Prof. Dr. Franz Dorn SS 2007 Kolloquium zur Deutschen ... - Uni Trier

Pein dessen, der bestraft wird, steht nicht nur im Widerspruch zur Güte der menschlichen Natur, sondern ist auch ganz nutzlos; und es ist nur kennzeichnend für ...
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Prof. Dr. Franz Dorn

SS 2007 Kolloquium zur Deutschen Rechtsgeschichte Der Zweck der Strafe 1) Die Heilige Schrift (in der Übersetzung Luthers):

3. Buch Moses, Kap. 24 17. Wer irgend einen Menschen erschlägt, der soll des Todes sterben. 18. Wer aber ein Vieh erschlägt, der soll's bezahlen, Leib um Leib. 19. Und wer seinen Nächsten verletzt, dem soll man tun, wie er getan hat, 20. Schade um Schade, Auge um Auge, Zahn um Zahn; wie er einen Menschen verletzt, so soll man ihm wieder tun. 2) Lex Ribuaria (entnommen: Germanenrechte, Texte und Übersetzungen, Bd. 2, Die Gesetze des Karolingerreiches 714.- 911, hrsg. v. K.A. Eckhardt, I Salische und ribuarische Franken, Weimar 1934, S.139 ff.) 1. Vom Schlagen Freier. Wenn ein Freier einen Freien mit einem Hiebe schlägt, werde er zu einem Schilling verurteilt; wenn zweimal, zu 2 Schillingen; wenn dreimal, werde er zu 3 Schillingen verurteilt. 2. Von der blutigen Verwundung. Wenn ein Freier einen Freien schlägt, so dass Blut heraustritt und zu Erde fließt, werde er zu 18 Schillingen verurteilt. Wenn er aber leugnet, schwöre er mit 6 (Eidhelfern). 3. Vom Knochenbruch. Wenn ein Freier einen Freien an irgendeinem Glied einen Knochen bricht, werde er zu 36 Schillingen verurteilt, oder er schwöre mit 6.. 4. Vom Stechen. Wenn ein Freier einen anderen durchsticht oder innerhalb der Rippen verwundet, werde er zu 36 Schillingen verurteilt, oder er schwöre 6. 5. und 6. Von Verstümmelungen, vom Entmannen. Hier werden detailliert Bußen für verschiedene Verstümmelungen aufgeführt: Ohrenabschlagen mit Gehörverlust l00 S., ohne Gehörverlust 50 S.; Naseabschlagen, Verletzter kann nicht mehr schneuzen, l00 S., Verletzter kann noch schneuzen, 50 S.; Augenausschlagen l00 S., wenn der Blick nur erstarrt, 50 S.; Handabschlagen l00 S., Hand nur erlahmt, 50 S.; Daumenabschlagen 50 S., Daumen nur gelähmt, 25 S.; ebenso bei sonstiger Lähmung Hälfte der Buße, die für Verlust gelten würde; Verlust des Fingers, der zum Pfeilschießen nötig, 36 S., Fußabschlagen l00 S., Fuß erlahmt 50 S., Abschlagen sonstiger Glieder 36 S.; Entmannen 200 S. 7. Vom Töten. Wenn ein Mensch einen freien Ribuarier tötet, werde der zu 2oo Schillingen verurteilt. Wenn er

aber leugnet, schwöre er mit 12. 3) Talion und spiegelnde Strafen a) Gandinus, Albertus (Ende 13. Jahrhundert) Tractatus de maleficiis (entnommen: Kantorowicz, H., Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, Bd. 2, 1929) Rubrica de poenis § l (a.a.O., S.2o9) Pena autem est delicti vel pro delicto satisfacio, que propter delicta imponitur a lege vel ministro legis. (Die Strafe aber ist die Genugtuung des Vergehens oder für das Vergehen, die wegen des Vergehens durch das Gesetz oder durch den Diener des Gesetzes auferlegt wird.) b) In den Statuten von Tivoli (1305; entnommen: Dahm, Georg, Das Strafrecht Italien im ausgehenden Mittelalter, 1931, S. 285 N. l, 3, 5), heißt es von dem, der jemanden verstümmelt und geblendet hat und die Geldstrafe nicht zahlt: puniatur manu pro manu, oculo pro oculo, pede pro pede; membro pro membro. (Er soll bestraft werden, Hand um Hand, Auge um Auge, Fuß um Fuß, Glied um Glied.) Wenn in Tivoli jemand die Bilder Christi, der Heiligen etc. verletzte und die Geldstrafe nicht zahlte: amputetur ei manus, cum qua percussit seu iniuriam fecit ... et sic de quolibet membro, cum fecerit iniuriam, intelligatur. (soll ihm die Hand abgehauen werden, mit der er verletzt oder die Beleidigung getan hat, ... und das gleiche versteht sich hinsichtlich irgendeines Gliedes, mit dem er die Beleidigung gemacht haben wird; z.B. wer ein Bild bespuckte, verlor die Zunge.) 4) Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532 (Carolina) Art. 104. Eyn vorrede wie man mißthatt peinlich straffen soll ... Wann vnser Keyserlich recht, etlich peinlich straff setzen, die nach gelegenheyt diser zeit vnd land vnbequem, vnd eyns theyls nach dem buch-staben nit wo müglich zu gebrauchen weren, darzu auch dieselben recht die form vnd maß, eyner jeglichen peinlichen straff nit anzeygen, sonder auch guter gewonheyt oder erkantnuß verständiger Richter beuelhen, vnd inn der selben willküre setzen, die straff nach gelegenheyt vnd ergernuß der übelthatt, auß lieb der gerechtigkeyt, vnd vmb gemeynes nutz willen zu ordnen vnd zu machen. ... 5) Grotius, Hugo, De iure belli ac pacis libri tres (1625) (entnommen: Die Klassiker des Völkerrechts in modernen deutschen Übersetzungen, Bd. I, hrsg. u. übers, von W. Schätzel, 1950) Zweites Buch, 20. Kp. (a.a.O., S. 325 ff.) I. Die Strafe ist in ihrer allgemeinen Bedeutung ein Übel, das man erleidet, weil man ein Übel getan hat. (Poena est malum passionis quod infligitur propter malum actionis.)

