutnenbiegen zu könnenmeinen.In iliremmangelnden rvollensie allenSeiten Sehvennögen Rechtrviderfahreulassertund werdenso durch die aufeinanderprallenden Geq'altenzerrieben, ohnedasgeringste ausgerichtet zu haben.[...] Erscliütternderist das Scheiterualles ethisclrcnFanatislrzs.Mit der Reinheiteines Prinzips tneintder Fanatikerder Macht des Bösenentgegentreten zu können.Aber wie der Stierstößter auf das rote Tuclt statt auf dessenTräger. ermüdet und unterliegt. Er verfüngt sich irr Unu,esentlichen urrdgehtdemKlügerenin die Falle. Einsarnerwehrt sicli der Mann des Gewissensder Überrnachtder Eutscheidungfordernden Zu'angslagen. Aber dasAusrnaßder Konflikte. in denener zu wählenliat - durchnichtsberaten -, zerreißtihn, Die unzähligenehrbarenund uttd getlagenals durch sein eigenstes Gervissen verführerischen Verkleidungen,iu deneudas Böse sich ihrn nähert,machensein Gervissen ängstliclrurtdunsicher,bis er [...] seineigenesGervisseu beltigt,um nicht zu verzrveifeln; denn daß ein bösesGeu'issenheilsar.ner und stärkersein kann als ein betrogenes Gervissen, das vennagder Mann,desseneinzigerHalt dasGervissen ist,nie zu fassen. Fülle der möglichenEntscheidungen Aus der vieru'irrenden scheintder sichereWeg der Pflicht herauszuftihren. Hier rvird das Befohleneals das Gewissesteergriffen,die Verantrvortungfür den Befehl trägt der Befehlshaber.nicht der Ausftihrende.In der Beschränkungauf das Pflichtgernäße aber komnrt es niemalszu dem Wagnis der auf eigensteVerantrvoftung hin geschehenden Tat, die allein das Böse im Zentrumzu treffen und zu überwindenvermag.Der Mann der Pflicht rvird schließliclrauch noch dem Teufel gegenüberseine Pflicht erftillen rtrüsserr. Wer es aber unternimmt,in eigensterFreiheit in der Welt seinen Mann zu stehen,rver die notwendigeTat höherschätztals die Unbeflecktheit des eigenenGewissens[...],der hütesich davor'.daß ihn nicht seineFreiheitzu Fall bringe.Er wird in das Schlimmewilligen,um das Schliurmerezu verhüten.und er wird dabeiniclit mehr zu erkennenvermögen,daß geradedas daser vernreiden will. dasBessere Schlimrnere. seinkönnte.[...] ALrf der FIr-rcht vor der öffentlichenAuseinandersetzung erreichtdieseroderjener die Freistatt einer privaten TugendltaJiigkeit. Aber er muß seineAugen urtd seinenMund verschließen vor dern Unrecltt um ihu herum. Nur auf Kosten eines Selbstbetruges kann er sich von der durch verantwortliches Bei allem,was er tut, wird ihn das, Befleckun-q Handelnreinerhalten. was er unterläßt. nicht zur Rultekommenlassen.Er wird entwederan dieserUnruhezugrunde gehenoderzum heuchlerischsten werden. allerPharisäer Wer hält stand?Allein der, dern nicht seineVernunft,sein Prinzip, sein Gewissen,seine Freilreit,seineTugendder letzteMaßstabist, sondernder dies alleszu opfernbereitist, wenn er und verantrvortlicher im ClaubenLrrrdin alleinigerBindungan Gott zu gehorsamer Tat gerufen ist. der Verautwortliche,dessenLeben nichts sein rvill als eine Antwort auf GottesFrageund Ruf. Wo sinddieseVerantwortlichen?" [...] "Die letzteverantrvofilicheFrageist nicht,wie ich mich heroischaus der Afftire ziehe,sondern weiterleben Generation soll." wie einekornmende Iil'iderstandund Ergebung (DBW B), 20-25

