Pamela Gelfert Sklavin des Schicksals Wind der Veränderung ...

sie eine Weile weiter geradeaus gewandert waren und die Waise ihre Hand nutzte, um ihre Augen abzu- schirmen, erkannte sie, dass es sich um Gebäude han-
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Pamela Gelfert

Sklavin des Schicksals Wind der Veränderung Roman freie edition © 2011 AAVAA Verlag UG (haftungsbeschränkt) Quickborner Str. 78 – 80, 13439 Berlin Alle Rechte vorbehalten eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! www.aavaa-verlag.de 1. Auflage 2011 Umschlaggestaltung: Ana Fagarazzi Printed in Germany ISBN 978-3-86254-767-8 2

Dieser Roman wurde bewusst so belassen, wie ihn die Autorin geschaffen hat, und spiegelt deren originale Ausdruckskraft und Fantasie wider. Alle Personen und Namen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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1 Die Welt um sie herum verlor zunehmend an Farben. Wie ein Schleier legte sich die Dunkelheit der Nacht über die Landschaft. Lukas blickte in den Himmel. Es schneite schon seit Stunden und noch immer war keine Siedlung in Sicht. Stattdessen reihte sich Baum an Baum, was den Wald endlos erscheinen ließ. Er hatte Tanja aus den Händen des Kultes gerettet, doch nun standen sie einer neuen Bedrohung gegenüber, der er nichts entgegenzusetzen hatte. Ihm blieb nur zu hoffen, dass die Temperaturen nicht noch weiter sanken. Zu ihrem Glück blieb bis jetzt nichts von dem Schnee liegen. Dennoch kamen sie nach Lukas Geschmack zu langsam voran, was teilweise daran lag, dass die Kälte dem Mädchen noch mehr zu schaffen machte als ihm. Zwar beschwerte sie sich nicht darüber, trotzdem wirkten ihre Bewegungen gehemmter und sie hing öfters ein kleines Stück hinter ihm. Kurz nach Einbruch der Dämmerung beschloss der Ältere, die Reise für heute abzubrechen. Irgendwann mussten sie ja eine längere Pause machen, obwohl sie in dieser Nacht sicher kaum Schlaf finden würden, nicht bei diesen Temperaturen. Seine Finger 4

waren halb erfroren, aber bis zur nächsten Siedlung konnte noch ein ganzer Tagesmarsch, wenn nicht gar mehr, liegen. Abgesehen vom Klima brauchte er auch wegen seiner Verletzung eine Pause. Ein Feuer musste ausreichen, um sie heute Nacht zu wärmen. Schlurfend holte Tanja ihn wieder ein. »Jetzt ein schönes warmes Bad oder einfach nur ins Bett kuscheln«, schwärmte sie. Der Kriegsherr ging nicht auf ihre Worte ein. Schweigend nahm er die Decken, welche an Jillians Sattel gebunden waren, und reichte sie seiner Begleiterin, dann verschwand er im Wald. Tanja sah ihm verwundert nach. Was sollte das schon wieder? Hatte sie ihm etwas getan? Beunruhigt presste sie die Decken fest an ihren Körper. Die Dunkelheit der Nacht ängstigte sie. Hoffentlich kam er bald zurück. Pit würde sie niemals in einem dunklen Wald alleine lassen. Nein, er würde sie in den Arm nehmen und fest an sich drücken. Die meterhohen Nadelbäume ragten wie versteinerte Riesen in die Höhe und hoben sich als bedrohliche Schatten vom Nachthimmel ab. Nur ihre dünnen Äste schaukelten, tausenden Armen, welche nach ihr greifen wollten, ähnlich, im schwachen Abendwind auf 5

