Piraten der Karibik Der Mond stand hell und klar am wolkenlosen ...

Der Mann, dem wir diese zynische Analyse verdanken, wusste, wovon er sprach. ... Und genau in dieser Situation beging Roberts einen verhängnisvollen ...
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Piraten der Karibik

Der Mond stand hell und klar am wolkenlosen Nachthimmel. Aus dem kleinen Palmenwald, der sich gleich hinter dem weißen Sandstrand erhob, klangen die exotischen Geräusche des nächtlichen Dschungels über das kristallklare Wasser. Eine sanfte Brise hatte die Hitze des Tages vertrieben und strich jetzt kühlend über die Planken des Handelsschiffes, das in der kleinen Bucht vor Anker lag. Aber die Idylle war trügerisch. Unter Deck war es unerträglich stickig. Es stank nach Fäulnis und Schweiß. Auf engstem Raum lag die Besatzung in ihren Hängematten und träumte von dem Paradies, das unerreichbar am Ufer auf sie zu warten schien. Seit Wochen hatten sie nichts anderes zu trinken bekommen, als umgeschlagenes Bier und fauliges Wasser, nur aufgelockert durch den Rum, mit dem der Kapitän die Männer für besonders schwere Arbeiten belohnte. Mit dem Essen sah es nicht besser aus. Nach Wochen auf See war auch der letzte Krumen Brot von Schimmel bedeckt. Wann sie das letzte Mal frisches Gemüse oder gar Obst gesehen hatten, konnte keiner mehr sagen. Als Folge litten die meisten von ihnen mehr oder weniger schwer unter Skorbut. Dass die Männer trotzdem Tag für Tag und bei Wind und Wetter in die Wanten stiegen, lag an dem gnadenlosen Regime, das an Bord herrschte. Kleinere Vergehen wurden gnadenlos mit der Peitsche bestraft, wer es wagte, aufzubegehren, riskierte, ohne großes Federlesen gehenkt zu werden. “In ehrlichen Diensten gibt […] wenig Geld und harte Arbeit. Hier hingegen Überfluss, Vergnügen, Freiheit […] Wer würde nicht diese Seite wählen, wenn die einzige Gefahr in ein oder

zwei sauren Blicken am Galgen besteht.” Der Mann, dem wir diese zynische Analyse verdanken, wusste, wovon er sprach. Bartholomew Roberts hatte die Abgründe der “ehrlichen Seefahrt” am eigenen Leibe erfahren. Als dritter Maat auf dem Sklavenschiff “Princess of London” wusste er, was die einfachen Seemänner zu erdulden hatten. Zum Beispiel, dass von ihrer Heuer meist nichts übrig war, wenn sie nach Jahren in den Heimathafen zurückkamen. Wenn sie die Reise denn überhaupt überlebten. Als die “Princess of London” vor der Goldküste Afrikas von Piraten aufgebracht wurde, gehörte daher er zu denjenigen, die sich entschlossen, zu den Piraten überzulaufen. Ein derartiges Angebot war nicht ungewöhnlich, weil die Seeräuber die Männer brauchten, um die eigenen Verluste auszugleichen. Darüber hinaus benötigten sie auch eine neue Besatzung, wenn sie die erbeuteten Schiffe in ihre Flotte aufnehmen wollten. Roberts schien ein besonderes Talent besessen zu haben, denn keine sechs Wochen später befehligte er bereits ein eigenes Piratenschiff. In den folgenden drei Jahren brachte er unter dem Spitznamen “Black Barty” zwischen West-Afrika, Süd-Amerika und Neufundland mehr als 450 Schiffe auf. Und obwohl er damit einer der erfolgreichsten Piraten aller Zeiten sein dürfte, passte der gebürtige Waliser so gar nicht in das Bild eines skrupellosen Seeräubers. Denn selbst wenn “Black Barty” gerne von der Freiheit und dem Vergnügen des Piratenlebens sprach, so gab es unter seinem Kommando sehr wohl genau festgelegte Regeln und Grenzen. Statt grölend mit einem Krug voll Rum an Deck zu sitzen, lauschte er den Tönen eines eigens angeheuerten Musikanten.