II. 1. Man streitet, ob die Strafe der zuteilenden oder ausgleichenden Gerechtigkeit angehöre. Einige rechnen sie zur zuteilenden Gerechtigkeit, weil, wer schwerer gefehlt hat, härter bestraft wird, wer geringer gefehlt hat, leichter, und weil die Strafe von der Gesamtheit einem Teil auferlegt wird. 3. Jedoch ist richtig, dass bei der Strafe zuerst und an sich die ausgleichende Gerechtigkeit geübt wird. Denn der Strafende muss, um recht zu strafen, das Recht dazu haben, welches Recht aus dem Vergehen des anderen entspringt. Hier ist ein Punkt, der an den Vertrag erinnert. Denn auch der Verkäufer wird, ohne etwas zu sagen, zu allem verpflichtet, was bei dem Kauf gebräuchlich ist; ebenso scheint es, dass der Schädiger sich durch seinen Willen der Bestrafung unterworfen hat. Denn das Verbrechen kann nicht ungestraft bleiben; wer also jenes will, hat mittelbar auch die Strafe gewollt. IV. Eine andere Frage betrifft den Zweck der Strafen. Denn was wir bisher gesagt haben, ergibt dass den Schädigern kein Unrecht geschieht, wenn sie bestraft werden; aber es folgt daraus noch nicht, ob sie überhaupt gestraft werden müssen; auch ist dies nicht wahr, da Gott und die Menschen vielen Schädigern vieles verzeihen und deshalb gelobt werden. Berühmt ist Platons Ausspruch: „denn nicht wegen des Unrechts erfolgt die Strafe“ und der andere: „Nicht wegen der Untat wird die Strafe auferlegt, sondern um eine Wiederholung in späterer Zeit zu verhindern.“ Seneca sagt: .“Man fügt dem Menschen nicht Übles zu, weil er gesündigt hat, sondern damit er nicht wieder sündige; die Strafe wird nie auf das Vergangene, sondern auf die Zukunft bezogen. Sie ist kein Ausfluss des Zornes, sondern der Vorsicht.“ Bei Thukydides sagt Diodor über die Mitylener zu den Athenern: „Wenn ich auch anerkenne, dass sie sich schwer vergangen haben, so will ich doch nicht ihren Tod verlangen, wenn es nicht der Nutzen verlangt.“ 3. Wenn aber der Mensch seinesgleichen straft, so muss er dabei einen Zweck im Auge haben. Dies ist es, wenn die Scholastiker sagen, die Absicht des Strafenden dürfe sich nicht mit dem Übel des anderen begnügen. Aber schon vor ihnen sagt Platon im Gorgias: „Die, welche jemand mit dem Tode oder der Verbannung oder Geld bestrafen, sollen dies nicht einfach wollen, sondern um des Guten willen.“ Und Seneca sagt: „Man müsse zur Strafe schreiten, nicht weil das Strafen eine Lust sei, sondern weil es nützlich sei.“ Auch Aristoteles sagt: „Einiges sei sittlich um seiner selbst willen, anderes wegen einer Notwendigkeit“; und zu letzterem gibt er ein Beispiel von der Vollstreckung der Strafe. V. 4. Es darf der Mensch daher nicht einen Menschen der Strafe wegen bestrafen. Es ist vielmehr zu untersuchen, welchen Vorteil die Strafe mit sich bringt.

VI. 2. Doch ist dies noch genauer zu untersuchen. Ich sage, dass bei jeder Bestrafung folgendes zu berücksichtigen ist: 1. Welchen Nutzen der Täter aus dem Verbrechen gezogen hat; 2. Wie groß das Interesse dessen ist, zu dessen Schutz die Tat verboten ist; 3. Das Interesse jedes Dritten. 6. Samuel von Pufendorf (17. Jh.) entnommen: Sellert/Rüping: Studien- und Quellenbuch zur Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, Bd. 1, 1989, S. 389-391 De iure naturae, Liber VIII, caput III, § 1 Wegen eines Verbrechens steht auch der höchsten bürgerlichen Herrschaft die Macht über den Körper und das Leben ebenso wie über das Vermögen der Bürger zu; diese [Macht] pflegt man genauer als Recht über Leben und Tod zu bezeichnen. (Von diesem Recht ist das Recht Gottes über die Geschöpfe gänzlich verschieden, Psalm 90 Vers 4 [gemeint ist wohl Vers 9]). Elementorum iurisprudentiae, Liber I, Def. 21, 33, § 3 Daher ist die größte und zweckmäßigste Bürgschaft für die Sicherheit, die die Voraussetzung für eine menschliche Gemeinschaft ist, diejenige, dass es, was die Strafe anbelangt, nachteiliger ist, einem anderen geschadet als nicht geschadet zu haben. Auf eben dieses Ziel müssen sich alle Strafen richten, die Menschen über Menschen verhängen. Denn dass Menschen nichts anderes sehen, als die Pein dessen, der bestraft wird, steht nicht nur im Widerspruch zur Güte der menschlichen Natur, sondern ist auch ganz nutzlos; und es ist nur kennzeichnend für Kinder und schwache Frauen, Trost für ihren eigenen Kummer aus dem Leiden des Schädigers zu bekommen. De iure naturae (vgl. Qu. 1. a.) Liber VIII, caput III, § 24 : Daraus - so meine ich - geht daher klar hervor, dass in einem staatlichen Gericht keine vergeltende Justiz waltet, die vorschreibt, dass für bestimmte Verbrechen ein bestimmtes, von der Natur festgelegtes Maß der Strafe angewendet und auferlegt wird, sondern dass das wahre Maß menschlicher Strafen vom Nutzen für den Staat abhängt und je nachdem, wie die Strafziele scheinbar am besten zu erreichen sind, so werden diese [d. h. die Strafen] gemäß der Umsicht der höchsten Staatsgewalt erhöht oder gemindert. § 6: Weil weiterhin vorher öffentlich bekannt gemacht wird, was zu tun und zu unterlassen ist und auch die Strafe selbst, die diejenigen erwartet, die schlecht handeln, hat derjenige niemanden außer sich selbst, den er anklagen kann, er, der durch ein aus freien Stücken begangenes gegen die Gesetze verstoßendes Verbrechen die Härte der Strafen auf sich zieht. § 8: Zuerst ist folgendes festzustellen: Selbst wenn es an sich nicht unbillig erscheint, dass der, der ein Übel begangen hat, dieses Übel [selbst] erleiden soll,... so ist es dennoch nicht richtig, dass der Mensch Strafen auferlegt, wenn hieraus keinerlei Nutzen resultiert. Elementorum iurisprudentiae Liber I, Def. 17, § 4 Bezüglich aber der zu verhängenden Strafe ist allerdings gewiss, dass sie nicht zugefügt werden kann, es sei denn in Ansehung irgendeines Verbrechens; dann aber - wie groß oder welcher Art die zuzufügende [Strafe] auch sein mag - ist ein Urteil unbedingt zu fällen, nicht so sehr aus der Natur des Delikts selbst heraus, sondern aus dem daraus folgenden Nutzen oder im Hinblick auf den Straftäter selbst oder im Hinblick auf das Gemeinwesen. Denn es steht der Vernunft entgegen, dass der Mensch dem Menschen nur