und ab. Ein unheimlicher Anblick, der ihr eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Um sich auf andere Gedanken zu bringen, dachte sie an die Hauptstadt. Hoffentlich ging es ihren Freunden gut. Aber was sollte sie ihrem Geliebten sagen - sie hoffte einfach, dass er noch lebte - wenn sie wieder in Danas war. Es war ja nicht so, dass sie nichts für ihn empfand, aber das Gefühl in der Nähe von Lukas übertraf alles. Die Beziehung aufrechtzuerhalten, würde gleichzeitig auch bedeuten, in einer Lüge zu leben und das wollte sie nicht. Seufzend ließ sich die 17-Jährige im Gras nieder, wobei sie ihre Decke so um sich wickelte, dass sie zum Teil darauf saß, zum anderen sich aber auch darin einwickeln konnte. Zwar wärmte der Stoff sie nur wenig, doch im Augenblick klammerte sie sich bereitwillig an alles, was ihren kalten Gliedern entgegen wirkte. In der Nähe ertönte der Schrei eines Vogels. Schaudernd kuschelte die Schwarzhaarige sich weiter ein. Wo blieb Lukas denn? Kaum hatte sie zu Ende gedacht, hörte sie Schritte in der Nähe. Zu ihrer Erleichterung erschien der junge Mann zwischen den Bäumen. Freundlich lächelte sie ihm zu, doch er erwiderte ihre Gestik nicht. Seine 6

Gesichtszüge waren verhärtet. Zu gerne wüsste sie den Grund dafür. »Wie geht es deiner Verletzung?«, fragte sie mit ehrlichem Interesse. Der 20-Jährige zuckte mit den Schultern und die Waise musste einsehen, dass es heute Abend nicht mehr viel Sinn machte, ein Gespräch beginnen zu wollen. Das war nicht gerade sein redseligster Tag. Ein wenig traurig über diesen Umstand zog sie sich in ihre Gedankenwelt zurück. Unterdessen stapelte ihr Begleiter die Holzscheite, welche er gesammelt hatte, und entzündete ein Feuer. Anschießend legte auch er sich eine Decke über die Schultern. Nach einer Weile des Schweigens blickte die einstige Sklavin plötzlich auf. »Ich habe eine Frage. Fällt es dir wirklich so leicht zu töten?« Der Berater des Königs sah auf den Griff seiner Waffe. Er hatte nie behauptet, dass es ihm leicht fiel, dennoch antwortete er »Ich habe kein Problem damit.« Die Jüngere wirkte über diese Antwort zutiefst erschüttert. Die Ereignisse der letzten Tage waren ihr unfreiwillig durch den Kopf gespukt. Obwohl sie am liebsten alles vergessen wollte, wiederholte sich vor 7

allen Dingen ein Moment immer wieder in ihrem Kopf. Und sie konnte diese Bilder nicht abstellen, beinahe als träumte sie einen Albtraum im wachen Zustand. Auch jetzt sah sie es erschreckend deutlich vor ihren Augen. Der Kampf zwischen Denis und ihm und der Augenblick, in dem das Schwert ihn verletzt hatte. Gleichzeitig musste sie daran denken, dass auch durch seine Klinge Menschen leiden mussten und es verdeutlichte ihr, was er eigentlich war. Ein Krieger. Er tötete Menschen, zerstörte Leben, etwas was sie immer zu bewahren versuchte. »Aber jedes Leben ist wertvoll, man lebt schließlich nur einmal. Wenn du tötest, bringst du denjenigen um die Chance auf eine Zukunft.« »Am Ende steht immer der Tod. Ist es nicht völlig gleich, wie lange das Leben davor war?« Tanja schüttelte den Kopf. »Nicht wirklich. Denn dann hätte die Existenz eines Individuums keine Bedeutung«, gab die 17-Jährige zurück. »Hat sie auch nicht.« Tanja schloss die Augen. Seine Worte trafen sie hart. Er konnte dem Tod eines anderen durch seine Hand doch nicht so gleichgültig gegenüberstehen. »Aber niemand sollte das Recht haben, über die Lebenslänge 8

seines Nächsten zu entscheiden«, ging sie weiter auf das Thema ein, in der Hoffnung ihn umstimmen zu können, denn was und vor allem wie er das sagte, gefiel ihr ganz und gar nicht. »So wertvoll ist das Leben nicht. Für viele bedeutet es sowieso nur Leid«, hielt er dagegen, woraufhin seine Reisebegleiterin ungestüm aufsprang. Die Decke rutschte von ihren Schultern, doch das störte sie in diesem Moment nicht. Sie hielt sein Gerede nicht länger aus. Es war nicht in Ordnung, einfach anderen das Leben zu rauben. »Du bist keinen Deut besser als der Haufen, der mich entführt hat«, schrie die einstige Sklavin ihm ins Gesicht, dann verschwand sie mit großen Schritten in der Dunkelheit. Lukas sah ihr kurz nach. Weshalb regte sie sich so auf? Immerhin verlangte er ja nicht von ihr, dass sie jemanden verletzte. Außerdem hatte sie keinen Grund, sich in seine Angelegenheiten einzumischen. Gereizt durch ihr kindisches Verhalten und den Schmerz seiner Wunde legte der Krieger sich schlafen. Sobald das Mädchen sich beruhigt hatte, würde sie sicher wieder kommen und wenn nicht, dann könnte er den Heimweg wenigstens schneller zurücklegen. 9