Und überhaupt verabscheute “Black Barty” Alkohol genauso sehr wie unnötige Gewalt, Spielsucht und Fluchen. Frauen und Knaben waren an Bord bei Todesstrafe verboten, und die Mannschaft war verpflichtet, ihre Waffen in gutem Zustand zu halten. Es gab sogar eine Krankenversicherung, nach der jedem Mann die Summe von 800 Dollar zustand, falls er im Kampf verkrüppelt wurde. Wer “Black Barty” in die Hände fiel, konnte von dem Piraten oft nur das Beste berichten: dass er über ausgezeichnete Manieren verfügte und seine Gefangenen jederzeit mit größtem Respekt behandelte. Geholfen hat es Roberts am Ende nicht. Die englische Krone schickte die mit 60 Kanonen bestückte “HMS Swallow” an die afrikanische Küste, um dem gesetzlosen Treiben ein Ende zu machen. Und genau in dieser Situation beging Roberts einen verhängnisvollen strategischen Fehler. Er hielt die Swallow für ein Handelsschiff und stellte eines seiner drei eigenen Schiffe zur Verfolgung ab. Der Kapitän der Swallow spielte seine Rolle perfekt: Scheinbar wandte sich das Schiff zur Flucht, aber als die Verfolger außerhalb der Sichtweite der restlichen Piratenschiffe waren, wendete die Swallow und ging zum Angriff über. Die überraschten Piraten hatten der Feuerkraft des Kriegsschiffes nichts entgegenzusetzen und wurden geentert. Roberts unterdessen ahnte von der drohenden Gefahr nichts. Wenige Tage später, am 10. Februar 1722, stellte die Swallow die verblieben Seeräuber zum Gefecht. Und auch dieses Mal war der Kampf schnell entschieden. Roberts, der sich während der Schlacht an Deck befand, wurde von einem Schrappnell im Gesicht getroffen und starb auf der Stelle. Seine Mannschaft warf den Körper ihres Kapitäns über Bord und ergab sich ohne weiteren Widerstand.

Mit Gnade konnten die Piraten dennoch nicht rechnen. Nach einem

kurzen

Prozess

beendeten

50

Mann

der

rund

Hinsicht

eine

150-köpfigen Besatzung ihr Leben am Galgen. Bartholomew

Roberts

war

in

jeder

Ausnahme-Erscheinung gewesen. Nicht nur die unglaubliche Menge an Prisen, die er mit seinen Männern aufgebracht hatte, war einzigartig, auch sein Benehmen war keineswegs typisch für einen Mann in diesem Gewerbe. Die Seeräuberei war so alt wie die Geschichte der Seefahrt. Die griechischen und römischen Handelsschiffe der Antike waren ebenso Beute, wie die Hansekoggen des Mittelalters. Dass die Piraterie jedoch im 16. und 17. Jahrhundert ausgerechnet in der Karibik ein “goldenes Zeitalter” erlebte, war nicht zuletzt eine Konsequenz der Entwicklung in Europa. Spanien hatte sich große Kolonien in der neuen Welt gesichert und wachte eifersüchtig darüber, dass die neuen Besitzungen nicht

in

die

Hände

von

Engländern,

Franzosen

oder

Niederländern fielen. Streng kontrollierten die Spanier ihr Handelsmonopol, das es den Häfen in der Karibik untersagte, Handel mit anderen Nationen zu treiben. Die Suche nach dem sagenhaften Goldland “El Dorado” war zwar bisher ergebnislos geblieben, doch Silber und Edelsteine hatte man im Überfluss gefunden. Tonnenweise lud man die Schätze auf Schiffe und verfrachtete die Beute nach Spanien. Die unvorstellbaren Reichtümern, die rund 5000 Kilometer über den Atlantik transportiert werden mussten, um Kriege und das höfische Leben in Europa zu finanzieren, weckten natürlich Begehrlichkeiten. Mit neidischem Blick schielten die anderen Staaten auf die spanische Silberflotte. Es dauerte nicht lange, bis man in London, Paris und Amsterdam beschloss, sich mit

Gewalt ein Stück von dem unermesslichen Kuchen zu sichern… Die Idee, auf die Spaniens Konkurrenten verfielen, war altbekannt: Sie statteten ihre eigenen Kapitäne mit einer offiziellen Erlaubnis aus, Schiffe anderer Nationen aufzubringen und

auszurauben.

