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17 Jahre später, liegen seine Kindertanzschuhe auf dem Dachboden der Familie. Nikita Goncharov sitzt in der Macromedia Hochschule im Herzen Hamburgs in ...
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AK ROBAT Junge

Berge versetzen

Clubkinder

Künstler Hamburg

Muss nichts, darf alles Poetry Slam

Phantastische Preise

Eleganz, Tüll und Schmerzen

Mit Schwung übers Parkett

Die Galerie der Straße

Fantasybelletristik Standardtanz

Profi-Ballett

Graffiti-Kunst

E d i t o r i a l

Liebe Leserinnen und Leser, Was für ein Gefühl! Unsere erste eigene Zeitschrift in den Händen zu halten, auf die wir monatelang hinarbeiteten. Erst nur als vage Idee in unseren Köpfen - dann immer konzeptioneller. Für junge Journalisten wie uns, die täglich mit den großen Medien in Berührung sind, eine echte Erfahrung. „Als Kind ist jeder ein Künstler. Die Schwierigkeit liegt darin, als Erwachsener einer zu bleiben“. Pablo Picasso betonte damit die Natürlichkeit und Unvoreingenommenheit gegenüber der Kunst und dem Leben. Unsere Zeitschrift „AKROBAT“ widmet sich in dieser Ausgabe jungen Hamburger Künstlern, die ihre Träume und Visionen in die Tat umgesetzt haben und sich den kleinen Zauber des Alltags durch ihr ganz persönliches Glück erhalten haben. Sie haben Erfolg mit dem was ihnen Freude macht. Akrobaten finden wir nicht nur am Trapez im Zirkus. Das lehrt uns das Leben spätestens dann, wenn wir einigen Problemen gegenüberstehen, die es zu lösen gilt. Den eigenen Träumen treu zu bleiben und gleichzeitig den Alltag nicht zu vernachlässigen, das ist nicht immer einfach. Sei es der Traum mit Fantasygeschichten berühmt zu werden, die Begeisterung von der Sprachkunst auf der Bühne, die Leidenschaft zum Tanzen täglich neu entflammen zu lassen, in verlassenen Ecken kleine und große Graffiti-Kunstwerke zu erschaffen, oder sei es der Einsatz, diese jungen Künstler ganz nach vorn zu bringen. Wir sind entschlossen, Sie für das Thema „Junge Künstler“ zu begeistern. Überzeugen Sie sich selbst.

Ihre Redaktion

“In der

Komfortzone

wird nichts

Großes geschaffen” Alina Muschalik und Nikita Goncharov sind junge Tanzkünstler auf dem Weg nach ganz oben. Ein Blick auf internationale Träume und darauf wie man sein Ziel erreicht von Friederike Hoppe

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ür Nikita begann alles mit der Entscheidung seiner Mutter. Es ist das Jahr 1998, Saporishshja, im Südosten der Ukraine. Nikita ist vier Jahre alt, ein aufgeweckter Junge mit dunkelbraunen Locken, der an diesem Tag unruhig auf dem Rücksitz des elterlichen Peugeot hin und her rutscht. Er weiß noch nicht genau was ihn erwartet. Gleich darf er das erste Mal in die Tanzschule, von der die Mutter seit Tagen erzählte. Nach 40 Minuten Autofahrt sind sie endlich da. Der kleine Nikita ist beeindruckt von dem großen Saal und dem blanken Fußboden. Die Stunde begann mit ein paar Übungen, vielleicht wurde aber auch Musik gespielt, zu der sich die Kinder bewegen sollten, so genau weiß er das heute nicht mehr. Nikita Goncharov erinnert sich: „Ich fand es schrecklich und wollte da auf keinen Fall nochmal hingehen. Ich weiß noch, wie ich geschrien habe und mich am Türrahmen festgehalten habe.“ Die Mutter schaffte es trotzdem ihn zu überreden – mit Schokolade. 17 Jahre später, liegen seine Kindertanzschuhe auf dem Dachboden der Familie. Nikita Goncharov sitzt in der Macromedia Hochschule im Herzen Hamburgs in einem der hintersten Computerräume. Er trägt sein dunkelblondes Haar kurzgeschnitten, über dem T-Shirt ein dunkelblauer Pullover mit Kragen. „Das Tanzen ist für mich inzwischen Alltag geworden. Ich habe Freunde im Tanzsport gefunden, mit denen ich viele Gemeinsamkeiten teile und es macht mir Spaß. Ich habe gute Aussichten auf die Zukunft.“ Nikita wirkt auf den ersten Blick nicht wie ein typischer Leistungssportler, der in seiner freien Zeit sieben Mal pro Woche trainiert. Im Gegenteil, sein Körperbau scheint eher schmal, seine Erscheinung unauffällig. In einer Menschenmenge würde er im ersten Augenblick nicht sofort herausstechen. „Ich bin an sich sehr durchtrainiert, man sieht es

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Foto: F.Hoppe

mir nur nicht an. Wenn ich mehr Muskelmasse hätte, würde es optisch für das Tanzen nicht mehr gut aussehen“. Auffällig sind seine wachen Augen und seine Auffassungsgabe. Er hört genau zu und erzählt präzise, ohne Abzuschweifen, ohne zu Prahlen von seinen Erfolgen und seinen Karriereambitionen. 2010 war er mit seiner Tanzpartnerin Alina Muschalik in Bangkok erfolgreich. Sie belegten in der Jugend den ersten Platz. „Da war ich gerade 18 Jahre alt“, erinnert er sich. 2012 gewannen sie den Titel Deutsche Meister in der Hauptgruppe A, dem zweithöchsten Rang. Außerdem sind sie Finalisten der Sonderklasse, die höchste Klasse im Turniertanzen. Muschalik und Goncharov gehören zu den Semi-Finalisten der Deutschen Meisterschaft in Standard und zählen zu den Top 100 besten Tänzern der Welt.

