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Eva Gnau

Religiöse Verfolgung als Fluchtgrund am Beispiel der kurdischen Yeziden

Diplomica Verlag

Eva Gnau Religiöse Verfolgung als Fluchtgrund am Beispiel der kurdischen Yeziden ISBN: 978-3-8428-0741-9 Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2011

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen. © Diplomica Verlag GmbH http://www.diplomica-verlag.de, Hamburg 2011

INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG ................................................................................................3  1.1 Yezidi ...................................................................................................................... 4  1.2 Zur Vorgehensweise .............................................................................................. 6  2. KLASSIFIZIERUNG DES YEZIDENTUM .....................................................9  2.1 Entstehung der yezidischen Glaubensgemeinschaft ........................................... 9  2.1.1 Verortung des Sheikh Adi............................................................................ 12  2.1.2 Die sozial-religiöse Organisation der Yeziden............................................ 14  2.2. Nicht-islamische religiöse Minderheit............................................................... 17  2.2.1 Die Figur des Engel-Pfau als ab- und ausgrenzender Faktor................... 19  2.2.2 „Taqiyeh“ als Verhaltenskodex................................................................... 23  2.3 Zusammenfassung ............................................................................................... 25  3. YEZIDISCHE FLÜCHTLINGE ....................................................................26  3.1 Ethnische Zugehörigkeit der Yeziden................................................................ 28  3.2 Anzahl der kurdischen Yeziden ......................................................................... 29  3.3 Zusammenfassung ............................................................................................... 30  4. ASYLVERFAHREN ....................................................................................31  4.1 Anhörung zu den Fluchtgründen ....................................................................... 31  4.1.1 Kommunikation in der Anhörung .............................................................. 33  4.1.2 Glaubensgebundenheit der asylantragstellenden Yeziden........................ 35  4.1.2.1 Handlungs- statt intellektueller Ebene..................................................... 36  4.1.2.2 Beispiel: Tabu der blauen Farbe .............................................................. 38  4.2 Informationsbeschaffung zu den Herkunftsländern ........................................ 40  4.2.1 Lageberichte und Gutachten ....................................................................... 41  4.2.2 Dokumentation.............................................................................................. 42  4.3 Gruppenverfolgung als Asylgrund..................................................................... 42  4.3.1 Türkische Yeziden ........................................................................................ 44  4.3.2 Irakische Yeziden.......................................................................................... 45  4.3.3 Syrische Yeziden ........................................................................................... 51  4.3.4 Georgische und Armenische Yeziden ......................................................... 57  4.4 Zusammenfassung ............................................................................................... 58  5.  RELIGIÖSES EXISTENZMINIMUM ........................................................60 

6. SCHLUSSBETRACHTUNG .......................................................................64  LITERATURVERZEICHNIS............................................................................69  INTERNETQUELLEN .....................................................................................73 

1. Einleitung Der Begriff Asyl ist religionsgeschichtlich mitgeprägt und hat religiöse Wurzeln. Die Bedeutung des griechischen ‚asylon‘ war in der frühgriechischen Kultur, dass das, was dem Gott in seinem Haus gehört, ob Schätze oder Menschen, beim Eintreiben (slyan) einer Schuld nicht mitgenommen werden dürfe (vgl. Auffarth 1999). Der säkulare Asylbegriff: Völkerrechtliche Verträge wie beispielsweise die Genfer Flüchtlingskonvention berücksichtigen Religion als Rechtsgut, das durch die Bedrohung von Leib und Leben verletzt werden kann. In Art. 1 A Nr. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention wird als Flüchtling diejenige Person bezeichnet, die sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann. Die Genfer Flüchtlingskonvention regelt jedoch nicht den Zugang zum Asyl oder die Verfahren auf Anerkennung als Flüchtling. Diese legen die Signatarstaaten gesondert fest. Mit dem sogenannten „Asylkompromiß“ zum 1. Juli 1993 wurde in Deutschland das Grundgesetz geändert. Aus dem Menschenrecht auf Asyl wurde mit § 16 a Abs. 2 eine „Grundrechtsverhinderungsvorschrift“ (Auffarth 1999: 103). Diverse Einschränkungen über Konstrukte wie „Sichere Drittstaaten“ oder „Flughafenverfahren“ führten zu einem erheblichen Rückgang von Asylanerkennungen in Deutschland. Eine Verfolgung, die eine Flucht begründet, muss immer eine politische sein (§ 16 a GG). Bis zur Annahme des sogenannten Zuwanderungsgesetzes, das am 1. Januar 2005 in Kraft trat, bedeutete politische

