Michaela Böckmann
Ostwind Erzählung
freie edition
© 2011 AAVAA Verlag UG (haftungsbeschränkt) Quickborner Str. 78 – 80, 13439 Berlin
Alle Rechte vorbehalten www.aavaa‐verlag.de 1. Auflage 2011 Umschlaggestaltung: Michaela Böckmann
Printed in Germany ISBN 978‐3‐86254‐343‐4 1
Diese Erzählung wurde bewusst so belassen, wie sie die Autorin geschaffen hat und spiegelt deren originale Ausdruckskraft und Fantasie wider. Namen sind teilweise frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind beabsichtigt und nicht zufällig.
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Für meine Familie und all diejenigen, die mein Leben kreuzten und bereicherten.
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Teil 1 1975 ‐ 1984 Er liebt mich, er liebt mich nicht Irrungen und Wirrungen Der Beruf mit Zukunft Babyalarm, Klappe die Erste Hochzeit mit Hindernissen Große Hamburger 18/19 Hurra, wir werden Eltern Die Trennung, die Einsamkeit oder Humor ist, wenn man trotzdem lacht Die Entscheidung Die Sache mit dem Pfeil und wir müssen raus Die Geburt, Klappe, die Zweite Spuk im Hochhaus Die Sache mit Mandy Oh nein, es geht schon wieder los Die Erkenntnis
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Die Besuche Der Führerbunker Der Führerschein Die Sache mit dem Klubtisch Eine Geburtstagsfeier, die im Chaos endete Standortentscheidung
Deutsche Sprache, schwere Sprache Der letzte Zapfenstreich
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Teil 2 1984‐1990 Marxwalde, wir kommen Die Welt ist klein Eine Gefreite, die schnell bereute Babyalarm, Klappe, die Dritte Eine Beisetzung mit Hindernissen Ein Ende mit Schrecken Ein Haus, in dem das Leben wohnt Ferienzeit, Urlaubszeit Marxwalde wird bald Großstadt sein Die Karte Der Unfall Der Anfang vom Ende Das „Nein“ Die Erkenntnis Die Zeitungsanzeige Teil 3 Vorschau
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Aufgewachsen in der DDR, begegnet mir bereits mit 15 Jahren die Liebe meines Lebens. Durch Geschichte und Weltgeschehen sensibilisiert, prägt sich mein ganz persönliches Weltbild. Der Traum vom Fliegen und das Leben an einem NVA‐Standort stellen mich vor große Herausfor‐ derungen. Wir leben, lieben, kämpfen, Siege und Niederlagen folgen. Bittere Erkenntnisse, die Hoffnung, die zuletzt stirbt, die „Wende“, das Ende, die Suche nach einem neuen Weg. Nach 35 gemeinsamen Jahren schaue ich zurück.
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Ostwind oder Zwei Himmelsstürmer und ihre ganz persönlichen Katastrophen Zu größerer Klarheit über seine Gedanken gelangt man, indem man sie anderen klar zu machen sucht Joseph Unger Willst du über andere siegen, dann besiege dich erst selbst. Willst du andere beurteilen, dann beurteile dich erst selbst. Willst du andere erkennen, dann erkenne dich erst selbst. Asiatische Weisheit Dieses Buch richtet sich an all jene, die erfahren oder verstehen möchten und bereit sind, über diese sprichwörtliche Brücke, weiter aufeinander zuzugehen. Marga, ich danke dir.
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Einleitung Nun liegt sie hinter uns, die große Feier, auf die wir so viele Wochen hingearbeitet hatten: _ 50. Geburtstage, Einweihung unserer Villa Kunterbunt und der feste Glaube an die Gene‐ sung. _ Viele Freunde, aus allen Teilen des Landes waren angereist, um mit uns gemeinsam zu feiern. Das Fest wurde zum vollen Erfolg. Ein Höhepunkt – der Auftritt des Musikers „Hans die Geige“ – der sowohl Ohrenschmaus war als auch Gänsehautfeeling verursachte. Mein ganz persönliches Geschenk an sie und besonders meinen Mann, Dirk. Auch Wanda und Gerrit aus Holland waren zu Besuch. Ich lernte sie vor einigen Jahren als Dirks Kollegen kennen. Mittlerweile verbindet uns, auch wenn wir uns leider viel zu selten sehen, eine ostdeutsch‐holländische Freundschaft. Viele Geschichten von „damals“, lustig sowie auch nachdenklich, wurden im Laufe des Abends zum Besten gegeben. Auch ich hatte, wie immer, recht
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viel zu erzählen. Gerrit sagte zu vorgerückter Stunde zu mir: „Michaela, du solltest ein Buch schreiben.“ Er hatte sogar schon den Titel parat: „Ostwind“ würde ich es nennen! Ostwind? Ja, warum eigentlich nicht? Aus dem Osten kommen wir fast alle und Wind haben wir im Laufe der Jahre auch reichlich gemacht. Ein warmer Wind trug uns durch unsere Kindheit und Jugend. Es gab Windböen, die uns die Flügel durchschüttelten, ohne sie wirklich zu zerstören. Laue Lüftchen sorgten für Besinnlich‐ keit, Geborgenheit und kühle für Erfrischung oder auch Ernüchterung. Lieber Gerrit, ich danke dir für deine Anre‐ gung, die, so finde ich, den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Natürlich werden die folgenden Seiten und Geschichten durch meine persönlichen Eindrü‐ cke und Meinungen beeinflusst sein. Dennoch habe ich die Dinge, dafür lege ich meine Hand ins Feuer, genau so empfunden bzw. in Erinne‐ rung, wie ich sie hier zu Papier gebracht habe.