um des Übels willen etwas zufügt, indem er nichts außer den Schmerz des Erduldenden erblicken kann. De iure naturae, Liber VIII, caput III, §12 Durch diese Art der Strafe wird vielmehr dies erreicht, dass [nämlich] derjenige selbst, der jemandem Schaden zugefügt hat, nicht daraufhin auch noch andere schädigt; und dies wird erreicht, wenn der Schädiger entweder getötet oder geschwächt oder im Zaum gehalten wird, damit er nicht weiter schaden kann. … De officio hominis, Liber II, caput XIII, §§ 9f. Das zweite Ziel [d. h. die Abschreckung der Allgemeinheit] aber wird erreicht durch die offenkundig du allen ins Auge fallende Strafe, deren Beschaffenheit geeignet ist, anderen Furcht einzuflößen. Schließlich wird in der Strafe der Nutzen für alle bewerkstelligt; [und] dies geschieht nämlich dadurch, dass nicht derjenige, der einem anderen Schaden zugefügt hat, daraufhin [noch] andere schädigen kann oder dadurch, dass sich die anderen durch das Beispiel [der Bestrafung]erschreckt, von der Begehung ähnlicher Vergehen abhalten lassen. De iure naturae, Liber VIII, caput III, § 3 Denn der menschliche Wille, der naturgemäß in die eine [gute] oder andere [schlechte] Richtung lenkbar ist, kann nicht wirksamer gesteuert und gezügelt werden als durch die Drohung mit einem gegenwärtigen Übel. Elementorum iurisprudentiae, Liber I, Def. 21, § 4 Deren vorgenanntes Ziel [der Strafe, d. i. Sicherheit der Gemeinschaft vor Verbrechen] kann erreicht werden, wenn entweder der, der ein Delikt begeht, vernichtet wird oder, wenn [seine] Kräfte zu schädigen, beseitigt werden, oder, wenn er durch sein erlittenes Übel davon abgebracht wird [weiteres] Unrecht zu begehen. Das Unrecht von anderen nicht begangen wird, bewirkt die offenkundige und deutlich erkennbare Strafe, die durch ihr Beispiel anderen Furcht einflößt. Aber solche Zufügungen von Schmerzen, die nichts anderes Berücksichtigen als die Besserung desjenigen, der Unrecht begangen hat, können kaum richtig unter den Begriff der Strafe eingeordnet werden. 7) Beccaria, Cesare: Über Verbrechen und Strafen übersetzt mit biographischer Einleitung und Anmerkungen versehen von Karl Esselborn, Leipzig 1905. § 15 Milde der Strafen Aus der einfachen Betrachtung der bisher auseinandergesetzten Wahrheiten geht deutlich hervor, dass die Strafe weder den Zweck hat, ein empfindliches Wesen zu quälen und zu betrüben, noch ein bereits begangenes Verbrechen ungeschehen zu machen. Kann einer politischen Körperschaft, die, weit entfernt, aus Leidenschaft zu handeln, vielmehr die ruhige Leiterin der Leidenschaften der einzelnen ist, jene unnütze Grausamkeit, das Werkzeug der Wut, des Fanatismus oder schwacher Tyrannen innewohnen? Können die Klagerufe eines Unglücklichen von der nimmer zurückkehrenden Zeit die vollbrachten Taten zurückfordern?

Der Zweck ist also kein anderer, als den Verbrecher daran zu hindern, seinen Mitbürgern neuen Schaden zuzufügen und die anderen von gleichen Handlungen abzuhalten. Es verdienen also die Strafen und die Art ihrer Auferlegung den Vorzug, die unter Wahrung der Angemessenheit den lebhaftesten und nachhaltigsten Eindruck auf die Gemüter der Menschen machen und dabei dem Schuldigen möglichst geringes körperliches Leid zufügen. Damit eine Strafe ihren Zweck erreiche, genügt es, dass sie ein Leiden verhängt, das den aus dem Verbrechen erwachsenden Vorteil überwiegt, und in dieses Übergewicht des Leidens muss die Unausbleiblichkeit der Strafe und der Verlust des durch das Verbrechen erzielten Vorteils mit eingerechnet werden; alles, was darüber hinausgeht, ist überflüssig und daher tyrannisch. Die Menschen richten sich bei ihrer Handlungsweise nach den wiederholten Wirkungen der Leiden, die sie kennen, nicht aber nach denen, die ihnen unbekannt sind. ... Je grausamer die Strafen werden, desto mehr verhärten sich die Gemüter der Menschen, die sich wie die Flüssigkeiten stets den sie umgebenden Körpern anpassen. Und die immer lebendige Kraft der Leidenschaften bewirkt, dass nach hundertjähriger Anwendung grausamer Strafen das Rad nicht abschreckender wirkt als zuerst das Gefängnis. Die Grausamkeit der Strafe bewirkt, dass der Schuldige um so mehr daran setzt, ihr zu entgehen, je größer das Leiden ist, das ihm bevorsteht, und dass er mehrere Verbrechen begeht, um sich der Bestrafung wegen eines zu entziehen. In den Ländern und Zeiten, in denen die grausamsten Strafe vorkamen, wurden stets auch die blutigsten und unmenschlichsten Handlungen ausgeführt, weil derselbe Geist der Wildheit, der die. Hand des Gesetzgebers führte, auch die des Vater- und des Meuchelmörders leitete; auf dem Throne gab er eisern Gesetze für Sklavenseelen, die ihnen gehorchten; im Dunkel des Privatlebens reizte er zum Morde der Tyrannen, um neue zu schaffen. Zwei andere verderbliche Folgen, die dem Zweck, Verbrechen zu verhüten, widerstreiten, entstehen aus der Grausamkeit der Strafen. Die erste besteht darin, dass es nicht so leicht ist, das richtige Verhältnis zwischen Verbrechen und Strafen einzuhalten; denn wenn auch eine erfinderische Grausamkeit die Arten der Strafe noch so mannigfach abgestuft haben mag, so kann doch keine Strafe das äußerste Maß überschreiten, das die Grenze für die menschliche Organisation und Empfindungsfähigkeit bildet. Wäre man an diesem äußersten Punkte angelangt, so wären für noch schädlichere und grausamere Verbrechen keine entsprechend härteren Strafen vorhanden, wie es zu ihrer Verhütung notwendig wäre. Die andere Folge besteht darin, dass die Straflosigkeit selbst oft durch die Grausamkeit der Strafen veranlasst wird. Die Menschen bewegen sich, sowohl im Guten wie im Bösen, innerhalb fest bestimmter Grenzen; ein für die Menschheit allzu grausames Schauspiel kann sich nur als ein vorübergehender Wutanfall darstellen, nicht aber als ein feststehendes System, wie es doch die Gesetze sein sollen. Sind diese daher wirklich grausam, so werden sie entweder abgeändert oder die verderbliche Straflosigkeit wird durch die Gesetze selbst veranlasst. Ich schließe mit der Bemerkung, dass die Größe der Strafe auch dem jeweiligen Zustande der Nation selbst angemessen sein muss. Stärker und fühlbarer müssen die Eindrücke auf .die verhärteten Gemüter einer Bevölkerung, die kaum aus dem Zustand der Wildheit herausgetreten ist, gestaltet werden. ... Aber in dem Maße, wie in dem Gesellschaftszustande die Gesinnungsart milder wird, nimmt die Empfindlichkeit zu, und mit ihrer Zunahme muss die Härte der Strafe

