REAL: Ein ressourcenadaptierendes mobiles ... - Wolfgang Wahlster

IGD Rostock wurde mit dem mobilen Besucherinformati- onssystem MOBIS [4] ein ..... vationsmotor, S. 51–57, Springer, Berlin, 1997. 14. R. Want, A. Hopper, ...
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Informatik Forsch. Entw. (2001) 16: 233–241

c Springer-Verlag 2001 

REAL: Ein ressourcenadaptierendes mobiles Navigationssystem ¨ 1 Wolfgang Wahlster1,2 , J¨org Baus1 , Christian Kray2 , Antonio Kruger 1 2

Fachrichtung Informatik, Universit¨at des Saarlandes, D-66041 Saarbr¨ucken, (e-mail: {baus, krueger}@cs.uni-sb.de) DFKI GmbH, Stuhlsatzenhausweg 3, D-66123 Saarbr¨ucken, (e-mail: {wahlster, kray}@dfki.de)

Eingegangen am 28. Februar 2001 / Angenommen am 8. August 2001

Zusammenfassung. Die intelligente Ressourcenadaption ist eine der großen Herausforderungen f¨ur die n¨achste Generation mobiler Navigationssysteme. Da man typischerweise mehrere Fortbewegungsarten oder Verkehrsmittel kombinieren muss, um an einen Zielort zu gelangen, muss sichergestellt werden, dass mobile, allgegenw¨artige Navigationshilfen dies u¨ ber eine jeweils situationsangepasste Benutzerschnittstelle unterst¨utzen. Der notwendige Wechsel zwischen verschiedenen Positionierungstechnologien soll f¨ur den Endbenutzer m¨oglichst unbemerkt bleiben. Im folgenden wird ein hybrides Personennavigationssystem vorgestellt, das die in bestimmten Fortbewegungssituationen verf¨ugbaren Positionierungstechnologien und deren Genauigkeit optimal nutzt, um die Pr¨asentation der Wegbeschreibung auf verschiedene Endger¨ate und Ausgabemodalit¨aten sowie die kognitive Ressourcenlage des Benutzers zu adaptieren. ¨ Schlusselw¨ orter: Mobile Navigationssysteme, Intelligente Benutzerschnittstellen, Ressourcenmanagement, Geb¨audenavigation, Lokationssensitivit¨at Abstract. The design of mobile navigation systems adapting to limited resources will be an important future challenge. Since several different means of transportation have typically to be combined in order to reach a destination, it must be ensured that the user interface reacts to the user’s changing situation. Especially the alternating use of different technologies to detect the user’s position should be as seamless as possible. This article presents a hybrid navigation system that adapts the presentation of route directions to the limited technical resources of the output device and the limited cognitive resources of the user while taking into account varying positional information. Keywords: Mobile navigation systems, Intelligent user interfaces, Resource management, Indoor navigation, Location sensitivity CR Subject Classification: H.5.1, H.5.2, I.2.11, I.3.2.

1 Einleitung und Motivation In Zukunft wird man sich nicht mehr nur als Autofahrer mithilfe seines pers¨onlichen Navigationssystems leiten lassen, sondern u¨ berall und jederzeit Lokalisierungsdienste auf tragbaren Endger¨aten in Anspruch nehmen k¨onnen. Da man typischerweise mehrere Fortbewegungsarten oder Verkehrsmittel kombinieren muss, um an einen Zielort zu gelangen, muss sichergestellt werden, dass mobile, allgegenw¨artige Navigationshilfen uns u.a. als Fußg¨anger, Rad-, Bahn- und Autofahrer u¨ ber eine jeweils situationsangepasste Benutzerschnittstelle unterst¨utzen. Bei einem Wechsel der Fortbewegungsart muss sich ein fahrzeugunabh¨angiger Navigationsdienst nahtlos an die damit verbundenen situativen Randbedingungen anpassen. Der notwendige Wechsel zwischen verschiedenen Positionierungstechnologien wie GPS oder GSM/UMTS-Funkzellen im Freien und Infrarot oder Bluetooth in geschlossenen R¨aumen, in denen die satelliten- oder funkzellenbasierte Navigation nicht funktioniert, soll f¨ur den Endbenutzer m¨oglichst unbemerkt bleiben. Aber auch die Pr¨asentation der Wegbeschreibung muss sich den verschiedensten Endger¨aten und Ausgabemodalit¨aten anpassen k¨onnen, um die in einer bestimmten Fortbewegungssituation verf¨ugbaren technischen Ressourcen jeweils optimal zu nutzen. Ein mobiles Personennavigationssystem muss sich auch an die sehr unterschiedliche Genauigkeit der Positionierungsinformation anpassen k¨onnen, da z.B. die Dichte der Funkzellen zwischen einer l¨andlichen Gegend und einer Großstadt oder die Anzahl von Infrarotsendern in verschiedenen R¨aumen eines entsprechend instrumentierten Geb¨audes stark variieren kann. Schwieriger als die Adaption an die technischen Ressourcenbeschr¨ankungen wie unterschiedliche Display- und Positionierungstechnologien ist bei mobilen Navigationssystemen die notwendige Adaption an die jeweilige kognitive Ressourcenlage des Benutzers zu bewerkstelligen. Im Zentrum der Arbeiten unseres Projektes REAL (Ressourcenadaptierende Lokalisation) im Sonderforschungsbereich 378 “Ressourcenadaptive kognitive Prozesse” steht daher die Frage: Wie kann sich ein mobiles Personennavigationssystem jeweils an die erkannten technischen und kognitiven

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Ressourcenbeschr¨ankungen seines Benutzers bei der multimodalen Pr¨asentation von Wegbeschreibungen anpassen? F¨ur die individuelle Ressourcenlage sollen Faktoren wie die Geschwindigkeit, die Ortskenntnis und der Zeitdruck, unter dem der Benutzer steht, ber¨ucksichtigt werden. Eine besondere Adaption des Personennavigationssystems ist erforderlich, wenn die Wegsuche nicht die Hauptaufgabe des Benutzers ist, sondern er wichtigere Aufgaben parallel zu erledigen hat (z.B. wichtiges Telefonat im Gehen, schwieriger Transport von Gep¨ack, Begleitung von unruhigen Kleinkindern). Solche Doppelaufgaben belasten die kognitiven Ressourcen des Benutzers so stark, dass das Navigationssystem sich schon auf der Ebene der Wegsuche an die Ressourcenlage des Benutzers adaptieren sollte. Zum Beispiel vermeidet REAL im Rahmen seiner ressourcenadaptiven Wegsuche bei bekannten Zusatzbelastungen des Benutzers komplexe Abbiegepunkte, an denen man sich leicht verlaufen kann, und nimmt dabei ggf. auch kleinere Umwege in Kauf.