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Wenn eure Wahrheit oder Erinnerung an ver‐ gangene Zeiten oder Erlebnisse eine andere ist, seht es mir bitte nach. Denn das ist wohl das Besondere und es macht das Leben so kreativ und vielfältig. Jeder sieht, empfindet und erin‐ nert sich aus dem Blickwinkel, der ihm im Leben zuteil wurde oder den er sich selbst ausgesucht hat. Genau wie der Anblick der Farben: In vielen Facetten strahlend, wirken sie auf jeden Betrach‐ ter anders. Er liebt mich, er liebt mich nicht Ich bin 15. Es sind Sommerferien und ich habe den ersten Ferienjob. Ich arbeite an „meiner“ Schule, der Heinrich‐Zille‐Oberschule in Berlin‐ Friedrichshain, betreue dort die Ferienkinder der unteren Klassen. Man nennt es Ferienspiele. Jemand schickt mich Tee holen. Auf dem Weg in den Speisesaal schaue ich neugierig in die verschiedenen Klassenzimmer. Überall Trubel,
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spielende und lachende Kinder und Erzieher, die versuchen, den Überblick zu behalten. Manche von ihnen nicht viel älter als die Kinder, die sie betreuen. Dann plötzlich, ich traue meinen Augen kaum, sehe ich i h n. Er neckt sich gerade mit einem Mädchen und verfolgt sie um den Lehrertisch. Ich blieb wie angewurzelt stehen, sah seine strahlend blauen Augen, sah sein Lächeln und war wirklich auf der Stelle verliebt. Leider nahm er so gar keine Notiz von mir und es kostet mich einige Anstrengungen und wo‐ chenlange Geduld, bis wir uns zum ersten Mal persönlich gegenüberstehen. Weitere Wochen werden vergehen, bis er mir, auf seine ganz unverwechselbare Art, zu verstehen gibt, dass es auch bei ihm gefunkt hat. Am 7. Oktober 1975 war es endlich soweit, denn nun war klar: ‐ Wir gehen miteinander. ‐ 15‐jährig, ein Mädchen auf dem Weg zur Frau, war ich mit meinem ganzen Herzen, zu Hause angekommen. Viele Skeptiker tuschelten und gaben uns nicht viele Chancen. Das Ende war bereits, auch bei Familienmitglie‐
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dern, beschlossene Sache. Aber wir konnten sie eines Besseren belehren. In den vergangenen gemeinsamen 35 Jahren wurde unsere Liebe stets tiefer und inniger. Viel haben wir miteinander und füreinander erreicht und gemeistert. Es gab Höhen und Tiefen und ich möchte nicht verschweigen, dass wir, im Laufe dieser Jahre, natürlich auch Konflikte austrugen. Meist souverän, sachlich und leise. Aber, ich würde sonst lügen, es gab auch diese lautstarken und emotionsgeladenen Wortgefech‐ te. Ich erregt, vor Wut schon schäumend und um Fassung ringend. Er gelassen und fast immer, in solchen Situationen, entgegnend: “Ist doch gut“. Worauf es mit meiner Fassung endgültig vorbei war und mich einmal sogar dazu brachte, den Inhalt meines Rotweinglases treffsicher in seine Richtung zu schicken. Aber dennoch kamen wir niemals auf die Idee, unsere Liebe infrage zu stellen. Es galt immer: ein Leben ohne den anderen, ganz einfach undenkbar.
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Irrungen und Wirrungen Wir verbringen von nun an die Zeit, so oft es geht, miteinander, lernen uns ganz behutsam kennen und sind sehr glücklich. Uns einander körperlich zu nähern, fällt beiden schwer. So bleibt es erst einmal beim Händchen halten. Später dann wird der Mont‐Klamott*, im Volkspark Friedrichshain, zu einem unserer Lieblingsplätze. Wir genießen es, dort auf einer Bank zu sitzen und die Ruhe und Nähe zu spüren. Später nehmen wir uns an die Hand und laufen, so schnell, als ginge es um unser Leben, den Berg hinab. Unten angekommen fallen wir uns in die Arme und küssen uns befreit und zärtlich. Millionen Schmetterlinge im Bauch, die uns begleiten. Wir werden immer mutiger, erkunden und erkennen uns Schritt um Schritt. Wir reden, erleben die ersten schüchternen Berührungen und das „Erste Mal“. Meine Tage sind erfüllt von Sehnsucht, Liebe und Freude. Alles andere, so
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auch die Schule, ist, besonders zum Leidwesen meiner Eltern, nicht mehr ganz so wichtig. Mein Vater, der die Veränderungen an mir misstrauisch beobachtete, macht es mir nicht leicht. Er reagiert recht unwirsch, lautstark und oft ungerecht. Regelmäßig liegen wir uns des‐ halb in den Haaren. Natürlich wusste ich im Grunde meines Herzen, worum es ihm wirklich ging. Er liebte mich sehr und es war schwer für ihn, mich ziehen zu sehen. Aber auch ihm, wie Millionen Vätern vor und nach ihm, gelingt es nicht, den Lauf des Lebens aufzuhalten. Ein Familienurlaub ‐ übrigens der Letzte in dieser Zusammensetzung ‐ brachte dann die entscheidende Wende. Wir verlebten ihn in Diedrichshagen, im Ferienheim „Uns Hüsung“. Rechte Lust hatte ich, ehrlich gesagt, nicht. Die Trennung von Dirk fiel mir nicht leicht. Handys gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht und so war es kaum möglich, regelmäßig Kontakt zu halten.
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