abnehmen, wenn man das zwischen dem Gegenstande und dem Gefühlsvermögen bestehende Verhältnis unverändert aufrecht erhalten will. 8) Constitutio Criminalis Theresiana, Wien 1769 Die Straffverhängung führet hauptsächlich zu dem Endzweck, dass der Uebelthäter gebessert werde, dem beleidigten Staat Genugthuung wiederfahre, und solche Bestraffung bey dem Volk Erspiegelung, und Abscheuen von dergleichen Mißhandlungen erwecke. Und dieses in denen die Todesstraff nicht nach sich ziehenden Fällen; dargegen in Todesstrafen die letztere zwey Absichten eintretten. 9) J. von Sonnenfels, Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz, 5. Vermehrte und verbesserte Auflage, Wien 1786 entnommen: Sellert/Rüping: Studien- und Quellenbuch zur Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, Bd. 1, 1989, S. 394 f. § 352 Die grotianische Erklärung der Strafe: Ein Uebel der Empfindung wegen Bosheit der Handlung hat sich von Schriftsteller auf Schriftsteller gleichsam durch eine Art von Ueberlieferung fortgepflanzet, und gab den Betrachtungen, welche ueber diesen wichtigen Gegenstand zu machen sind, eine nur einseitige Richtung. Der Gesichtspunkt, von dem der Richter, welcher vollstreckt, und der Gesetzgeber, welcher anordnet, die Strafe anzusehen haben, ist sehr verschieden. Der erste strafft, weil das Gesetz uebertreten worden: der zweyte verhaengt eine Strafe, damit das Gesetz nicht uebertreten werde. Bey dem Ersten ist die Strafe Schlußfolge der Handlung, bey dem zweyten ist die Handlung Schlußfolge der Strafe. Bey dem Ersten ist die Bestimmung der Strafe Anschuldigung, bey dem zweyten Beweggrund. a) Die Strafe wird also, wie sie dem Gesetze, gleichsam als Hüter desselben zur Seite gestellet wird, wie sie auf die Entschluessung des Handelnden Einfluß hat, wie sie den Abgang bestimmender Beweggruende b) ersetzen soll, ist: Ein Uebel, welches dem Gesetz angehaengt wird, um durch dessen Vorstellung von der Uebertretung abzuhalten c) Bey Bestimmung der Strafen ist auf die Größe derselben und auf die Gattung zu sehen. Abhaltung begreift zugleich Besserung und Beyspiel an sich. Den Uebelthäter in Zukunft durch das Andeuten der Strafe von Verbrechen abhalten, heißt bessern; durch die öffentliche Strafe die Zuschauer abhalten, daß sie durch Verbrechen sich nicht ein Gleiches zu ziehen heißt Beyspiel. Selbst bey Todesstrafen ist die Abhaltung nicht ganz aus dem Gesichte gelassen. Der Gesetzgeber, wenn er die Hoffnung aufgiebt, einen Verbrecher zu bessern, das ist von Missethaten abzuhalten, schneidet ihn von der Gesellschaft ab, damit er dieselbe nicht ferner verletze. 10) Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten, Königsberg 1798 Werkausgabe Band VIII. Herausgegeben v. Wilhelm Weischedel, 4. Aufl., Frankfurt/M., 1982 E. Vom Straf- und Begnadigungsrecht