2 Ressourcen- und Lokationssensitivit¨at mobiler Systeme In unserem Sonderforschungsbereich teilen wir ressourcensensitive Prozesse in drei Klassen ein: ressourcenadaptierte, ressourcenadaptive und ressourcenadaptierende Prozesse [13]. Ressourcenadaptierte Prozesse sind auf feste und bekannte Ressourcenbeschr¨ankungen hin optimiert. Die Qualit¨at ihrer Resultate bleibt bei konstanter Eingabequalit¨at gleich. Ressourcenadaptive und ressourcenadaptierende Prozesse beruhen dagegen auf variablen Ressourcenbeschr¨ankungen. Ihre Ausgabequalit¨at h¨angt damit von den jeweils verf¨ugbaren Ressourcen ab. Ressourcenadaptive Prozesse verfolgen eine Verarbeitungsstrategie, die auf variable Ressourcenbeschr¨ankungen reagiert. In Gegensatz dazu reagieren ressourcenadaptierende Prozesse auf eine Ver¨anderung der Ressourcenlage durch einen metakognitiv gesteuerten Wechsel der Verarbeitungsstrategien. Es werden also unter Umst¨anden mehrere Verarbeitungsstrategien zur L¨osung des Problems verwendet. Im System REAL haben wir sowohl ressourcenadaptive als auch ressourcenadaptierende Prozesse zur Generierung von Navigationshilfen realisiert. Grunds¨atzlich sind f¨ur mobile Systeme zwei Arten der Lokationssensitivit¨at zu unterscheiden: – aktive Lokationssensitivit¨at: Das mobile System ermittelt seine eigene aktuelle Position. Es selektiert und generiert davon abh¨angig aktiv die dem Benutzer zu pr¨asentierende lokationsabh¨angige Information (Beispiel im Auto: GPS-basiertes Navigationssystem). – passive Lokationssensitivit¨at: Das mobile System pr¨asentiert passiv die von Sendern in seiner aktuellen Umgebung u¨ bermittelte lokationsabh¨angig aufbereitete Information (Beispiel im Auto: RDS-TMC als Verkehrsinformationssystem). Bei aktiver Lokationssensitivit¨at liegt die Hauptverarbeitungsleistung im mobilen Ger¨at selbst, was der Adaptionsf¨ahigkeit durch die begrenzten technischen Ressourcen (Speicherplatz und Rechenleistung) des Mobilsystems noch

Abb. 1. Die Systemarchitektur der hybriden Personennavigationshilfe

engere Grenzen setzt. Dagegen liegt bei der passiven Lokationssensitivit¨at die Hauptverarbeitungsleistung in der instrumentierten Umgebung, w¨ahrend das mobile Ger¨at sich lediglich situiert verh¨alt, ohne selbst Ressourcen f¨ur die Lokationsadaption zu verbrauchen. Vereinfachend kann man festhalten, dass bei aktiver Lokationssensitivit¨at die f¨ur die Adaptionsleistung ben¨otigte Intelligenz im mobilen Navigationssystem liegt, w¨ahrend sie bei der passiven Lokationssensitivit¨at in der instrumentierten Umgebung liegt. Es bietet sich daher an, in stark frequentierten r¨aumlichen Regionen mit hohen Anforderungen an die Adaptionsleistung passive Lokationssensitivit¨at zu pr¨aferieren, w¨ahrend in wenig frequentierten r¨aumlichen Umgebungen mit geringeren Anforderungen an die Adaptionsleistung eine aktive Lokationssensitivit¨at vorzuziehen ist. Im Projekt REAL haben wir erstmals ein Personennavigationssystem entwickelt, das aktive und passive Lokationssensitivit¨at ressourcenadaptiv kombinieren kann, ohne dass der Endbenutzer den Wechsel des Adaptionsparadigmas bemerkt. REAL integriert zwei Teilsysteme: das System IRREAL (Infrarot REAL) f¨ur die mobile Navigation in Innenr¨aumen, die mit Infrarotsendern instrumentiert sind, und das System ARREAL (Augmented Reality REAL), das im Freien mithilfe von GPS Navigationshilfe leistet. IRREAL basiert auf passiver und ARREAL auf aktiver Lokationssensitivitit¨at. Wie ein Vergleich von MOBIS [4] Encarnacao und Kirste 2000) und IRREAL zeigt, kann in vielen F¨allen die gleiche