Die

mit

einem

solchen

Kaperbrief

ausgestatteten Kapitäne arbeiteten auf eigene Rechnung - daher auch der Name Freibeuter - mussten jedoch einen gewissen Prozentsatz der Beute an ihre Auftraggeber abführen. Theoretisch unterschieden sich Freibeuter damit auch rechtlich von einfachen Piraten. Wurden sie vom Gegner gefasst, stand ihnen der Status eines Kriegsgefangenen zu, und im Gegensatz zum gemeinen Piraten fanden sie in den Häfen ihres Heimatlandes jederzeit Schutz und Zuflucht. In der Praxis sah das Vorgehen auf beiden Seiten allerdings oft anders aus. Nicht jeder Freibeuter beschränkte sich auf Schiffe fremder Nationen, und nicht alle Richter ließen sich von einem Kaperbrief davon abhalten, gefasste Freibeuter an den Galgen zu bringen. Die

Aussicht,

unermessliche

Reichtümer

zu

gewinnen,

veranlasste immer neue Glücksritter in der Karibik auf Kaperfahrt zu fahren. Zweimal im Jahr, im April und im August, stachen die spanischen Silberflotten auf der anderen Seite des Atlantik in See, um sich auf die beschwerliche und gefahrvolle Reise in die alte Welt zu machen. Es waren nicht nur Stürme und gefährliche Riffe, die den mit Schätzen oft völlig überladen Schiffen zu schaffen machten. Mindestens ebenso gefährlich waren die Freibeuter und Piraten, die vor der Küste Mittelamerikas und in den Buchten der karibischen Inseln lauerten. Wie viel es zu gewinnen gab, zeigte ein englischer Kapitän und

Freibeuter, der im Auftrag von Elisabeth I. auf der Jagd war. Ausgestattet mit einem Kaperbrief und seinem Hass auf die Spanier machte Francis Drake sich 1572 auf den Weg über den Atlantik. Der Erfolg übertraf alle Erwartungen. Im März 1573 stöberten Drake und seine Männer die spanische Silberflotte im Hafen von Nombre dos Dios in Panama auf. Und obwohl die Engländer nur über zwei relativ kleine Schiffe von 70 beziehungsweise 25 Tonnen verfügten, fuhren sie dreist in den Hafen ein und machten reiche Beute. Einen großen Teil der Schätze mussten sie nach ihrem Coup sogar zurücklassen, weil ihnen die Transportmöglichkeiten fehlten, doch Drake und die 30 Besatzungsmitglieder, die die Reise überlebt hatten, kehrten als reiche Männer nach England zurück. Drake selbst war einer der wenigen Abenteurer, der den Absprung vom Freibeuter zum respektierten Mitglied der Gesellschaft schaffte. Ähnlich wie der Niederländer Piet Heyn, der gut 50 Jahre später, im September 1628, ebenfalls die spanische Silberflotte aufbrachte und dabei rund 12 Millionen Gulden erbeutete, kletterte Drake die Karriereleiter empor und wurde Admiral. Die Vernichtung der spanischen Armada im englischen Kanal, die zum großen Teil seinem Einsatz zu verdanken war, machte den ehemaligen Freibeuter neben Horatio Nelson zum größten Seehelden der englischen Geschichte. Die “Gentlemen-Piraten” waren in der Geschichte der Seeräuberei allerdings deutliche Ausnahmen. Kaum einer ihrer Kollegen schreckte vor Mord zurück, wenn es um Beute ging. Einer von denen, dessen Verhalten sich mit dem Begriff sadistisch nur unzureichend lässt, war der Franzose Françoise