I. ...Richterliche Strafe (poena forensis), die von der natürlichen (poena naturalis), dadurch das Laster sich selbst bestraft und auf welche der Gesetzgeber gar nicht Rücksicht nimmt, verschieden, kann niemals bloß als Mittel, ein anderes Gute zu befördern, für den Verbrecher selbst, oder die bürgerliche Gesellschaft, sondern muss jederzeit nur darum wider verhängt werden, weil er verbrochen hat; denn der Mensch kann nie bloß Mittel zu den Absichten eines anderen gehandhabt und unter die Gegenstände des Sachenrechts gemengt werden, wowider ihn seine angeborne Persönlichkeit schützt, ob er gleich die bürgerliche einzubüßen gar wohl verurteilt werden kann. Er muss vorher strafbar befunden sein, ehe noch daran gedacht wird, aus dieser Strafe einigen Nutzen für ihn selbst oder seine Mitbürger zu ziehen. Das Strafgesetz ist ein kategorischer Imperativ, und, wehe dem! welcher die Schlangenwindungen der Glückseligkeitslehre durchkriecht, um etwas aufzufinden, was durch den Vorteil, den es verspricht, ihn von der Strafe, oder auch nur einem Grade derselben entbinde, nach dem pharisäischen Wahlspruch: „es ist besser, dass ein Mensch sterbe, als dass das ganze Volk verderbe“; denn, wenn die Gerechtigkeit untergeht, so hat es keinen Wert mehr, dass Menschen auf Erden leben. Welcher Art aber und welcher Grad der Bestrafung ist es, welche die öffentliche Gerechtigkeit sich zum Prinzip und Richtmaße macht? Kein anderes, als das Prinzip der Gleichheit (im Stand des Züngleins an der Waage der Gerechtigkeit) , sich nicht mehr auf die eine, als auf die andere Seite hinzuneigen. Also: was für unverschuldetes Übel du einem anderen im Volk zufügst, das tust du dir selbst an. Beschimpfst du ihn, so beschimpfst du dich selbst. Bestiehlst du Ihn, so bestiehlst du dich selbst; schlägst du ihn, schlägst du dich selbst; tötest du ihn, so tötest du dich selbst. Nur das Wiedervergeltungsrecht (ius talionis), aber, wohl zu verstehen, vor den Schranken des Gerichts (nicht in deinem Privaturteil), kann die Qualität und Quantität der Strafe bestimmt angeben; alles andere sind hin und her schwankend, und können, anderer sich einmischenden Rücksichten wegen, keine Angemessenheit mit dem Spruch der reinen und strengen Gerechtigkeit enthalten. Nun scheint es zwar, dass der Unterschied der Stände das Prinzip der Wiedervergeltung Gleiches mit Gleichem nicht verstatte; aber, wenn es gleich nicht nach dem Buchstaben möglich sein kann, so kann es doch der Wirkung nach, respektive auf die Empfindungsart der Vornehmeren, immer geltend bleiben. So hat z.B. Geldstrafe wegen einer Verbalinjurie gar kein Verhältnis zur Beleidigung, denn, der des Geldes viel hat, kann diese sich wohl einmal zur Lust erlauben; aber die Kränkung der Ehrliebe des einen kann doch dem Wehtun des Hochmuts des anderen sehr gleich kommen: wenn dieser nicht allein öffentlich abzubitten, sondern jenem, ob er zwar niedriger ist, etwa zugleich die Hand zu küssen, durch Urteil und Recht genötigt würde. Eben so, wenn der gewalttätige Vornehme für die Schläge, die er dem niederen aber schuldlosen Staatsbürger zumisst, außer der Abbitte noch zu einem einsamen und beschwerlichen Arrest verurteilt würde, weil hiermit, außer der Ungemächlichkeit, noch die Eitelkeit des Täters schmerzhaft angegriffen, und so durch Beschämung Gleiches mit Gleichem gehörig vergolten würde. Was heißt das aber „bestiehlst du ihn, so bestiehlst du dich selbst“? Wer da stiehlt, macht aller anderer Eigentum unsicher; er beraubt sich also (nach dem Recht der Wiedervergeltung) der Sicherheit alles möglichen Eigentums; er hat nichts und kann auch .nichts erwerben, will aber

doch leben; welches nun nicht anders möglich ist, als dass ihn andere ernähren. Weil dieses aber der Staat nicht umsonst tun wird, so muss er diesem seine Kräfte zu ihm beliebigen Arbeiten (Karren- oder Zuchthausarbeit) überlassen, und kommt auf gewisse Zeit, oder, nach Befinden, auch auf immer, in den Sklavenstand. Hat er aber gemordet, so muss er sterben. Es gibt hier kein Surrogat zur Befriedigung der Gerechtigkeit. Es ist keine Gleichartigkeit zwischen einem noch so kummervollen Leben und dem Tode, also auch keine Gleichheit des Verbrechens und der Wiedervergeltung, als durch den am Täter gerichtlich vollzogenen, doch von aller Misshandlung, welche die Menschheit in der leidenden Person zum Scheusal machen könnte, befreieten Tod. Selbst, wenn sich die bürgerliche Gesellschaft mit aller Glieder Einstimmung auflösete (z.B. das eine Insel bewohnende Volk beschlösse, auseinander zu gehen, und sich in alle Welt zu zerstreuen), müsste der letzte im Gefängnis befindliche Mörder vorher hingerichtet werden, damit jedermann das widerfahre, was seine Taten wert sind, und die Blutschuld nicht auf dem Volke hafte, das auf diese Bestrafung nicht gedrungen hat; weil es als Teilnehmer an dieser öffentlichen Verletzung der Gerechtigkeit betrachtet werden kann. ... 11) Karl Grolmann, Grundsätze der Criminalrechtswissenschaft... (1798), Neudruck 1970 § 13: Ein Verbrechen - es sey vollendetes, oder versuchtes- enthält in der Regel nach 1), stillschweigende Drohung künftiger; denn der Verbrecher giebt durch seine Handlung zu erkennen, dass er sich nicht, als vernünftiges Wesen, zur Heilighaltung unsrer Rechte bestimme, sondern vielmehr nach der Regel der Lust sich bestimmen lasse, und diese seine subjective Maxime, selbst auf Kosten des Gesetzes, durchzusetzen suche. Eben weil er dieses durch das begangene Verbrechen zu erkennen giebt, so ist es von ihm nicht bloß möglich, - wie bey jedem Menschen - dass er unsre Rechte auch in Zukunft verletzen werde, sondern dieses ist höchst wahrscheinlich, da, wenn auch durch das Recht zur Entschädigung der gestiftete Schaden aufgehoben wird, dennoch es offenbar sehr zu fürchten bleibt, dass der, zur Befriedigung seiner sinnlichen Lüste einmal gestimmte Mensch durch dieselbe, noch durch nichts aufgehobene Stimmung, welche ihn zur Begehung des Verbrechens reizte, auch zur Wiederholung desselben angefeuert werde. § 14: Wenn also das Verbrechen, oder der Conat eine ausführbare Drohung künftiger Verletzung enthält, so darf der Mensch 1) auf den Verbrecher so würcken, dass dieser, seine Drohung nicht auszuführen bestimmt (der das Verbrechen bewirkende Reitz aufgehoben) werde. §. 16: Ist diese Abschreckung nicht möglich, so darf der Mensch 2) des Verbrechers physische, zur Ausführung der Drohung nothwendige Kräfte überwinden und dadurch die Ausführung der Drohung unmöglich machen. ... § 17: Dieses bisher ausgeführte Recht, den Drohenden von der Ausführung der Drohung abzuschrecken, oder ihm dieselbe unmöglich zu machen ist es, welches allein mit dem Ausdruck: Strafrecht bezeichnet werden kann. Nur in der Eigenschaft eines Präventions-Rechtes also ist dieses zulässig. ... § 18: Das zur Abschreckung, oder Unmöglichmachung wahrscheinlicher Verbrechen zugefügte