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Technologie (in beiden F¨allen Infrarotsender in der Umgebung und Infrarotempf¨anger auf einem Palm Pilot) f¨ur die gleiche Aufgabe (z.B. Navigation in Messehallen) f¨ur aktive (MOBIS) oder passive (IRREAL) Lokationssensitivit¨at verwendet werden. Die Architektur der entwickelten Navigationshilfe ist in Abb. 1 dargestellt. Auf der Eingabebene wird aus der Anfrage des Benutzers unter Ber¨ucksichtigung seiner Ressourcenbeschr¨ankungen und der gew¨unschten Wegeigenschaften eine benutzerspezifische Anfrage erzeugt. Anschließend wird vom Modul f¨ur ressourcenadaptive Wegsuche unter Zugriff auf ein Benutzermodell und das Dom¨anenwissen ein f¨ur diese Anfrage optimierter Weg gesucht. Die Planung der Wegpr¨asentation erfolgt ressourcenadaptierend unter Ber¨ucksichtigung der verschiedenen Ressourcen, wie zum Beispiel der Bildschirmgr¨oße und Farbf¨ahigkeit der verwendeten Ger¨ate, sowie der Qualit¨at der vorhanden Sensordaten bez¨uglich Position, Orientierung und Geschwindigkeit. Bei der medienunabh¨angigen Pr¨asentationsplanung werden in einem ersten Schritt durch Zugriff auf die Datenbasis des Dom¨anenwissen die zur Visualierung ben¨otigten 3DModelle des jeweiligen Wegsegments extrahiert. Hier findet auch die Verarbeitung der Sensordaten statt, deren Qualit¨at bez¨uglich der Genauigkeit der Position, Orientierung und Geschwindigkeit des Benutzers die Granularit¨at des zu verwendenden Ausschnitts des 3D-Modells bestimmt [1]. Auf der Basis dieser Ausschnitte des 3D-Modells k¨onnen die zur Beschreibung des Weges ben¨otigten r¨aumlichen Relationen berechnet werden, wobei Ergebnisse aus experimentellen Studien zur r¨aumlichen Referenz [12, 16] ber¨ucksichtigt werden. Diese im ersten Schritt gewonnene Information wird der medienspezifischen Pr¨asentationsplanung zur Verf¨ugung gestellt, die dann unter Zuhilfenahme verschiedener Pr¨asentationsstrategien die Pr¨asentation f¨ur die verschiedenen Ausgabeger¨ate plant. Der gew¨ahlte Ansatz erm¨oglicht die Pr¨asentationsgenerierung f¨ur verschiedene Ausgabemedien durch einen zentralen Pr¨asentationsserver. Die erzeugten Pr¨asentationen k¨onnen sowohl auf Großbildschirmen, wie auch auf mobilen Ger¨aten oder einem Brillendisplay ausgegeben werden, so dass die Graphikgenerierung als ressourcenadaptiv klassifiziert werden kann. Eine große Vielfalt von Ressourcenbeschr¨ankungen wird dadurch abgedeckt, dass der Benutzer zus¨atzlich station¨ar an einem Informationskiosk (Smart Board) informiert wird. Station¨arer und mobiler Teil (Palm Pilot, Brillendisplay) bilden eine hybride ressourcenadaptierende Navigationshilfe, die u¨ ber die verschiedenen Ausgabemodalit¨aten hinweg konsistente Navigationshinweise generiert [8, 1]. 3 Verwandte Arbeiten Eines der ersten Projekte, das sich mit der Entwicklung eines lokationssensitiven Touristenf¨uhreres besch¨aftigte, war das CYBERGUIDE-Projekt [9]. CYBERGUIDE bietet Touristen Informationen in Abh¨angigkeit von ihrer Position und Orientierung an. Dabei wurden sowohl ein Indoor- als auch ein Outdoor-System mit aktiver Lokationssensitivit¨at entwickelt. Das Indoor-Navigationsystem arbeitet mit Infrarotbaken, die ein festes Identifkationsmuster aussenden. Diese

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Information wird dazu benutzt einen Pfeil auf eine Karte einzublenden, wenn der Benutzer einen neuen Raum betritt. Die Orientierung des Benutzers wird aufgrund seiner vorhergegangenen Position gesch¨atzt und ebenfalls in die Karte eingezeichnet. Das Outdoor-System benutzt GPS, um die Position des Benutzers zu bestimmen und in die Karte einzutragen. Beide Systeme arbeiten unabh¨angig voneinander und sind nicht direkt miteinander kombinierbar. Das MARSSystem [6] ist ein Augmented Reality-System, das dem Benutzer lokationssensitive Informationen zu Geb¨auden in seiner Umgebung anbietet. Dar¨uberhinaus k¨onnen mithilfe des Systems Benutzer innerhalb und außerhalb von Geb¨auden gemeinsame Wegrouten planen. Das GUIDE-System realisiert einen lokationssensitiven, multimedialen F¨uhrer f¨ur die Stadt Lancaster [3]. Das System benutzt eine auf Funkzellen basierte Kommunikations¨ infrastruktur zur Ubermittlung von Information. Dabei werden die dem Benutzer angebotenen Informationen dessen pers¨onlichem Kontext sowie dem Kontext der Umgebung angepasst. Die von den Endger¨aten empfangenen Positionsinformationen werden von an exponierten Stellen aufgestellten Basistationen ausgesandt und dazu genutzt, die Ausgabe des Endger¨ates entsprechend anzupassen. In [7] wird eine Architektur f¨ur die mobile Nutzung von Handhelds beschrieben. In Geb¨auden nutzen sie festinstallierte Infrarotsender, die Positionsinformationen sowie ein festes Identifikationsmuster aussenden. Zur Kommunikation mit dem Ger¨at wird ein Funknetz benutzt. Das System unterst¨utzt z.B. die Positions¨uberwachung in Einkaufszentren, um Eltern zu helfen, ihre Kinder wiederzufinden. Im Projekt DEEP MAP [10] des European Media Lab (EML) wird an der Entwicklung eines mobilen Touristenf¨uhrers mit mulitmodaler Ein- und Ausgabe f¨ur die Stadt Heidelberg gearbeitet. Der Prototyp bietet dem Benutzer Informationen in Form von Graphiken und gesprochener Sprache. Dabei werden die aktuelle Position des Benutzers und dessen pers¨onliche Pr¨aferenzen dazu benutzt, um die Informationspr¨asentation an den Benutzer und seine aktuelle Umgebung anzupassen. Da die Position des Benutzers durch GPS ermittelt wird, kann das System derzeit nur außerhalb von Geb¨auden eingesetzt werden. Am IGD Rostock wurde mit dem mobilen Besucherinformationssystem MOBIS [4] ein umgebungsgesteuerter Assistent entwickelt, der den Besucher selbst¨andig durch eine Ausstellung leiten kann und Informationen zu den Exponaten vermittelt. Die von festinstallierten Infrarotbaken ausgestrahlten Informationen werden dazu benutzt, auf die entsprechenden Eintr¨age in der Datenbank des mobilen Ger¨ats zuzugreifen. Eine a¨ hnliche Zielsetzung verfolgt das HIPS-System[11], welches allerdings mit einem Funkr¨uckkanal und mobilen Rechnern mit h¨oherer Leistung arbeitet, so dass auch anspruchsvolle Animationen verwendet werden k¨onnen. Eine Besonderheit von HIPS ist dabei die Adaption der Pr¨asentation in Abh¨angigkeit vom relativen Abstand zu einer Landmarke. Das an der Universit¨at Stuttgart betriebene NEXUS Projekt[5] zielt auf die Entwicklung einer Plattform f¨ur lokationssensitive Dienste, die beliebigen Anwendungen Zugriff auf ein Modell der Welt bietet. Dieses Modell enth¨alt Objekte wie Geb¨aude, Straßen oder mobile Benutzer, die mit Informationen angereichert oder mit bestehenden Informa-

