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10 Harald Schultze, Andreas Kurschat unter Mitarbeit von Claudia Bendick (Hg.), »Ihr Ende schaut an …« Evangelische Märtyrer des 20. Jahrhunderts. Zweite, erweiterte und verbesserte. Auflage, Leipzig 2008, S. 346 ff. Kieps Name wurde nicht in einer »Aufzeichnung Goerdelers« gefunden, er wurde nicht am 12.
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Otto Carl Kiep: Mein Lebensweg

Otto Carl Kiep

Mein Lebensweg 1886 – 1944 Aufzeichnungen während der Haft Herausgegeben von Hanna Clements und Hildegard Rauch Mit einem Nachwort von Johannes Tuchel

Lukas Verlag

Schriften der Gedenkstätte Deutscher Widerstand Reihe B: Quellen und Zeugnisse, Band 4 Herausgegeben von Peter Steinbach und Johannes Tuchel

Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien

Gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages

© by Lukas Verlag Erstausgabe, 1. Auflage 2013 Alle Rechte vorbehalten Das Bildmaterial stammt aus dem Privatarchiv von Hildegard Rauch, Pullach Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte Kollwitzstraße 57 D–10405 Berlin www.lukasverlag.com Lektorat, Bildredaktion: Dr. Christian Hufen, Berlin Satz: Jana Pippel (Lukas Verlag) Umschlag: Lukas Verlag Druck: Elbe-Druckerei Wittenberg Printed in Germany ISBN 978–3–86732–124–2

Inhalt

Johannes Tuchel: Vorbemerkung zu dieser Ausgabe

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Hildegard Rauch, Hanna Clements: Geleitwort

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Hanna Kiep: Vorwort

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Otto Carl Kiep: Mein Lebensweg

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Johannes Tuchel: Verfolgung, Haft und Tod von Otto Carl Kiep

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Register

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Vorbemerkung zu dieser Ausgabe

Die nachstehende Autobiographie von Otto Carl Kiep entstand zwischen Februar und Ostern 1944 im Zellenbau des Konzentrationslagers Ravensbrück. Das Manuskript war abgeschlossen, bevor Kiep in das Zuchthaus Brandenburg-Görden verlegt wurde. Der Autor hatte bei der Niederschrift keinerlei Unterlagen zur Verfügung, sondern stützte sich nur auf sein Erinnerungsvermögen. Eindringlich und detailliert schilderte Otto Carl Kiep seinen »Lebensweg« bis zu seiner Festnahme in Berlin im Januar 1944. Noch im Konzentrationslager Ravensbrück konnte er seiner Frau Hanna den fertigen Text zukommen lassen. Er bat sie, ihn für die Kinder Albrecht, Hildegard und Hanna abschreiben zu lassen, am besten durch seine Sekretärin Brigitte Zimmermann, die mit seiner Handschrift vertraut sei. Nach dem Todesurteil des »Volksgerichtshofs« vom 1. Juli 1944 konnte Hanna Kiep ihren Mann im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee im August 1944 noch zweimal besuchen und ihm dabei mitteilen, dass mit der Abschrift des Textes begonnen worden war. Otto Carl Kiep wurde am 26. August 1944 in Berlin-Plötzensee durch den Strang ermordet. Im selben Jahr ließ Hanna Kiep, geb. Alves (1904–1979), eine Abschrift mit zwei Durchschlägen als Weihnachtsgeschenk für ihre Kinder anfertigen, denen die Schrift gewidmet ist (»Mein Lebensgang für meine Kinder dargestellt von O. C. Kiep«). Hanna Kieps Vorwort schildert deren Zustandekommen unter »schwierigsten Verhältnissen und größter seelischer Bedrückung« und gibt an, sie habe den Wortlaut »unverbessert« belassen. Achtunddreißig Jahre später wurden die »Aufzeichnungen während der Haft« von Kieps beiden Töchtern Hildegard Rauch und Hanna Clements im Privatdruck veröffentlicht.1 Ihr Geleitwort würdigt die Vorleistung der Mutter, die selbst zwischen Januar und Juli 1944 im Zellenbau des Konzentrationslagers Ravensbrück inhaftiert gewesen war, danach weiter unter Beobachtung der Gestapo stand und im selben Jahr noch ihren Sohn Albrecht verlor. Die Buchausgabe der Erinnerungen folge dem Wunsch der Eltern, »den Lebensweg unseres Vaters für seine Familie und seine Freunde zugänglich zu machen.« Die Töchter von Otto Carl Kiep, Hildegard Rauch und Hanna Clements, haben das Manuskript jetzt erstmals zur Veröffentlichung zur Verfügung