Uebel heißt: Strafe. Die Zufügung: Bestrafung. ... § 77: Da durch Strafe wahrscheinliche Eingriffe in unsre Rechtssphäre verhindert werden sollen, die Wahrscheinlichkeit aber, so wie die von dieser abhängende Gefährlichkeit der Drohung, ihre Grade hat, so folgt, dass blos die erkennbare Größe dieser Wahrscheinlichkeit den sicheren Maasstab der Größe der Strafen liefern könne. § 78: Die Wahrscheinlichkeit ist um so größer, je mehr der Mensch willkührliche Gesetzwidrigkeit verräth, und die Größe dieser ist nur erkennbar, wenn man das, was die Verbrechen bewürckt (sinnliche Triebfedern) gegen das, was denselben in dem Menschen entgegenspricht, (Gründe der Vernunft) vergleicht. ... Je mehr der Mensch kämpfen musste, um seine Vernunft zum Schweigen zu bringen und je stärker er ihre Stimme unterdrückt hat, desto mehr muss er willkührlich gestimmt seyn, seine subjectiven gesetzwidrigen Maximen auf Kosten des Gesetzes durchzusetzen, desto wahrscheinlicher sind von ihm künftige Verbrechen, desto stärkeres Strafübel muß ihn treffen. § 79: Wir brauchen also izt nur die Gesichtspunkte auf aufzusuchen, woraus uns die Größe des Kampfs erkennbar wird, und wir haben zugleich die Gesichtspunkte zur Auffindung des Maasstabes gerechter Strafen. Mir scheinen folgende 3 die Sache zu erschöpfen. Der erstere ist objectiv, die beyden anderen subjectiv. 1) Je mehrere und je dringendere Verbindlichkeiten der Handelnde verletzte, desto größer muss sein Kampf gegen die widersprechende Stimme der Vernunft gewesen seyn, desto stärkeres Strafübel muss ihn treffen. 2) Je ungestörter die Erfordernisse zur Willkührlichkeit des Entschlusses vorhanden sind (§ 40) desto mehr muss es ihn Anstrengung gekostet haben, seine Vernunft zu betäuben, desto grösseres Strafübel muss ihn treffen. 3) Je weniger die Stimme der Vernunft erwachte, desto nachdrücklicher muss sie niedergeschlagen seyn, desto grösseres Strafübel muss ihn treffen. 12) Feuerbach, Paul Johann Anselm: Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts. Erster Theil, Erfurt 1799. Generalprävention durch psychologischen Zwang S. 39 f.: Der Zweck des Staats ist die wechselseitige Freiheit aller Bürger, oder, mit anderen Worten, der Zustand, in welchem jeder seine Rechte völlig ausüben kann, und vor Beleidigungen sicher ist. Jede Beleidigung widerspricht daher der Natur und dem Zweck des bürgerlichen Vereins, und um dieses Zwecks willen ist es nothwendig, dass überhaupt keine Beleidigungen im Staate geschehen. Es ist daher nun die Aufgabe: ein Mittel ausfindig zu machen, durch welches Beleidigungen überhaupt verhütet werden können. In der Vertheidigung oder der Prävention ist dieses Mittel noch gar nicht gefunden. ... Es muss daher durch das Begehrungsvermögen auf sie zu jenem Zweck gewirkt werden; der Staat muss sich solcher Mittel bedienen, durch welche es den Bürgern psychologisch unmöglich wird, zu schaden; durch welche sie bestimmt werden, keine Rechtsverletzungen zu begehen, sich zu keiner zu entschließen. S. 4l: Die erste Tendenz der Staatsgewalt muss daher darauf gerichtet seyn, dass die Bürger gar

keine rechtswidrige Neigungen oder positiv ausgedrückt, dass sie bürgerliche Gesinnung haben. ... S. 43: Die zweite Sorge des Staates, welche durch den Gesellschaftszweck nothwendig gemacht wird, geht daher dahin, dass wer unbürgerliche (rechtswidrige) Neigungen hat, psychologisch verhindert werde, sich nach diesen wirklich zu bestimmen. ... Es bleibt daher dem Staate kein anderes Mittel übrig, als durch die Sinnlichkeit selbst auf die Sinnlichkeit zu wirken, und die Neigung durch entgegengesetzte Neigung, die sinnliche Triebfeder zur That durch eine andere sinnliche Triebfeder aufzuheben. ... Die Uebertretungen werden daher verhindert, wenn jeder Bürger gewiss weis, dass auf die Uebertretungen ein größeres Übel folgen werde, als dasjenige ist, welches aus der Nichtbefolgung des Bedürfnisses nach der Handlung (als einem Objekt der Lust) entspringt. Denn diese Ueberzeugung wirkt dem Grunde alles rechtswidrigen Begehrens geradezu entgegen, hebt ihn auf, zerstört ihn, und macht es eben darum unmöglich, dass die gesetzwidrige Triebfeder das wirkliche Handeln bestimme. Die Sinnlichkeit wird gleichsam durch sich selbst gewonnen und überwunden, und aus demselben Gründe, aus welchem sie sich für die That bestimmen wollte, wird sie bestimmt, dieselbe zu fliehen. ... S. 48 f .: Das Mittel, durch welches jene Ueberzeugung bewirkt werden soll, muss daher ein solches seyn, das die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit der Verknüpfung des Uebels mit dem Verbrechen enthält, das den Rechten des Menschen, als einer Person, nicht widerspricht. Hieraus folgt denn, dass die Verknüpfung des Uebels mit dem Verbrechen durch ein Gesetz angedroht seyn müsse. ... S. 50: Aber mit dieser gesetzlichen Drohung allein ist nicht alles gethan. .. S. 52: Das Gesetz muss die Vorstellung von der Nothwendigkeit des Uebels, die Befolgung des Gesetzes die Vorstellung von der Wirklichkeit desselben geben; das Gesetz enthält die Drohung, die Ausübung des Gesetzes gibt der Drohung Wirksamkeit; das Gesetz bestimmt, dass die Verknüpfung des Uebels mit einer Rechtsverletzung, eine rechtlich-nothwendige Verknüpfung sey, die Execution aber, dass diese rechtliche Ordnung nicht bloss idealisch, sondern real, die Drohung des Gesetzes nicht eine Scheindrohung, sondern eine wirkliche Drohung sey.... S. 54:Wenn nun ein solches Uebel zugefügt wird, so ist die begangene Handlung selbst wirklicher und zureichender Rechtsgrund des Uebels. ... S. 55 f . : Die Existenz des Verbrechens, als die Voraussetzung, ist der nothwendige gesetzliche Grund des Uebels, und darum ist dieses wirklich , eine Strafe. Die Strafe ist eine bürgerliche Strafe. Denn sie ist durch den Staatszweck nothwendig; der Staat ist dazu vollkomnen berechtigt. Der Begriff der bürgerlichen Strafe wäre also folgender: Sie ist ein vom Staate, wegen einer begangenen Rechtsverletzung zugefügtes, durch ein Strafgesetz vorher angedrohtes sinnliches Uebel. Was wäre nun aber wohl der Zweck der bürgerlichen Strafe? ... Der Zweck der Androhung ist kein anderer als Abschreckung von allen Beleidigungen, Bestimmung der Willkühr gegen den Antrieb zu Verbrechen, durch die Vorstellung, der Strafe, mit welcher das Strafgesetz die Handlung bedingt hat. Der Zweck der Zufügung ist kein anderer, als daß dem Gesetz Genüge geschehe, die Gerechtigkeit befriedigt werde, und dadurch das Gesetz nicht mit sich in