l’Olonnais. Nachdem er seine Kindheit als Diener in der Karibik verbracht hatte, schloss er sich nach Ablauf seiner Dienstzeit einer Gruppe Bukaniere an. Die Bukaniere waren ursprünglich französische Flüchtlinge, die von den Spaniern vertrieben worden waren und sich hauptsächlich von der Jagd ernährten. Als ihre Zahl durch weitere Flüchtlinge und entlaufene Sklaven immer mehr anwuchs, gingen die Gruppen schließlich dazu über, Dörfer und Städte sowie spanische Schiffe zu überfallen. In seiner neuen “Familie” machte l’Olonnais durch seinen Mut schnell auf sich aufmerksam. Der Gouverneur der “Piratenbasis” Tortuga, nordwestlich von Haiti, rüstet den vielversprechenden jungen Mann mit einem eigenen Schiff aus, und solange dieser seinen Gönner ausreichend an den Gewinnen beteiligte, störte sein Auftraggeber sich nicht an der beispiellosen Grausamkeit des Bukaniers: Gefangenen aus reinem Sadismus Nase und Ohren abzuschneiden oder die Zunge herauszureißen, war trotz der rauen Sitten auch unter Piraten nicht üblich, für l’Olonnais gehörte es jedoch beinahe zum guten Ton. L’Olonnais Hass auf seine Gegner im Allgemeinen und auf die Spanier im Speziellen wuchs nach einem Zwischenfall vor der Halbinsel von Yucatan ins Unermessliche: Die Bukaniere waren mit ihrem Schiff auf eine Sandbank gelaufen, hatten sich jedoch bis ans Ufer retten können. Dort überraschte sie eine spanische Patrouille, die mit den Piraten kurzen Prozess machte. L’Olonnais konnte sich im letzten Moment dadurch retten, dass er sich mit dem Blut seiner gefallenen Kameraden einschmierte und sich unter die Toten mischte. Es dauerte allerdings nicht lange, bis er erneut eine Mannschaft zusammengestellt

hatte.

War

seine

Grausamkeit

zuvor

erschreckend gewesen, so hatte sie nun geradezu krankhafte Züge angenommen. Mit seiner kleinen Mannschaft erobert er ein Kriegsschiff, dass zu seiner Jagd abgestellt war und schnitt den überlebenden eigenhändig die Köpfe ab. Anschließend reiste er weiter nach Süden, um die spanischen Kolonien zu verwüsten. Er eroberte Maracaibo und erbeutete unermessliche Reichtümer. Doch

seinen

Hass

konnte

das

alles

nicht

lindern.

Zeitgenössischen Berichten zur Folge, schlitzte er einem Gefangenen auf der Suche nach angeblich versteckten Schätzen den Brustkasten auf, um das Herz herauszureißen und den noch zuckenden Muskel vor den Augen der anderen Gefangenen zu verschlingen. Eine Warnung an alle, die nicht bereit waren, mit ihren Schätzen herauszurücken. Das Ende l’Olonnais war dann auch ebenso grausam und blutig, wie es sein Leben gewesen war. Vor der Küste von Honduras lief er erneut mit seinem Schiff auf Grund. Bei dem Versuch, einige Kanus zu stehlen, wurden die Piraten von Indios überrascht, die l’Olonnais angeblich bei lebendigem Leib in Stücke hackten. Selbst wenn l’Olonnais in Sachen Grausamkeit eine Ausnahme dargestellt hatte, so war er mit seinem Wunsch, Angst und Schrecken zu verbreiten und der Bereitschaft für Beute buchstäblich über Leichen zu gehen nicht allein. Selbst