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O. C. Kiep, Mein Lebensweg 1886–1944. Aufzeichnungen während der Haft. Hg. von Hildegard Rauch und Hanna Clements, München 1982.

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gestellt. 2 Das paginierte, leicht vergilbte und brüchige Kiep’sche Manuskript umfasst 156 dicht gefüllte A4-Seiten. Bis auf einige Wörter, die mühelos zu rekonstruieren sind, ist die Schrift unbeschädigt und gut lesbar geblieben. Der mit blauer Tinte und Bleistift (im Manuskript ab S. 93) in ruhiger und präziser Handschrift verfasste Text weist auffällig selten Streichungen und Änderungen auf. Gelegentliche Ergänzungen und Zusätze von gleicher Hand, oft notiert auf dem breiteren linken Rand des Manuskripts, sind im Buch korrekt wiedergegeben. Diese Neuausgabe soll die Erinnerungen von Otto Carl Kiep einem weiter gefassten Leserkreis zugänglich machen. Sie übernimmt die leicht redigierte Fassung von 1982 mit beiden Vorworten. Wo 1982 einige wenige offensichtliche orthographische oder grammatikalische Unstimmigkeiten auftraten, wurden diese nun stillschweigend beseitigt; außerdem wurde der Text behutsam an die heute aktuellen Rechtschreibregeln angepasst. Zur besseren Lesbarkeit wurden gelegentlich kurze Fußnoten (*) eingefügt, die Auskunft zu wichtigen Personen und Ereignissen der Zeitgeschichte geben. Dieses Lektorat besorgte Christian Hufen. Otto Carl Kiep, geboren am 7. Juli 1886 in Saltcoats/Schottland, legte 1905 seine Reifeprüfung an der Königlichen Klosterschule Ilfeld ab und studierte nach einer kurzen Lehrzeit in der väterlichen Firma in Glasgow Jura in Berlin, Kiel und München. Im Herbst 1908 bestand er die erste juristische Staatsprüfung, im April 1909 wurde er in Leipzig promoviert. Nach der Promotion absolvierte er seinen Militärdienst als »Einjährig Freiwilliger« beim Oldenburgischen Dragoner-Regiment Nr. 19 und wurde 1913 zum Leutnant der Reserve ernannt. Während des Referendariats schrieb er sich an der Londoner Universität als externer Student ein und erwarb dort einen Bachelor of Law. Zwischen 1914 und 1918 leistete Kiep Kriegsdienst in verschiedenen Frontverwendungen und Stäben und wurde 1918 zum Oberleutnant d. R. befördert. Nach der deutschen Kapitulation trat Kiep im Dezember 1918 in den Auswärtigen Dienst ein und wurde im Februar 1920 als Legationssekretär der deutschen Gesandtschaft in Den Haag eingesetzt. 1921 nahm er an Reparationsverhandlungen in London teil, 1922 an den organisatorischen Vorbereitungen der Konferenz von Genua. Nach vorübergehendem Dienst an der Deutschen Gesandtschaft in Budapest wirkte er 1922 in Washington als Legationsrat an den deutsch-amerikanischen Verhandlungen über die

2 Das Original der Aufzeichnungen liegt in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, NL Kiep. Die Unterlagen wurden ebenso wie andere Kassiber, Briefe und Dokumente von Hanna und Otto Carl Kiep von Hildegard Rauch der Gedenkstätte Deutscher Widerstand zur Verwahrung im NL Kiep übergeben.