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tionsdiensten, z.B. dem WWW, verkn¨upft werden k¨onnen. Dies geschieht z.B. durch virtuelle Litfaßs¨aulen, die reale Orte mit zus¨atzlichen Informationen anreichern. Alle an dieser Stelle besprochenen Arbeiten sind an eine bestimmte technische Plattform angepasst. Dabei muss entweder mobile Rechenleistung verf¨ugbar sein (z.B. bei DEEP MAP) oder aber auf eine große Datenbank zur¨uckgegriffen werden, die entweder lokal gespeichert wird (MOBIS) oder u¨ ber eine Netzwerkverbindung verf¨ugbar ist (NEXUS, HIPS). Diese Konzeption verhindert eine Verlagerung der Rechenleistung in die Umgebung, auch wenn diese entsprechend instrumentiert ist. Ein weiterer Nachteil der genannten Systeme ist die geringe Anpassung an kognitive Ressourcenbeschr¨ankungen des Benutzers, die entstehen, wenn der Benutzer in Eile oder durch eine Doppelaufgabe zus¨atzlich belastet ist. Dar¨uber hinaus bietet keines der Systeme, die M¨oglichkeit nahtlos zwischen einer Indoor- und OutdoorNavigation und aktiver sowie passiver Lokationssensitivit¨at zu wechseln. 4 REAL als ressourcenadaptierendes Personennavigationssystem Navigationssysteme im automobilen Sektor haben schon jetzt eine recht große Verbreitung gefunden und stoßen bei den meisten Benutzern auf Akzeptanz. Dies h¨angt im wesentlichen mit der klar definierten Aufgabe zusammen, die zu erf¨ullen ist, n¨amlich der visuellen und verbalen Beschreibung des Weges. Das Auto bewegt sich dabei meistens im Freien, erh¨alt also in der Regel verl¨assliche GPS-Daten, die mithilfe von Geschwindigkeitsmessung und Kompasseinsatz pr¨azisiert werden. Der Benutzerkontext des Fahrers variiert aufgrund der fixen Sitzposition wenig, seine Aufmerksamkeit ist voll auf die Straße gerichtet. Aufbauend darauf liefert das System inkrementelle, d.h. Wegabschnittsbeschreibungen in visueller und vor allem in akustischer Form. Im Gegensatz dazu gestaltet sich der Entwurf von Personennavigationssystemen deutlich schwieriger, da der Benutzerkontext viel st¨arkeren Variationen unterliegt. Dies betrifft einerseits die Sensordaten, die abh¨angig vom Ort des Benutzers von unterschiedlicher Qualit¨at sein k¨onnen, und andererseits die Bandbreite der zu unterst¨utzenden Aufgaben. So unterschiedet sich z.B. eine Wegbeschreibung f¨ur einen Gesch¨aftsmann, der in h¨ochster Eile zum Bahnhof m¨ochte, in hohem Maße von der gleichen Wegbeschreibung f¨ur einen Touristen, f¨ur den der Bahnhof nur eines unter mehreren touristischen Zielen einer Tour ist. Diese Systeme sollten sowohl innerhalb als auch außer¨ halb von Geb¨auden funktionsf¨ahig sein. Der Ubergang zwischen beiden Gebrauchsformen sollte dabei m¨oglichst nahtlos erfolgen. Die folgenden Abschnitte widmen sich den damit verbundenen Fragestellungen am Beispiel des von uns entworfenen Navigationssystems REAL mit seinen beiden Subkomponenten IRREAL und ARREAL. 4.1 Das Indoor-Navigationssystem IRREAL Die Navigation innerhalb von Geb¨auden wird durch das IRREAL-System abgedeckt, wobei eine einfache, preiswerte

Abb. 2. Leistungsstarke Infarotsender bilden die Grundlage des IRREALSystems

L¨osung gesucht war, die m¨oglichst viel Intelligenz in die Umgebung verlagert und die Endger¨ate m¨oglichst wenig belastet. Bei den Endger¨aten fiel die Wahl auf einen Vertreter aus der Klasse der Handhelds (PalmOS-Ger¨ate), die einen vern¨unftigen Kompromiss aus Geh¨ause- und Bildschirmgr¨oße aufweisen. Die Daten¨ubertragung zum Ger¨at erfolgt per Infrarot, wobei diese Technologie gleichzeitig eine grobe Bestimmung des Ortes und der Blickrichtung liefert. Da in die meisten Handhelds bereits eine Infrarotschnittstelle integriert ist, ben¨otigen diese Endger¨ate keinerlei Zusatzhardware, um im IRREAL-System verwendet werden zu k¨onnen. Die eingebaute Infrarotschnittstelle folgt dem IrDAStandard, der f¨ur bidirektionale Nahverbindungen (maximal 2 Meter) mit entsprechend schwacher Leistung der Sender ausgelegt ist. F¨ur den Einsatz in Geb¨auden, bei dem Sender an der Decke oder hoch an Pfeilern befestigt werden m¨ussen, kommt diese Art der Kommunikation aufgrund des großen Abstands nicht in Frage. Um dieses Problem zu l¨osen, wurden f¨ur IRREAL leistungsstarke Sender entwickelt (siehe Abb. 2), die bis zu 20 Meter u¨ berbr¨ucken k¨onnen [2]. Ein Server versorgt die Sender st¨andig mit Informationen, so dass auch zeitabh¨angige Daten (z.B. Busabfahrtszeiten) zur richtigen Zeit am richtigen Ort vorliegen. Der weite Weg zwischen Sender und Empf¨anger machte ein spezi¨ elles Ubertragungsprotokoll erforderlich, das den unidirektionalen Datentransfer von den Sendern zu den Handhelds erm¨oglicht und einen R¨uckkanal u¨ berfl¨ussig macht. Dies unterscheidet das IRREAL-System erheblich von a¨ hnlichen bisherigen Ans¨atzen, in denen durch Spezial- oder Zusatzhardware bidirektionale Verbindungen realisiert wurden (vgl. [14] und [15]). Die von IRREAL verwendete PushTechnologie a¨ hnelt der Videotext-Technologie, die auch ohne R¨uckkanal auskommen muss und alle Daten st¨andig

