Richtige Stadt im richtigen Moment

Der ehemalige Franziskaner bedauert dies, hat die Kirche aber nach wie vor sehr gerne. PERRINE WOODTLI. LOMMIS. Die Enttäuschung ist. Beno Kehl noch ...
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Samstag, 7. März 2015

Thurgau lokal

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Richtige Stadt im richtigen Moment Seit über einem halben Jahr lebt David Lang in Berlin. Obwohl es dem Musiker in der deutschen Metropole gut ergeht, kehrt er seiner Heimat nicht den Rücken. Der Sänger kommt im März für eine kleine Tour in die Schweiz und macht auch zwei Abstecher in den Thurgau. PERRINE WOODTLI

MAMMERN. David Lang sitzt gelas-

sen im Caf´e und lächelt zufrieden. Der 36-Jährige hat allen Grund dazu. «Mir geht es sehr gut, es war die richtige Entscheidung, nach Berlin zu gehen», sagt Lang. Im Sommer 2014 packte der Musiker seine sieben Sachen und zog nach Berlin, um sich seiner Solokarriere zu widmen. Eine Reise nach Berlin Die meiste Zeit verbringt David Lang auf der Strasse – und musiziert. Er habe in Berlin seine Begeisterung für die Strassenmusik entdeckt. Im Mauerpark fand der Liedermacher seinen Platz. «Dort mache ich regelmässig Musik», sagt Lang. Was zunächst gar nicht so einfach war für den Sänger, der sich selbst mit einem Klavier begleitet. «Ich kann ja nicht mein Klavier mitschleppen. Also nehme ich jeweils meinen Verstärker mit und spiele meine Songs playback ab und singe dazu.» Dies käme beim Berliner Volk sehr gut an. «Es ist wirklich schön, wenn die vorbeigehenden Leute stehen bleiben, nur um dir zuzuhören.» Wenn die Leute das auch trotz fünf Grad machten, sei das schon toll. Wenn er nicht auf der Strasse spielt, gibt David Lang Konzerte in verschiedenen Lokalitäten und komponiert für Chöre in der Schweiz, von denen er Auftrags-

kompositionen erhält. Natürlich arbeite er auch ständig an neuen Songs. Diese stellt er nun auch seinem Schweizer Publikum vor. Der 36-Jährige ist seit einigen Tagen wieder in der Schweiz für seine Liedermacher-Tour. Heute spielt er in Amriswil, am 13. März in Frauenfeld. «Die Leute erwartet ein vielfältiges Musikprogramm, in welchem unterschiedliche Themen aufgegriffen werden», sagt Lang. In seinem neuen Programm «Spu-

Es tut richtig gut, wenn dich niemand kennt und dir ohne Vorahnung zuhört. David Lang Musiker ren nach Berlin» handle es sich um die Reise, die er bis und mit Berlin gemacht hat. Es gäbe Liebeslieder, emotionale und ernste Songs, aber auch solche mit humoristischem Inhalt. «Ein Song heisst zum Beispiel ‹Ich find dich doof›. Solche Sachen gibt es also durchaus auch», verrät Lang, der gerne in die Schweiz kommt. «Es ist mir wichtig, dass ich das, was ich hier in den letzten Jahren aufgebaut habe, nicht verliere. Nebst Berlin will ich natürlich auch in der Schweiz weiterhin vertreten sein.» Nach der Tour geht es für

Zur Person Vielfältiges Musiktalent

Bild: Reto Martin

David Lang ist in Mammern aufgewachsen. Nach seinem Primarlehrer-Studium in Kreuzlingen studierte er Schulmusik in Luzern, klassisches Klavier in Winterthur und Zürich, klassischen Gesang und Schauspiel in Zürich, Konstanz und New York sowie Chorleitung und Orchesterleitung in Zürich und Baden. 2004 kehrte er nach

Mammern zurück und übernahm dort als Dirigent den Männerchor. Lang ist freischaffender Komponist, Chorleiter und Sänger. 2014 zog er nach Berlin. Im März kehrt er nun für ein paar Konzerte mit seinem Programm «Spuren nach Berlin» in die Schweiz zurück. (woo) Infos zur Tour: www.davidlang.ch

David Lang ist bezüglich seiner Zukunft optimistisch. «Ich wünsche mir, dass es immer so weiter geht.»

«Mir wurde ein Stein in den Weg gelegt»

Beno Kehl darf weder als Angestellter noch ehrenamtlich in einer Schweizer Kirche wirken. So will es der Basler Bischof Felix Gmür, der ihm ein Berufsverbot erteilt hat. Der ehemalige Franziskaner bedauert dies, hat die Kirche aber nach wie vor sehr gerne. PERRINE WOODTLI

LOMMIS. Die Enttäuschung ist

Beno Kehl noch immer anzuhören. Nachdem der ehemalige Franziskanermönch Anfang 2014 als Seelsorgemitarbeiter in der Pfarrei Lommis angefangen hatte, musste er zum Jahresende seine Stelle bereits wieder aufgeben. Der Basler Bischof Felix Gmür hat entschieden, dass Kehl weder in einem Angestelltenverhältnis noch ehrenamtlich im Bistum Basel wirken darf. Keine Stelle für Austretende «Das Ganze hat mich sehr getroffen», sagt Beno Kehl. Er habe sich über die Anfrage der Pfarrei Lommis gefreut. «Ich habe diese Arbeit gerne gemacht und finde es schade, dass ich die Stelle aufgeben musste», sagt Kehl. Der ehemalige Franziskaner habe die www.thurgauerzeitung.ch