die

englische

Krone

bediente

sich

skrupelloser

Glücksritter, die eine Art Guerillatruppe gegen die Spanier bildeten. Der Gouverneur von Jamaika stattete etwa den aus kleinen Verhältnissen stammenden Waliser Henry Morgan mit zehn Schiffen samt Besatzung aus, damit dieser die spanischen Städte in der Karibik angreifen konnte. Der Lohn bestand wie üblich

darin, dass Morgan einen Teil seiner erbeuteten Schätze behalten durfte. Solange er dem Feind schadete, sah man in England großzügig darüber hinweg, dass Morgan die Sturmleitern beim Angriff von gefangenen Mönchen tragen ließ, die im Feuer der Verteidiger umkamen. Auch das Foltern der Bewohner von eroberten Städten hieß man in London zwar nicht gut, aber wie so häufig verständigte man sich darauf, dass der Zweck die Mittel heiligte. Einen kleinen Rückschlag musste Morgan hinnehmen, als er im Januar 1671 die Stadt Panama plünderte. Weil der Überfall in Friedenszeiten geschah, klagte man Morgan an und überführte ihn im folgenden Jahr nach England. Einen ernsthaften Willen, den Freibeuter zu bestrafen, kann es jedoch nicht gegeben haben, denn als Morgan erklärte, dass er von dem Frieden nichts gewusst habe, wartete auf ihn nicht der Galgen, sondern der Ritterschlag. 1675 kehr er als Gouverneur nach Jamaika zurück, wo er am 25. August 1688 als reicher Mann starb. Die Freibeuterei war jedoch immer ein zweischneidiges Schwert und nicht jeder Freibeuter konnte sich darauf verlassen, dass seine

Auftraggeber

ihm

im

Zweifelsfall

aus

allen

Schwierigkeiten heraushelfen würden. Das musste auch der gebürtige Schotte William Kidd erfahren. Kidd, der im englisch-französischen Krieg zu Ruhm gekommen war und sich 1691 in New York niedergelassen hatte, war durch die Hochzeit mit einer reichen, wenn auch 20 Jahre älteren Witwe, zu einem beträchtlichen Vermögen gekommen. In den folgenden Jahren erarbeitete sich Kidd einen Ruf als hervorragender Kapitän, und so kam es, dass man im 1695 die Aufgabe anbot, auf Seeräuberjagd zu gehen. Finanziert wurde

das Unternehmen von englischen Privatleuten, die hofften, dass Kidd reiche Beute machen würde, um die Kosten mit einem satten Gewinn zu decken. Kidd selbst machte sich mit großem Eifer an die Aufgabe und stellte eine handverlesene Crew zusammen, die ihn auf seiner Jagd unterstützen sollte. Doch es dauerte nicht lange, bis sich zeigte, dass das Unternehmen unter keinem guten Stern stand. Schon wenige Tage nach seinem Aufbruch stoppte die Marine Kidds mit 34 Kanonen bestückte “Adventure Galley” und quartierte einen großen Teil seiner Besatzung auf ein anderes Schiff um. Als Ersatz hatte man einen bunt zusammen gewürfelten Haufen herbeigeschafft, der zu einem großen Teil aus Kriminellen und ehemaligen Piraten bestand. Und es sollte noch schlimmer kommen: Im September 1696 brach an Bord die Cholera aus und raffte einen Teil der neuen Mannschaft dahin. Als die “Adventure Galley” zu allem Überfluss auch noch Leck schlug, begann die Mannschaft zu murren. Kidd blieb jedoch seinem Auftrag treu: Einige reich beladene Handelsschiffe ließ er unbehelligt passieren und hielt statt dessen nach Piraten Ausschau. Als ihn seine erfolglose Suche bis an die westafrikanische Küste geführt hatte, wurde allerdings auch Kidd unruhig. Wenn er die Kosten der Expedition decken wollte, musste er bald Beute machen. Die Stimmung an Bord wurde immer gereizter, und Kidd rechnete täglich mit einer offenen Meuterei. Als ein Kanonier Kidd wegen seiner Untätigkeit beleidigte, schlug Kidd ihm mit einem eisenbeschlagenen Eimer den Schädel ein. Eine tat, die nicht gerade zur Besserung der Stimmung beitrug. Im Januar 1698 machte Kidd endlich die lang ersehnte Beute. Er kaperte ein Handelsschiff, das überaus reich mit Gold, Silber