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in Zyklen aussendet. Im Gegensatz zum Videotext versendet das IRREAL-System allerdings interaktive Texte und Graphiken in Form eines Pr¨asentationsgraphen. Dies erm¨oglicht dem Benutzer die Interaktion mit der Pr¨asentation, obwohl ein R¨uckkanal nicht besteht. Abbildung 3 zeigt den Teilgraphen einer inkrementellen Wegbeschreibung. Die Pfeile in der Abbildung verdeutlichen die Benutzerinter¨ aktionsm¨oglichkeiten. Die Uberlappungen der Teilansichten in der Abbildung repr¨asentieren zeitliche Ver¨anderungen der Pr¨asentation, die von Benutzerinteraktionen unabh¨angig sind. Die Pr¨asentation selbst besteht dabei aus einzelnen Knoten, die sowohl Graphiken als auch Texte enthalten k¨onnen. Innerhalb der Knoten lassen sich interaktive Bereiche definieren, sogenannte Hotspots, die dann wiederum zu neuen Knoten f¨uhren. Da die gesamte Information eines Senders st¨andig zyklisch ausgesendet werden muss, wurde ein neuartiges Protokoll entwickelt, das große Wartezeiten verhindert. Statt jeden Knoten gleich h¨aufig auszusenden, werden wichtige Knoten h¨aufiger ausgesendet als weniger wichtige. Wird davon ausgegangen, dass jedes Element der i-ten Pr¨asentationsebene eine identische Ausstrahlwahrscheinlichkeiten wi besitzt, so l¨asst sich dieses folgendermaßen bestimmen: Zun¨achst wird das absolute Gewicht der Pr¨asentationselemente der i-ten Ebene wi in Abh¨angigkeit eines geeignet gew¨ahlten Parameters c ermittelt: wi =

1 ,c ≥ 1 ci+1

Dieses absolute Gewicht bestimmt die Wichtigkeit des Pr¨asentationselements. Um daraus eine entsprechende Wahrscheinlichkeit zu berechenen, muss noch u¨ ber die Summe aller absoluten Gewichte normiert werden, wobei ni die Anzahl der Pr¨asentationselemente der i-ten Ebene bezeichnet. S=

 i

ni wi ,

wi =

wi S

Dieses Schema bevorteilt insbesondere Knoten an der Wurzel des Pr¨asentationsgraphen. Im Gegensatz dazu werden Knoten, die im terminalen Bereich des Pr¨asentationsgraphen stehen, sehr viel seltener gesendet. Da der Benutzer eine gewisse Zeitspanne ben¨otigt, bis er u¨ berhaupt zu diesem Teil der Pr¨asentation gelangen kann, und da das Ger¨at st¨andig empf¨angt, kann so das Nachladen der weniger wichtigen Teile des Pr¨asentationsgraphen hinter der Interaktionszeit des Benutzers mit dem Ger¨at versteckt werden. In dem Beispiel aus Abb. 3 erh¨alt der Benutzer beispielsweise zun¨achst nur einen Pfeil, der die weitere Gehrichtung anzeigt. H¨alt sich der Benutzer l¨angere Zeit im Sendebereich auf, so wird diese Ansicht durch einen Hilfeknopf erg¨anzt (Abb. 3a). Wird dieser bet¨atigt, so wird zur besseren Orientierung ein gr¨oßerer Ausschnitt des Pfadsegments dargestellt (Abb. 3b). Wird noch l¨anger gewartet, so verfeinert sich auch diese Darstellung um zus¨atzlich abrufbare Hintergrundangaben (Abb. 3c). ¨ Das beschriebene unidirektionale Ubertragungsprotokoll erlaubt so durch die Verteilung von Wahrscheinlichkeiten innerhalb des Pr¨asenationsgraphen eine einfache Ber¨ucksichtigung der Benutzergeschwindigkeit. Denn h¨alt sich der Benutzer nur kurz im Bereich eines Senders auf,

Abb. 3. Ansicht eines IRREAL-Pr¨asentationsgraphen

so erh¨alt er in der Regel nur Informationen mit hoher Priorit¨at. Dabei k¨onnte es sich z.B. um eine knappe graphische Wegbeschreibung handeln. Bei Verl¨angerung des Aufenthalts werden schrittweise komplexere Darstellungen der Umgebung empfangen. Der Benutzer kann also durch Warten an bestimmten Stellen den Detaillierungsgrad der Pr¨asentation und die M¨oglichkeiten der Interaktion verbessern. Ein Benutzergruppenkonzept erlaubt dar¨uberhinaus, dass bestimmte feste Beschr¨ankungen vom System stets ber¨ucksichtigt werden. So kann der Benutzer z.B. zwischen einer detaillierteren und einer abstrakteren Beschreibung w¨ahlen, die jeweils einer Benutzergruppe entsprechen. Der Handheld filtert dann aus dem Datenstrom nur die Pakete heraus, die f¨ur die aktuelle Benutzergruppe bestimmt sind. Technisch gel¨ost wird das Benutzergruppenkonzept durch spezielle Hotspots, die mit einer Benutzergruppe assoziert sind und durch Anklicken einen Benutzergruppenwechsel veranlassen. Da alle gesendeten Informationspakete mit den f¨ur sie g¨ultigen Benutzergruppen markiert sind, ist es dem mobilen Ger¨at nun m¨oglich die entsprechenden Informationen herauszufiltern. Dies bedeutet, dass f¨ur verschiedene Benutzergruppen jeweils Teile des Pr¨asentationsgraphen unterschiedlich gestaltet werden m¨ussen. Je nach Anwendung kann es sich dabei nur um einzelne Teile oder sogar den gesamten Graphen handeln. Wechselt der Benutzer zwischen zwei Sendebereichen, so wird dies vom Ger¨at erkannt. Im neuen Sendebereich wird dann auf den obersten Knoten des Pr¨asentationsgraphen gewartet und dessen Inhalt schließlich visualisert.