Widerspruch gerathe. 13) Feuerbach, Paul Johann Anselm: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen Peinlichen Rechts, 2. Aufl. Giessen 1803. § 16: Unter Zweck der Strafe wird die Wirkung verstanden, deren Hervorbringung als Ursache des Daseyns einer Strafe gedacht werden muss, wenn der Begriff von Strafe vorhanden seyn soll. I. Der Zweck der Androhung der Strafe im Gesetz ist Abschreckung aller Bürger als möglicher Beleidiger, von Rechtsverletzungen. II. Der Zweck der Zufügung derselben ist die Begründung der Wirksamkeit der gesetzlichen Drohung, in wiefern ohne sie diese Drohung eine leere (unwirksame) Drohung seyn würde. Da das Gesetz alle Bürger abschrecken, die Execution aber dem Gesetz Wirkung geben soll, so ist der mittelbare Zweck (Endzweck) der Zufügung ebenfalls blosse Abschreckung der Bürger durch das Gesetz. 14) Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, Werke in 20 Bde. (Bd. 7), 1. Aufl. 1986 § 99: Die Verletzung aber, welche dem an sich seienden Willen (und zwar hiermit ebenso diesem Willen des Verletzers als des Verletzten und aller) widerfahren, hat an diesem an sich seienden Willen als solchem keine positive Existenz, sowenig als an dem bloßen Produkte. Für sich ist dieser an sich seiende Wille (das Recht, Gesetz an sich) vielmehr das nicht äußerlich Existierende und insofern das Unverletztbare. Ebenso ist die Verletzung für den besonderen Willen des Verletzten und der übrigen nur etwas Negatives. Die positive Existenz der Verletzung ist nur als der besondere Wille des Verbrechers. Die Verletzung dieses als eines daseienden Willens also ist das Aufheben des Verbrechens, das sonst gelten würde, und ist die Wieder herstellung des Rechts. ... § l00: Die Verletzung, die dem Verbrecher widerfährt, ist nicht nur an sich gerecht - als gerecht ist sie zugleich sein an sich seiender Wille, ein Dasein seiner Freiheit, sein Recht -, sondern sie ist auch ein Recht an den Verbrecher selbst, d.i. in seinem daseienden Willen, in seiner Handlung gesetzt. Denn in seiner als eines Vernünftigen Handlung liegt, dass sie etwas Allgemeines, dass durch sie ein Gesetz aufgestellt ist, da er in ihr für sich anerkannt hat, unter welches er also als unter sein Recht subsumiert werden darf. ... Dass die Strafe darin als sein eigenes Recht enthaltend angesehen wird, darin wird der Verbrecher als Vernünftiges geehrt. ... § l0l: Das Aufheben des Verbrechens ist insofern Wiedervergeltung, als sie dem Begriffe nach Verletzung der Verletzung ist und dem Dasein nach das Verbrechen einen bestimmten, qualitativen und quantitativen Umfang, hiermit auch dessen Negation als Dasein einen ebensolchen hat. Diese auf dem Begriffe beruhende Identität ist aber nicht die Gleichheit in der spezifischen, sondern in der an sich seienden Beschaffenheit der Verletzung - nach dem Werte derselben. ... 15) Franz von Liszt: Der Zweckgedanke im Strafrecht, 1883,