„Demotivation ist für mich wieder Motivation es besser zu machen.”

Foto: F. Hoppe

Wenn er erzählt wirkt er diszipliniert, kontrolliert, sehr vernünftig. Sein Plan A? Der Weltmeistertitel. Falls das nicht klappt will er zumindest zu den Top 3 gehören. „Wenn man keine kleineren Ziele hat, kann man sein großes Ziel nicht erreichen“, erklärt er. Insgesamt sei er für das Tanzen schon in fast jedem Land Europas gewesen. Nikita Goncharov ist ambitioniert. Die nächsten Herausforderungen, die Norddeutsche Meisterschaft Ende Februar und die Deutsche Meisterschaft Anfang Mai, beanspruchen höchste Konzentration. „Wir trainieren nicht weniger als sechs Mal die Woche, vier Stunden am Tag plus Fitness. Unsere Coaches entwerfen für uns einen speziellen Trainingsplan. Wir setzen auf die Differenzierung, nicht auf Muskelmasse“. Der Student erzählt, dass das Paar vor wichtigen Turnieren nach Italien fährt, um dort in der Dancesportakademie zu trainieren. „Tanzen ist mehr als nur Bewegung zur Musik. Wir lernen dort alles was für Sportler wichtig ist, Mathematik, Physik, Anatomie und trainieren so, dass sich das Turnier in der AufPhase befindet, damit wir die beste Leistung abrufen können.“

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Finanziell unterstützt wird das Paar vom Tanzsportverband Schleswig-Holstein. Nebenbei arbeiten die Studenten als Trainer. 30 Euro kostet eine Unterrichtsstunde bei Muschalik und Goncharov. Die Einnahmen aus Tanzstunden und Preisgeldern, investieren sie wiederum in die Kosten für Turniere und in ihre Privatstunden bei Coaches. Eine davon ist die mehrfache Weltmeisterin Martina Wessel-Therhorn. Davor waren es hauptsächlich ihre Familien, die ihnen Rückendeckung und finanzielle Unterstützung sicherten. „Unsere Eltern unterstützen uns voll und ganz. Sie wissen dass Tanzen das Richtige für Körper und Seele ist.“ Alina erzählt von ihrer Mutter, die ihr seit dem Beginn ihres Sportes den Weg ebnete. „Sie gibt alles aus ihrem Herzen, um uns nach vorne zu bringen. Ohne sie wären wir jetzt nicht auf dem Niveau, auf dem wir heute sind. Ich bin dafür sehr dankbar. Meine Mama ist nicht ersetzbar. Wenn wir Training in Italien haben, fährt sie nachts 14 Stunden mit dem Auto durch, damit wir am nächsten Tag wieder in der Uni sind“, erzählt Alina. „Sie ist sehr enthusiastisch“, lächelt Nikita. „Als ich Alina vor fünf Jahren kennengelernt habe, hat ihre Mutter einfach Probestunden für einen weiteren Monat gebucht, dann haben wir weitergemacht.“ Goncharovs Familie zog 2010 aus der Ukraine nach Düsseldorf. Für das Tanzen zog Nikita nach Hamburg zog. „Das war eine der schwersten Entscheidungen

Foto: László Ertl

„Durch das Tanzen bringen wir vielleicht eine andere Lebenserfahrung mit, als Leute in unserem Alter. Wir haben etwas, das uns antreibt. Wir haben gelernt die wenige Zeit, die wir zur Verfügung haben, 100 Prozent zu nutzen“.

meines Lebens, meine Familie zurückzulassen.“ Damit sie die Trainingszeiten miteinander vereinbaren können, haben sich beide für ein Studium an derselben Uni entschieden. „Wir koordinieren alles über das Tanzen“, erklärt der 20-Jährige. „Viele Tänzer machen gar keine Ausbildung. Das finde ich nicht richtig. Ich möchte einen Plan B haben, falls es mal körperlich nicht mehr gehen sollte.“ Dass dieser Weg in erster Linie für ihn eine Doppelbelastung bedeutet, weiß er. Stress verbindet das Tanzpaar, das auch privat ein Paar ist, eher weniger mit ihrem Sport. „Wir haben gelernt zwischen Sport und Privatem zu unterscheiden“, berichtet die 19-Jährige Studentin. „Durch das Tanzen bringen wir vielleicht eine andere Lebenserfahrung mit, als Leute in unserem Alter. Wir haben etwas, das uns antreibt. Wir haben gelernt die wenige Zeit, die wir zur Verfügung haben, 100 Prozent zu nutzen“. Der gebürtige Ukrainer ergänzt: „Ich bin kein Mensch der lange irgendwo rumsitzen kann und sich langweilt. Wenn ich auf die Bühne gehe, bin ich kein bisschen aufgeregt. Ich liebe die großen Säle, ich fühle mich als würde ich da hingehören. Das ist für mich meine eigene kleine Welt. Das Schönste ist, wenn ich auf dem Turnier dann eine bessere Leistung abrufen kann, als im Training. Demotivation ist für mich wieder Motivation es besser zu machen.“ Alina nickt und ergänzt: „In der Komfortzone wird nichts Großes geschaffen“. Und das Schönste am Tanzen? „Sie“, antwortet Nikita mit einem Blick auf Alina. „Zwei Körper, die sich zusammen zu der Musik bewegen, die Harmonie“, sagt Alina. Beide lächeln.

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Diese Zeitschrift entstand im Rahmen einer Projektarbeit der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation Hamburg. Studiengang Kultur- und Sportjournalismus 2014/2015