und Seide beladen war. Aber die Freude war nur von kurzer Dauer: Der Kapitän des eroberten Schiffes stellte sich als Engländer heraus, so dass Kidd nun offiziell als Pirat galt. In England heuerte man daraufhin Kapitäne an, die ihrerseits Jagd auf den Piratenjäger machen sollten. Kidd war derweil um das Kap der guten Hoffnung gesegelt und hatte Madagaskar erreicht. Hier traf er endlich auf den ersten Piraten seiner Reise, doch Kidd hatte längst die Kontrolle über seine Mannschaft verloren. Statt ihrem Auftrag zu folgen und das Piratenschiff zu entern, lief der größte Teil der Besatzung zu den Seeräubern über. Kidd blieb nichts anderes übrig, als die leckgeschlagene “Adventure Galley” aufzugeben und mit leeren Händen nach Amerika zurückzukehren. Bei seiner Ankunft in Boston wurde Kidd auf der Stelle verhaftet und eingekerkert, bevor man ihn im Jahr 1701 nach England brachte, um ihm den Prozess zu machen. Angeklagt wegen Piraterie und Mord war Kidd vor Gericht auf sich allein gestellt. Er sah sich mit den Berichten entflohener Gefangener konfrontiert, die im Detail über Kidds Grausamkeit und regelmäßige Folterungen berichteten. Kidds Auftraggeber hingegen blieben seltsam still. Dokumente, die den Freibeuter hätten entlasten können, verschwanden auf geheimnisvolle Weise und niemand war bereit, ihm Geld für einen Verteidiger zur Verfügung zu stellen. Am 23. Mai 1701 henkte man Kidd am Londoner “Execution Dock” und stellte seinen Körper zur Abschreckung für andere Piraten in einem eisernen Käfig an der Themse aus. Während man darüber streiten kann, ob William Kidd sich selbst je als Pirat gesehen hatte, so sah die Situation bei Edward Teach ganz anders aus. Wie kaum ein anderer prägt er bis heute das

Bild vom wilden, säbelschwingenden Draufgänger. Teach hatte seine Karriere wie viele seiner Mitstreiter als Freibeuter begonnen. Sein Leben kam jedoch auf eine neue Bahn, als er sich um das Jahr 1716 Kapitän Benjamin Hornigold anschloss. Obwohl Hornigold nur über zwei kleine Schiffe mit zusammen gerade einmal 20 Kanonen verfügte, gelang es den Männern, eine französische Fregatte mit 40 Kanonen aufzubringen. Hornigold übertrug Teach das Kommando auf dem neuen Schiff, und dieser nannte es in Anlehnung an die spanischen Erbfolgekriege “Queen Anne’s Revenge”, “Königin Annes Rache”. Als England die Freibeuterei in der Karibik offiziell beendete und alle Kaperbriefe für ungültig erklärte, entschloss Teach sich, seine Arbeit als Pirat fortzusetzen. Er verstand es dabei meisterhaft,

sich

ein

Image

als

blutrünstiger

Kämpfer

aufzubauen. Sein “Kampfname” war aufgrund seines schwarzen Bartes schnell gefunden: “Blackbeard” oder zu deutsch “Schwarzbart”. Seine “Uniform” stattete er gleich mit mehreren Säbeln und Pistolen aus, und vor jedem Angriff flocht er sich angeblich brennende Lunten in den Bart, um seine Gegner durch sein diabolisches Aussehen zusätzlich in Angst und Schrecken zu versetzen. Blackbeards martialisches Auftreten war dabei keinesfalls reiner Selbstzweck. Je weniger Widerstand die Besatzungen der gekaperten Handelschiffe leisteten, desto geringer war auch die Gefahr für die Piraten. Und in mancher Hinsicht war Blackbeard sogar besser als sein übler Ruf. Entschloss sich ein angegriffenes Handelsschiff, zu kämpfen, wurde die gesamte Besatzung nach einem Sieg der Piraten ermordet. Ergab sie sich die Mannschaft