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Reduzierung der Reparationen mit. Am 3. September 1923 wurde er als Ministerialrat in die Reichskanzlei übernommen und arbeitete hier als Referent für Wirtschaft und Finanzen. Nach seiner Teilnahme an der Dawes-PlanKonferenz in London 1924 war Kiep ab Januar 1925 als Ministerialdirektor Chef der Presseabteilung der Reichsregierung. Am 14. Dezember 1925 heiratete er Hanna Alves, mit der er den Sohn Albrecht (1926) und die Töchter Hildegard (1929) und Hanna (1933) bekam. Im November 1926 schied Kiep auf eigenen Wunsch als Pressechef der Reichsregierung aus und trat Ende Januar 1927 seinen Dienst als Botschaftsrat bei der Deutschen Botschaft in Washington an. Zum 1. April 1931 übernahm er die Geschäfte des Generalkonsuls I. Klasse in New York. Am 16. März 1933 nahm Kiep an einem Bankett zu Ehren von Albert Einstein teil.3 Das nationalsozialistische Zentralorgan, der »Völkische Beobachter« berichtete darüber: »Einstein sprach sich schroff gegen jeden Nationalismus aus, mit besonderer Beziehung auf Deutschland. Kurz zuvor hatte er der jüdischen Telegraphenagentur die Erklärung abgegeben, daß er, solange sich die Lage in Deutschland nicht ändere, deutschen Boden nicht betreten würde. Der deutsche Generalkonsul Kiep erklärte danach in einer Ansprache zu Einsteins Ehren, daß er glaubt, in Einsteins Sinne zu sprechen, wenn er Amerika den Dank dafür ausspreche, daß einem ›deutschen‹ Gelehrten solche Ehrungen zuteil geworden wären. Ferner erklärte er, daß er sich als Neuyorker glücklich schätze, Prof. Einstein infolge seiner dauernden Verbindung mit Amerika in seiner Nachbarschaft zu haben. Mit der Wahl dieses neuen Wohnsitzes, sagte Kiep, erweitere Einstein sein Weltbürgertum. Kommentar überflüssig.«4 Weitere heftige Proteste der Nationalsozialisten folgten und Kiep musste sich im April/Mai 1933 in Berlin rechtfertigen. Er kehrte jedoch noch einmal auf seinen Posten zurück, wurde dann aber am 28. August 1933 in den einstweiligen Ruhestand versetzt und verließ New York am 4. Oktober 1933. Offenbar wollte das Auswärtige Amt auf einen derart bewährten Diplomaten nicht verzichten, denn im Sommer 1934 wurde er als Leiter einer Wirtschaftsdelegation nach Südamerika entsandt. 1935 leitete Kiep die deutsche Wirtschaftsdelegation für Ostasien, war danach erneut in der Wirtschaftsabteilung des Auswärtigen Amtes tätig und wurde im März 1937 zum deutschen Vertreter im internationalen »Komitee für Nichteinmischung in die Angelegenheiten Spaniens« nach London entsandt. Nachdem das Komitee im Frühjahr 1939 seine Auflösung erklärte, kehrte Kiep erneut in das Auswärtige Amt zurück. Am 24. August 1939 begann Kiep – zuerst im Rahmen einer militärischen Übung, später einberufen – seine Tätigkeit im Amt Ausland/Abwehr des Ober3 Vgl. Bruce Clements, From Ice Set Free. The Story of Otto Kiep, New York 1972, S. 155 ff. 4 Völkischer Beobachter, Nr. 90 vom 31. März 1933: »Die jüdische Hetze geht weiter«.