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Dies kann zu inkoh¨arenten Pr¨asentationen f¨uhren, wenn z.B. an einem Sender detaillierte Informationen zur Umgebung (z.B. in Textform) abgerufen werden und nach einem Senderwechsel nach 10 Metern pl¨otzlich wieder abstrakte ¨ Ubersichtsinformation angezeigt wird (z.B. in Form eines Kartenausschnitts). Um dieses Problem zu l¨osen, m¨ussen die Pr¨asentationsgraphen u¨ ber alle Sender hinweg eine a¨ hnliche logische Struktur aufweisen. Dies wird in REAL durch eine zentrale Planungskomponente gew¨ahrleistet (siehe Abb. 1), die zuerst die sender¨ubergreifende logische Struktur und die Interaktionsm¨oglichkeiten plant und dann diese Struktur senderspezifisch mit Inhalt (Texten und Graphiken) f¨ullt. Außerdem k¨onnen mithilfe des Benutzergruppenkonzeptes Pr¨asentationsebenen sender¨ubergreifend definiert werden. ¨ Sind z.B. die Ubersichtsdarstellungen bei jedem Sender mit einer bestimmten Benutzergruppe kodiert und die Detaildarstellungen mit einer anderen, so bleibt beim Senderwechsel die Visualisierung auf der gleichen Ebene, d.h. entweder in ¨ der Ubersichtsoder in der Detaildarstellung. Damit ist die Koh¨arenz der Pr¨asentation gew¨ahrleistet.

4.2 Das Outdoor-Navigationssystem ARREAL Im Teilprojekt ARREAL wird an der Entwicklung eines Navigationssystem f¨ur Fußg¨anger gearbeitet, die sich im Freien bewegen. Dies stellt besondere Anforderungen an die verwendete Hardware, damit ein solches System akzeptiert wird. Alle Komponenten des Systems sollten m¨oglichst leicht, klein und unauff¨allig sein. Die Hardware des ARREAL-Systems setzt sich aus vier Komponenten zusammen. Kernst¨uck ist ein Subnotebook (Sony Vaio C1XN), auf dem alle relevanten Berechnungen durchgef¨uhrt werden. Die Benutzerposition wird von einem handels¨ublichen GPS-Handger¨at (Garmin eTrax Summit) und einem magnetischen Tracker (CyberTrack II von General Reality) bestimmt, die mit der Zentraleinheit u¨ ber ein serielles Kabel verbunden sind. Graphische und textuelle Systemausgaben werden dem Benutzer u¨ ber ein spezielles Brillendisplay (von MicroOptical Corp.) pr¨asentiert. Der magnetische Tracker wird dabei entweder in der Hand getragen oder am G¨urtel befestigt. Zwei zus¨atzlich angebrachte Tasten auf der Ger¨ateoberseite des Trackers erlauben die Interaktion mit dem System analog zu einer Zweiknopf-Maus. Die Auswertung der Orientierung kombiniert mit einer Eingabem¨oglichkeit erlaubt den optionalen Einsatz des Ger¨ats als 3D-Zeigeeinheit. So kann der Benutzer z.B. durch Zeigen auf ein Geb¨aude weiterf¨uhrende Informationen abrufen. Wie in Abb. 4 zu sehen, wird die Zentraleinheit in einem kleinen Rucksack verstaut, wobei der Platz trotzdem noch zur Aufbewahrung pers¨onlicher Gegenst¨ande ausreicht. Das kleine Display des Clip-On (640x320 Pixel) erlaubt nur die Darstellung relativ einfacher skizzenartiger Graphiken sowohl aus der Vogel- als auch aus der Egoperspektive. W¨ahrend die Vogelperspektive einen Eindruck davon vermittelt, wo sich der Benutzer zur Zeit befindet, erlaubt die Egoperspektive eine detailliertere Ansicht, um z.B. auf Geb¨aude im Sichtbereich des Benutzers Bezug nehmen zu k¨onnen. Verschiedene Detaillierungsgrade sind dazu vorgesehen. Zum einen kann der Ausschnitt der Kartendarstellung ¨ variiert werden, um so zwischen Uberblicksund Detaildar-

Abb. 4. Die ARREAL Systemkomponenten

stellung zu wechseln. Zum anderen lassen sich textuelle und graphische Annotationen einblenden, wie z.B. Straßen- und Geb¨audenamen oder kleinere Abbildungen von Landmarken (siehe Abb. 5). Navigationshinweise werden mit Hilfe von Pfeilen und einer Darstellung des Gesamtweges visualisiert. ARREAL reagiert auf wechselnde Qualit¨at der Orts- und Orientierungsinformationen auf unterschiedliche Art und Weise. Zun¨achst wird einer der beiden Darstellungsmodi Vogel- bzw. Egoperspektive abh¨angig von diesen Ressourcen automatisch gew¨ahlt. Eine Darstellung in der Egoperspektive ist nur sinnvoll, wenn in ausreichendem Maß sowohl der Ort als auch die Orientierung bekannt ist. Bei unzureichender Qualit¨at findet ein Wechsel in die Vogelperspektive statt. In dieser wird zus¨atzlich die Genauigkeit der Ortsinformation u¨ ber die Gr¨oße der Markierung der Benutzerposition kodiert. Je ungenauer die Ortsinformation, desto gr¨oßer wird die Markierung. Des Weiteren passt das System seine Ausgabe auch der Benutzergeschwindigkeit an. Bei h¨oherer Benutzergeschwindigkeit wird einerseits ein gr¨oßerer Auschnitt der Karte gew¨ahlt, um einen ¨ besseren r¨aumlichen Uberblick zu schaffen, und andererseits die Geb¨audebeschreibung am Rand auf wesentliche Informationen reduziert. Da es sich bei den Beschreibungen um interaktive Men¨ueintr¨age handelt, werden so Interaktionsm¨oglichkeiten unterdr¨uckt, die aber aufgrund des situativen Kontextes mit hoher Wahrscheinlichkeit sowieso nicht vom Benutzer in Anspruch genommen worden w¨aren. Die kombinierte Systemreaktion auf Ortsgenauigkeit und Benutzergeschwindigkeit ist in Abb. 5 zu sehen. So enth¨alt die Abb. 5a beispielsweise die Systemausgabe bei langsamer Geschwindigkeit und ungenauer Positionierung w¨ahrend Abb. 5d die Reaktion auf schnelle Geschwindigkeit und genaue Positionierung zeigt. ¨ 4.3 Ubergang zwischen IRREAL und ARREAL ¨ Damit ein m¨oglichst nahtloser Ubergang zwischen dem System IRREAL (im Geb¨aude) und ARREAL (im Freien) gelingt, m¨ussen drei Voraussetzungen erf¨ullt sein. Zun¨achst