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Auszüge aus dem "Entwurf für ein Arbeit (Il'iderstand und Ergebung (DBW 8), 556-561) "Wer ist Gott?Nicht zuerstein allgerneiner an GottesAlhnacht etc. Das ist keine Gottesglaube eclite Gotteserfahrung. sondernein Stück prolongierterWelt. Begegnungmit JesusChristus. ErfahrLrng. daß hier eineUmkehruttgallesmenschlichen Seinsgegebenist, darindaßJesusnur 'fiit' andereda ist'. Das 'Für-andere-dasein' Jesuist die Trauszendenzerfahrungl Aus der Freiheit vott sich selbst.aus dem 'Ftir-andere-dasein' bis zum Tod entspringterst die Allmacht. Allrvisseuheit. Allgegenrvart. Glaubeist dasTeilueltrnen an diesernSeinJesu.(Menschrverdung, Kreuz.Auferstehung.) UnserVerhältniszu Gott ist kein 'religiöses' zu einerndenkbarhöchsten. -, sondernunserVerlrältniszu nrächtigsteu, besterrWeserr- dies ist keineechteTlanszendenz Gott ist ein ueues Leben im 'Dasein-für-audere', in der Teilnahrneam Sein Jesu.Nicht die jerveilsgegebene ttrtendliclten. unerreichbaren Aufgaben.sondernder erreichbare Nächsteist das Transzendente. Gott iu Menschengestalt! Nicht wie bei orientalischenReligionen in Tiergestaltenals das Ungeheure,Chaotische,Ferne, Scliauerliche;aber auch nicht iu den Begriffsgestalten des Absoluteu,Metaphysischen, Unendlichenetc.: aber auch niclrt die griechische Gott-Menschgestalt des'Menschen an sich',sondernder'Meuschfür andere'ldarurn der Gekreuzigte." Daraus.folgert er fir die Kirche ... "Die Kirche ist nur Kirche, rventtsie fiir andereda ist. Um einen Anfang zu ntachen,rnuß sie alles Eigentuntdetr Notleidendenschenken.Die Pfarrer müssen ausschließlich von derr freiwilligenGabender Gemeiuden leben,eventuelleinenrveltlichen Beruf ausüben. Sie rnußan den u'eltlichenAufgabendesrneuschlichen Gemeinschaftslebens teilnehmen. nicht herrschend. sonderrrhelfendund dienend.Sie muß dertMenschenaller Berufesaqen.was ein Lebennrit CliristLrs ist.rvases heißt.'für anderedazusein'.

Literatu rempfehlu ngen: VonDietricltBonhoeffir: 42008 Nachfolge(DBW 4), Taschenbuchausgabe: DietrichBoNHoEFFEn: Gritersloh Widerstandund Ergebung.Briefe und Aufzeichnungenausder Haft (DBW 8), DietrichBoNHoEFFER: 201I Tascheubuchausgabe: Gritersloh

Einführendes: 32006 ScHLTNGENSIEIEN: DietrichBonhoeffer.1906-1945. Ferdirrand EineBiographie, München RenateBptltcp: DietrichBonlioeffer,EineSkizzeseinesLebens.Gütersloh2004 EineEinführungin seinDenken,Gütersloh2001 DietrichBonhoeffer. SabineDR,cH,tM: - WeltdienstalsHeilsdienst. DietrichBonhoeffer in: Stimrnender GunterM. PRüLLER-JAcENTELTFeI: Zeit 224.Jg. (2006),75-88 F ür spezieI I I nteres sierte : e2005 Gütersloh Bpruce: DietrichBonhoeffer.Theologe- Christ- Zeitgenosse. Eberhard - Christologie - Weltverständnis, Hermeneutik ErnstFEtL:Die TheologieDietrichBonlioeffers. 52005 Münster (Hg.): DietrichBonhoefferaktuell.Biographie- TheologieRainerMAvERi PeterZI\'1N,{ERLINc Gießen2001 Spiritualität, GunterM. Pnullen-Jectr.-tgunEI-:Befreitzur Veranfwortung.Sündeund Vergebungin der Ethik DietrichBonhoeffers.Münster2004