in: Erik Wolf (Hrsg.), Quellenbuch zur Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, Frankfurt a. M. 1950, S.437 - 477. IV. Das Maßprinzip der Strafe ... Unsere Auffassung der Strafe als Rechtsgüterschutz verlangt unabweislich, dass im einzelnen Falle diejenige Strafe (nach Inhalt und Umfang) verhängt werde, welche notwendig ist, damit durch die Strafe die Rechtsgüterwelt geschützt werde. Die richtige, d.h. die gerechte Strafe ist die notwendige Strafe. Gerechtigkeit im Strafrecht ist die Einhaltung des durch den Zweckgedanken erforderten Strafmaßes. Wie die Rechtsstrafe als Selbstbeschränkung der Strafgewalt durch die Objektivierung entstanden ist, so erhält sie ihre höchste Vollkommenheit durch die Vervollkommnung der Objektivierung. Das völlige Gebundensein der Strafgewalt durch den Zweckgedanken ist das Ideal der strafenden Gerechtigkeit. Nur die notwendige Strafe ist gerecht. Die Strafe ist uns Mittel zum Zweck. Der Zweckgedanke aber verlangt Anpassung des Mittels an den Zweck und möglichste Sparsamkeit in seiner Verwendung. Diese Forderung gilt ganz besonders der Strafe gegenüber; denn sie ist ein zweischneidiges Schwert: Rechtsgüter-Schutz durch Rechtsgüterverletzung. Es lässt sich eine schwerere Versündigung gegen den Zweckgedanken gar nicht denken als verschwenderische Verwendung der Strafe, als die Vernichtung der körperlichen, ethischen, national-ökonomischen Existenz eines Mitbürgers, wo diese nicht unabweislich durch die Bedürfnisse der Rechtsordnung gefordert wird. So ist die Herrschaft des Zweckgedankens der sicherste Schutz der individuellen Freiheit gegen jene grausamen Strafen früherer Zeiten ... . V. Die Strafe als zweckbewusster Rechtsgüterschutz 1. ... Die Strafe ist Zwang. Sie wendet sich gegen den Willen des Verbrechers, indem sie die Rechtsgüter verletzt oder vernichtet, in welchen der Wille Verkörperung gefudnen hat. ... Besserung, Abschreckung, Unschädlichmachung sind demnach die unmittelbaren Wirkungen der Strafe; die in ihr liegenden Triebkräfte, durch welche sie d Schutz der Rechtsgüter bewirkt. ... 2. Wenn aber Besserung, Abschreckung, Unschädlichmachung wirklich die möglichen wesentlichen Wirkungen der Strafe und damit zugleich die möglichen Formen des Rechtsgüterschutzes durch Strafe sind, so müssen diesen drei Strafformen auch drei Kategorien von Verbrechern entsprechen. ... 1. Besserung der besserungsfähigen und besserungsbedürftigenVerbrecher 2. Abschreckung der nicht besserungsbedürftigen Verbrecher; 3. Unschädlichmachung der nicht besserungsfähigen Verbrecher. Ich will im folgenden die praktische Bedeutung dieser Einteilung kurz auseinanderzusetzen versuchen: ... Erste Gruppe: Die Unverbesserlichen ... Gegen die Die Unverbesserlichen muss die Gesellschaft sich schützen; und da wir köpfen und hängen nicht wollen und deportieren nicht können, so bleibt nur die Freiheitsstrafe auf Lebenszeit (bzw. auf bestimmte Zeit). ... Zweite Gruppe: Die Besserungsbedürftigen …Aus den besserungsbedürftigen durch vererbte und erworbene Anlagen zum Verbrechen hinneigenden, aber noch nicht rettungslos verlorenen Individuen rekrutiert sich das Gewohnheitsverbrechertum. ... Diese Anfänger auf der Verbrecherlaufbahn können in

zahlreichen Fällen noch gerettet werden. Aber nur durch ernste und anhaltende Zucht. Das Minimum der hier eintretenden Freiheitsstrafe dürfte daher meines Erachtens nicht unter ein Jahr herabsinken. Es gibt nichts Entsittlichenderes und Widersinnigeres als unsere kurzzeitigen Freiheitsstrafen gegen die Lehrlinge auf der Bahn des Verbrechens. Dritte Gruppe: …Die Gelegenheitsverbrecher …Hier soll die Strafe lediglich die Autorität des übertretenen Gesetzes herstellen; sie soll Abschreckung sein, eine gewissermaßen handgreifliche Warnung, ein "Denkzettel" für den egoistischen Trieb des Verbrechers. ... 3. Diese Vorschläge sollen zunächst nur den Beweis liefern, das die Durchführung des durch den Zweckgedanken geforderten Prinzips des Strafmaßes durchaus möglich ist .... ... Das Leitmotiv, das aus der endlosen Melodie von der Negation der Negation des Rechtes uns rettet zu Klarheit und Einfachheit - es ist der Zweckgedanke. ... 16) Hans Frank, Nationalsozialistische Leitsätze für ein neues deutsches Strafrecht, 1. Teil, 3. Aufl., Berlin 1935, S. 5 ff. entnommen aus: Recht,Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus, Köln 1984, S.434/435, hrsg. von Martin Hirsch, Diemut Majer, Jürgen Meinck Vorspruch für ein nationalsozialistisches Strafgesetzbuch Das Volk umschließt Wert und Leben des einzelnen. Auf den Schultern der vergangenen Geschlechter wird Blut und Kampf, Not und Schaffen der Lebenden zum Schicksal für die kommenden Geschlechter. Diese große, ewige, völkische Verbundenheit wird von dem Blute als dem Träger alles Lebendigen und von der Treue als dem sittlichen Band der Gemeinschaft getragen. Verdirbt das Blut, dann stirbt das Volks; erlischt die Treue, dann zerfällt die Gemeinschaft. Leitsätze zum nationalsozialistischen Strafrecht 1. Das neue deutsche Straf recht muss Volksrecht, um des Volkes willen geschaffen und aus seiner Seele geschöpft sein. 2. Zur Neugestaltung des Strafrechts ist der Nationalsozialismus berufen. 3. Das nationalsozialistische Straf recht muss auf der völkischen Treuepflicht aufgebaut sein. Die Treuepflicht ist für nationalsozialistisches und deutsches Denken höchste völkische und daher sittliche Pflicht. Für deutsches Denken besteht Einklag zwischen sittlicher Wertung, Pflichtgefühl und Rechtsempfinden. 4. Der hohe Wert der Volksgemeinschaft verlangt die unbedingte Einhaltung der Treuepflicht, und zwar sowohl der Volksgemeinschaft selbst gegenüber, als auch gegenüber allen ihren Gestaltungen, die sie, an die Vergangenheit anknüpfend, für die Zukunft schafft oder geschaffen hat. Ihre Einheit in Volksboden, Volksschicksal und Blut wird durch den Einzelangriff von Verbrechern gefährdet. 5. Der Verletzung der Treuepflicht folgt grundsätzlich der Verlust der Ehre.

6. Aufgabe des nationalsozialistischen Staates ist es, den Treuebrecher, der durch den Treuebruch aus der Gemeinschaft ausgeschieden ist, durch gerechte sühnende Bestrafung zu treffen. Die gerechte Bestrafung dient der Festigung, dem Schutze und der Sicherung der Volksgemeinschaft, dient aber auch der Erziehung und Besserung des Verbrechers und des noch nicht verlorenen Volksgenossen. 7. Das Strafgesetz muss, weil es um des Volkes willen da ist, in seiner Fassung klar und volkstümlich sein und die Übereinstimmung mit dem völkischen Rechts- und Sittengefühl widerspiegeln. 8. Nicht jeder Angriff trifft die Volksgemeinschaft in gleich schwerer Weise. Verstöße, die nur die Reibungslosigkeit gewisser funktioneller Lebensäußerungen der Volksgemeinschaft beeinträchtigen, brauchen nicht immer mit StrafSanktionen versehen zu sein. Die Ahndung solcher Verstöße ist in einem eigenen, selbständig aufzubauenden Ordnungsstrafrecht zu regeln. 9. Im nationalsozialistischen Strafrecht kann es kein formelles Recht oder Unrecht, sondern nur den Gedanken der materiellen Gerechtigkeit geben.