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Abb. 5. Anpassung der Graphikausgabe an die Ressourcen Benutzergeschwindigkeit und Ortsgenauigkeit

m¨ussen Generierungsprozesse und Daten zwischen beiden Systemvarianten aufeinander abgestimmt sein. Konkret bedeutet dies, dass IRREAL und ARREAL auf eine gemeinsame Wissenbasis von Pr¨asentationstechniken zur¨uckgreifen und auch u¨ berlappende Modelle der r¨aumlichen Umgebung verwenden. Systembedingt benutzt IRREAL 3DModelldaten der Innenr¨aume der Geb¨aude in aussreichendem Detaillierungsmaß, ARREAL hingegen eher Kartenmaterial, welches Geb¨aude als einzelne r¨aumliche Entit¨aten repr¨asentiert. Beim Verlassen bzw. beim Betreten eines Geb¨audes findet ein Wechsel der Umgebungsrepr¨asentation statt. Eine Besonderheit der kombinierten Nutzung von IRREAL und ARREAL ist der nahtlose Wechsel zwischen passiver und aktiver Lokalisationssensitivit¨at (vgl. Abschnitt 2). Werden vom mobilen System Daten u¨ ber einen Infrarotsender in Geb¨auden empfangen, so werden diese Daten entweder auf dem Handheld oder mithilfe des Brillendisplay angezeigt (passive Lokalisationssensitivit¨at). Wie in Abb. 6 zu sehen, werden dabei die Navigationshinweise und Graphiken in einer dem Medium angepassten Form generiert. W¨ahrend Daten f¨ur das Clip-On in Farbe und mit h¨oherer Aufl¨osung dargestellt werden (Abb. 6b), muss f¨ur den Handheld eine Schwarz-weiß-Skizze mit niedriger Aufl¨osung berechnet werden (Abb. 6c). Im Gegenzug kann der Benutzer mit dem Handheld besser interagieren, so dass der Pr¨asentationsgraph f¨ur den Handheld wesentlich komplexer sein kann. Die Generierung dieser unterschiedlichen graphischen Pr¨asentationen wird erm¨oglicht durch die Verwendung eines zentralen Pr¨asentationsservers, der unterschiedliche Ausgabemedien bedienen kann (unter anderem auch das Smart Board als station¨aren Informationskiosk). Verl¨asst der Benutzer das Geb¨aude, so wird bei Erkennung der GPS-Satelliten die Position des Benutzers durch das mobile Ger¨at selbst bestimmt (aktive Lokalisationssensitivit¨at). Systemausgaben erfolgen nun nur noch auf dem Brillendisplay, wie in Abschnitt 4.2 beschrieben. Um Informationen zum Navigationsziel und zu Benutzerparametern zwischen mobilem Ger¨at und Pr¨asentationsserver auszutauschen, besteht zwischen ARREAL und dem Pr¨asentationsserver eine (tempor¨are) Funkverbindung.

Abb. 6. Graphische Anpassung an unterschiedliche Ausgabemedien

5 Zum Umgang mit unvollst¨andiger Positionsinformation Eine wichtige Ressource im mobilen Kontext ist die Verf¨ugbarkeit und Qualit¨at von Positionsinformationen. Darunter verstehen wir nicht nur den aktuellen Ort, sondern alle Informationen, die zur eindeutigen Positionsbeschreibung des Benutzers im Raum n¨otig sind. Dieses Konzept umfasst damit neben den aktuellen Koordinaten im Raum auch die Geschwindigkeit und Beschleunigung sowie Kopfneigung und Blickrichtung des Benutzers. Jede einzelne Positionsinformationen kann in unterschiedlicher Qualit¨at (in Bezug auf die jeweilige Aufgabe) vorliegen.

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Die im Abschnitt 4 beschriebenen Personennavigationssysteme ber¨ucksichtigen die unterschiedliche Qualit¨at von Positionsinformationen schon in einer einfacher Art und Weise (z.B. durch Ver¨anderung der Darstellung bei schlechterer Ortsaufl¨osung). Es stellt sich jedoch die Frage, in welcher Form auf wechselnde Qualit¨at der Positionsinformationen grunds¨atzlich systemseitig reagiert werden kann. Zur Beantwortung dieser Frage kann auf drei fundamentale Mechanismen zur¨uckgegriffen werden: Inferenz u¨ ber Information zum Benutzer, Interaktion mit dem Benutzer und Kompensation durch ver¨anderte Informationspr¨asentation. In einem mobilen System sind im Allgemeinen eine Vielzahl von Wissensquellen enthalten, um dem Benutzer kontextsensitive Dienste zur Verf¨ugung zu stellen. Diese k¨onnen z.B. ein Welt- oder Gel¨andemodell, ein Benutzermodell, eine Repr¨asentation des Benutzerzieles, eine Dialoghistorie sowie ein Positionsged¨achtnis umfassen. Mithilfe dort enthaltener Informationen kann die Qualit¨at der vorhandenen Positionsinformationen durch Inferenz verbessert werden. In einem Weltmodell k¨onnten z.B. unzug¨angliche Bereiche der Benut¨ zerumgebung markiert sein, so dass durch Uberlagerung der Menge der mit den Sensordaten konsistenten Positionen die Zahl der in Frage kommenden Kandidaten reduziert werden kann, indem unzug¨angliche Regionen eliminiert werden. Falls das Ziel des Benutzers bekannt ist (etwa weil er zuvor um Weginstruktionen zu einem bestimmten Ort gebeten hat), kann dies ebenfalls zur Einengung der m¨oglichen Positionen genutzt werden. Bei Einbeziehung der erwarteten Route zum Ziel ver¨andern sich die Wahrscheinlichkeiten der potentiellen Positionen: N¨aher an der Route gelegene Kandidaten werden wahrscheinlicher, entferntere unwahrscheinlicher und vom Ziel wegf¨uhrende erheblich unwahrscheinlicher. Unterh¨alt das System eine Dialoghistorie, in der die Interaktion mit dem Benutzer protokolliert wird, so bieten sich weitere Anhaltspunkte zur Verfeinerung der Positionsinformationen: Objekte, zu denen zuletzt Informationen angefordert wurden, stehen mit großer Wahrscheinlichkeit in Zusammenhang mit dem Ziel des Benutzers bzw. seinem aktuellen Aufenthaltsort. Ist das Ziel des Benutzers bekannt, so kann auch der erwartete/vorgeschlagene Weg zur Extrapolation dienen. Trotz verschiedener Inferenzstrategien kann nicht ausgeschlossen werden, dass Positionsinformationen in unzureichender Qualit¨at vorliegen oder fehlen, z.B. wenn die in den Wissenquellen vorhandene Informationen nicht ausreichen. In diesem Falle besteht immer noch die M¨oglichkeit, in direkte Interaktion mit dem Benutzer einzutreten, um die fehlenden Informationen zu ermitteln. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Beachtung der im mobilen Kontext h¨aufig auftretenden Einschr¨ankungen der Kommunikationskan¨ale, beispielsweise kleine Bildschirme, beschr¨ankte Bandbreite oder geringe Aufl¨osung bei Zeigegesten. F¨uhren weder Interaktions- noch Inferenzstrategien zu Positionsinformationen in der gew¨unschten Qualit¨at, so muss dies durch Ver¨anderung der Systemausgaben kompensiert werden. Grunds¨atzlich k¨onnen dabei verschiedene Strategien angewandt werden. Einerseits kann das System dem Benutzer einen erweiterten Kontext pr¨asentieren, um fehlende Informationen oder geringe Qualit¨at zu kompensieren. Andererseits kann die Granularit¨at der Ausgabe des Sys-