Überwältigt von ihren Gefühlen rannte die junge Frau immer geradeaus. Wie konnte er nur? Der Gedanke, dass sein Schwert den Körper eines Menschen aus Fleisch und Blut durchbohrte und er dabei nicht einmal Reue empfand, tat ihr weh, mehr als das. Sie hatte Gefühle für ihn. Aber so kalt, wie er sich seinem Umfeld zeigte und mit den Ansichten, die er vertrat, würde das niemals funktionieren. Es schien als hätte der König recht gehabt. Sie waren von Grund auf einfach zu verschieden. Aber sie konnte ihn nicht einfach aus ihrem Kopf streichen. Denn jedes Mal wenn sie dachte, es würde auch ohne diesen Jungen gehen, dann wuchs in ihr eine unbeschreibliche Sehnsucht nach seiner sanften Berührung. Bei ihm fühlte sie sich sicher. Selbst bei Pit hatte die 17-Jährige manchmal Berührungsangst, aber Lukas ruhige Art gab ihr Kraft und glättete die unruhige See in ihrer Seele. Sie brauchte so einen Ruhepol, sie brauchte ihn. Außerdem wusste er um ihre Vergangenheit, ganz im Gegensatz zu ihrem jetzigen Freund. Betrübt schloss die Jugendliche ihre Augen. Unwillkürlich musste sie an den Kuss denken, an die sanfte Berührung seiner Lippen und an seine Gesichtszüge, die für diesen kurzen Moment so entspannt ausgesehen hatten. Aber 10

warum küsste er sie? Aus Liebe? Diese Frage ließ sie nicht los. Nachdenklich sah sie zurück. Gab es wirklich keine Zukunft für sie beide? Würden ihre Wege immer nur nebeneinander verlaufen und sich niemals treffen? Der Gedanke allein betrübte sie. Sie wollte ihn aus ganzer Seele. Doch ihr Wille war nicht Gesetz. Dennoch würde sie nicht so einfach aufgeben, dafür leuchtete das Fünkchen Hoffnung in ihr noch zu stark. Sobald sie in Danas war, würde sie sich, auch wenn es nicht leicht werden würde, von Pit trennen. Schweren Herzens trat Tanja den Rückweg an. Und was sollte dann geschehen?

Als der junge Kriegsherr am Morgen aus seinem unruhigen Halbschlaf erwachte, bemerkte er, dass Tanja inzwischen ebenfalls in ihrer Decke eingekuschelt auf der durch den Schneeregen des vorigen Tages durchnässten Wiese lag. Die Temperatur musste immer noch um den Gefrierpunkt sein. Unausgeschlafen streckte der Kämpfer die steifen Glieder und erhob sich. Ein kurzer Blick zum Himmel verriet ihm, dass das Wetter heute nicht viel besser werden würde als gestern. Jillian döste ruhig vor sich hin. Lukas klopfte 11

seinem Tier kurz auf den Hals. »Solche Eskorten gefallen dir bestimmt genauso wenig, wie mir«, sprach, er auf den Hengst ein, der scheinbar auf die Worte seines Besitzers lauschte. »Aua«, ertönte hinter ihm eine Stimme. »Das war jetzt aber echt verletzend«, stellte Tanja fest, beleidigt die Hände in die Hüfte stemmend. Wie erwartet ging er auf ihr kindisches Gehabe nicht ein. So trat sie mit einem bittenden Blick an seine Seite, in der Hoffnung seine Laune sei nicht schlechter als gestern. »Hast du noch was zu essen?« Wortlos holte Lukas ein hartes Stück Brot aus der Tasche und reichte es ihr. Die Jüngere nahm es dankbar entgegen. Zwar konnte sie sich Besseres vorstellen, aber ihr Hunger trieb alles rein. Lustlos kaute sie auf dem Brot herum und behielt es extra lange im Mund, während sie die Decken wieder zusammenlegte. Das Essen befreite sie nicht von der Leere in ihrem Magen, aber das starke Verlangen nach Nahrung ließ ein wenig nach. Seufzend reichte sie dem Älteren die Decken. »Es ist so verdammt kalt«, klagte sie. Lukas nahm ihr die Decke ab und verstaute sie wieder am Sattel des Pferdes. »Sag Bescheid, wenn du es 12