jedoch freiwillig, konnte sie mit Gnade rechnen. Unter dem (inoffiziellen) Schutz des Gouverneurs von North Carolina, der einem kleinen Nebeneinkommen durch Piraterie nicht abgeneigt war, verlagerte Teach sein Revier nach Norden. Nun jagte er auch vor der Ostküste der Vereinigten Staaten nach Beute. Als die Bewohner der Küste aufgrund der Untätigkeit ihres Gouverneurs und den Gerüchten um einen neuen Piratenstützpunkt unruhig wurden, wandten sie sich an den Gouverneur von Virginia, um das leidige Piratenproblem zu lösen. Das Ende des notorischen “Womanizers” Teach - er hatte angeblich nicht weniger als 12 Ehefrauen - näherte sich im November 1718 in Form des Kapitäns Robert Maynard. Mit zwei Schaluppen gelang es dem Jäger Teach in einer Bucht an der Küste North-Carolinas aufzustöbern. Der Pirat, der sein Flaggschiff zugunsten eines kleineren Schiffes mit nur 20 Mann Besatzung aufgegeben hatte, ließ eine Breitseite abfeuern, die eine der Schaluppen außer Gefecht setzte und einen Teil der Mannschaft tötet. Es muss Maynard hoch angerechnet werden, dass er in dieser Situation nicht die Nerven verlor, sondern die Kaltblütigkeit besaß, einen riskanten Trick zu versuchen. Er schickte seine Mannschaft unter Deck, um den Eindruck zu erwecken, dass sein Schiff so gut wie wehrlos sei. Und der Plan ging auf. Mit nur zehn Mann enterte Teach Maynards Boot, woraufhin die Männer unter Deck hervorstürmten und sich auf die Piraten stürzten. Blackbeard lieferte einen Kampf, der eines Piratenkapitäns würdig war. Mehrmals brachte er seinen Gegner in arge Bedrängnis und verwundete ihn sogar mit einem Säbelhieb an der Hand. Erst als Maynard mehrere Pistolenschüsse auf Teach

abgefeuert und seine Mannschaft den Piraten mit zahlreichen Säbelhieben getroffen hatte, brach er tot auf dem Deck zusammen. Mehr als 25 Wunden zeichneten den Körper des berüchtigten Piraten. Zum Zeichen seines Sieges Schlug Maynard Blackbeard den Kopf an und befestigte ihn am Bugspriet seines Schiffes. Im Triumph unterschieden sich die Methoden der ehrenhaften Piratenjäger kaum von denen ihrer Gegner… Natürlich war Edward Teach nicht der letzte Pirat gewesen, der die Fahrwasser der Karibik unsicher gemacht hatte. Und doch war sein Tod ein Zeichen dafür, dass langsam aber sicher eine Ära zuende ging. Die europäischen Großmächte Spanien, England, Frankreich und die Niederlande, die ihre Kriege stellvertretend auch in der Karibik geführt hatten, hatten sich mittlerweile etabliert. Immer kleiner wurde der rechtsfreie Raum, in dem Freibeuter, Bukaniere und Piraten von den Streitigkeiten ihrer jeweiligen Auftraggeber profitieren konnten. Lange vorbei waren auch die Zeiten, in denen Könige Freibeuter für ihre Taten zu Rittern schlugen. Mit Beginn des 18. Jahrhunderts wog der Nutzen, den die billigen Guerillakämpfer boten die Probleme, die sie für Handel und Wirtschaft darstellten nicht mehr auf. Mit fest etablierten Machtbasen und einer effizienten Marine kämpften die Herrscher der neuen Welt nun gegen ihre überflüssig gewordenen Helfer. Damit ging das “goldene Zeitalter der Piraterie” in der Karibik ein für alle Mal zuende.