Abb. 7. Typologie der betrachteten Ressourcenbeschr¨ankungen und Adaptionsleistungen

tems verringert werden, so dass die Positionsanforderungen sinken, z.B. durch einen gr¨oßeren Maßstab in der Kartendarstellung oder eine unspezifischere Richtungsangabe, wie dies in REAL schon implementiert wurde.

6 Zusammenfassung und Ausblick Im Projekt REAL des Sonderforschungsbereichs 378 “Ressourcenadaptive kognitive Prozesse” wurde gezeigt, wie eine adaptierende, multimodale Informationspr¨asentation auf beschr¨ankte Ressourcen abgestimmt werden kann. Dazu wurden die in den Abschnitten 1 bis 4 vorgestellten Techniken vollst¨andig in einem Prototypen implementiert. Die Indoor-Komponente IRREAL wurde in einem mit 16 Infrarotsendern instrumentierten Teil des Informatikgeb¨audes ausf¨uhrlich getestet, die Struktur und der Inhalt der Pr¨asentationen wurden dabei automatisch von einem zen¨ tralen Pr¨asentationsserver generiert. Zur Uberpr¨ ufung der Outdoor-Komponente ARREAL diente das Außengel¨ande der Saarbr¨ucker Universit¨at. Abbildung 7 bietet einen zu¨ sammenfassenden Uberblick der dabei vom Gesamtsystem ber¨ucksichtigten Ressourcenbeschr¨ankungen und der daraus resultierenden Adaptionsleistungen. Eine weitere Besonderheit des entwickelten hybriden Personennavigationssystems ist die ressourcenadaptive Kombination aktiver und passiver Lokationssensitivit¨at, ohne dass der Endbenutzer den Wechsel des Adaptionsparadigmas bemerkt. Dies wurde durch eine zentrale Generierungskomponente gew¨ahrleistet. Zuk¨unftige Verbesserungen zielen auf ein Navigationsszenario in instrumentierten Umgebungen. Werden bisher nur die Benutzerposition und -geschwindigkeit ber¨ucksichtigt, planen wir dann in einem n¨achsten Schritt die Benutzerinteraktionen mit virtuellen und realen Objekten zur Verbesserung der Adaptionsleistungen mit heranzuziehen. So k¨onnen die Handlungspl¨ane des Benutzers erkannt und bei der Informationspr¨asentation ber¨ucksichtigt werden. Weitere Adaptionsm¨oglichkeiten ergeben sich durch die Ber¨ucksichtigung ubiquit¨arer Benutzermodelle, welche in einer bestimmten r¨aumlichen Situation den Zugriff auf Benutzermodelle aus anderen Kontexten gew¨ahrleisten.

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Wolfgang Wahlster ist seit 1983 Professor f¨ur Informatik an der Universit¨at des Saarlandes. Seit 1989 ist er wissenschaftlicher Direktor und seit 1996 zus¨atzlich Vorsitzender der Gesch¨aftsf¨uhrung des Deutschen Forschungszentrums f¨ur K¨unstliche Intelligenz in Kaiserslautern und Saarbr¨ucken. Diplom und Promotion (1981) in Informatik erfolgten an der Universit¨at Hamburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Intelligente Benutzerschnittstellen, Sprachtechnologie, Multimodale Dialogsysteme, Internet-Agenten und Benutzermodellierung. J¨org Baus studierte Informatik an der Universit¨at des Saarlandes, 1996 Diplom. Danach war er wissenschaltlicher Mitarbeiter im Sonderforschungsbereich 378 ”Ressourcenadaptierende Prozesse”. Seit Okt. 2000 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Forschungszentrum f¨ur K¨unstliche Intelligenz. Seine gegenw¨artigen Forschungsinteressen liegen im Bereich der Raumkognition, der Intelligenten Benutzerschnittstellen sowie der Multimodalen Navigationssysteme.

Christian Kray studierte Informatik an der Technischen Universit¨at Berlin und an der Universit¨at des Saarlandes. Seit 1998 ist er Mitarbeiter am Deutschen Forschungszentrum f¨ur K¨unstliche Intelligenz (DFKI) im Bereich Intelligente Benutzerschnittstellen. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich der Raumkognition, der Situations- und Benutzeradaptivit¨at sowie der Ressourcensensitivit¨at im Kontext mobiler Assistenzsysteme.

Antonio Kr¨uger studierte Informatik an der Universit¨at des Saarlandes und promovierte dort 1999 im Rahmen des Saarbr¨ucker Graduiertenkollegs Kognitionswissenschaft u¨ ber die automatische Generierung graphischer 3D-Abstraktionen. Seitdem ist er Mitarbeiter im SFB 378 an der Universit¨at des Saarlandes und in den Bereichen intelligente Graphikgenerierung und ubiquit¨are Navigationshilfen t¨atig.