Pfarrei über die Tatsache, dass er keine Missio – die kirchliche Beauftragung – besitzt, informiert. «Der Bischofsvikar vom Bistum Basel, Ruedi Heim, hatte nach meinem Ordensaustritt mir und vielen Pfarreien einen ziemlich scharfen Brief geschickt, in dem er schrieb, dass ich weder kirchliche Räume noch Kirchen benutzen darf.» Dies habe die Kirchenvorsteherschaft von Lommis als Empfehlung entgegengenommen und dachte, dass, wenn die päpstliche Dispens von Rom eintrifft, alles geregelt werden könne. Mit dieser wird man von der ehemaligen Bindung zur Kirche und dem Orden befreit. Als Kehl diese Dispens erhielt, ging er damit zum Bischof – ohne Erfolg. «Er gab mir unmissverständlich zu verstehen, dass er bei seinem Entschluss bleibt», sagt Kehl und ergänzt: «Ich finde

es schade, dass kein richtiger Dialog stattgefunden hat.» Laut Kehl gebe es eine alte Abmachung, dass Mönche, die aus dem Orden austreten, keine Anstellung in einer Kirche mehr bekommen. «Somit will man wohl dafür sorgen, dass die Mönche im Kloster bleiben», sagt Kehl und lacht, auch wenn es eigentlich eher traurig ist. Er bedaure vor allem, dass er sich nicht mal mehr ehrenamtlich in einer Kirche engagieren darf. «Damit haben sie mir einen Stein in den Weg gelegt.» Über diesen stürzte Kehl wohl, als er einen Tag nach dem negativen Bescheid mit dem Velo stürzte. «Dieser Vorfall brachte Ganze ins Rollen.»

Streit. Das schadet nur. Wenn sie dich hier nicht wollen, muss du dir den Staub von den Füssen schütteln und dir einen anderen Platz suchen.» Er habe mit der Sache abgeschlossen, die Papiere verbrannt. «Die Zusammenarbeit hatte so keine Zukunft.» Kehl habe zahlreiche Reaktionen danach erhalten. «Einige wollten auf die Barrikaden gehen. Das wollte ich aber nicht.»

Keine Zukunft in der Kirche Kehl entschied sich daraufhin, die Kündigung per Ende 2014 einzureichen. «Ich wollte keinen

Bild: Mario Testa

Beno Kehl Ehemaliger Franziskanermönch

Seine Zeit sei zu kostbar, um sich zu streiten. Heute ist der 48-Jährige freischaffender Theologe und Seelsorger und ist bei der Gassenarbeit angestellt. Zudem betreibt er die Einzelfirma kahnu, das für «kostenlos aber hoffentlich nicht umsonst» steht. Bruno Kehl bietet dort zahlreiche Dienstleistungen an. Von Referaten und Trauungen kann man ihn bis zur Sterbebegleitung oder für Handwerksarbeiten buchen. «Ich stelle meine Fähigkeiten nach wie vor zur Verfügung. Ich bin für die Leute ausserhalb der Kirche aber immer auch noch für die Kirchen offen, wenn diese mich anfragen», sagt Kehl und ergänzt: «Ich kenne die Spielregeln der Kirche. Ob ich die gut oder schlecht finde, ist egal. Ich akzeptiere es jetzt. Die Kirche habe ich nach wie vor sehr gern.»

Lang zurück nach Berlin. Dort wird er unter anderem die Mammern-Classics vorbereiten, für die er schon fleissig komponiert. Rhythmischer und fröhlicher Sein Sound habe sich in Berlin definitiv verändert. «Sogar meine Berliner Nachbarin sagte mir, dass er sich jetzt anders anhört. Sie hört mich immer üben», sagt Lang und lacht: «Er ist rhythmischer, fröhlicher und direkter.» Lang legt nun mehr Gewicht auf Worte. «Sie stehen jetzt gemeinsam mit der Stimme im Mittelpunkt.» Die grosse Stadt und der Tapetenwechsel inspirierten ihn. «Es tut richtig gut, wenn dich niemand kennt und dir ohne Vorahnung zuhört. Hier kennen mich die Leute schon und wissen, was ich mache. Das war in Berlin anders.» Es sei spannend gewesen zu sehen, wie die Leute auf ihn reagieren. Nicht nur die Inspiration gefalle ihm, auch die Stadt selber hat es dem Schweizer angetan. «Mir gefallen die alten Häuser hier extrem gut. Berlin ist für eine Grossstadt zudem sehr grün, und es hat viel Raum», sagt Lang und ergänzt: «Allgemein gefällt mir das Leben hier.» Heimweh hat er nicht. Das habe sich in den letzten Jahren geändert, früher sei er eher der Typ dafür gewesen. «Ich glaube, es spielt keine Rolle, wo ich bin. Ich kann mich überall zu Hause fühlen.» Seine Wurzeln aus dem Thurgau und Mammern seien ihm aber sehr wichtig. «An Mammern mag ich die Ruhe und die gute Luft. Die Menschen sind in Mammern sowie in Berlin toll.» Für David Lang ist klar, dass er sicher auch noch nächstes Jahr in Berlin sein wird. «Im Moment läuft es genau so, wie ich es mir gewünscht habe.» Er könne sich voll und ganz auf seine Musik fokussieren und sich seinen Aufgaben widmen. «Das ist extrem wichtig und ein sehr gutes Gefühl. Berlin ist die richtige Stadt im richtigen Moment.»

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