Signale & Signaldetektion (Dr.Bettina Schade, AGES) - MedUni Wien

185/1983 (NR: GP XV RV 1060 AB 1480 S. 148. BR: AB 2696 S. 433.). Zuletzt aufgerufen 2013/04/15. 5. European Medicines Agency: EudraVigilance Access ...
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Signale & Signaldetektion (Dr.Bettina Schade, AGES) Der Prozess der Signaldetektion ist ein System, das der Erkennung von akut auftretenden Arzneimittelrisiken über den Zeitraum seines gesamten Lebenszyklus dient. Der „Council for International Organizations of Medical Sciences (CIOMS)“ definiert ein Signal als „neue Information zu bisher unbekannten (erwünschten und) unerwünschten Ereignissen im Zusammenhang mit der Gabe eines Arzneimittels“ [1]. Signale können sich dabei aus diversen Quellen einschließlich klinischer und nicht-klinischer Informationen generieren. Eine der wesentlichen Quellen bleiben jedoch Spontanmeldesysteme und strukturierte Datensammlungen wie Patientenregister oder Überwachungsprogramme. Die europäische Gesetzgebung und – dieser folgend – auch die nationalen Regularien der Mitgliedstaaten verpflichten Angehörige der Gesundheitsberufe und Zulassungsinhaber zur Meldung mutmaßlicher Nebenwirkungsmeldungen an die jeweiligen nationalen Arzneimittelbehörden. Seit kurzem ist – in Österreich unter dem Link www.basg.gv.at (Für Patienten) – auch eine direkte Meldung für Patienten, deren Angehörige oder gesetzliche Vertreter möglich [2-4]. In der gesamteuropäischen Nebenwirkungsdatenbank EudraVigilance zusammenfließend, bilden diese Einzelfallmeldungen den gemeinschaftlichen Datenpool für alle europäischen Arzneimittelbehörden zur Signaldetektion. Dem Prinzip der Transparenz wird mit der „Access Policy“ der EudraVigilance Rechnung getragen [5]. Neben Behörden, Zulassungsinhabern und Sponsoren klinischer Studien haben sowohl Angehörige der Gesundheitsberufe als auch Privatpersonen die Möglichkeit zum Abruf von Daten aus diesem System unter dem Link http://www.adrreports.eu/DE/. Die Ausgabe erfolgt dabei in aggregierter Form und unter Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bedingungen. Im Unterschied zur klinischen Prüfung, bei der die Größe des Patientenkollektivs zur Bestimmung einer Häufigkeit bekannt ist, steht dieser Nominator im Spontanmeldewesen nicht zur Verfügung. Die reine Beurteilung der Anzahl von (nationalen) Spontanmeldungen ist allerdings wenig sinnvoll, da dieses System einer ganzen Reihe von verzerrenden Faktoren unterliegt, wie zum Beispiel dem Alter des betroffenen Präparates, einem etwaige aktuellen Medieninteresse oder auch der „emotionalen Nähe“ zum betroffenen Patientenkollektiv. Als geeignete statistische Methode zur Prüfung auf das Vorliegen eines tatsächlich statistisch relevanten Signales kommt daher die „Proportional Reporting Ratio“ (PRR) zum Einsatz, die auf Disproportionalität der Meldungen prüft. Dabei wird – vereinfacht ausgedrückt – ein Ungleichgewicht zwischen erwarteten und tatsächlichen Meldehäufigkeiten einer Reaktion im Zusammenhang mit einem Wirkstoff überprüft. Die PRR-Werte eines Wirkstoff / Nebenwirkungspaares werden anhand von zwei Bezugsgrößen berechnet: rechnerisch verglichen werden die Häufigkeit des Auftretens der betreffenden Nebenwirkung im Vergleich zu allen anderen Nebenwirkungen, die mit dem jeweiligen Wirkstoff auftraten sowie ihre Häufigkeit im Zusammenhang mit allen anderen Wirkstoffen derselben Datenbank. Dabei können statistische Abweichungen entweder punktuell Von einem statistischen Signal wird per definitionem ausgegangen, wenn PRR >2 und Chi2>4 sind und mindestens drei zu berücksichtigende Meldungen vorliegen [6]. Diese Detektionen werden automatisiert und periodisch sowohl auf gesamteuropäischer, als auch auf nationaler Ebene durchgeführt. Ergänzt wird dieses System durch weitere (periodisch oder ad hoc durchgeführte) situativ spezifisch ausgewählte Algorithmen wie zum Beispiel dem quantitativen Vergleich zwischen Häufigkeiten aufeinanderfolgender Zeitperioden, der Überprüfung auf bislang vollständig unbekannte Nebenwirkungs/Wirkstoffkombinationen oder die Gegenüberstellung der Häufigkeit tatsächlich beobachteter bestimmter unerwünschter Ereignisse mit ihrer bekannten Häufigkeit in einer vergleichbaren Kohorte („observed versus expected“-Analyse).