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kommandos der Wehrmacht, hier im Amt Ausland. Zum 1. April 1941 wurde Kiep zum Rittmeister d. R., zum 1. September 1942 zum Major d. R. ernannt. Diese Position behielt er bis zu seiner Festnahme durch die Geheime Staatspolizei am 16. Januar 1944. Die Ursachen seiner Festnahme und das weitere Schicksal von Otto Carl Kiep beleuchtet das Nachwort im Anschluss an Kieps eigene Aufzeichnungen. Die bisherigen Veröffentlichungen zu Otto Carl Kiep lassen sich kurz skizzieren: Ein allererstes, unveröffentlichtes Lebensbild von Otto Carl Kiep stammt von seiner Schwester Ida aus dem Jahr 1945. 5 Otto Carl Kieps Schwiegersohn Bruce Clements verfasste bereits 1972 eine leider nicht ins Deutsche übersetzte, populär gehaltene Biographie »From Ice Set Free. The Story of Otto Kiep«.6 Für die Verbindungen Kieps im Widerstand gegen den Nationalsozialismus ist der Aufsatz von Gerhard Ringshausen »Der SolfKreis und die Tee-Gesellschaft« unverzichtbar.7 Die jüngst erschienene Studie »Das Amt und die Vergangenheit« nennt Kiep nur kurz als Angehörigen des Solf-Kreises und seinen Tod als Folge dieser Aktivitäten im Kapitel »Spuren der Resistenz, Formen des Widerstands«.8 Ein kursorischer Lebenslauf von Kiep findet sich im »Biographischen Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945«9, ein weiterer – fehlerhafter – Kurzartikel findet sich in dem auch ansonsten problematischen Band über »Evangelische Märtyrer des 20. Jahrhunderts«.10 Hildegard Rauch und Hanna Clements veröffentlichten als Privatdruck auch die eindrucksvollen, von tiefem christlichen Glauben getragenen und in der Haft entstandenen Gedichte von Otto Carl Kiep.11 Erst jüngst wurde an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der LudwigMaximilians-Universität München eine wissenschaftliche Abschlussarbeit »Otto Carl Kiep – Als patriotischer Christ dem Nationalsozialismus wider-

5 Ida Westphal, Dr. Otto Carl Kiep. Ein Lebensbild, Schleswig 1945. 6 Bruce Clements, From Ice Set Free. The Story of Otto Kiep, New York 1972. 7 Gerhard Ringshausen, Der Solf-Kreis und die Teegesellschaft, in: Ders., Widerstand und christlicher Glaube angesichts des Nationalsozialismus, Berlin 2007, S. 431 ff. 8 Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes, Moshe Zimmermann, Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, München 2010, S. 304. 9 Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871 – 1945. Hg. vom Auswärtigen Amt – Historischer Dienst – Maria Keipert, Peter Grupp, Band 2, Paderborn u.a. 2005, bearb. von Gerhard Keipert und Martin Kröger, S. 523  ff. 10 Harald Schultze, Andreas Kurschat unter Mitarbeit von Claudia Bendick (Hg.), »Ihr Ende schaut an …« Evangelische Märtyrer des 20. Jahrhunderts. Zweite, erweiterte und verbesserte Auflage, Leipzig 2008, S. 346  ff. Kieps Name wurde nicht in einer »Aufzeichnung Goerdelers« gefunden, er wurde nicht am 12. Juni 1944 nach Plötzensee überführt, er unternahm seinen Suizidversuch nicht in Plötzensee, sondern in Brandenburg-Görden. 11 Glaube Liebe Hoffnung. Gedichte der Hoffnung von O.C. Kiep. Geschrieben im Kon­zen­ trationslager Ravensbrück, Pullach 2010.

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stehen« vorgelegt.12 Doch eine wissenschaftliche Biographie über Otto Carl Kiep ist bisher ein Desiderat der Forschung. Die Gedenkstätte hat dieses eindrucksvolle Lebensbild sehr gerne in ihre Schriften­reihe aufgenommen. Sie dankt Hildegard Rauch und Hanna Clements für die Abdruckerlaubnis und hofft, dass dieser Band auf interessierte Leserinnen und Leser stößt. Berlin, im Juli 2013

Johannes Tuchel

12 Tamara Späth, Otto Carl Kiep – Als patriotischer Christ dem Nationalsozialismus widerstehen. Schriftliche Hausarbeit an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Evangelisch-Theologische Fakultät, Lehrstuhl für Kirchengeschichte II, München 2013.

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»Wir wollen nicht trauern, dass wir ihn verloren haben, sondern wir wollen dankbar sein, dass wir ihn gehabt haben und noch besitzen. Denn alles lebt für Gott, und was auch immer heimkehrt zum Herrn wird noch zur Familie gerechnet.« Hl. Hieronymus