gar nicht mehr aushältst.« Nicht dass er ihr dann helfen könnte, aber das musste sie ja nicht wissen. »Zu Befehl Sir«, gab die Jugendliche scherzhaft zurück, woraufhin ihr Begleiter genervt die Augen verdrehte. »Lass das! Du gehörst nicht zu meinen Soldaten.« »Oh, aber ich stehe dennoch unter dir.« Sie lächelte leicht. Der Befehlsführer ergriff schweigend die Zügel des Tieres und setzte sich in Bewegung. Ihre Laune hatte sich ja schlagartig geändert. Scheinbar hatte sie sich mit der Tatsache, dass er tötete, abgefunden. »Wunderbar!! Es fängt an zu schneien«, ergriff die Schwarzhaarige das Wort, wobei ihre Stimme deutlich verriet, dass sie genau das Gegenteil dachte. Hoffentlich würden sie bald an einem Dorf vorbeikommen. Im Laufe des zweiten Tages war der Schneefall so stark geworden, dass das weiße Pulver sich zunehmend auf dem Boden absetzte. Aus der kargen und tot wirkenden Landschaft wurde eine noch farblosere Gegend. Doch trotz der Eintönigkeit wirkte die Welt durch das strahlende Weiß wie verzaubert, beinahe 13

märchenhaft schön, mit der leicht glitzernden Decke, die alles unter sich begrub. Allerdings konnte Lukas dem Ganzen nichts abgewinnen. Dieser verdammte Schnee behinderte ihre Reise nur unnötig. Als kämen sie nicht so schon zu langsam voran. Mit wenigen kurzen Pausen hatten sie am Vormittag den Wald verlassen und waren auf einen Feldweg gekommen. Anstatt auf Bäume sahen sie nun ein schier endlos wirkendes weißes Meer vor sich, unter welchem sich wahrscheinlich ein Feld befand, das sich bis zum Horizont erstreckte. Allerdings schränkte das Wetter ihr Sichtfeld deutlich ein. Hinzu kam, dass das ebene Land die Reise nicht unbedingt vereinfachte, denn nun waren sie schutzlos dem Schneegestöber und dem eisigen Wind ausgeliefert. Die Nadelbäume hatten ihre Äste wenigstens wie ein durchlöchertes Dach über sie gelegt und so mehr oder weniger verhindert, dass die Flocken ihre Kleidung durchnässten. Aber jetzt ergriff die Kälte schneller von ihnen Besitz, als ihnen lieb war. Dennoch ließ die Jugendliche sich diesmal nicht zurückfallen, sondern bemühte sich, mit seinem Schritt mitzuhalten. Bei der Kälte konnte sie kaum klar denken. Das Einzige, was ihr immer wieder in den Sinn 14

kam, waren ihre halb erfrorenen Füße, ihre steifen Finger und der ganze zitternde Rest. Am liebsten würde sie einfach losschreien, so sehr litt sie unter der Kälte. Doch Geräusche vermochten diesen natürlichen Feind nicht zu vertreiben. Folglich ertrug sie ihre Schmerzen lieber stillschweigend. Zumal ihr Begleiter sinnloses Gezeter wohl nicht gutheißen würde. Immerhin ging es ihm auch nicht besser und beschwerte er sich? Nein! Dann konnte sie doch genauso stark sein. Die Zähne zusammenbeißend, damit sie nicht zu sehr klapperten, stapfte sie weiter, wobei sie im Stillen hoffte, bald ein Dorf zu erreichen. Ansonsten würde ihre Körpertemperatur der eines Eiszapfens Konkurrenz machen. Am Nachmittag erkannte die 17-Jährige kleinere Punkte am Horizont, die sich von der sonst so weißen Welt abhoben. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte sie die braunen Stellen zu identifizieren, doch der Wind, der ihr die Schneeflocken in die Augen wehte, machte ihr das fast unmöglich. Erst nachdem sie eine Weile weiter geradeaus gewandert waren und die Waise ihre Hand nutzte, um ihre Augen abzuschirmen, erkannte sie, dass es sich um Gebäude han15