Allerdings stellt nicht jede neue Information im Bereich der Arzneimittelsicherheit automatisch ein Signal und nicht jedes Signal ein neues Arzneimittelrisiko dar. Daher folgen weitere Prozessschritte wie Signalvalidierung, Signalevaluierung und Entscheidung über die Notwendigkeit regulatorischer Maßnahmen, womit ein Übergang von Risikodetektion und – evaluierung zum Risikomanagement geschaffen wird. Im Rahmen der Signalvalidierung wird die Frage beantwortet, ob lediglich ein statistisches, durch externe Trigger verursachtes oder auch ein inhaltliches Signal identifiziert wurde – in anderen Worten, ob es sich um einen „Fehlalarm“ handelt oder nicht. Zu den Ursachen können neben den bereits weiter oben genannten Faktoren auch saisonale aber durchaus zu erwartende Erscheinungen (zum Beispiel saisonale Impfstoffe), Änderungen im Rahmen des Inverkehrbringens (zum Beispiel ein Wechsel des Zulassungsinhabers, Indikationserweiterungen) oder auch multi-nationale Faktoren (zum Beispiel Eintritt in neue Märkte, Änderungen von therapeutischen Richtlinien) als möglich Bias Einfluss nehmen. Erweist sich das Signal als valide, muss im nächsten Schritt geklärt werden, wie groß/dringend der potentielle Handlungsbedarf ist. Dieser wird vor allem bestimmt durch die Verhältnismäßigkeit zwischen der beobachteten Reaktion in ihrer Stärke, des potentiellen Verlaufs und der Deutlichkeit des statistischen Signals und dem „Nutzen“ des betroffenen Präparates hinsichtlich der Indikation, der therapeutischen Effektivität und Effizienz sowie der Breite seiner Anwendung. Die Priorisierung der durch die einzelnen Mitgliedstaaten identifizierten und validierten Signale findet auf gesamteuropäischer Ebene statt. Jedes dieser Signale wird anschließend einem verantwortlichen Mitgliedstaat zur Evaluierung zugeteilt. Dieser weitere Arbeitsschritt dient der Charakterisierung des Signals hinsichtlich seiner Ausprägung, seines spezifischen Musters und möglicher Risikofaktoren und des (möglichen) Pathomechanismus. Dies erfolgt immer unter Heranziehung anderer verfügbarer Datenquellen wie Daten aus der klinischen und präklinischen Prüfung, Daten zu vergleichbaren Wirkstoffen. Kann das Muster eingegrenzt und anhand der vorhandenen Information ausreichend beschrieben werden, erfolgt – ebenfalls wieder im europäischen Verbund – die Entscheidung über adäquate Maßnahmen wie Änderungen der Fach- und Gebrauchsinformation und gegebenenfalls weitere Risikokommunikation, Änderung des Zulassungs- oder Abgabestatus (bis hin zur Ruhendstellung oder Aufhebung einer Zulassung) aber auch Vorschriften zur weiteren Aufklärung des Risikos wie der Durchführung von klinischen, epidemiologischen oder mechanistischen Studien. Der Transfer von Risiko zu regulatorischer Maßnahme wird dabei maßgeblich durch Frequenz, Schweregrad, Reversibilität und Präventabilität des Risikos getragen. Literatur: 1. Council for International Organizations of Medical Sciences (CIOMS): Practical Aspacts of Signal Detection in Pharmacovigilance. Report of CIOMS Working Group VIII 2010 2. Europäische Kommission: Regulation (EU) No 1235/2010 of the European Parliament and of the Council of 15 December 2010 amending, as regards pharmacovigilance of medicinal products for human use, Regulation (EC) No 726/2004 laying down Community procedures for the authorisation and supervision of medicinal products for human and veterinary use and establishing a European Medicines Agency, and Regulation (EC) No 1394/2007 on advanced therapy medicinal products. http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:348:0001:0016:EN:PDF. Zuletzt aufgerufen 2013/04/15 3. Europäische Kommission: Directive 2010/84/EU of the Europena Parliament and of the Council of 15 December 2010 amending, as regards pharmacovigilance, Directive 2001/83/EC on the Community code relating to medicinal products for human use.

http://ec.europa.eu/health/files/eudralex/vol-1/dir_2010_84/dir_2010_84_EN.pdf. Zuletzt aufgerufen 2013/04/15 4. Bundesministerium für Gesundheit: Bundesgesetz vom 2. März 1983 über die Herstellung und das Inverkehrbringen von Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) StF: BGBl. Nr. 185/1983 (NR: GP XV RV 1060 AB 1480 S. 148. BR: AB 2696 S. 433.). Zuletzt aufgerufen 2013/04/15 5. European Medicines Agency: EudraVigilance Access Policy 2011 www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Other/2011/07/WC500108538.pdf. Zuletzt abgerufen 2013/04/15 6. European Medicines Agency: Guideline on the Use of Statistical Signal Detection Methods in the EudraVigilance Data Analysis System (Doc.Ref. EMEA/106464/2006 rev.1). http://eudravigilance.emea.europa.eu/human/docs/10646406en.pdf . Zuletzt aufgerufen 2013/04/15