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Verfolgung in den Prüfungsverfahren auf Asylanerkennung1, dass als Verursacher von Verfolgung ausschließlich ein Staatsapparat in Betracht kam. Erörtert wurde daher in Asylverfahren überwiegend die Frage nach der sogenannten staatlichen Verfolgung. Nach den neuen asylrechtlichen Regelungen seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes soll auch die sogenannte nichtstaatliche Verfolgung Berücksichtigung finden. Die asylerhebliche Verfolgung kann danach vom Staat ausgehen, aber auch von anderen Akteuren gemäß § 60 Aufenthaltsgesetz. Ein Ausländer wird als Flüchtling anerkannt, wenn ihm bei Rückkehr in seiner Heimat individuell asylerhebliche Beeinträchtigungen oder Schädigungen drohen. In den Asylverfahren muss die Verfolgung individuell und glaubhaft geschildert werden können. Jedoch kann auch eine ganze Bevölkerungsgruppe von Verfolgung betroffen sein. Am Beispiel der Yeziden wird in dieser Studie die sogenannte Gruppenverfolgung erörtert werden. 1.1 Yezidi In Deutschland leben zum Zeitpunkt dieser Studie ca. 40.000 Yeziden. Viele von ihnen erhielten ein Bleiberecht, nachdem sie in Deutschland ein Asylverfahren durchlaufen hatten. Yeziden sind Teil der ethnischen Volksgruppe der Kurden. Innerhalb der überwiegend muslimischen Kurden sehen sie sich als exklusive Religionsgemeinschaft, die sich nicht auf der Grundlage des Islam entwickelt hat. Mehrere Autoren sprechen daher von einer „doppelten Verfolgung“, zum einen hinsichtlich ihrer kurdischen Ethnie, zum anderen wegen ihrer yezidischen Religionszugehörigkeit.

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In dieser Studie wird nicht unterschieden zwischen Asyl gemäß § 16 a GG und Abschiebeverboten gemäß § 60 Aufenthaltsgesetz. Diese als „großes“ bzw. „kleines“ Asyl bezeichnete Differenzierung hatte Auswirkungen hinsichtlich des Aufenthaltstitels, die seit dem 01.01.2005 angeglichen wurden. Mit Asyl bezeichne ich daher stets ein Bleiberecht, das zu einem Daueraufenthalt in Deutschland führen kann.

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In Deutschland sind Yeziden nur wenigen bekannt. Die Vorurteile, denen Yeziden in ihren Herkunftsländern gegenüberstehen, scheinen sich jedoch auch in Deutschland zu verbreiten. Yeziden wird in ihren Heimatländern unterstellt, sie seien „Teufelsanbeter“. In jüngster Zeit wird über sie auch in deutschen Fernseh-Medien und der Presse unangenehm berichtet, so z. B. am 15.02.2005 in einer Reportage im politischen Magazin Frontal 21 vom ZDF. Der Titel der Reportage lautete: Zum Heiraten gezwungen - Yezidische Glaubensriten in Deutschland. In diesen Reportagen geht es um Fälle, in denen Familienangehörige ihre Töchter verfolgen, gewaltsam in die Familie zurückholen oder schlimmstenfalls töten, weil sie den Mann, den ihre Familie bestimmt hat, nicht heiraten wollen. Mädchen zwangsweise zu verheiraten, ist jedoch kein religiöses Gebot der Yeziden. Der Öffentlichkeit soll offensichtlich suggeriert werden, es handele sich bei den Yeziden um eine vom Islam abgefallene Sekte, die im Geheimen den Teufel anbetet. Die Yeziden werden ungerechtfertigt als Parallelgesellschaft dargestellt, die integrationsunwillig „ihr eigenes Süppchen kocht“. Zur Schreibweise: Die Schreibweise Yeziden habe ich gewählt, da diese sich nach meinem Eindruck zwischenzeitlich sowohl für Yeziden in Deutschland selbst, als auch in deutscher "Amtsschreibweise" und in juristischen Veröffentlichungen mehr und mehr durchsetzt. Vorher wurde häufig die Schreibweise Jeziden oder Jesiden genutzt. Yeziden steht für die Bezeichnung im Plural, Yezidi im Singular für weibliche und männliche Angehörige dieser Gemeinschaft. Kurdische Begriffe habe ich mir erlaubt, ‚einzudeutschen’, da auch die kurdischen Schreibweisen in den Veröffentlichungen häufig differieren. Die Eigenbezeichnung der Yeziden kann ebenfalls verschiedentlich ausfallen: Sie selbst bezeichnen sich beispielsweise als Ezidi, Izidi, Izdi, Dasin, Dasni, pl. Duasin, Dawashin etc.

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